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Top-Rezensenten Übersicht

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MAD-Moiselle
Wohnort: 
Bochum

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2020
Liebe machen
Wolff, Moses

Liebe machen


ausgezeichnet

Flowerpower und Oktoberfest

*** MEINUNG ***
Liebe machen handelt von einer schicksalhaften Liebe. Der Autor erzählt nicht nur eine fantasievolle und zauberhafte Liebesgeschichte, die sich über ein halbes Jahrhundert erstreckt, sondern macht daraus einen Gesellschaftsroman. Da mir in jungen Jahren etwas Ähnliches widerfahren ist, konnte ich mich ausgezeichnet in die Protagonisten hineinversetzen, was den Lesespaß steigerte. Durch den ruhigen, poetischen Schreibstil, der durch humorvolle Unterton gekennzeichnet ist, wurden die gut charakterisierten Figuren lebendig.

Wir schreiben das Jahr 1970. Dagmar träumt in Köln einen Traum. Götz träumt den gleichen Traum in Hamburg. Die Protagonisten begegnen einander das erste Mal beim Love-and-Peace-Festival auf Fehmarn. Ein zweites Mal am 19. September 1970 auf dem Münchener Oktoberfest. Ein dramatisch magischer Moment, der auf den Leser überspringt. Und nun begibt sich der geneigte Leser auf eine Zeitreise. Moses Wolff lässt fünf Jahrzehnte Revue passieren. Wir begleiten die Liebenden durch ihre Leben, das von Höhen und Tiefen, vom Suchen und Finden der Liebe geprägt ist. Spannend finde ich an dieser Geschichte, dass sich die Protagonisten in völlig unterschiedliche Richtungen entwickeln, in Gedanken jedoch immer beieinander sind. Bei Wolffs Streifzug durch die Jahrzehnte wird der Leser nicht nur Zeuge großer Weltgeschichte, auch Ereignisse aus der Musik-, Film- und Unterhaltungsbranche werden hier gut recherchiert in die Story eingebaut, dass ich mich im Nachhinein frage, was dem Autor eigentlich wichtiger war, und ob die Protagonisten nicht vielleicht nur ein Gerüst bildeten, um die Rückblende überhaupt zu ermöglichen? Das ist jetzt aber völlig egal, denn der Roman liest sich wunderbar!

*** FAZIT ***
Eine wunderschöner Sommerlektüre, die man unbedingt gelesen haben sollte, denn - Obacht! - hier findet das Oktoberfest statt. 5 Sterne und eine klare Lese-, Kauf- und Geschenkempfehlung.

Bewertung vom 08.08.2020
Alles Geld der Welt
Loibelsberger, Gerhard

Alles Geld der Welt


ausgezeichnet

Sehr belustigend, beruhigend und ernüchternd zugleich!

*** MEINUNG ***
Obwohl Der Kuss von Gustav Klimt erst 1908 fertiggestellt wurde, hat sich der Autor laut eigener Aussage bewusst für dieses Gemälde als Titelbild entschieden, weil es die Wollust, die Gier nach Geld und das ausschweifende Leben ausdrückt. Durch das Cover reiht sich das Buch optisch gut neben seine anderen Bände ein. Auch das Layout finde ich sehr ansprechend gestaltet. Der Schreibstil ist wie gewohnt in Wiener Mundart gehalten, was dem Roman eine besondere Note verleiht. Wer diesem Dialekt nicht mächtig ist, schaut im Glossar nach, welches der Autor eigens für treue Leser aus Deutschland angelegt hat. Die Dialoge sind dem Bildungsstand der sprechenden Figuren angepasst, wodurch das Geschehen auflebt sowie glaubhaft und authentisch wirkt. Neben real existierenden Personen hat der Autor die fiktiven Protagonisten eingefügt.

Gut finde ich gleich zu Beginn das Verzeichnis der historischen Personen. Zwischen Prolog und Epilog sind sieben Kapitel (Januar–Juli) eingebettet. Es ist Gründerzeit in Österreich. Wir schreiben das Jahr 1873 und wir befinden uns in der Weltmetropole Wien. Die Menschen fiebern euphorisch der fünften Weltausstellung entgegen. Weit verbreiteter Optimismus sowie allgemeine Sorglosigkeit führen zu einer Spekulationsblase und die Aktienkurse an der Wiener Börse steigen in astronomische Höhen. Nur der jüdische Geldverleiher Aaron Rosenstrauch kann dies alles nicht mehr genießen, denn er stirbt. Seinem Sohn Baron Heinrich von Strauch hinterlässt er ein beträchtliches Vermögen. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Ernst Haver Huber investiert besagter Sohn das geerbte Geld sowohl in ein eigenes Bankhaus als auch in Aktien. Während Ernst Haver sich um das Geschäftliche und die Finanzen kümmert, wirft Heinrich erfolgreich das mühelos erworbene Vermögen mit beiden Händen zum Schornstein hinaus und schenkt seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Frauenwelt. Aber er investiert auch einen großen Betrag in die Weltausstellung, was ich persönlich jetzt gar nicht unbedingt negativ bewerte. Hintergrundinformationen in Form von Zeitungsartikeln und Expertenmeinungen von damals runden die Stimmung und Handlung ab. Die Zeit vor dem Gründerkrach wird von Arroganz und Hochmut bestimmt, und jeder will ein Stück vom großen Kuchen abhaben. Normal.

Am 1. Mai 1873 eröffnete Kaiser Franz Joseph die Weltausstellung mit den Worten, dass Österreich-Ungarn nach allen Richtungen in erfreulichem Aufschwung begriffen sei. In den Morgenstunden des 9. Mai 1873 brach der Damm. Als erster musste Adolf Petschek seine Zahlungsunfähigkeit bekannt geben, der als König der Maklergeschäfte galt. Die Insolvenz seines Bankhauses erzwang die zeitweilige Aussetzung des Börsenverkehrs und gab das Signal zum allgemeinen Zusammenbruch. Noch am selben Vormittag folgten 120 weitere Bankeninsolvenzen. Um 13:00 Uhr wurde die Börse polizeilich geschlossen. Dieser Tag ist auch als Schwarzer Freitag in die Geschichte der Wiener Börse eingegangen.

Gut zu wissen, dass sich in dieser Hinsicht bis heute nichts Wesentliches geändert hat. Das beruhigt ungemein. Im Großen und Ganzen bin ich mit den dargestellten Charakteren zufrieden, nur Baron Heinrich von Strauch tanzt ein bisschen aus der Reihe, vielleicht hat er sich zu oft die Nase gepudert? Er wirkt übertrieben aufgedreht, triebhaft und rücksichtslos und dann leugnet er auch noch zu allem Überfluss seine jüdische Verwandtschaft. Na gut, vielleicht war das damals so üblich.


*** FAZIT ***
Geld regiert die Welt. Geld macht stark. Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt. Geld ist nicht alles, Gold und Diamanten, Aktien und Immobilien, teure Autos und schöne Jachten müssen auch noch drin sein. Die Geschichte ist spannend geschrieben. Das ausschweifende, historisch bunte Treiben wurde hier sehr treffend, lehrreich und auf amüsante Weise mit satirischen Zügen in Szene gesetzt. Ich vergebe 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.08.2020
Wir verlassenen Kinder
Leidenfrost, Lucia

Wir verlassenen Kinder


gut

Kinder an die Macht

Meinung
Beworben hatte ich mich wegen des schön gestalteten Titelbildes und der Inhaltsangabe, die mich stark an Herr der Fliegen erinnerte. Über den Gewinn hatte ich mich auch sehr gefreut. Das Format ist handlich und die Haptik ist für Unterwegs sowie zum Weiterreichen konzipiert.
Der zeitgenössische Schreibstil hat mich positiv überrascht und gefordert. Da gibt es gar nichts einzuwenden. Den mag ich. Durch die atmosphärische Dichte war ich zwar auch einerseits sehr begeistert, sodass es mich kaum verwunderte, dass die junge Autorin ein Arbeitsstipendium des Förderkreises für SchriftstellerInnen in Baden-Württemberg erhielt, andererseits beförderte die Geschichte als solche äußerst unangenehme und ablehnende Emotionen bei mir zutage. Mir fiel es schwer, das Buch zu Ende zu lesen.
Lucia Leidenfrost lässt ein abschreckendes und düsteres Szenario entstehen. Sie unterstreicht Anonymität, indem sie ihre Protagonisten in einem fiktiven Dorf und einem namenlosen Land rebellieren lässt. Das Geschehen könnte überall stattfinden.
Nachdem zwei Dutzend Kinder im schulpflichtigen Alter von ihren Eltern, die in den Krieg ziehen, verlassen werden, leben diese nach eigenen Gesetzen. Hunger und Langeweile bestimmen zunehmend den Alltag. Dadurch entsteht eine Art naive Anarchie, die wiederum Gewalt und Ausgrenzung mit sich bringt. Das jedenfalls hält die Autorin für möglich. Ich nicht.
Mila ist eines der älteren Mädchen. Sie stellt den personifizierten Wunsch nach Ordnung und Struktur dar. Sie möchte ihre Altersgenossen unterrichten. Aber wenn das Chaos ausbricht, hilft Bildung alleine nicht weiter. Dann muss man zunächst einmal die Ärmel hochkrempeln und dafür sorgen, dass man satt wird. In einer solchen Situation ist sich jeder selbst der Nächste und der Stärkere überlebt, oder übernimmt die Führung.

Fazit
Die Autorin hat hier, subjektiv betrachtet, ein eher unglaubwürdiges, sehr dystopisches Szenario entworfen, mit dem ich mich nicht anfreunden kann, weil es meinen eigenen Erfahrungen widerspricht. Wir verlassenen Kinder halte ich für einen philosophisch provozierenden Bildungsroman, der durchaus das Potenzial besitzt, als Unterrichtslektüre für die Oberstufe wahrgenommen zu werden. Ich vergebe 3 Sterne (5 für das Cover, 5 für den Schreibstil, einen für die negativen Gefühle, die bei mir ausgelöst wurden) und eine Leseempfehlung für Menschen, die gerne Dystopien lesen. Ich konnte dem Roman leider, so sehr ich auch wollte, nichts abgewinnen.

Bewertung vom 05.08.2020
Ein Mann der Kunst
Magnusson, Kristof

Ein Mann der Kunst


ausgezeichnet

Köstlich

In diesem 220-seitigen Roman deckt der in Hamburg geborene Autor Kristof Magnusson mit Leidenschaft und Raffinesse die Untiefen unseres Kulturbetriebs auf. Der berühmte Maler KD Pratz, Künstler der alten Schule, hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, weil er mit der verlogenen Welt nichts mehr zu tun haben will. So lebt er auf einer Burg am Rhein, aber seine Bilder werden nach wie vor hoch gehandelt. Die Kunstszene verehrt den Meister und will ihm ein Denkmal in Form eines Museums bauen. Da ihm sein eigener Nachruhm sehr am Herzen liegt, willigt er ein und empfängt Kunstfreunde auf seiner Burg. So entsteht eine amüsante Begegnung, bei der der Meister seinen Anhängern die Unvollkommenheit der Welt um die Ohren haut, seine eigene Größe inszeniert und den gesamten Kunstbetrieb niedermacht. Wie seine Gäste bei dieser Begegnung nach und nach die Beherrschung verlieren. Die gebundene Ausgabe mit der EAN 978-3-95614-382-3 kostet 22.00 € und erscheint am 12. August 2020 im Antje-Kunstmann-Verlag.

Bewertung vom 04.08.2020
Im nächsten Leben wird alles besser
Rath, Hans

Im nächsten Leben wird alles besser


ausgezeichnet

Schwarzmalerei

Dieser Roman hat mich komplett überrascht. Denn die Geschichte ist anders als erwartet. Das Cover hatte mich sofort angesprochen, das Layout passend zur Geschichte sehr futuristisch und digital. Bunter Schriftzug auf schwarzem Hintergrund. Der Schreibstil ist witzig und unterhaltsam. Nur zum Ende hin wird es ein wenig mühsam, kompliziert und umständlich. Die Charaktere wurden detailreich und amüsant ausgearbeitet. Dass ausgerechnet ein Buchhändler, also ein Beruf, der doch für Belesenheit und Klugheit steht, sein Leben vergeigt haben soll, finde ich an sich schon absurd. Was will mir der Autor damit sagen?

Fantastisch, philosophisch, witzig. Allerdings ist mir der Zeitsprung zu kurz. Hätte sich der Protagonist im Jahre 2000 befunden, wäre die Geschichte sogar glaubhaft gewesen. 25 Jahre sind mir einfach zu kurzfristig. Ich denke, dass dieser Roman eine Art Parodie sein soll. Der Autor Hans Rath nimmt hier ganz gewaltig alle Schwarzseher auf die Schippe. Nachdem ich erst vor wenigen Tagen auf YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=f4U2zW4IPDY) einen Dokumentarfilm aus dem Jahre 1972 (meinem Geburtsjahr) anschaute, wurde mir klar, dass die damalige Generation ebenfalls die Zukunft viel zu düster betrachtet hatte. Vergleicht man die Erwartungen von damals mit dem heutigen Leben, ist alles anders gekommen. Unsere Welt ist sauberer, gerechter und bunter geworden. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, alles schwarzzusehen, der Jugend nichts zuzutrauen, wobei er gerne vergisst, selbst einmal jung gewesen zu sein, aber am Ende ist es genau sie, die die Welt zum Positiven verändert. Für mich ist dieser Roman intelligente Unterhaltung, natürlich auch ein Denkanstoß. Hier geht es allerdings weniger um die künstliche Intelligenz und die technische Entwicklung oder die Errungenschaften, die uns das Leben erleichtern, beides verleiht der Geschichte nur einen Rahmen und kann letzten Endes auch nur so intelligent sein kann wie die, die sie programmiert und erfunden haben.

Hans Rath hat in diesem Roman zwei Standpunkte gegenüber gestellt: Der Pessimist erklärt dem Optimisten seinen Standpunkt. Der Protagonist hat sich sein Leben durch seine ständige Schwarzmalerei und seine Zukunftsängste selbst versaut. Wie wahr!

Bewertung vom 03.08.2020
Notes on a Dirty Old Man.
Schäfer, Frank

Notes on a Dirty Old Man.


ausgezeichnet

Happy Birthday Charles!

Meinung
Anlässlich zum 100. Geburtstag (16. August) von Charles Bukowski hat sich der Schriftsteller und Literaturkritiker Frank Schäfer an eine ungewöhnlich originelle Biografie herangetraut, die unter Garantie jeden Leser begeistern wird. Angesprochen vom richtig tollen Cover, hatte ich mich aufs Geratewohl beworben. Obwohl mir Charles Bukowski nur vom Namen her bekannt war, hat mir dieses biografische Werk, das nicht zeitlich, sondern alphabetisch aufgebaut ist, einen tiefen Einblick in das Leben des Untergrund-Schriftstellers geliefert. Der Autor Frank Schäfer erzählt Anekdoten aus dem Leben des Außenseiters. Es hat mir großen Spaß gemacht, diesen schrägen Vogel näher kennenzulernen. In der Mitte sind 20 Schwarz-Weiß-Fotografien von Michael Monfort abgebildet.

Fazit
Titelbild, Format und Haptik sind für Unterwegs konzipiert, sodass man die Lektüre gut im Café oder im Zug lesen kann und andere Passanten damit beeindrucken wird. Es wird bestimmt neugierige Blicke auf sich ziehen. Mit diesem Buch macht man sich interessant.

Bewertung vom 03.08.2020
Zwei fremde Leben
Goldammer, Frank

Zwei fremde Leben


sehr gut

Spannend wie ein Krimi

*Meinung*
Das helle, freundliche Cover sprach mich sofort an. Der Schreibstil ist zeitgemäß und bildhaft, sodass beim Lesen Szenen vor dem geistigen Auge entstehen und die Geschichte lebendig wird. Die Charaktere sind überzeugend, realitätsnah und detailreich ausgearbeitet. Ich konnte zu den Protagonisten und Nebenfiguren durchaus eine Art Beziehung aufbauen, mich in sie hineinversetzen und mit ihnen leiden. Dem Autor ist es sehr gut gelungen, ein Stück Geschichte der DDR aufleben zu lassen. Der Inhaltsangabe ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Der Roman liest sich spannend wie ein Krimi, für die der Autor, ein gebürtiger Dresdener, bekannt ist. Mit einer staatlich angeordneten Kindesentführung hat sich Frank Goldammer an ein heikles Thema herangewagt. Ich bin Jahrgang 1972 und im Westen aufgewachsen. Wie viel auf Wahrheit beruht und was sich der Autor ausgedacht hat, lässt sich nicht eindeutig klären, aber ich persönlich fände es äußerst befremdlich und peinlich, wenn mein eigener Vater bei der Geburt meines Kindes zugegen wäre. Ich bin mir gar nicht sicher, ob das überhaupt erlaubt ist. Mich turnt das eher nicht an. Darum interpretiere ich das mal als schriftstellerische Freiheit. Auch finde ich es moralisch äußerst verwerflich, dass dann ausgerechnet dieser Vater einflussreiche Kontakte zur Stasi pflegte und darin involviert sein sollte, seiner eigenen Tochter das Kind weg zu nehmen. Das übersteigt dann doch meinen gesunden Menschenverstand.

Die Geschichte wird auf drei Zeitebenen mit Rückblenden und aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was mich als Leserin sehr bei Laune gehalten hat. Durch den jungen Polizisten Rust und seine heimlichen Nachforschungen, mit denen er sich selbst in höchste Gefahr bringt, gewinnt die Geschichte nochmals an Dramatik. Warum er das so selbstlos tut, bleibt mir allerdings schleierhaft. Vielleicht aus Ehrgeiz? Das macht man für Verwandte, aber doch nicht für wildfremde Menschen. Bei einer fiktiven Geschichte sind solche Handlungen wohl eher nebensächlich und nicht der Rede wert. Gut umgesetzt finde ich die Zerrissenheit und die psychischen Probleme, unter der Ricarda leidet und sie im Leben scheitern lassen. Das kann ich definitiv nachvollziehen. Das wurde glaubhaft erzählt. Zum Ende hin wurde mir die Geschichte allerdings ein wenig zu viel des Guten. Nun, es ist ein Roman und kein Tatsachenbericht.

*Fazit*
»Zwei fremde Leben« von Frank Goldammer ist ein bisschen dick aufgetragen, aber ein durchaus gut recherchierter, sehr bewegender und berührender Roman, spannend und voller Dramatik erzählt. Bis auf wenige Ungereimtheiten hat mir der Roman gut gefallen. Ich vergebe gerne 4 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 27.07.2020
Ein Sonntag mit Elena
Geda, Fabio

Ein Sonntag mit Elena


ausgezeichnet

Feinsinnig

Einst reiste er als Ingenieur um die Welt und baute riesige Brücken. Nach dem Tod seiner Frau aber ist es still geworden in der Turiner Wohnung am Fluss. Sein Sohn lebt in Finnland, mit der jüngeren Tochter hat er keinen Kontakt, nur die älteste sieht er ab und zu mit ihrer Familie. An einem Sonntag kocht der ältere Mann ein traditionelles Mittagessen für sie. Doch sie sagt kurzfristig ab. Im Park lernt er Elena und ihren Sohn kennen und lädt sie spontan zum Essen zu sich ein. Diese zufällige Begegnung wird alle drei für immer verändern. Eine Geschichte voller Zuversicht und Wärme, die ein stilles Glück in den Herzen zurücklässt.

Der elegante Titel, bei dem ich zuerst dachte, dass da ein H fehlt, was aber gar nicht stimmte, und das stimmungsvolle Titelbild, auf dem ein frugal gedeckter Mittagstisch (vermutlich aus Pinienholz) mit erlesenem Porzellan zu erkennen ist, machten mich sehr neugierig. Ganz besonders das hübsche Geschirr ließ mich sofort an meine Mutter und ihren selbst gekochten Linseneintopf mit Würstchen denken. Wir gaben dem deftigen Linseneintopf immer einen Schuss Brandwein-, Apfel- oder Himbeer-Essig hinzu, damit man die Hülsenfrüchte besser verdauen konnte. Dazu gab es dann dick mit Pflanzenmargarine von Aldi beschmierte Butterbrote (das Brot war auch von Aldi), weil wir uns keine Butter leisten konnten. Die Speckschwarte musste ich mir immer mit meinem älteren Bruder teilen. Weil er aber älter war (das ist er heute übrigens immer noch), bekam er immer die größere Hälfte und deshalb bin ich klein geblieben. Und darum nennen mich alle meine Geschwister heute noch kleine Schwester. Wie auch immer, das waren jedenfalls schöne Zeiten und zum Nachtisch gab es dann immer Götterspeise. Ist ja jetzt auch egal. Die Leseprobe überwältigte mich jedenfalls.

Leise, tiefgründig und feinsinnig wird hier aus der Sicht der zweitältesten Tochter ein schicksalhafter Tag aus dem Leben ihres Vaters, einem verwitweten Brückenbau-Ingenieurs, erzählt. Es ist Sonntag und wir sind in Turin. Wir begleiten den Rentner durch seinen Tag. Gehen morgens mit ihm aufs Klo und hören ihm beim Denken zu. Nehmen regen Anteil an seinen Gefühlen, seinen Erinnerungen. Zum ersten Mal in seinem Leben kocht er für die Familie seiner ältesten Tochter. Doch die sagt in letzter Minute wegen eines Sturzes ab. Traurig spaziert der Mann daraufhin durch den Park und lernt die junge Elena und ihren sechs Jahre alten Sohn kennen. Das Mittagessen ist gerettet.

Am Ende sind alle glücklich. Alle gehen nach Haus. Und dann ist die Geschichte auch schon aus.

© 07/2020 MAD-Moiselle | Alle Angaben sind ohne Gewähr.

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Bewertung vom 04.07.2020
HOLIDAY Reisebuch: Wo Deutschland am schönsten ist
Klemmer, Axel

HOLIDAY Reisebuch: Wo Deutschland am schönsten ist


ausgezeichnet

Informativ, aber zu schwer für den Rücksack

Die Marke HOLIDAY bei Gräfe und Unze startete 2014 mit dem Titel »Die schönsten Wochenendtrips«, der in der Vorweihnachtszeit zum Bestseller avancierte. Im Herbst 2015 folgten sechs weitere Reisebücher, die in ansprechender Gestaltung vielfältige Themen neu und anders vorstellen.

*Thema*
1.000 Möglichkeiten, in Deutschland seine freie Zeit auf vergnügliche Weise zu verbringen. Bundesland für Bundesland, in pointierten Texten und zahlreichen Fotos. Nirgendwo entdeckt man mehr als vor der eigenen Haustür, und es gibt kaum ein Land, das auf kürzere Entfernung stärkere Kontraste bietet. Uraltes steht neben Brandneuem, barocke Schnörkel wechseln mit klaren Kanten.

*Meinung*
Dieser umfangreiche Freizeitführer ist für zu Hause gedacht, um sich auf einen Ausflug oder einen Wochenendtrip vorzubereiten und einzustimmen. Der Reiseführer kann sich neben Baedeker und Marco Polo sehen lassen, ist aber nicht unbedingt für den Rucksack geeignet, dafür ist er zu schwer, aber das Buch passt in jedes Autohandschuhfach. Aus NRW stammend habe ich natürlich alle vor meiner Haustüre liegenden Tipps intensiv betrachtet. Laut diesem Buch habe ich nicht viel verpasst, das meiste habe ich gesehen, das eine oder anderen Ausflugsziel habe ich sogar vermisst. Was die Bebilderung und den Informationsgehalt betrifft, kann ich mich nicht beklagen. Alle Sehenswürdigkeiten, Hotels und Restaurants wurden gut in Szene gesetzt. Als Reiseführer zum Mitnehmen ist mir das Buch jedoch zu umfangreich, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich als Bochumerin einen Tagesausflug nach Bayern mache, oder umgekehrt - dass ein Bayer einen Tagesausflug nach Schleswig-Holstein macht, halte ich für schwindend gering. Okay, außer man besitzt einen VW-Bus oder ein Wohnmobil, dann sieht die Sache natürlich anders aus. Darum plädiere ich dafür, jedes Bundesland als eigenständiges Buch herauszugeben. Das wäre zwar in der Produktion und Herstellung aufwendiger, für mich als Verbraucher aber auf den ersten Blick günstiger, was natürlich auch nicht wahr ist, aber ist ja jetzt auch egal ... jedenfalls wäre das Buch dann schmaler und leichter und hätte endlich Platz im Rucksack oder in der Handtasche. Dies ist keine boshafte Kritik, lediglich eine konstruktive Anregung. Was Reiseführer angeht, bin ich nämlich Expertin. Außerdem habe ich bei den Übernachtungsmöglichkeiten ein Verzeichnis der Jugendherbergen und Suppenküchen vermisst.

*Fazit*
Zahlreich bebildert und informativ stellt die Reihe HOLIDAY nicht wirklich etwas Neues dar, sie erweitert lediglich das Repertoire von GU, eine Marke, die allgemein für Koch- und Sachbücher bekannt ist. Das quadratische Format erinnert an die Marke. Dass die Serie zu Beginn der Sommerferien neu vermarktet wird, finde ich vom Verlag ein gutes Timing. Das 480-seitige, broschierte Sachbuch mit der EAN 978-3-8342-3262-5 kostet 15.00 € und erschien am 1. Juli 2020 im HOLIDAY-Verlag. Das Preisleistungsverhältnis ist top.

Gut zu wissen!
Axel Klemmer, Jahrgang 1963, hat Geografie studiert und als gebürtiger Berliner den Süden der Republik mit dem Mittelpunkt München zur zweiten Heimat gewählt. Er schreibt für Zeitungen und Fachmagazine und ist Autor zahlreicher Reiseführer und Publikationen über Deutschland, Österreich und die Schweiz.


© 06/2020 MAD-Moiselle | Alle Angaben sind ohne Gewähr.