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TL

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Insgesamt 40 Bewertungen
Bewertung vom 07.12.2021
In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10
Neuhaus, Nele

In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10


ausgezeichnet

Verbrechen in der Welt der Bücher

Ein rätselhaftes Verbrechen führt die Kommissare Bodenstein und Sander in die Verlagswelt. Die bekannte und polarisierende Programmdirektorin des Winterscheid Verlags ist verschwunden und alles deutet auf ein Gewaltverbrechen hin. Doch schnell stellt sich heraus, dass diese Frau nicht nur gerade gefeuert wurde, sondern auch ihren eigenen Autor des Plagiats beschuldigt hat und sich allerhand Feinde gemacht hat, die von ihrem Verschwinden profitieren.

Die Geschichte beginnt mit einem Rückblick, in dem eine Gruppe Freunde Urlaub auf einer französischen Insel macht, doch nicht alles scheint so traumhaft zu sein wie das Wetter. Dieser Einblick lässt also eine tief in der Vergangenheit verwurzelte Geschichte vermuten. Nach und nach finden wir die Personen aus der Freundesgruppe im Dunstkreis des Winterscheid Verlags wieder, doch wer wirklich noch befreundet ist und wer nur die Fassade aufrechterhält, bleibt lange undurchsichtig.

Mir hat die ganze Atmosphäre im Buch sehr gut gefallen. Die Verlagswelt als Schauplatz war für mich sehr interessant und hat durch die traditionsreiche Geschichte dieses Verlages und die ganzen Verwicklungen und Familienkonstellationen immer wieder an gute alte Edgar Wallace Filme oder Agatha Christie Kriminalromane erinnert.

Bis zuletzt traut man keiner Figur zu hundert Prozent über den Weg und verdächtigt mal diesen, mal jenen. Allerdings habe ich dann mit der Auflösung gar nicht gerechnet, die dann überraschend gut und schlüssig war. Die Autorin hat es wirklich geschafft, einen bis zum Ende miträtseln zu lassen und einen dabei doch auf die völlig falsche Spur geschickt. Zwischendrin waren auch immer wieder kleine „Easter Eggs“ versteckt, die ich richtig amüsant und spannend fand zu entdecken. Mal lässt sie ihre eigenen Werke elegant mit einfließen, mal steckt hinter den Autoren des Winterscheid Verlags ein reales Vorbild.

Obwohl dies der zehnte Band einer Reihe ist, kann man ihn wunderbar ohne Vorkenntnisse lesen. Allerdings glaube ich, dass die Geschichte einem mehr geben würde, wenn man die Vorgänger gelesen hat. Es fühlt sich teilweise an wie ein Treffen mit alten Bekannten, die man nach langer Zeit wieder sieht. Man spürt die Verbindung der Autorin zu ihren Charakteren immer wieder, besonders durch viele Einblicke in deren Privatleben und so sind die vorherigen Bände allesamt auf meiner Wunschliste gelandet.

Für mich ein rundum gelungener Krimi, den ich nicht nur absoluten Nele Neuhaus bzw. Fans der Taunus Krimireihe empfehlen würde. Die Handlung lässt immer wieder Raum zum miträtseln, mietfiebern und nimmt einen mit in die ganze Welt der Hauptfiguren. Man kann eintauchen in eine wunderbare Landschaft, die dem Ganzen eine großartige Atmosphäre bietet und an mancher Stelle förmlich nach einer filmischen Fassung schreit – und bis das soweit ist, habe ich Zeit die ersten neun Bände aufzuholen, wunderbar!

Bewertung vom 31.10.2021
Wo kommen wir denn da hin / Offline-Opa Bd.1
Habicht, Günter

Wo kommen wir denn da hin / Offline-Opa Bd.1


sehr gut

Beschäftigungstherapie für Rentner

Günter Habicht wird plötzlich in den Ruhestand entlassen. Ungünstigerweise legt zur gleichen Zeit seine Frau Brigitte ebenfalls ihre Arbeit nieder und die beiden müssen sich nun miteinander arrangieren. Keiner ist es gewohnt, den anderen so lange und oft um sich zu haben und zunächst weiß keiner damit umzugehen. Günter nutzt die freie Zeit, um allerhand Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Man stelle sich nur vor, jemand hält vor den Müllcontainern länger als drei Minuten, wo käme man da nur hin?

Lustig und humorvoll wird die Geschichte der beiden geschildert, die sich auf eine Art und Weise neu kennenlernen. Viele Situationen sind einem aus dem eigenen Alltag bekannt und man kann sie gut nachempfinden. Viel freie Zeit zu haben klingt zunächst sehr verlockend, aber wenn man nichts damit anzufangen weiß, wird es schon schwierig und der Protagonist hier, bietet einem Teils wirklich ein abschreckendes Beispiel, wie man nicht werden möchte. Es ist wichtig, Beschäftigung zu finden, die einem Spaß macht. Vielleicht aber auch eine, bei der man den anderen Leuten wegen Kleinigkeiten nicht das Leben zur Hölle macht.

Ich kannte die Bücher von Renate Bergmann vorher nicht, einer Figur in diesem Buch, über die es wohl auch schon einige Geschichten gibt. Man lernt sie auch hier etwas kennen. Vermutlich ist sie ein ähnlich schwieriger Charakter wie Günter Habicht. Für ihn selbst scheint nämlich die penible Einhaltung aller möglichen und unmöglichen Regelungen nicht zu gelten, Stichwort Marmelade im IKEA Restaurant abfüllen. Was mich auch rätseln lässt: Günter verpasst es nicht, an einigen Stellen seine Aversion gegenüber Technik, Internet, Smartphones und insbesondere Computern zu erwähnen, diese Dinge würde er nicht anfassen. Gegen Ende der Geschichte schiebt er allerdings einen Schreibfehler auf die Autokorrektur… Hat er also mal wieder seine eigenen Regeln missachtet?

Alles in allem eine nette Geschichte zum Zeitvertreib, die einem vor Augen führt, dass die eigenen Nachbarn vielleicht doch gar nicht so übel sind. Hauptsache man wohnt nicht neben Günter Habicht. Eine lustige Lektüre für zwischendurch, vielleicht auch gerade für alle, die selbst in dieser neuen, ungewohnten Situation gelandet sind.

Bewertung vom 09.10.2021
Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2


ausgezeichnet

Auch der zweite Teil ist wieder ein wahrer Glanz

Die Inflation beginnt immer mehr das Leben in der Hauptstadt zu bestimmen. Kaum Einer kann sich für sein Geld noch irgendetwas leisten, da der Wert zwischen den Fingern zerrinnt. Gleichzeitig ist der Frust über den verlorenen Krieg und die Hoffnung auf eine Revanche in manchen Kreisen deutlich zu spüren. In all diesen Wirren treffen wir wieder auf unsere Protagonistinnen und die Personen in ihrem Umfeld. Magda und Kommissar Kuno Mehring versuchen sich gemeinsam eine Zukunft aufzubauen, während die Fürsorgerin Ina immer mehr an dem tagtäglichen Leid zu zerbrechen scheint. Celia schwebt in neuem Liebesglück, während sie stark für ihre Selbständigkeit kämpft. Doris, die sich angestrengt bemüht, ein Glanz zu werden, wurde zuletzt niedergestochen, ob sie ihr Ziel in diesem Band erreichen wird?

Wie auch schon bei dem ersten Band, hätte mir das Cover besser gefallen, wäre das Hintergrundbild – der Kaisersaal im Hotel Adlon? - im Vordergrund gestanden. Allerdings fand ich bei Band 1 den Buchrücken richtig toll und der ist es ja eigentlich, den man am häufigsten sieht, deswegen finde ich es sehr schade, dass dieser Teil nicht im gleichen Stil gehalten wurde.

Im zweiten Teil der Reihe um die Polizeiärztin Magda Fuchs, ist der Fokus sehr stark auf die Selbstbestimmung der Frau gelegt und weniger auf Verbrechen oder das Elend der Kinder. Für mich war diese Ausrichtung sehr spannend, da einem dadurch bewusst wird, wie weit die Frauen damals schon waren und welche Anstrengungen sie für ein bisschen Freiheit auf sich nehmen mussten. Von irgendwelchen verrückten Regelungen und dem Recht der Männer, in gewissen Punkten über ihre Frauen bestimmen zu dürfen, mal ganz abgesehen. Magda will mit Ina und der Hilfe anderer Frauen Aufklärung betreiben und den Frauen im Milieu Möglichkeiten aufzeigen, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, die die Familien in noch mehr Armut stürzen würden.

Auch hier war der Schreibstil wieder wunderbar, man konnte das Buch sehr gut und schnell durchlesen und wirklich jede Figur hat ihren Platz gefunden und wurde liebevoll und detailliert weiter ausgearbeitet. Am meisten hat mich gefreut, die Entwicklung von Celia mitzuverfolgen. Sie wird zu einer starken Frau, die nicht mehr über sich bestimmen lassen will und dafür sehr viel opfert. Oft stehen die Charaktere vor schwierigen Entscheidungen, für die es kein klares ja oder nein gibt und der Leser bekommt die Dilemmata mit, in denen sie stecken. So bekommt man viele Denkanstöße und fragt sich, wie man selbst wohl entscheiden würde.

Für mich im Allgemeinen ein spannendes Jahrzehnt, das in dieser Reihe wieder von einer anderen, interessanten Seite beleuchtet wird. Leider nimmt man auch den langsam aufkeimenden Nationalsozialismus wahr, der wohl im nächsten Band eine noch präsentere Rolle einnehmen wird. Auf jeden Fall freue ich mich bereits auf ein Widersehen und wer weiß, vielleicht ist Kuno während seiner Zeit in der Carmerstraße sogar mal dem Kollegen Gereon Rath begegnet?

Eine klare Empfehlung für alle, die schon den ersten Band gerne gelesen haben. Dieser ist zwar empfehlenswert zu kennen, allerdings für das Verständnis kein muss. Für Alle, die mehr über die nicht immer goldenen 20er erfahren wollen, definitiv lesenswert.

Bewertung vom 01.09.2021
SCHWEIG!
Merchant, Judith

SCHWEIG!


sehr gut

Hassliebe

Familie kann man sich nicht aussuchen ist wohl der Gedanke von Esther, als sie am Tag vor Weihnachten den Weg zu ihrer Schwester auf sich nimmt. Diese führt einen komplett gegensätzlichen Lebensstil als die kleine Familie und wohnt alleine und abgeschieden im Wald. Auch sie frohlockt nicht gerade bei dem Gedanken an den alljährlichen Besuch ihrer Schwester. Während Sue diesen Pflichtbesuch nur möglichst schnell hinter sich bringen will, möchte Esther vor allem sicher gehen, dass es ihrer Schwester gut geht, doch nach und nach beschleichen sie immer mehr Zweifel, gerade wenn sie an die Katastrophe des letzten Weihnachtsfestes denkt…

Der Schreibstil ist unglaublich fesselnd und man taucht sofort in die Geschichte ein. Zunächst erlebt man die ganzen Ereignisse aus der Sicht von Esther, die mit ihrer Familie allerhand Vorbereitungen vor dem Weihnachtsfest organisieren muss. Ihr Mann ist nicht begeistert davon, dass sie ausgerechnet an diesem stressigen Tag ihre Schwester besuchen muss, da dies immer in Streitigkeiten endet. So beginnt der Leser sich ein erstes Bild von dieser Schwester zu bilden. Genialerweise wendet sich das Blatt jedoch bald und man liest erstmals die Ereignisse aus Sue’s Sicht und entwickelt auch für ihre Ansichten Verständnis. Die Autorin spielt geschickt mit den vorgefertigten Eindrücken, die man sich über eine Person, nur aufgrund von Erzählungen, bildet.

Dieses Spiel zieht sich einige Zeit durch das Buch, bis man auch Einblicke in die Kindheit der Schwestern und die Sicht von Esthers Mann bekommt und immer mehr Details aus deren Leben enthüllt werden. Wenn man zunächst davon ausgegangen ist, die beiden hätten einfach sehr wenig gemeinsam, so stellt man bald fest, dass in dieser Beziehung mehr im Argen liegt.

Das Buch war die meiste Zeit spannend, auch wenn mir zwischendurch das Hin und Her etwas zu viel wurde. Die Auflösung ist durchaus gelungen und interessant, allerdings konnte ich mich damit nicht wirklich anfreunden, da es zum einen recht abrupt endet und ich es, nachdem man die Charaktere nun sehr gut kennt, für etwas unwahrscheinlich halte.

Die Bezeichnung „Psychothriller“ passt perfekt zu diesem Buch. Eine Empfehlung für alle, die es mögen, wenn mit vorgefestigten Ansichten gespielt wird und am Ende doch alles ganz anders ist. Spannung ist bis auf ein paar kleinere Durchhänger gut vorhanden, sodass man das Buch wirklich zügig beenden kann.

Bewertung vom 28.08.2021
Muttl auf Reisen
Bauer, Irmgard Rosina

Muttl auf Reisen


ausgezeichnet

Witzige und inspirierende Reiseberichte

Wie der Titel schon verspricht, begleiten wir in „Muttl auf Reisen“ die Autorin in fünf Ausschnitten auf ihren Reisen. Es handelt sich um den zweiten Teil einer Reihe, den Ersten habe ich bisher leider nicht gelesen, hatte allerdings keinerlei Probleme ohne etwaiges Vorwissen diese Fortsetzung zu lesen, da es sich um eigenständige Reiseberichte handelt. Rosi, Mutter und Abenteurerin, nimmt uns mit auf fünf ausgewählte Reisen, die sie mal mit Familie, mal ganz allein antritt.

Die Autorin schildert ihre Berichte herrlich witzig und humorvoll und man kann beinahe selbst das Kribbeln spüren, als sie befürchtet, Wanzen könnten ihr Zimmer in Padang Bai befallen haben. Man merkt während des ganzen Verlaufs, was Rosi für eine tolle Familie hat. Nicht nur, dass sie für längere Zeit mit ihrem Sohn in einem Van haust und den Lebensstil eines modernen Hippies führt, sondern auch zusammen mit all ihren Kindern und ihrer Mutter in ein Dorf nach Rumänien reist, in dem die Zeit still zu stehen scheint, ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Für mich war die Einstellung der Abenteuerlustigen Rosi total erfrischend und faszinierend. Sie ist mutig, offen und hat eine (für Eltern) überraschend „gesunde“ Ansicht, was die Grenze zwischen dem, was ihr Sohn freiwillig aus seinem Privatleben preisgibt und was sie darüber hinaus erfahren könnte, betrifft. Damit hat sie wohl einen der wichtigsten Schritte im „Loslassen“ Prozess bewältigt, worauf sich eine wirklich gute und starke Beziehung mit ihren erwachsenen Kindern bauen lässt, die Perspektive hat. Zum Schluss hin wird es auch nochmal richtig philosophisch und man hat über das Buch hinaus noch Stoff zum Nachdenken.

Für mich war diese Reise insofern spannend, als das ich einen anderen Blickwinkel kennen lernen durfte, da ich nur die Sichtweise der Kinder, die mit ihren Eltern verreisen, kenne. Ich bin froh, ein Stück auf dieser tollen Reise dabei gewesen zu sein und nehme die ganz wichtige Erkenntnis mit, dass man die wahren Abenteuer nur erleben kann, wenn man die gemütliche Sicherheit hinter sich lässt.

Das Buch kann meiner Meinung nach uneingeschränkt empfohlen werden. Es ist kurzweilig und bietet amüsante, spannende Unterhaltung nicht nur für Reiselustige, sondern auch für Eltern, die selbst mit dem Loslassen zu kämpfen haben. Alle anderen begleiten eine Frau, die vor nahezu nichts zurückschreckt auf spannenden Reisen, vom Wandern in der Wildnis der Türkei bis in eine zwielichtige Krankenstation in Padang Bai.

Bewertung vom 19.08.2021
Die Teehändlerin / Die Ronnefeldt-Saga Bd.1
Popp, Susanne

Die Teehändlerin / Die Ronnefeldt-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Auf den Spuren des Tees und einer starken Frau

Tobias und Friederike Ronnefeldt führen ein glückliches Leben: Sie haben vier wunderbare Kinder und einen florierenden Teehandel in Frankfurt. Als sich Tobias zu einer Reise nach China entschließt, um den Geheimnissen des Tee Anbaus auf die Spur zu kommen, lässt er seine schwangere Frau mit den Kindern zurück, die sich einem unangenehmen Widersehen stellen muss. Ihr Mann hat einen ehemaligen Bekannten zum Prokuristen gemacht und Friederike traut ihm nicht über den Weg. Deshalb nimmt sie, ungewöhnlich und fast schon verachtet für eine Frau ihres Standes, die Geschäfte selbst in die Hand und lüftet so manch dunkles Geheimnis.

In „Die Teehändlerin“ begleitet man hauptsächlich Friederike in ihrem Alltag, der sie vor die unterschiedlichsten Herausforderungen stellt. Die Idee gefällt mir sehr gut: Eine Frau, die sich zu dieser spießbürgerlichen Zeit „anmaßt“ ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen als dem Haushalt und dem Wohlergehen ihres Mannes zu widmen und sich in den Beruf eines Kaufmannes einarbeitet. Mit Hilfe einiger modern eingestellter Bekannten, findet Friederike den Mut und eignet sich das Wissen an, um die Geschäfte selbst führen zu können. Man spürt förmlich ihre Motivation und es macht Freude, sie dabei zu begleiten, wie sie geschickt den total von sich eingenommenen, verblendeten Prokuristen überlistet.

Allerdings wird nicht nur das Leben der Familie Ronnefeldt und ihrer Teehandlung betrachtet, sondern auch deren Umfeld und die politische Stimmung zu dieser Zeit. Man fühlt einen Umbruch in der Luft liegen und lernt Figuren kennen, die für und gegen eine Demokratie einstehen. Man erfährt darüber hinaus auch detailliert die Sorgen und Probleme von Verwandten und Freunden. Dadurch hat das Buch eine gewisse Länge, da unglaublich viele Figuren und Orte und Geschichten erzählt werden.

Die Geschichte gleicht einer Abenteuerreise, da sie nicht zuletzt genau solch eine beinhaltet, aber auch für den Kampf der Frauen um Selbständigkeit und Eigenbestimmung. Dabei hat die Autorin auch ganz raffiniert eine Figur vorgestellt, die auf geschickte Weise die Unterschiede zwischen Mann und Frau verschwimmen lässt und den Protagonisten sicher einiges zu Denken beschert hat. Fraglich ist, ob die unglaublich steifen und eingeschränkten Grundsätze zur Zeit des Biedermeiers wirklich so überwunden worden wären, allerdings hat es sich so wunderbar gelesen und in die Geschichte eingefügt. Allgemein fällt meistens auf, wenn die Fiktion die Realität ablöst, aber genau diese Mischung war ja auch so gewollt.

Ich bin immer wieder begeistert, wenn die Geschichte von wichtigen Persönlichkeiten erzählt wird, die vielen nicht bekannt sind. Die Autorin hat besonders Friederike Ronnefeldt eine wunderbare und verdiente Bühne beschert. Auch über das Buch hinaus habe ich mich so in die Welt des Tees und auch der bis heute bestehenden Firma Ronnefeldt vertieft und konnte viel Interessantes dazu lernen. Da es sich größtenteils um nicht fiktive Charaktere handelt, steht uns im zweiten Teil wohl eine schwere Reise bevor. Ich freue mich jedoch schon darauf, weiterlesen zu können und empfehle dieses Buch allen, die historische Romane mögen. Gerade da sie auf echten Lebenswegen basiert, verleiht das dem Ganzen Authentizität und eine ganz andere, spannende Note.

Bewertung vom 16.08.2021
Die Nacht - Wirst du morgen noch leben? / Björk und Brand Bd.2
Beck, Jan

Die Nacht - Wirst du morgen noch leben? / Björk und Brand Bd.2


ausgezeichnet

Die Nacht bricht an

Ein Bild, wie aus einem Horrorfilm, das sich verschiedensten Menschen auf dem PC bietet: Kahlgeschorene Personen, die in Glaszylindern gefangen sind während um sie herum eine gewaltige Kettenreaktion aus Dominosteinen in Gang gerät, die die nächste Person auf grausame wie exzentrische Art und Weise umbringt. Der Nachtmann, wie sich der Urheber des ganzen Schreckens nennt, bietet den Gefangenen allerdings jeweils eine Überlebenschance, in dem er den Menschen vor den Bildschirmen Aufgaben stellt und sie selbst über Leben und Tot urteilen lässt. Schaffen es die Ermittler Björk und Brand die Gefangenen rechtzeitig zu retten oder walten die Fremden über das Schicksal der ihnen völlig Unbekannten?

Auch in ihrem zweiten Fall, trifft das ungleiche Ermittlerduo nicht ganz freiwillig aufeinander. Brand wird in einen Kunstfälscher Skandal verwickelt und Björk beobachtet das Geschehen im Stillen. Als sie dann jedoch diesen Fall übertragen bekommen, verbeißen sich beide kompromisslos in dessen Auflösung und die Rettung der Menschen. Allerdings lernt man die Beiden auch im Verlauf dieses Buches nicht sehr viel besser kennen, obwohl sie mir durchwegs sympathisch sind und so wenigstens kein Spannungsabbruch durch Erzählungen aus deren Leben aufkommt.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Ganz besonders fällt einem dabei die Sicht des kleinen Jungen Benjamin auf, die der Autor so kindlich darstellt, dass man wirklich das Gefühl hat alles durch die Augen eines Grundschülers wahrzunehmen.

Nach und nach wird klar, weswegen diese Personen ausgewählt und in die Zylinder gesteckt wurden. Alles steht in einem viel größeren Zusammenhang als gedacht und furchtbare Geheimnisse, die vertuscht werden sollten, werden enthüllt.

Für mich war auch dieser zweite Teil Hochspannung pur und wohl einer der außergewöhnlichsten Thriller, die ich seit Langem gelesen habe. Dass hier nicht alles nach einem gewohnten Schema abläuft, finde ich genial. Auch das Ende ist man so nicht unbedingt gewohnt und vielleicht gerade deshalb so gelungen. Bis man allerdings dort angelangt, schafft es der Autor immer wieder einen auf falsche Fährten zu locken, weswegen man am Ende nur noch staunen kann und von diesen Wendungen vollkommen überrascht wird. Die Themen, die hier, auch unterschwellig, angeschnitten werden, regen einen selbst zum Nachdenken an. Gerade das Spiel mit Moral/Selbstjustiz ist so erschreckend wie genial und leider auch nur zu realistisch. Dass sich Menschen anstacheln lassen, ohne sich selbst eine Informationsgrundlage zu schaffen klingt momentan nur zu vertraut. Und falls dann tatsächlich etwas schreckliches passiert, wer trägt die Schuld? Derjenige der die Menschen dazu aufhetzt oder diejenigen, die sich anstacheln lassen?

Das Ende bietet Hoffnung für eine Fortsetzung von Björk und Brand und ich kann es kaum erwarten. Da ich das Glück hatte, diesen zweiten Teil im Zuge einer Leserunde auf Lovelybooks zu lesen, hatte ich mir den ersten Teil zuvor gekauft, dachte mir aber, dass ich ihn vermutlich erst danach lesen werde und nur mal die ersten Seiten überfliege. Soviel kann ich verraten: Das hat absolut gar nicht funktioniert. Wer einen Thriller von Jan Beck einmal in der Hand hat, kann ihn nicht mehr weglegen und liest ihn womöglich in einem Rutsch zu Ende. Eine ganz klare Empfehlung für alle Thriller Fans. Eine grandiose Mischung zwischen Psychothriller, durchgehender Spannung und spannenden Charakteren.

Bewertung vom 02.08.2021
Die Gottesmaschine
Kleindl, Reinhard

Die Gottesmaschine


sehr gut

Der Graben zwischen Wissenschaft und Religion, den es nicht bräuchte

Bischof Lombardi wird von einem alten Freund in ein Kloster geschickt, da dieser sich Sorgen um seinen Ziehsohn, Pater Sébastien macht. In diesem Kloster wird der Versuch unternommen, Glaube und Wissenschaft zu vereinen. In den alten Gemäuern befindet sich ein Supercomputer, an dem Wissenschaftler aus aller Welt ihre Forschung betreiben können und es sieht so aus, als hätte Sébastien dabei eine alles verändernde Entdeckung gemacht. Da davon nicht alle Ordensleute begeistert sind, trifft Lombardi nicht nur auf viele Geheimnisse, sondern auch auf gefährliche Widersacher, die die Veröffentlichung der Ergebnisse um jeden Preis verhindern wollen.

Ab der ersten Seiten hat man ein ungutes Gefühl. Lombardi wird nicht gerade herzlich aufgenommen und auch mit Informationen halten sich die Äbte sehr bedeckt. Im Laufe der Geschichte lernt man den Bischof zwar besser kennen, erfährt das ein oder andere aus seiner Vergangenheit, trotzdem ist er für mich bis zum Ende nicht wirklich greifbar geworden. Die Figur bleibt distanziert und würde es nicht ab und zu erwähnt werden, würde man ihn auch nicht für einen Mann der Kirche halten. Nichtsdestotrotz ist er ein sympathischer Protagonist. Zur gleichen Zeit befindet sich die Wissenschaftlerin Samira Amirpour für ihre Forschung im Kloster. Ihren Charakter finde ich klasse. Sie weiß ruhig und gelassen Vorurteile mit rationalen Argumenten gegenüberzutreten und sie zu entschärfen. Mit Hilfe dieser beiden Charaktere, schafft es der Autor ganz nebenbei auf verständliche Weise Erklärungen zu religiösen Sachverhalten und Phänomenen der Elementarphysik einfließen zu lassen.

Allerdings gibt es auch ein paar Kritikpunkte. Davon abgesehen, dass ich einen Supercomputer definitiv nicht als göttlich betrachte, gibt es die ein oder andere Situation, die, zumindest für mich, unlogisch erscheinen. Oft ist nicht so ganz klar, wie manches abgelaufen sein soll. Außerdem werden zwar einige Handlungsstränge angeschnitten, aber nicht alle konsequent zu Ende erzählt.

Mir persönlich hat auch etwas die mystische Spannung gefehlt. Die alten Gemäuer, uralte, geheime Bücher und Rituale hätten so viel Spielraum dafür hergegeben. Teilweise tauchen Zeichen und Rätsel auf, deren Lösung aber dann recht rasch vonstattengeht. Vielleicht hat man auch trotz der Bemühung, jedes Buch als eigenständiges Werk zu sehen, die bekannten Werke dieses Genres im Hinterkopf und zieht, auch unfairerweise, Vergleiche.

Dieses Genre anzugehen finde ich definitiv mutig. Denn jede begonnene Geschichte braucht nun mal ein Ende, egal wie es aussieht. Einerseits bin ich hier schwer zufriedenzustellen, vermutlich kann es aber auch einfach kein Ende geben, welches nicht utopisch ist. Dementsprechend war ich vom Ausgang dieser Geschichte leicht enttäuscht. Jedoch warten nochmal einige Wendungen auf, mit denen man sicherlich nicht gerechnet hat und dem Ganzen im Endspurt nochmal richtig Spannung verleihen.

Insgesamt steigt die Spannung mit fortlaufender Geschichte immer mehr an. Man lernt viel über die spannenden Grundkonzepte der Physik und im Bereich der Supercomputer. Die Protagonisten begleitet man gerne durch die Handlung und wird am Ende nochmal richtig überrascht. Für mich ein durchaus lesenswertes Buch mit kleineren Schwächen, die dem Lesevergnügen aber wenig Abbruch tun. Von mir vier Sterne, da ich trotz diesen Kritikpunkten die Lesezeit sehr genossen habe. Als allerletztes erwartet den Leser noch ein Rätsel, welches aufmerksamen Rätselfreunden nochmal ein paar spannende – zumindest in meinem Fall leider – Stunden schenkt. Für mich ein definitiv gelungenes Extra.

Bewertung vom 13.07.2021
Die Verlorenen / Jonah Colley Bd.1
Beckett, Simon

Die Verlorenen / Jonah Colley Bd.1


sehr gut

Interessanter Auftakt mit Luft nach oben für die Fortsetzungen

Jonah Colley wird eines Abends von einem ehemaligen Freund angerufen und in eine alte Lagerhalle am Slaughter Quay bestellt. So düster der Name klingt, so düster die Szenerie, die sich Jonah offenbart als er dort eintrifft. Neben der Leiche seines Freundes bemerkt Jonah, dass weitere Menschen in Plastikfolie und Branntkalk eingewickelt wurden und einer davon lebt. Als er versucht die Frau zu befreien, wird er selbst überwältigt. Er schafft es, sich mit letzter Kraft zu befreien und findet sich mit schweren Verletzungen und als Hauptverdächtiger im Krankenhaus wieder. Es scheint, als würde alles mit einem zehn Jahre alten Fall zusammenhängen, der Jonahs Leben erschüttert hat und ihn und sein Umfeld auch jetzt wieder in das Fadenkreuz des Killers zu ziehen droht.

Für mich war „Die Verlorenen“ das erste Buch von Simon Beckett, weswegen ich hier keine Vergleiche zu den vorangehenden Bestsellern ziehen kann. Ich habe das Buch mit der Erwartungshaltung eines recht brutalen, grausigen Thrillers begonnen, muss aber sagen, dass dies nicht der Fall war, was aber keinesfalls negativ zu bewerten ist. Es war eine ausgewogene Mischung aus Spannung und Brutalität, wobei ich die in „Kokons“ eingewickelten Menschen zu Beginn mit Abstand am Gänsehauterregendsten gefunden habe. Der Schreibstil hat mir wahnsinnig gut gefallen. Er war detailliert, aber nicht unnötig und kam mir rund und stimmig vor.

Einzelne Elemente habe ich als recht vorhersehbar empfunden, was mich hier allerdings nicht gestört hat, da man so die Gelegenheit hatte mitzurätseln und nicht urplötzlich, aus heiterem Himmel ein/e TäterIn vom Himmel fiel. Allerdings musste ich manche Stellen mehrmals lesen, um gewisse Zusammenhänge nachvollziehen zu können. Gewisse Vorgänge sind mir aber auch jetzt noch nicht ganz schlüssig.

Alles in allem ist es ein spannender Thriller, der sich gut und zügig lesen lässt. Da es der erste Band einer Reihe ist, endet er mit einem kleinen, aber nicht zu schmerzlichen Cliffhanger, der mich eher wundern lässt, wie daraus ein ganzer nächster Fall wird, aber ich bin gespannt und freue mich darauf.

Bewertung vom 14.06.2021
Die Karte / Kerner und Oswald Bd.4
Winkelmann, Andreas

Die Karte / Kerner und Oswald Bd.4


gut

Spannendes Thema endet in ungeklärten Fragen

Als Lennart Wolff eines Abends den Müll rausbringt, beobachtet er eine Person, die das Haus seiner Nachbarinnen ausspioniert. Er versucht ihn zu stellen und liefert sich eine Verfolgungsjagd, bei der der Angreifer ihm ein Messer ins Auge rammt. Kurz darauf begibt sich eine der beiden Frauen aus dem Nachbarhaus zu ihrer abendlichen Joggingrunde, schaltet aber nach einiger Zeit einen Alarm in ihrer Lauf-App, da sie sich beobachtet vorkommt. Gleichzeitig beobachtet Kommissarin Becca Oswald, wie ein Mann mit einem abgetrennten Fuß auf dem Gepäckträger eines Fahrrads durch die Straßen fährt.

Der Thriller startet spannend, mit gewohnt vielen Handlungssträngen, die alle vielversprechend klingen. Der Leser bekommt Einblicke in den bedrückenden Alltag eines Mädchens, welches vom Vater verlassen wird und von der Mutter seither darauf getrimmt wird, alle Männer zu hassen. Gleichzeitig kommen immer wieder kurze Szenen, in denen der Wahnsinn des Mörders Stück für Stück enthüllt wird. Die Kommissare tappen lange im Dunkeln und erst ganz langsam werden Verbindungen und Zusammenhänge klar.

Was mir gut gefallen hat war eindeutig die Spannung, die relativ gleichmäßig vorhanden war und sich zum Ende hin nochmal steigern konnte. Auch die Ermittler waren mir wieder sympathisch und man hat sie gerne bei ihrer Arbeit begleitet. Das Buch hat es geschafft, einen oft mit bedrückter Stimmung und etwas nachdenklich zurück zu lassen, was gar nicht so einfach ist.

Leider überwiegen die negativen Punkte bei diesem Thriller. Zwar kann man nicht ins Detail gehen ohne zu viel spoilern, aber einige Dinge waren einfach unlogisch. Das blinde Hineinlaufen in die Gefahr und auch der Prozess, welcher zu dieser Tat motiviert haben, laufen so nicht ab, um es einmal kryptisch zu formulieren. In dem Thriller wird gleichzeitig noch ein weiteres Thema behandelt: Unsere Männerdominierte Gesellschaft und wie sich Frauen darin behaupten müssen. Leider fand ich das Ganze nicht wirklich gut umgesetzt. Es gibt so viel mehr als notorische Frauenhasser und auf der anderen Seite notorische Männerhasser. Mal ganz davon abgesehen, dass wir das Klischee der männerhassenden Lesben doch bitte langsam mal wirklich hinter uns lassen könnten. Gerade da wir so viel Einblick in die Entwicklung eines der Charaktere bekommen, müsste dessen Hass auf Männer und Frauen recht ausgeglichen sein. Da immer wieder betont wurde, um was für selbständige, toughe Frauen es sich handelt, wäre es doch vielleicht schöner gewesen, die Beiden ein Stück dabei zu begleiten, wie sie gewisse Hindernisse meistern, anstatt erst mal alles zu verteufeln, was ein Mann von sich gibt. Der nächste Punkt, der mir nicht wirklich einleuchtet: Was ist mit dem eigentlichen Thema passiert? Laut Titel und Klappentext geht es um Fitnesstracker und im weitesten Sinne die Gefahren des Internets. Mitnichten ist das jedoch Thema in dem Thriller. Deswegen ist mir auch überhaupt nicht klar, welches Motiv den Täter zu seinen späteren Werken motiviert hat bzw. allgemein zu der Art der Umsetzung. Die Auflösung lässt mich etwas verwirrt zurück, da dem Täter nun nicht der Platz oder das Genie eingeräumt wird, auf das im ganzen Buch hingewiesen wird.

Mein Fazit: Leider konnte, für mein Empfinden, dieser Teil nicht mit den Vorigen mithalten. Oft hat der Zusammenhang gefehlt: Wieso die Karte, wieso die App? Das Thema an sich wäre doch so genial gewesen! Über die teils unlogischen Stellen hätte ich gerne hinwegsehen können, allerdings lässt einen das Ende dann wieder mit einem Haufen ungeklärter Fragen zurück. Auch fand ich das Thema Emanzipation, falls es darauf denn abzielen sollte, nicht glücklich umgesetzt. Nichtsdestotrotz konnte ich den Thriller an einem Tag lesen, da er ein recht durchgängiges Spannungsniveau hatte was ein Beiseitelegen schwer machten. Vor allem die Ermittler reißen noch mal einiges an Sympathiepunkten raus und lassen mich etwas versöhnter mit dem Thriller zurü