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Bewertungen
Insgesamt 406 BewertungenBewertung vom 21.12.2022 | ||
Die Königsbraut und Das fremde Kind Zwei Kunstmärchen von E.T.A. Hoffmann wurden im Verlag Herder nacherzählt und in einem sehr gelungen kleinen Band veröffentlich: Das erste Märchen – „Die Königsbraut“ – entführt den Leser in ein magisches Reich: Ein Gemüsekönig, ein kleiner, hässlicher Gnom, hat sich ein junges Mädchen als Braut ausersehen; er täuscht das Mädchen über seine wahre Identität, tyrannisiert aber in Wahrheit sie und ihren Vater. Während die junge Frau zunächst denkt, eine herrliche Königin zu werden, nähert sie sich schon äußerlich immer mehr dem kleinen Gnom an, verliert immer mehr an Schönheit. Der Vater, der als eine Art Magier oder Zauberer erscheint, nimmt schließlich den Kampf mit dem Gemüsegnom auf und wirft letztlich ihn und seine Gemüsesoldaten aus seinem Haus. |
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Bewertung vom 21.12.2022 | ||
Wer Auszüge aus der Heiligen Schrift als „Florilegium“ veröffentlicht, begibt sich immer in eine Gefahr: Die Bücher der Bibel sind über Jahrhunderte entstanden; ebenfalls über Jahrhunderte bildete sich ein fester Kanon heraus, der festlegt, welche Bücher in welcher Reihenfolge zur Bibel gehören sollen. Die Bibel bildet so eine Einheit; sie ist nicht nur eine Bibliothek verschiedener Bücher, aus denen man sich bedienen kann. Gleichzeitig kann man natürlich Verständnis aufbringen für das Projekt, einzelne Texte der Heiligen Schrift herauszunehmen und zu veröffentlichen – etwa besonders wichtige, wirkmächtige oder auch schöne Texte. Diese Projekte sind mal mehr, mal weniger gelungen. Ein leider besonders schlechtes Beispiel für einen Auszug aus der Heiligen Schrift bietet ein bei Diogenes erschienener Band: „Die Bibel. Eine Auswahl der schönsten Geschichten und Dichtungen in der Übertragung von Martin Luther“. |
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Bewertung vom 19.12.2022 | ||
Kommentare sind für Juristen ein unverzichtbares Arbeitsmittel. Sie erklären Gesetze – Paragraph für Paragraph. Sie definieren Begriffe, fassen die Rechtsprechung zusammen, bieten eine Anleitung für die tägliche Arbeit. Literarisch hochwertig sind diese Ausführungen meistens nicht, eher funktional und knapp. Umso spannender erscheint ein bei C.H. Beck erschienenes Projekt: Georg M. Oswald hat dort einen „literarischen Kommentar“ zum Grundgesetz herausgegeben. Das Ansinnen ist interessant: Das Grundgesetz ist ja der Boden unserer Rechtsordnung, auf dem sich nicht nur das Leben der Juristen entfaltet, sondern eben auch das gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle, politische und religiöse Wertegefüge unseres Landes. |
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Bewertung vom 18.12.2022 | ||
'Der Dienstbetrieb ist nicht gestört' „Hört infolge eines Krieges oder eines anderen Ereignisses die Tätigkeit des Gerichts auf, so wird für die Dauer dieses Zustandes das Verfahren unterbrochen.“ Diese Vorschrift - § 245 ZPO – dürfte zu den eher unbekannten Normen des Zivilprozesses gehören. Für Benjamin Lahusen, Professor für Bürgerliches Recht in Frankfurt, wurde sie zum Ausgangspunkt seiner Habilitationsschrift. Auf den ersten Blick ist es selbstverständlich: Wenn das Gericht aufgrund eines Krieges nicht mehr arbeiten kann, dann werden die Verfahren unterbrochen. Was soll auch sonst geschehen mit den anhängigen Prozessen, wenn es kein Gericht mehr gibt, das Urteile spreche könnte? Für Lahusen steht noch mehr dahinter: Selbst der Zustand der Rechtslosigkeit ist noch juristisch definiert. „Justitium“ nennt sich dieser seltsame Zustand zwischen Recht und Rechtlosigkeit. Lahusens bei C.H. Beck erschienen Monographie „Der Dienstbetrieb ist nicht gestört“ beschäftigt sich mit der deutschen Justiz zwischen 1943 und 1948 – in einer Zeit also, in der man annehmen könnte, der Zustand der Rechtspflege hätte das „Justitium“ erreicht, die Tätigkeit der Gerichte hätte geendet. Dem war aber nicht zwingend so, stellt Lahusen heraus. |
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Bewertung vom 16.12.2022 | ||
21 Gute-Nacht-Lieder versammelt ein bei Diogenes erschienener Band: "Das Gute-Nach-Liederbuch". Die Lieder wurden von Anna Keel ausgesucht. Bilder von Tomi Ungerer begleiten die Lieder und schaffen so ein sehr schönes Buch, das zum bloßen Durchblättern ebenso gut geeignet ist wie zum Vorsingen für Kinder. Versammelt sind hierbei die "klassischen" Schlaflieder wie "Der Mond ist aufgegangen" oder "Guten Abend, gute Nacht". Andere Lieder erstaunen in der Sammlung ein wenig: "Wer nur den lieben Gott lässt walten" oder "Nun danket alle Gott" sind ohne jeden Zweifel besonders schöne deutsche Lieder, würden aber klassischerweise wohl eher als Kirchenlieder, nicht als Einschlaflieder gelten. Das aber tut dem Band natürlich in keiner Weise Abbruch. Die sehr sanften Bilder von Tomi Ungerer begleiten die Lieder sehr unaufdringlich. Dieser Band eignet sich zum Vorlesen wunderbar, ebenso aber zum gemeinsamen Singen oder auch einfach zum Durchblättern. |
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Bewertung vom 16.12.2022 | ||
Wintersonne / Kørner & Werner Bd.5 Die Polizei macht in Kopenhagen einen grausamen Fund: In einem Park wird ein Koffer gefunden. Darin: Eine halbe Leiche. Das Opfer scheint bei lebendigem Leibe zersägt worden zu sein. Die Ermittler tappen völlig im Dunkeln. Zunächst fehlt nicht nur die andere Hälfte der Leiche, sondern auch jeder Hinweis auf die Identität des Opfers. Das Team um Annette Werner hat zudem damit zu kämpfen, dass ihr Kollege Jeppe Korner den Polizeidienst an den Nagel gehängt hat und auf Bornholm als Holzarbeiter arbeitet. Irgendwann aber deuten erste Spuren just nach Bornholm: Dort wird ein Mann vermisst, dessen Beschreibung auf das Opfer passt. Der nächste Zufall: Esther, eine alte Dame, die schon bei den letzten Ermittlungen von Annette Werner und ihrem Team eine bedeutende Rolle gespielt hat, hält sich ebenfalls auf Bornholm auf - gerade bei der Schwester des Vermissten. |
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Bewertung vom 04.10.2022 | ||
Mord und Wischmopp / Pamela Schlonski Bd.1 In einem Fotoclub in Hattingen im Ruhrpott wird ein Toter gefunden: Der Vorstand des Vereins wurde offenbar mit Blitzlichtern ermordet, die bei ihm einen Herzinfarkt auslösten. Gefunden wird er just von der Reinigungskraft der Vereins - die sich sofort in die Ermittlungen stützt. Zufällig belauscht sie ein anderes Vereinsmitglied, das - so scheint es - etwas mit dem Mord zu tun haben könnte. Pamela Schlonski ermittelt zusammen mit ihrer Kollegin und kommt der Polizei dabei mehr als einmal in die Quere, allerdings mehrmals auch mit Ermittlungsergebnissen zuvor. Wie in einem klassischen Fernsehkrimi findet sich sehr schnell ein erster Verdächtiger, der womöglich nicht nur privat, sondern auch beruflich fotografiert - und die Einnahmen womöglich am Finanzamt vorbeischleust. Als die Spur sich erledigt, folgt der zweite Verdächtige, der womöglich selbst gerne Vorstand des Vereins geworden wäre und deswegen as Opfer aus dem Weg räumt. Auch diesen Täter muss Pamela Schlonski fallen lassen - und hat am Ende doch den richtigen Riecher. |
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Bewertung vom 13.09.2022 | ||
"Mein Urgroßonkel war ein Dandy. Sein Name war Isidor. Oder Innozenz. Oder Ignaz. Eigentlich aber hieß er Israel." Shelly Kupferberg ist bei Diogenes mit "Isidor" ein genialer Roman gelungen. Sie schildert die Lebensgeschichte - der erste Satz des Buches offenbart es ja bereits - ihres Urgroßonkels Isidor. Er wurde in einer jüdischen Familie in Galizien geboren; das Leben war einfach, die Verhältnisse ärmlich. Nach und nach zog es die Kinder der Familie in die weite Welt, schließlich nach Wien. Dort bauten sie sich alle ein erfolgreiches Leben auf; besonders erfolgreich aber war Isidor. Er studierte Jura, ging in die Wirtschaft, verdiente sich ein angenehmes Vermögen, um das Leben in Wien in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in vollen Zügen genießen zu können. Shelly Kupferberg schildert von Anfang an ein jüdisches Leben, das sich immer ein wenig verstecken muss, um nicht gesellschaftlich geächtet zu werden. Trotz einer großen jüdischen Gemeinde in Wien greift der Antisemitismus um sich. Isidor aber wähnt sich in Sicherheit: Er hat Karriere gemacht, er hat Kontakte. Und so ergreift er auch nicht die Flucht, bevor die Nazis nach Österreich einmarschieren. Isidor unterschätzt die Gefahren, das Ausmaß der nationalsozialistischen Verblendung. Isidor wird schließlich einige Monate verhaftet und so schlimm verletzt, dass er sich auch in der Freiheit nicht mehr erholen kann und stirbt. |
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Bewertung vom 07.09.2022 | ||
Die Revision in der strafrechtlichen Assessorklausur Im Zweiten Staatsexamen kommt die strafrechtliche Revision immer wieder in Prüfungsaufgaben vor. An Ausbildungsliteratur hierzu fehlt es nicht, besonders empfehlenswert ist allerdings "Die Revision in der strafrechtlichen Assessorklausur" von Marc Russack (C.F. Müller, 14. Aufl. 2021). Ein großer Vorteil des Bandes: Russack wertet seit Jahres systematisch zumindest die in NRW gestellten Klausuren aus. Er hat auf diese Weise einen großartigen Überblick über das, was wirklich geprüft wird. "Ein Mehr an Aktualität ist in Buchform nicht zu erreichen", schreibt Russack im Vorwort. Man wird ihm beipflichten dürfen. Dabei überzeugt der Band durch einen klaren Aufbau, den größten Teil nimmt die Begründetheit der Revision ein. Hier bespricht Russack zunächst die Verfahrensfehler, sodann die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts. Durchgängig zitiert der Autor aus den zugelassenen Kommentaren, was eine direkte Nacharbeit ermöglicht. Besonders gelungen: Immer wieder gibt Russack Beispiele echter Examensklausuren und zeigt auf diese Weise unmittelbar, wie ein bestimmtes (abstraktes) Problem tatsächlich Gegenstand einer Klausur werden kann. Dabei kommen in seiner Darstellung auch Verstöße gegen Vorschriften aus dem GVG mehr vor als man dies aus anderen Darstellungen kennt. Marc Russack geht in seinem Band davon aus, dass im Examen hauptsächlich ein Gutachten zu den Erfolgsaussichten einer Revision Gegenstand der Prüfung ist. Der bayerische Leser sollte bedenken, dass in Bayern praktisch ausschließlich die Revisionsbegründungsschrift abgeprüft wird. Darauf weist Marc Russack anfangs auch hin; bemängeln kann man diese Beschränkung angesichts der Gepflogenheiten in 15 anderen Bundesländern sicher nicht. Dieses Buch eignet sich damit sehr gut für die Prüfungsvorbereitung. |
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Bewertung vom 05.09.2022 | ||
Donna Leons Kriminalromane um den venezianischen Commissario Brunetti fesseln ein großes Publikum. Die Autorin ist eigentlich gebürtige Amerikanerin, schreibt aber über das Leben in Venedig derart anschaulich, dass sich viele Leser auch über die Romane in die Lagunenstadt verlieben. Von Donna Leon ist nun eine Sammlung autobiographischer Essays erschienen: "Ein Leben in Geschichten" (Diogenes 2022). Der Band folgt einem gewissen autobiographischen Aufbau, wenn er mit der Kindheit in den USA beginnt und dem Leben am aktuellen Wohnsitz Leons in der Schweiz endet. Und gleichzeitig ist "Ein Leben in Geschichten" sicher keine klassische Autobiographie, die alle wesentlichen Lebensstationen erschöpfend behandelt. Vielmehr reihen sich in diesem Band mehrere eher kurze Essays aneinander, die Stationen aus dem Leben von Donna Leon zum Gegenstand haben. Die Autorin schreibt über die Kindheit auf einer amerikanischen Farm, über ihr Elternhaus, die kulinarischen Künste ihrer Mutter. Es folgen Aufenthalte im Ausland, als Donna Leon Englisch im Iran, dann in Saudi-Arabien unterrichtete. Sie zeichnet ein spannendes und abwechslungsreiches Leben und offenbart dabei einen tiefen Sinn für Humor. |
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