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Renas Wortwelt

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Insgesamt 198 Bewertungen
Bewertung vom 11.07.2025

MARCO POLO Unterwegs mit dem Deutschlandticket


ausgezeichnet

Inspirierende Anregungen für Ausflüge mit der Bahn
Unterwegs mit dem Deutschlandticket
Solange es das Deutschlandticket noch gibt oder solange es noch halbwegs erschwinglich ist, spricht nichts dagegen, es zu nutzen. All den Ärger, den Bahnfahren mit sich bringt, muss man einfach hinnehmen, wie das Wetter oder die Lottozahlen.
Dieses Buch nun zeigt verschiedene lohnenswerte Strecken, die man mit dem Deutschlandticket befahren kann. Dass das Ticket nur für Nahverkehrszüge (mit ganz wenigen Ausnahmen) gilt, führt dazu, dass man viel mehr von Deutschland sieht – was ich aus eigener Anschauung sagen kann.
Denn, auch wenn es durchaus Unterschiede gibt, die meisten Züge, die man mit dem Deutschlandticket nutzen darf, halten nun mal an jeder oder mindestens jeder zweiten Milchkanne. So wird dann die Fahrt das Ziel, die Reise wird der Spaß.
Zur besseren Orientierung wird Deutschland im Buch dreigeteilt. Da gibt es die Fahrten im Norden, in der Mitte und im Süden. Jeweils von einer zentralen Station – naheliegenderweise insbesondere die ganz großen Städte – ausgehend werden Fahrten vorgestellt, die zum einen an sehenswerten Strecken und Orten entlangführen und zum anderen zu Zielen führen, die es wert sind, besucht zu werden.
So gibt es in der Mitte Fahrten ab Köln an den Niederrhein und weiter bis nach Arnhem in den Niederlanden (ja, manche Städte in Grenznähe kann man mit dem Ticket erreichen), oder „die schönste Bahnstrecke Deutschlands“ am Rhein entlang über Bonn und Koblenz nach Mainz. Dass sich diese Fahrt auf jeden Fall unbedingt lohnt, kann ich aus eigener Anschauung bestätigen, da bereits mehrfach gefahren.
Aber es gibt auch Vorschläge für Fahrten ab Frankfurt am Main oder Leipzig, im Norden starten die Touren beispielhaft ab Hamburg, Hannover oder Berlin und im Süden ab Stuttgart, Nürnberg oder München.
Jede Strecke ist genau beschrieben, mit Umsteigeorten, Angaben zu den Zügen, die man nehmen kann sowie der Reisedauer. Letztere aber ist wohl doch eher mit Vorsicht zu genießen, denn eine in der Theorie zweistündige Fahrt kann bei der Deutschen Bahn auch gerne mal vier Stunden dauern. Aber was soll’s, solange man wahlweise warm oder gut gekühlt unterwegs ist, vor Wind und Wetter und kilometerlangen Staus geschützt. Die vielen Menschen, die man beim Reisen mit der Bahn beobachten kann, tragen gerne auch mal zur Unterhaltung bei.
Dazu kommen Vorschläge für Besichtigungsziele an der Strecke und im Zielort, jeweils mit vielen tollen Fotos geschmückt und ergänzt um wichtige Informationen wie Übernachtungsmöglichkeiten, Restaurants und sonstige Tipps und Ratschläge.
Neben den angegebenen Routenvorschlägen erwähnt das Buch auch stets besuchenswerte Ortschaften abseits der Strecke, die natürlich ebenfalls per Bahn erreichbar sind.
Insgesamt ein Buch, das Lust aufs Reisen macht, das Neugier auf die gezeigten Städte und Sehenswürdigkeiten weckt und das vor allem eine Werbung für das Deutschlandticket ist, das uns hoffentlich noch lange zu einem erschwinglichen Preis erhalten bleibt.
Unterwegs mit dem Deutschlandticket
Marco Polo, März 2025
Klappenbroschur, 239 Seiten, 19,95 €

Bewertung vom 07.07.2025
Dreyer, Tine

Morden in der Menopause mit dem richtigen Mindset


gut

Auch Tine Dreyer, die eigentlich ganz anders heißt, wird zur Wiederholungstäterin. Erneut lässt sie ihre Protagonistin Liv, mitten in den Wechseljahren steckende Mutter dreier Pubertiere, auftreten, wieder purzeln die Leichen und müssen dringend entsorgt werden.
Liv, Küchenplanerin mit mörderischer Vergangenheit aus Band eins, wird mit ihrer früheren Tat konfrontiert, jedoch anders als befürchtet. Hält sie doch die neue Chefin einer Gaunerbande für eine gewiefte Drogendealerin und händigt ihr daher eine Tasche mit Koks in hohem Wert aus. Was tun, wenn man doch gar nicht dealt und eigentlich nur seine Ruhe will?
Zum Glück hat Schwiegervater Werner gerade beim Pferdewetten gewonnen, Geld ist also vorhanden. Und Schwiegermutter Marlies entdeckt ihre kriminelle Ader und ihre guten Beziehungen zum örtlichen Bestatter helfen bei der Leichenentsorgung.
So geraten Liv, Marlies und die Ex-Prostituierte und derzeit zur Betreuung von Werner und Marlies angestellte Iza immer tiefer in die Verstrickungen der Drogendealer und weitere Leichen kommen dazu, müssen versteckt werden, tauchen wieder auf. Und neue, unbekannte werden gefunden.
Das Ganze ist voller Tempo und irrsinnigem Witz erzählt, man wird fast schwindlig von dem rasanten Handlungsverlauf, der immer neue Volten und Loopings dreht. Manchmal wird es fast ein wenig zu viel, werden die Witze zu Kalauern, wirkt der Humor zu mühsam konstruiert. Manche Pointe ist so erwartbar, manche Ironie geht nach hinten los.
Doch die Dialoge sind herrlich, wenn stets alle irgendwie aneinander vorbei reden, jeder jede missversteht, ob absichtlich und unfreiwillig, das macht wirklich Spaß. Die immer wieder auftauchenden Einschübe, die es ähnlich auch schon im Vorgängerband gab, in welchen Liv der Leserin die Gefühle und Beweggründe einer Menopausen-Geplagten erklärt, hätte es auch diesmal nicht gebracht, zumal, wenn sie an gerade spannenden oder besonders lustigen Stellen den Handlungslauf unterbrechen. Dazu erinnert gerade das ein wenig sehr an einen Roman, der da hieß „Achtsam morden“.
Insgesamt ein sehr unterhaltsamer, manchmal etwas arg überdrehter Roman. Eine weitere Fortsetzung braucht es aber vielleicht dann doch nicht.
Tine Dreyer - Morden in der Menopause, mit dem richtigen Mindset
DuMont, Juni 2025
Klappenbroschur, 237 Seiten, 14,00 €

Bewertung vom 04.07.2025
Imgrund, Bernd

Unter Nachbarn


sehr gut

Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, man wird mit ihnen zusammengeführt, ob man will oder nicht. Egal ob man in der Stadt in einem Mehrfamilienhaus, in einem Kiez mit langer Geschichte oder auf dem Land in einem überschaubaren und gewachsenen Dorf lebt, Nachbarn hat man und man muss mit ihnen leben.
Diesem Thema widmet sich Bernd Imgrund, fleißiger Autor diverser Romane und Sachbücher. Er betrachtet die Nachbarschaft von verschiedenen Blickwinkeln, mal mit hohem Ernst und durchaus kritisch, mal mit leicht ironischer Note.
Unter zusammenfassenden Überschriften teilt er seine Betrachtungen. Mal geht es um den historischen Zusammenhang, um frühe Nachbarschaften in Höhlen oder im Mittelalter, einer Zeit, in der der Nachbar noch eine ganz andere Bedeutung hatte als heute. Dann geht es um den Unterschied zwischen Städtern und Dörflern, um die vermeintliche Idylle auf der einen und den angeblich gefährlichen Dschungel auf der anderen Seite.
Imgrund beschäftigt sich dann mit der Frage, was das Leben in einem Kiez, einem Viertel oder „Hood“ bedeutet für den Zusammenhalt gerade unter den Jungen, den oft abgehängten.
Aber es geht auch um Vorurteile, um Grenzen – Stichwort „Maschendrahtzaun“ – und um solch große Fragen wie Wer sind unsere Nachbarn im All, wie funktioniert Nachbarschaft in der Tierwelt oder unter Blumen und Pflanzen.
Einige seiner oft kurzen Texte, die unter den verschiedenen Überschriften zusammengefasst sind, fragen danach, was „gute“ Nachbarschaft ausmacht, ob heutzutage Internet oder Alexa & Co. die Nachbarn ersetzen können, sie behandeln die Frage nach der Art der Kommunikation zwischen Nachbarn und vieles mehr.
All das ist sehr flott zu lesen, nie langweilig, oft humorvoll und auch mal sehr berührend oder erschreckend. Immer wieder zieht der Autor Beispiele aus der Literatur oder der Musik- und Filmwelt heran, was mir manchmal etwas zu oft geschah, so als wolle er vermeiden, „echten“ Nachbarn zu nahe zu treten. Unter den zitierten Filmen natürlich so Klassiker wie „Das Fenster zum Hof“ sowie selbstredend das bekannte Lied von Udo Jürgens über das „Ehrenwerte Haus“. Aber Imgrund zitiert auch aus Werken des Mittelalters oder voriger Jahrhunderte, aus Gedichten oder aus Rap-Songs, die das Leben in Problemvierteln thematisieren.
Insgesamt ist das schmale Buch sehr interessant, in manchem mag man sich selbst oder die eigenen Nachbarn wiedererkennen, nicht immer ist man mit den Schlüssen, die der Autor zieht, gänzlich einverstanden, doch die Lektüre ist sowohl unterhaltsam wie auch informativ, behandelt das Buch schließlich ein Thema, das uns alle mehr oder weniger betrifft. Ein besonderes Lob verdient das witzige und sehr passende Cover.
Bernd Imgrund - Unter Nachbarn
Hirzel Verlag, März 2025
Gebundene Ausgabe, 175 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 02.07.2025
Black, Juneau

Kalte Spur in Shady Hollow / Shady Hollow Bd.2


ausgezeichnet

Ein Roman, in welchem Tiere wie Menschen agieren, kann schnell albern oder kindisch wirken. Was man diesem nun schon zweiten Band um kriminelle Ereignisse in Shady Hollow wahrlich nicht vorwerfen kann. Diesmal versucht die Reporterin Vera Vixen, eine schlaue Füchsin, einen „Cold Case“ aufzuklären um eine unverhofft in einem Obsthain gefundene Leiche.
In Shady Hollow wohnen Fuchs und Kaninchen, Elch und Mäusefamilie, Eule und Panda Tür an Tür, sind befreundet, gehen gemeinsam ins Café, treffen sich zu Lesungen in der Buchhandlung von Räbin Leonore. Für Ordnung in der Stadt sorgt die Polizei in Gestalt des Bären Orville, der zudem in Liebe zu Vera entbrannt ist.
Da wird während der Obsternte unter einem Baum ein Skelett gefunden. Es entpuppt sich als der Leichnam eines weiblichen Elchs und Spuren weisen darauf hin, dass es sich um Julia handelt, die Frau von Joe, der das Café „Kaffeekanne“ betreibt. Soweit bekannt, war Julia vor Jahren aus der Stadt verschwunden, alle nahmen an, sie hätte ihren Mann und Sohn Joe junior verlassen, weil sie unglücklich war, in der Ehe und in der Stadt.
Natürlich gerät sofort Joe in Verdacht, ist doch bekannt, dass er und Julia kurz vor ihrem damaligen Verschwinden heftigen Streit hatten. Vera, eng befreundet mit dem gutmütigen und immer freundlichen Cafébetreiber, will seine Unschuld beweisen und beginnt mit ihren Ermittlungen.
Da passt es ihr gar nicht in den Kram, dass ihr Chefredakteur verlangt, dass sie sich vorrangig um die neue Bewohnerin Olivia Grey kümmert, eine Nerzdame, die eine Benimmschule in Shady Hollow eröffnet. Vera muss bei der Dame einen Kurs belegen, wo sie doch viel lieber sich auf die Recherchen im Mordfall kümmern würde.
Viele Tiere in der Stadt wussten von den Streitigkeiten zwischen Joe und Julia, aber alle mögen den netten Elch, so kann Vera viele Informationen sammeln, vielen Spuren nachgehen, bis sie schließlich herausfindet, was damals wirklich geschah.
Das Ganze ist bezaubernd erzählt, voller Poesie in den Beschreibungen des Umgangs der Tiere miteinander, mit sanftem Spott für die ach so menschlichen Attitüden und Manierismen der Tiere. Da gibt es den Polizeichef, ein Grizzly, der lieber angelt statt seinen Job zu machen, den Chefredakteur, ein Stinktier (!), der teure Anzeigen der Benimmschule wittert oder den freundlich-zurückhaltenden Panda, der das Asia-Restaurant betreibt. Dazu kommen Gladys, Veras Kollegin bei der Zeitung, ein für die Klatschkolumne zuständiger Kolibri oder Waschbär Lefty, ein Langfinger, der stets auf ziemlich kriminellen Pfaden wandelt.
Die Geschichte ist hinreichend spannend, auch wenn man schon ziemlich früh erahnen kann, wer hinter der Ermordung Julias stecken könnte, dazu die so menschlich gezeichneten Figuren, die anschauliche Beschreibung des kleinen Städtchens und die gewiefte Ermittlerin Vera, die sich nur selten einen Bären (!) aufbinden lässt. Auch wenn ihre sich sanft entwickelnde Beziehung zu Bär Orville unter ihren Recherchen, die sie nicht immer brav mit der Polizei teilt, leidet.
Eine wirklich empfehlenswerte Reihe, die hoffentlich noch einige Mal fortgesetzt wird. Hinter dem Pseudonym Juneau Black verbergen sich die beiden Autorinnen Jocelyn Koehler und Sharon Nagel, die diese netten Geschichten verfassen. Gerne mehr davon.
Juneau Black - Kalte Spur in Shady Hollow
Originaltitel: Cold Clay. A Shady Hollow Mystery
aus dem Englischen von Barbara Ostorp
rororo, Juni 2025
Taschenbuch, 284 Seiten, 15,00 €

Bewertung vom 01.07.2025
Gosling, Sharon

Der alte Apfelgarten


ausgezeichnet

Wieder stellt die britische Autorin einen Garten in den Mittelpunkt eines Romans. War es in ihrem vorigen Buch ein Stadtgarten, den die Protagonistin wieder aufmöbelte, so ist es diesmal ein Garten voller uralter Apfelbäume, den zwei Schwestern unverhofft am Rande ihres landwirtschaftlichen Betriebs entdecken.
Diese beiden Schwestern sind Bette, die ältere, in London lebende erfolgreiche Anwältin, und Nina, die um etliche Jahre jüngere, eine alleinerziehende Mutter, die seit mehreren Jahren wieder auf dem elterlichen Bauernhof lebt. Die beiden Frauen haben wenig gemeinsam, in vielen Jahren nur wenig miteinander gesprochen und wenn, dann meist im Streit.
Nun ist der Vater gestorben, die Mutter Sophia lebt schon lange im Ausland, hatte sich in Freundschaft von ihrem Mann getrennt. Bette kehrt eher widerwillig zurück für die Beerdigung. Doch dann kommt die Überraschung: Nicht Nina erbt den Betrieb, die ihn in den letzten Jahren fast allein führte, sondern beide zusammen zu gleichen Teilen. Und es stellt sich heraus, dass der Hof hoch verschuldet ist, es keine weiteren Kredite geben wird. Wenn die Schwestern den Hof nicht verlieren wollen, müssen sie sich etwas überlegen.
Da kommt die Entdeckung des alten Apfelgartens grade recht, denn zum einen ließen sich die Äpfel, zu Cider verarbeitet, gut verwerten, zum anderen würde der Verkauf des Gartens die Geldsorgen lösen. Doch zuerst muss der Garten wieder hergerichtet werden.
Dabei helfen den beiden Frauen zwei Männer. Da ist einmal Cam, der Nachbar, der stets an Ninas Seite eilt, wenn sie Hilfe braucht. Und da ist Ryan, der Apfelexperte, den sie zurate ziehen nach der Entdeckung des Gartens und der für Bette wie ein Gespenst aus der Vergangenheit ist. Das darf ich hier in der Rezension verraten, denn man kann das schon bei der ersten Erwähnung seines Namens erahnen.
Überhaupt tragen beide Schwestern ein rechtes Päckchen Vergangenheit mit sich herum, wobei Ninas Geschichte nur sehr verhalten, nur mit wenigen Bemerkungen angedeutet wird. Während Bette mehr im Vordergrund steht, sowohl was ihre Geschichte wie auch ihre Zukunft angeht. Dazu ist Nina eher die weiche, ja fast ein bisschen zu wehleidige, stets sofort das Schlimmste befürchtende, wenn Bette eher zupackt, energisch Dinge regelt und sich nichts gefallen lässt.
Das Ganze ist genauso eine Schmonzette wie es klingt, macht aber bei der Lektüre dennoch viel Freude. Das liegt an dem sehr gefälligen Schreibstil von Sharon Gosling, an ihren immer gut ausgearbeiteten Figuren – darunter Ninas sehr munterer 6-jähriger Sohn Barnaby, genannt Superheld Seepocke - , den lebendigen Dialogen und den zwar oft vorhersehbaren, dennoch gelungenen Plotwists, die für hinreichend Spannung sorgen.
Schön auch der kurze Auftritt einer Figur aus einem vorigen Roman und die dadurch nicht zum ersten Mal hergestellte Verknüpfung zwischen den verschiedenen Geschichten Sharon Goslings.
So habe ich das Buch regelrecht weggesuchtet und hoffe dementsprechend schon auf einen baldigen weiteren Roman aus Goslings Feder.
Sharon Gosling - Der alte Apfelgarten
Originaltitel: The Secret Orchard
aus dem Englischen von Sibylle Schmidt
DuMont, Juni 2025
Taschenbuch, 427 Seiten, 13,00 €

Bewertung vom 25.06.2025
Süddeutsche Zeitung Magazin

Wann kommt das Salz ins Nudelwasser?


sehr gut

Zugegeben, über diese titelgebende Frage habe ich wirklich noch nie nachgedacht. Geschweige denn geglaubt, dass der Zeitpunkt der Salzzugabe irgendeinen Unterschied macht. Das ist aber wohl tatsächlich so, wie dieses sehr informative kleine Buch verrät.
Das ganz anders ist als erwartet, aber nicht minder gut. Denn es gibt kurze, knackige und gut verständliche Antworten auf Fragen, die manch einer vielleicht mal im Kopf gewälzt hat, sich aber möglicherweise nie zu fragen traute. Oder Fragen, auf die man selbst gar nicht gekommen wäre, deren Beantwortung aber durchaus eine Bereicherung ist.
Aufgeteilt in sechs Kapitel oder thematische Gruppen geht es um so Dinge wie die Frage „Hilft Pusten bei heißen Getränken und Suppen?“ oder „Ist Essen im Gehen wirklich ungesund?“ (Hat sich das tatsächlich schon mal jemand gefragt…?) oder eine Frage lautet: „Wie teste ich, ob ein Ei noch frisch ist?“ (Ich hätte gedacht, das weiß inzwischen jeder, aber offenbar doch nicht.)
Im Kapitel „Flüssige Spezialitäten“ geht es beispielsweise um die Frage „Warum haben Sekt- und Weinfalschen einen gewölbten Boden?“ – auch darüber habe ich noch nie gegrübelt. Der Grund: Es hat was mit dem Druck in der Flasche zu tun. Eine durchaus interessante Frage in dieser Gruppe lautet:“ Wie kann man Alkohol in Risottos, Saucen und Desserts ersetzen? Die Antwort ist für jemanden, der für Kinder kocht oder für Menschen, die keinen Alkohol trinken dürfen, sicher sehr hilfreich. Der Koch, der auf diese Frage antwortet, empfiehlt einmal Apfel-, für den anderen Zweck Trauben- oder Orangensaft.
Weitere Kapitel beschäftigen sich mit „Frischekick und Vitaminpower“, „Gut für die Gesundheit“ oder unter dem Titel „Das gehört sich so“ mit der Welt der Traditionen und guten Manieren. Da geht es dann beispielsweise um die Frage, wie man sich im Restaurant richtig beschwert oder wieso man im Winter Glühwein trinkt (auch eine wirklich lebenswichtige Frage…).
Beantwortet werden übrigens die vielen Fragen – sicher sind es mehrere Dutzend – von ausgesprochenen Fachleuten, die jeweils unter den nie mehr als ein bis zwei Seiten langen Texte genannt werden, zusammen mit ihrer Profession. Zusätzlich sind alle noch einmal im Anhang aufgelistet. Darunter befinden sich You-Tuber:innen, Köche und Köchinnen, aber auch Mediziner:innen des jeweiligen Fachgebiets. Dazu Oecotrophologen und sogar ein Physiker oder der Gründer eine Kaffeeschule.
Sicher interessiert nicht jeden alles, nicht jede Antwort hilft einem im Leben entscheidend weiter, nicht alle Informationen sind neu oder überraschend. Dennoch liefert das Buch, das auf der entsprechenden Kolumne im Zeit-Magazin beruht, ein paar neue Erkenntnisse, die sich im täglichen Küchenalltag durchaus anwenden lassen. Außerdem ist das kleine Büchlein ganz sicher ein gelungenes Geschenk für alle, die sich für Essen oder Kochen begeistern.
Süddeutsche Zeitung Magazin - Wann kommt das Salz ins Nudelwasser?
DuMont, Juni 2025
Gebundene Ausgabe, 175 Seiten, 20,00 €

Bewertung vom 23.06.2025
Maury , Avril

Noch fünfzig Sommer mehr


weniger gut

Das Beste an diesem Roman war noch das Setting, denn die Geschichte spielt in der Bretagne, ein echter Sehnsuchtsort. Hier lebt die Hauptfigur Eleni, allein in einem abgelegenen Haus mit großem Garten. Das Haus gehörte früher ihren inzwischen verstorbenen Großeltern, bei denen sie aufwuchs.
Denn Elenis Mutter war eine Forscherin, die lieber durch die Welt reiste als ihre Tochter aufwachsen zu sehen. Auch sie ist längst gestorben, als Eleni den Café-Besitzer Théo kennen- und lieben lernt. Schnell werden die Beiden ein Paar und ihm gelingt es, die junge Frau aus ihrer depressiven Einsamkeit herauszulocken. Er schenkt ihr Pflanzen für den Garten und sie lernt wieder zu lachen und zu leben.
Doch Théo stirbt ganz plötzlich nach ein paar Monaten des Glücks und Eleni fällt zurück in ihr schwarzes Loch, geht nicht mehr aus dem Haus, lässt den Garten verkommen. Einzige Gesellschaft ist ihr Kaninchen Anemone. Bis eines Tages jemand beginnt, Briefe und Blumen vor ihre Tür zu legen. Nach und nach taut Eleni dadurch auf, freut sich über die Gaben und beginnt wieder, in ihrem Garten zu arbeiten.
Schließlich trifft sie durch einen Zufall einen ehemaligen Kindheitsfreund wieder. Ab hier wird es derart vorhersehbar, dass man eigentlich gar nicht weiterlesen muss. Denn natürlich – Achtung Spoiler für die, die es nicht eh schon ahnen – steckt Pierre hinter den Briefen und Blumen. Warum, das klärt sich gegen Ende natürlich auf und natürlich gibt es einen Bezug zu Théo.
Der allerdings ist dermaßen an den Haaren herbei gezogen, dass die Geschichte nun wirklich absurd wird, nachdem sie bisher nur extrem kitschig und schmalztriefend war. Auch die Erklärung für Elenis Ängste und Psychosen ist ziemlich weit hergeholt und nicht gänzlich nachvollziehbar. Ihre Aktionen und Reaktionen überhaupt empfand ich als wenig schlüssig.
Dazu kommt ein wirklich sehr simpel gestrickter Schreibstil, freundlich ausgedrückt. Der Roman strotzt von Phrasen, Wortwiederholungen, überdramatisierten Emotionen und seichten Dialogen. In diese sind mal wieder – was ich wirklich überhaupt nicht leiden mag – diverse französische Satzfetzen eingefügt, selten, aber dennoch störend. Was sich erklärt aus dem Tatsache, dass die sich mit einem französischen Pseudonym schmückende Autorin eine deutsche Schriftstellerin ist.
So hoch die Erwartungen an eine nette und emotionale Story sind, die der Klappentext weckt, so enttäuschend ist dann die Lektüre. Aber das ist wie immer Geschmacksache, für Leserinnen, die Schnulzen mögen, ist der Roman sicher empfehlenswert.
Avril Maury - Noch fünfzig Sommer mehr
Ullstein, Mai 2025
Taschenbuch, 312 Seiten, 12,99 €

Bewertung vom 20.06.2025
Bruns, Julia

Donnerstag ist Schnitzeltag / Seniorenkrimi Bd.3


sehr gut

Nun also Band drei um Kommissar a.D. Helmut Katuschek, der wieder einmal einen Mord im Seniorenheim aufklären darf. Diesmal erwischt es den zuständigen Arzt, der sich bei Helmut bereits ziemlich unbeliebt gemacht hatte, unterstellte der ihm doch Wahnvorstellungen. Und das nur, weil Helmut mit seinem verstorbenen Freund Herbert Schach spielt.
Besagter Arzt findet sich eines Tages eingezwängt in der Tür des Medikamentenschranks, wo er keines natürlichen Todes starb. Der Schrank wurde durchwühlt, doch Spuren finden sich erstmal nicht. Auffällig verhalten sich die Pflegerin Monika, die ohnmächtig neben der Leiche gefunden wurde, und der Interims-Heimleiter Lennox Bergmann. Zuerst aber gilt es herauszufinden, wer Motiv und Gelegenheit hatte. Letzteres ist in einem Seniorenheim, in dem ständig jemand durch die Gänge wandelt oder bei einem anderen Bewohner ins Zimmer kommt, eher schwierig.
Dieser Zustand der ständigen Überwachung, dazu die permanente Nörgelei seiner Angetrauten Margot, die Entwürdigung und Entrechtung der Insassen, das sind die Dinge, die Helmut Katuschek umtreiben und über die er immer wieder philosophiert. Für ihn wäre dieses Leben, das ihm Margot aufzwang, völlig unerträglich, gäbe es nicht die Rechtsmedizinerin a.D. Frau Dr. Olga Böttcher, quasi seine ehemalige Kollegin, die im selben Seniorenheim wohnt. Wenn sie nicht gerade völlig unvermittelt in ihre Demenzphasen versinkt, in welchen sie Helmut mit ihrem längst verstorbenen Ehemann Karl-Heinz verwechselt, dessen Skelett sie ständig mit sich herumführt, dann ist sie ihm eine große Hilfe bei den Ermittlungen. Gerade die Gespräche zwischen Helmut und Olga sind das Salz in diesem Roman, die Spitzfindigkeiten, die treffend-ironischen Kommentare, die insbesondere sie dabei abgibt, machen einen Heidenspaß.
Dabei stört es dann auch nicht so sehr, dass der Kriminalfall immer wieder ins Hintertreffen gerät, wenn die Geschichten und Episoden um die herrlich skurril beschriebenen Alten und Senilen mehr Raum einnehmen. Neu hinzugekommen zu den bisher bekannten Insassen sind die toughe und sportbegeisterte Elwira und der geheimnisvolle Bert Bo, die sich selbstredend beide ebenfalls sehr verdächtig verhalten.
Der Roman macht wirklich Spaß, wenn man über einige Längen hinwegsieht, die immer dann auftreten, wenn Helmut in immer der gleichen Leier über seine Margot klagt. So witzig das im ersten Band ist, so sehr schleift sich das inzwischen ab, so wie Margots Rolle an sich, der gefühlt manchmal zu viel Raum gegeben wird. Davon abgesehen aber sind wie gesagt insbesondere Helmut, Frau Dr. Olga und deren Freundin Jutta sehr sympathische, halbwegs lebensnahe Charaktere, denen man gerne begegnet.
Wer sich mit den Gedanken trägt, in ein solches Heim einzuziehen, sollte diesen Roman vielleicht lieber nicht lesen, allen andren kann ich ihn guten Gewissens empfehlen.
Julia Bruns - Donnerstag ist Schnitzeltag
dtv, Juni 2025
Taschenbuch, 317 Seiten, 13,00 €

Bewertung vom 18.06.2025
Mirasol, Eva

Staying Alive


gut

Wenn eine Ärztin einen Arztroman – pardon Ärztinnenroman – verfasst, kann man davon ausgehen, dass alle medizinischen Details stimmig und korrekt wiedergegeben werden. Im vorliegenden Buch, dem Debütroman der Autorin, geht das sogar soweit, dass durchgängig die häufig verwendeten Fachbegriffe in Fußnoten erläutert werden, dies jedoch ebenso humorvoll wie der gesamte Roman.
In diesem geht es um Nicki, die ihren Dienst an einer Rettungsstelle einer großen Berliner Klinik aufnimmt. Dieser Dienst umfasst ständige Überstunden, Nachtschichten, Hektik und Hetze, verlangt schnelle Entscheidungen, oft über Leben und Tod und führt zu vielen skurrilen Begegnungen.
Das fängt schon mit dem Oberarzt an, der sie an ihrem ersten Tag gleich mit platten Witzen begrüßt und sie dann ihrem Schicksal überlässt. Zum Glück findet Nicki in den Kolleg:innen und dem Pflegepersonal viele nette und hilfsbereite Menschen, so dass zwischen ihnen im Laufe der Monate Freundschaften entstehen.
Zum Glück, dann für ein Privatleben bleibt ihr kaum Zeit, sehr zum Leidwesen ihrer Mutter. Nicki lebt nur noch zwischen Dienst und Bett, durch die Schichtarbeit, die vielen Überstunden ist sie ständig müde, verliert den Kontakt zu ihrem bisherigen sozialen Umfeld und bekommt kaum noch mit, was um sie herum geschieht. Und dann – Klischee lässt grüßen – verliebt sie sich auch noch in besagten Oberarzt.
Soweit, so unterhaltsam. Eva Mirasol hat einen locker-flockigen Schreibstil, voller Tempo und Temperament, mit vielen sehr witzigen, teils sarkastischen Dialogen. Dazu kommt eine Heerschar an echten und eingebildeten Kranken, denen die Hauptfigur Nicki mal mit Spott, mal mit Verständnis begegnet. Die vielen Figuren – fast ausschließlich Krankenhauspersonal – sind meist sympathisch dargestellt, jedoch fehlt allen, egal ob Protagonistin oder Nebenfigur, der Hintergrund, die eigene Geschichte komplett. Alle Charaktere des Buchs existieren lediglich im hier und jetzt.
Dazu hat man zu Beginn des Buchs das Gefühl, das Ganze ist eher eine Aneinanderreihung von einzelnen Begebenheiten, ausgewählt nach dem Grad ihrer Skurrilität. Erst spät, nach der Hälfte des Romans, entsteht so etwas wie ein Gesamtplot, eine sich durchziehende Handlung, die den Rahmen bildet. Das ist dann die Liebesgeschichte mit Hindernissen, die aber doch nur eine Nebenrolle spielt. Haupthandlung bleiben die Erlebnisse in der Rettungsstelle, die wie erwähnt sehr anschaulich und lebensnah beschrieben werden, immer mit einem leichten Augenzwinkern. Manchmal war mir das dann doch ein bisschen zu oberflächlich, an anderer Stelle hätte ich mir mehr Tiefgang, ruhigeres Erzählen gewünscht. So blieb der Roman eher unterhaltsam als emotional.
Eva Mirasol - Staying Alive
Ullstein, Mai 2025
Taschenbuch, 334 Seiten, 14,99 €

Bewertung vom 13.06.2025
Hincenbergs, Sue

Very Bad Widows


gut

Romane um Ehefrauen, denen daran gelegen ist, ihre Gatten um die Ecke zu bringen, gibt es reichlich. Auch die Gründe, warum dieses Verlangen in den Damen wächst, sind vielfältig. Die drei Frauen im vorliegenden Roman sinnen einerseits auf Rache für ihre immer langweiliger werdenden Ehemänner, die sie zudem um ihre Ersparnisse gebracht haben. Zum anderen gedenken sie die hohen Lebensversicherungen ebendieser Männer einzustreichen, nach deren Tod natürlich.
Doch erstens kommt es anders und zweitens als geplant. So planen Pam, Shalisa und Nancy zwar mit Hilfe eines engagierten Killers den Tod ihrer Ehemänner. Doch ihre Männer haben ihrerseits ebenfalls Pläne. Die sich einmal aus der Angst heraus entwickeln, Opfer von indischen Mafiamördern zu werden. Denn Hank, Andre, Larry und der gleich zu Beginn des Buch zu Tode gekommene David, vierter im Bunde der Freunde, sind auf wenig legale Weise zu Geld gekommen und fürchten nun, entdeckt zu werden. Um sich der vermuteten Killer zu erwehren, engagieren die drei Männer ihrerseits einen Auftragsmörder – eben jenen, den auch ihre Ehefrauen beauftragen, sie zu töten.
So entsteht ein heilloses Durcheinander, in dessen Mittelpunkt besagter Auftragskiller Hector, seines Zeichens Herrenfriseur, und seine innigst geliebte Ehefrau Brenda stehen. Diese wiederum bekommt in der Firma, in welcher Hank und der verstorbene David gearbeitet haben, einen Job und deckt so die Machenschaften der Hobbybetrüger auf.
Diese Firma wird geleitet von Padma, Tochter einer der größten Verbrecherköniginnen Indiens. Die versucht verzweifelt, für ihre Tochter einen Ehemann zu finden. Derer drei Kandidaten tauchen nun auf, um Padma kennenzulernen – was für zusätzliche heillose Verwirrung sorgt, hält Hank die drei Männer doch für die auf ihn und seine Freunde angesetzten Killer.
Derweil hadern die Ehefrauen mit ihrem Plan, diskutieren immer wieder erneut darüber, überlegen hin und her. Dazu tragen auch neue Erkenntnisse bei, die ihre Wut auf die Männer eher erhöhen als besänftigen.
Das Ganze ist genauso verworren und verwirrend, wie es hier beschrieben ist. Dabei zuerst sehr unterhaltsam, oft witzig, sehr ironisch und voller spitzer, sanft polemischer Pfeile, die hin und her gehen zwischen den Eheleuten. Doch irgendwie verliert sich die Unterhaltung an dieser Geschichte irgendwann, wird die Handlung zu chaotisch, gibt es zu viele Wendungen, die oft überzogen, übertrieben sind. Dazu viel zu viele Figuren, viel zu viele Nebenhandlungsstränge, zu viele Erzählperspektiven und zu viele Wiederholungen. So drehen sich nicht nur, wie erwähnt, die Diskussionen zwischen den Frauen und auch zwischen den Männern immer im Kreis, auch die Probleme Padmas kreisen stets um sich selbst und zeigen keine Entwicklung. Erst am Ende kommt Dynamik in die Sache, aber da hatte ich bereits die Freude an der Lektüre verloren. Eine drastische Straffung der Handlung, ein Kürzen um gut 100 Seiten, hätte dem Roman gutgetan. So war der Ansatz gelungen, der Plot gut ausgedacht, die Umsetzung haperte jedoch.
Sue Hincenbergs - Very bad widows
aus dem kanadischen Englisch von Charlotte Lungstrass-Kapfer
Piper, Mai 2025
Paperback, 432 Seiten, 17,00 €