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Benutzername: 
JDaizy
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 63 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2023
Es sei denn, es geschieht ein Wunder
Ottensmann, Elke

Es sei denn, es geschieht ein Wunder


ausgezeichnet

"Manchmal wünschen wir uns etwas so sehr, dass wir meinen, wir könnten nur dann noch glücklich sein, wenn wir es auch bekommen."

Elke Ottensmann erzählt in ihrem Roman "Es sei denn, es geschieht ein Wunder" über die 19-Jähringe Linda, die jung und unbefangen ihren großen Traum wahr macht, nach Israel zu reisen, und vielleicht sogar für immer dort leben möchte. Obwohl ihre Mutter Bedenken hat und leise zweifelt, lässt sich Linda nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Ihre Neugier und Abenteuerlust ist ansteckend, auch wenn sie in einigen Momenten unüberlegt und jugendlich unbedarf agiert.
Es kommt wie es kommen muss, vieles läuft reibungslos, aber es gibt auch chaotische und sogar gefährliche Momente auf ihrer Reise.
Ich hatte sehr viel Freude Linda auf ihrem Weg zu begleiten. Glück und Leid liegen oft nah beieinander. Nicht nur räumlich, sondern auch in unserem Inneren. Und so habe ich mit Linda gelacht, geweint, gehofft und gebangt. Der Schreibstil der Autorin ist leicht und flüssig zu lesen. Man fliegt geradezu durch die Zeilen.
Was mir ganz besonders stark hängengeblieben ist, ist die Lust auf andere Kulturen, aufs Reisen und auf leckeres Essen. Besonders schön fande ich auch die Vergleiche mit der Natur, die sehr atmosphärisch und bildhaft waren. Immer, wenn ich jetzt Vögel singen höre, sehe ich die Welt mit anderen Augen. Nicht zuletzt deshalb, weil Elke Ottensmanns Roman lange nachgewirkt hat. Ich denke auch noch heute oft über Lebensumbrüche, Glauben, Sehnsucht und Trauer nach, über Heimat und das Gefühl angekommen zu sein.
Und über die Frage, die mich sowieso schon lange beschäftigt: Warum wir nicht alle in Frieden miteinander leben können? Um es mit den Worten der Autorin zu sagen: "Der Mond scheint doch für alle Menschen gleich."

Ganz besonders positiv ist mir Susanne in Erinnerung geblieben. Die Retterin in der Not und eine unerwartet geduldige und einfühlsame Zuhörerin. Jeder von uns sollte solche Menschen an seiner Seite wissen dürfen. Nicht nur in schwierigen Momenten.
Auch die Gastfreundschaft und herzliche Art der meisten Menschen auf Lindas Reise hat mein Herz sehr berührt.

Fazit:
Was passiert, wenn das eintritt, wovor man sich am meisten fürchtet? Und wohin wird uns unser Weg führen?
Ein wunderbarer und nachwirkender Roman über die Hürden des Reisens, des Glaubens und des Lebens. Über Familie, Liebe, Zweifel und Hoffnung. Und nicht zuletzt über die Sehnsucht in uns, über Aufbrüche und Ankommen. Meine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 02.08.2023
Wünsche so schwarz wie Ebenholz (eBook, ePUB)
Danck, Anne

Wünsche so schwarz wie Ebenholz (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ich habe die Anthologie bei einer Lesung auf der Periplaneta-Lesebühne in Berlin gekauft. Dort hat die Autorin zusammen mit zwei anderen Autorinnen ein wirklich vielseitiges und unterhaltsames Programm präsentiert.

Ich war von Anfang an von dem wunderschönen, mystischen Cover fasziniert. Diese tolle Farbgestaltung und auch der Titel haben bei mir sofort den Wunsch geweckt dieses Buch zu lesen. Und gleich vorweg ... ich war überrascht, denn ich hatte eine Sammlung unterhaltsamer, märchenhafter Kurzgeschichten erwartet. Dem war auch so, ABER diese Anthologie enthält noch viel mehr. Immer wieder kommt sie mit sehr tiefsinnigen (Lebens-)Themen daher, hat mich ab und an sehr bedrückt zurückgelassen. Deshalb habe ich mir viel Zeit beim Lesen gelassen und die einzelnen Geschichten wirken und nachwirken lassen. Da sind die drei kurzen Theaterstücke mit den amüsanten Märchenfiguren und der Futter-Ratgeber ;) am Ende zum "Auflockern" wirklich perfekt platziert.
Die Autorin Anne Danck hat mich mit ihren Geschichten wirklich zum Nachdenken gebracht, und ich finde es großartig, wie sie es schafft dem Lesenden schwere Themen mit viel Fingerspitzen und sicherem Gespür für Worte nahezubringen.
Am Ende des Buches findet man eine Übersicht der Inhaltswarnungen, die es für mich nicht gebraucht hätte, die ich aber trotzdem gut finde. Sie wird im Vorwort kurz angesprochen, und so kann jeder für sich entscheiden, ob man vielleicht bei einigen Themen an seine Grenzen kommen könnte. Für mich war es zum Beispiel die sehr berührende Kurzgeschichte "Die Plage".

Alle Geschichten sind so unglaublich vielfältig, dass ich große Freude beim Lesen hatte und dieses Buch ganz sicher noch oft zur Hand nehmen werde.
Ich möchte nicht zu viel verraten, aber meine absoluten Lieblingsgeschichten sind "Drei Bienen für Aschenputtel" und "Für meine Oma".

Fazit:
Eine sehr abwechslungsreiche, tiefsinnige und zu Herzen gehende Kurzgeschichtensammlung, die mich sehr berührt und nachdenklich zurückgelassen hat. Meine absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 30.07.2023
Kein Urlaub ohne Mord (eBook, ePUB)
Brauer, Ellie

Kein Urlaub ohne Mord (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Weil ich genug vom Berliner Dauerregen hatte, habe ich eine Urlaubslektüre zum Hinwegträumen gesucht. Eine außergewöhnliche Gegend, Spannung und sympathische Protagonisten habe ich mir gewünscht, und habe im Piper-Programm "Kein Urlaub ohne Mord" von Ellie Brauer entdeckt. Und eins gleich vornweg, ich habe keine (Lese-)Minute bereut.
Am Banana Beach - einem der schönsten Strände Israels, verschwindet ein Kind, und kurz darauf stirbt der Bademeister mit dem die Kommissarin noch zuvor geflirtet hat. Was ist da los?

Fazit:
Ein spannender Israel-Krimi mit einer sympathischen Heldin, einer wunderschönen malerischen Kulisse und einem nicht ganz koscheren Fall für die urlaubsreife Kommissarin Olivia Pfeffer. Gern mehr davon.

Bewertung vom 05.07.2023
Das Leben, das uns bleibt
Steinlechner, Tanja

Das Leben, das uns bleibt


ausgezeichnet

Nach "Die Tänzerin vom Moulin Rouge" war ich sehr gespannt auf den neuen Roman der Autorin.
In "Das Leben, das uns bleibt" nimmt uns Tanja Steinlechner mit auf die Spuren einer Familiengeschichte, die im Januar 1945 in den Wirren des Krieges beginnt und bis in die frühen 50-er Nachkriegsjahre hineinreicht, wo der Schwerpunkt der Geschichte liegt. Es gibt drei sehr unterschiedliche Geschwisterstimmen aus deren Perspektiven erzählt wird.
Achtung Spoiler:
Während die jüngste Schwester, den Krieg hinter sich lassen und endlich leben will, treibt den Bruder der Drang nach Gerechtigkeit um, insbesondere für die jüdische Bevölkerung. Er ist zunächst auch der Einzige, der über die eigenen jüdischen Wurzeln nicht schweigt und gegen das Vergessen anlebt. Sehr zum Ärger seiner Familie. Die Hauptfigur Ruth ist die Ausgleichende unter den Geschwistern; sie versucht Zwist zu schlichten und gibt daher dem Wunsch der Mutter nach, den falschen Mann zu heiraten, um nur ja die eigene Herkunft zu verschleiern und ein vermeintlich besseres Leben führen zu können. Bei allen sitzt auch nach dem Krieg das traumatische Erleben noch tief. Dass Ruth ausgerechnet in eine Familie einheiratet, deren Schmuckgeschäft von den Kriegsverbrechen profitiert hat und dessen jüdischer Vorbesitzer enteignet worden ist, ahnt sie zunächst nicht, derweil sie selbst ihr Talent fürs Schmuckentwickeln entdeckt und ihre große Liebe Ilan wieder auf den Plan tritt. Sie ist jedoch verheiratet und schwanger von einem anderen. Das Leben selbst zwingt sie nunmehr zu handeln, und darüber entwickelt sie sich.
Mehr will ich an dieser Stelle nicht über die Handlung verraten.
Ende Spoiler.
Aber soviel sei gesagt: Von Steinlechners Figuren darf man nicht erwarten, dass sie immer und stets richtig handeln. Sie sind dreidimensional gebaut und charakterlich ambivalent. Man mag das anfangs irritierend finden, aber mich hat es für sie eingenommen, weil ihr Tun eben dadurch glaubwürdig wird. Außerdem mag ich die dichte Atmosphäre des Buches und die Sprache, deren Bildreichtum und Rhythmus.
Das Thema, das hier verhandelt wird, ist aktueller denn je: Wie lebt man mit Kriegstraumata, wenn der Kriegszustand endet? Kann ein und diesselbe Person Opfer wie Täter sein? Und vor allem, wie kann man das Schweigen über das Unsagbare brechen? Der Autorin gelingt all dies mit ihrer Geschichte. Es hat mich sehr berührt, dass Ruth und ihre Geschwister wieder zueinander finden und aus der einstmaligen Entfernung Nähe entsteht. Meine absolute Lesempfehlung!

Bewertung vom 17.06.2023
Ganz oben fliegt Lili
Willmann, Julia

Ganz oben fliegt Lili


ausgezeichnet

In "Ganz oben fliegt Lili" entdeckt die kleine Schwebfliege Lili die Welt und hat neben ihrem Reisetagebuch ein ganz besonderes Reiseziel im Gepäck: Sie will die Alpen sehen, unbedingt. Denn das war das Allererste, was sie in ihrem Fliegenherz "erblickte". Und Lili hat auch ein ganz besonders großes Herz für ihre Mitmenschen und Mitinsekten. Wir treffen auf Pees, Bienen, Käfer, Fliegen und Hummeln. Auf Wespen, Kakerlaken, Schmetterlinge und Rüsselkäfer. Und glauben sie mir, sie werden nicht nur die Schwebfliegen hinterher mit anderen Augen sehen.
Wir dürfen Lili also auf dieser Reise begleiten und erleben viele kleine und große Abenteuer mit ihr. Wie sie ihr L verliert - was nicht nur in der Geschichte, sondern auch im Layout wunderbar umgesetzt wurde, wie sie Freunde findet und reich beschenkt wird, wie sie ganz knapp Gefahren übersteht und auch dort auf ihre Freunde zählen kann.
Es gibt im Buch so unglaublich viel zu entdecken - neben den wunderbaren Illustrationen -, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. ii ist unbedarft und dabei so unglaublich weise. Was passiert, wenn man mit dem Herzen schaut, wenn man bemerkt, dass wir alle nur ein kleines (oder auch größeres) Stück Zeit bekommen und man feststellt, dass dir niemand die wichtigsten Dinge sagt, und man das alles selbst herausfinden muss zum Beispiel. Oder das man nicht immer gewinnen kann, oder wenn man gewinnt, zeitgleich ein anderer verliert. Und wie schlecht es sich anfühlt, wenn man "klein, übersehen und verwechselt" wird. Ich sag nur: "Hungerbauchweh kommt nicht nur vom Essenvergessen."
Aber es gibt auch so viele lustige und zauberhafte Momente. Nicht nur ii`s Sprachfehler, sondern auch der Dialekt von Gribitte, die betüdelten Fruchtfliegen mit den himbeerroten Augen, die dealenden Kakelaken Kiko und Heiner und die Turnspinne Chantal. Ich könnte dieses Buch immer wieder lesen.
Bevor ich zum Schluss komme, was mir unglaublich schwer fällt, weil ich noch so viel zu dieser unglaublichen Geschichte schreiben könnte, möchte ich noch die wunderschönen atmosphärischen Naturbeschreibungen erwähnen. Allen voran, die bildstarken Beschreibungen für den Wind, der die Musik dieser Welt zaubert und das bei Gewitter aufziehende Sausebrausewetter.
Für mich hätte ii noch viel länger weiterbrummseln können.
Danke für dieses wundervolle, lehrreiche, aber zu keiner Zeit belehrende Buch, an dem nicht nur Kinder ihre wahre Freude haben werden.

Bewertung vom 21.02.2023
Das kleine Buch vom Mut

Das kleine Buch vom Mut


ausgezeichnet

Dieses Buch ist wirklich klein. Es passt in jede Handtasche, und genau da gehört es auch hin. Wir sollten es immer bei uns tragen, wenn uns der Mut wieder einmal verlässt. Unerwartet und ohne Ankündigung.
Es ist außerdem ein schönes, von Herzen kommendes Geschenk für jeden, der gerade zweifelt und sich seiner eigenen Kraft nicht (mehr) sicher ist. Diese Momente kennen wir doch alle. Sie dürfen es sich also auch selbst schenken.

Mir gefällt ganz besonders die hochwertige Verarbeitung und das wunderbare Hardcover. Schon, wenn das Büchlein nur neben mir liegt, fühle ich mich tröstend umarmt. Die warme Farbgestaltung und die unaufdringliche, zauberhafte Magnolie machen mir ein warmes Gefühl. Aber ich bin es auch nicht anders von ADEO gewöhnt. Jedes Buch des Verlags ist ein kleines Kleinod.

Aber nun zum Inhalt. Auf 96 Seiten finden sich Sprüche, Lebensweisheiten und Bibelverse zum Thema Mut. Diese sind in sechs Untergruppen eingeteilt:
Von der Kraft des Mutes - Mut als Lebensspender - Mut zum Verschenken - Mit vollem Mut voraus - Mut, der verändert und Vom großem Glück, vertrauen zu können.
Im Gedächtnisgeblieben sind mir vor allem diese zwei Sprüche:
"Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende." (Demokrit) und
"Wenn ich voller Vertrauen weitergehe, sehe ich im Rückblick eine faszinierende Landschaft - meinen Lebensweg." (Joshi Nichell)
Wahrscheinlich wird sich diese Vorliebe für bestimmte Worte verändern. So wie sich die Zeiten ändern, so wie man selbst vorankommt oder zurückgeworfen wird. Aber das ist gerade das Schöne daran. Jeder wird etwas für sich passendes finden. Da bin ich mir sicher.

Eine Sache möchte ich unbedingt noch erwähnen. Im Buch finden sich auch kurze Textauszüge von ADEO-Autor:innen. Eine für mich sehr wertschätzende Geste des Verlages. Und für mich als Leser die Chance neue Autor:innen kennenzulernen. Ich habe tatsächlich schon nach den Büchern der Autor:innen gegoogelt.

Fazit:
Viele weise und inspirierende Gedanken zum Thema Mut, Innehalten und Kraft schöpfen, die uns auf unserem Weg stärken und unterstützen können. Ein wunderschönes Geschenk für Menschen, die man liebt und zuallererst auch für sich selbst.

Bewertung vom 04.08.2022
Ein unerwartetes Vermächtnis
Laureano, Carla

Ein unerwartetes Vermächtnis


sehr gut

"Hübsch ja. Aber hübsch war nichts Besonderes und hatte auf Gabriel genauso wenig Wirkung wie ein Wetterbericht mit Schneeankündigung. Aber in Melissas grün-grauen Augen blitzte Intelligenz, und ihr spitzbübisches Lächeln und die leicht rauchige Stimme deuteten darauf hin, dass sie einen tiefgründigen Humor hatte, von dem er bisher allerdings noch nichts bemerkt hatte."

Melissa Green, eine aufstrebende Jungdesignerin macht eine unerwartete Erbschaft. Da sie keinen Kontakt zu ihrer Familie hat, macht sie sich auf den Weg, herauszufinden, wer und vor allem was ihr vermacht wurde.
Sie kommt nach Jasper Lake, einer idylischen Kleinstadt in den Bergen. Ein Ort mit Charme und Geschichte, der so ganz anders ist als ihr Leben in der Großstadt. Und dann ist da noch dieses untrügliche Gefühl, dass die ganze Stadt mehr weiß als sie selbst.
Wird das Erbe Fluch oder Segen? Wird sie ihre eigene Vergangenheit einholen? Und was hat es mit diesem jungen, gutausehenden Bürgermeister auf sich?

Die Geschichte ist nicht neu. Im Heim und in Pflegefamilien aufgewachsen, fühlt sich die Hauptfigur entwurzelt. Sie weiß kaum etwas über ihre Vergangenheit und ihre Familie. Sie erbt unerwartet und macht sich dann auf die Suche. So weit, so gut.
Obwohl sich der Schreibstil der Autorin, es war mein erstes Buch von Carla Laureano, leicht und flüssig liest, bin ich nicht so gut in die Geschichte gekommen. Nicht, dass sie mir nicht gefallen hat, aber sie hat mich nicht sofort gefesselt. Doch das hat sich schnell geändert. Nicht nur durch dieses wunderschöne Fleckchen Erde Jasper Lake, und seinen bezaubernden Bürgermeister, sondern auch durch die Entwicklung der Hauptprotagonistin. Vor allem im letzten Drittel der Geschichte konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Ich will nicht zu viel verraten. Aber es gibt viele wunderschöne Details, die mich sehr berührt und nachdenklich gemacht haben. Allen voran die Aufklärung von Melissas Familiengeschichte, die ich so tatsächlich nicht vorhergesehen habe. Oder ihre Berufswahl, dass sie ihre eigene Vergangenheit verdrängt, sich aber im Job tagtäglich damit beschäftigt Details und Hintergründe von Gegenständen aufzuspüren. Die Entwurzelung und dieses Nirgendwo Zuhause sein-Gefühl, um dann doch anzukommen.

Eines ist schnell klar. Melissa mag hübsch und unschuldig aussehen, aber sie hat es faustdick hinter den Ohren. Und ich als Leser gönne ihr von Herzen Menschen, die hinter ihre Fassade schauen und ihre harte Schale aufbrechen können. Doch wird das wirklich gelingen?

"Ein unerwartetes Vermächtnis" ist 2022 als Hardcover im Gerth Verlag erschienen. Es ist hochwertig verarbeitet und mit 443 Seiten ein echter kleiner Wälzer. Der Klappentext macht Lust auf mehr. Vom Cover hätte ich mir mehr erwartet. Es ist hübsch, aber für mich nicht sehr eindringlich und emotional bindend. Schade, denn das bin ich von diesem Verlag anders gewöhnt. Da wäre so viel mehr Potential gewesen. Gleich im ersten Drittel haben sich auch zwei kleine Fehler im Korrektorat eingeschlichen, die hoffentlich in der zweiten Auflage behoben werden.

Fazit:
Schau nach vorn, und nicht zurück.
Trotz kleiner Anlaufschwierigkeiten hat mir das Buch wirklich gut gefallen. Vor allem am Ende nimmt es Fahrt auf, wartet mit einer nicht vorhersehbaren Auflösung auf und hat es geschafft mich emotional zu binden. Es wird also für mich auch ein zweites Buch der Autorin geben, auf das ich mich schon jetzt freue.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.08.2022
Wiedersehen am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.3
Cedrino, Alexandra

Wiedersehen am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.3


ausgezeichnet

"Die Deutschen ... Das Selbstverständnis, mit dem sie sich selbst als Deutsche gesehen hatte, war ⎜...⎜zerstört worden. Dabei war sie einst stolz auf dieses Land gewesen. Auf seinen Fortschritt. Sein Wissen. Seine Kultur. ⎜...│ Umso schmerzlicher war es, dass all diese Hoffnungen, die nicht nur sie gehegt hatte, dass all das Gute, Helle zerschlagen, ermordet oder aus dem Land gejagt worden war. "

Voller Vorfreude habe ich auf das Finale der Galeristinnen-Trilogie gewartet. Nur zu gern wollte ich wissen, wie es mit Alice, John und der kleinen Leonie weitergeht. Sind sie gut in London angekommen, haben sie Fuß fassen können und Arbeit gefunden, ist der Neuanfang geglückt? Wird Alice ihre Familie in Deutschland nach dem Krieg wiedersehen können und Leonie ihre Eltern? So viele Fragen.

Viele Jahre sind vergangen als Alice zurück nach Deutschland kommt. Sie und John sollen auf Wunsch der britischen und amerikanischen Regierung eine Reportage mit Aufnahmen über die Arbeit der Monuments Men schreiben. Ein weiteres sehr spannendes Thema, dass die Autorin in ihrer Geschichte verpackt hat. Und ein sehr emotionales noch dazu. Überhaupt überzeugt mich das Finale vor allem mit seinen tiefen Gefühlen und offenen Fragen. Ich habe mich gefragt, wie ich gedacht, (vor-)verurteilt und entschieden hätte. Zwischen Schwarz und Weiß gibt es immer noch ein Grau in tausend Farbnuancen.
Schon in Band 2 bin ich der Hauptprotagonistin Alice sehr viel näher gekommen. Aber jetzt habe ich sie wirklich in mein Herz schließen können, mit allen Ecken und Kanten, die sie hat und die sie tatsächlich ausmachen. Ich muss lächeln, wenn ich an die innige Beziehung zwischen ihr und John denke, an ihren Kampfgeist und ihren Gerechtigkeitssinn. Eine wunderbare Frau, die anderen starken Frauen im Buch in nichts (mehr) nachsteht.

Was mich auch nach dem Ende des Buches noch bewegt zurücklässt, ist das nicht nur äußerlich zerstörte Berlin. Was macht ein Krieg mit den Menschen? Was tut man, um zu überleben? Und darf oder muss man eigene Grenzen überschreiten, auch wenn es unmoralisch anmutet? Gerade in der heutigen Zeit ein sehr aktuelles Thema. Dieses Gefühl von Überforderung und des Verlorenseins kennen heutzutage sicher viele von uns.

Wer wissen möchte, ob und wen Alice in ihrer Heimat wiederfindet und was sie dort an Herausforderungen erwartet, sollte unbedingt dieses Buch (und natürlich auch seine Vorgänger) lesen. Es hat mir schöne und auch sehr berührende Lesestunden verschafft.

"Wiedersehen am Potsdamer Platz" erschien 2022 im HarperCollins Verlag. Das Taschenbuch ist hochwertig verarbeitet und hat eine angenehme Schriftgröße.
Auch Teil 3 wartet wieder mit einem wunderschönen, im Gedächtnis bleibenden Cover auf. Ich bin begeistert von dieser schlichten, unaufdringlichen Eleganz und dem hohen Wiedererkennungswert.

Fazit:
Ein gelungener Abschluss der Galeristinnen-Trilogie. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort sein. Das wünsche ich mir für uns alle. Ich werde Alice, John und all die anderen aufrichtig vermissen.

Bewertung vom 20.07.2022
Wir vermissen dich, lieber Bär!
Chapman, Jane

Wir vermissen dich, lieber Bär!


ausgezeichnet

"Biber und Maulwurf sprachen über Bär und lächelten. Manchmal weinten sie auch. Und manchmal saßen sie einfach schweigend zusammen."

Jane Chapman zählt zu den derzeit erfolgreichsten Illustratorinnen aus England. Ihre Bilder und warmherzigen Geschichten begeistern auch mich immer wieder aufs Neue. Nach meinem Lieblingsbuch "Ich halte dich fest, mein Kleiner" habe ich große Erwartungen in ihr neuestes Buch gesetzt. Denn Verlust und Trauer sind bei meiner ehrenamtlichen Hospiz-Arbeit immer wieder ein Thema, auch oder gerade bei kleinen Kindern, die meist viel offener mit diesem Thema umgehen, als wir Erwachsenen.
Wird sich dieses Buch für die Trauerbegleitung mit Kindern eignen? Ich war gespannt. Zuerst habe ich es allein gelesen, und dann mit einer Kollegin besprochen. Beide sind wir uns einig: Ja, durchaus.

Und auch der erste Praxistest mit der 4-jährigen Luise verlief vollkommen unaufgeregt. Natürlich hatte Luise viele Fragen. Warum ist der Bär gestorben? Wo ist er jetzt? Kann man wirklich noch seine Stimme hören? Bären können doch gar nicht reden. Kann ich auch einen eigenen Stern haben? Und baust du mir ein Baumhaus?

Besonders hat der Kleinen die Doppelseite gefallen, als die Tiere alle zusammen das Baumhaus fertig bauen. Von Hochizontal wechselt die Ansicht einmalig in die Vertikale. Was für mich zunächst ungewöhnlich anmutete, fand Luise spitze.
Wo wir uns aber sofort einig waren, war die Tatsache, dass die Illustrationen alle durchweg einfach nur wunderschön und magisch sind. Sie sind nicht überladen, überzeugen mit einer angenehmen Farbgestaltung, und es gibt so unglaublich viel zu entdecken.

Für mich geht es in dem Buch auch nicht (nur) um den Tod, wie der Titel vermuten lassen könnte. Es geht um viel mehr. Es geht um Freundschaft, um Erinnerungen, um Gefühle, über die man offen sprechen darf, um Trost und den Mut nach vorn zu schauen, ganz egal, was passiert.

Fazit:
Niemals geht man so ganz.
Ein wunderbares Kinderbuch für Kinder ab 4 Jahre - über Verlust, Freundschaft und bleibende Erinnerungen. Wie immer bei Jane Chapman mit zauberhaften Illustrationen und einer Geschichte, die sich zwar mit wenigen Worten erzählen lässt, die aber zu langen Gesprächen danach anregt. Meine absolute Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.07.2022
Zeitenwende am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.2
Cedrino, Alexandra

Zeitenwende am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.2


ausgezeichnet

"Alice, es ist leider nicht immer alles so einfach, wie wir es gern hätten ... Schwarz oder Weiß. Egal, wie sehr man versucht, das Richtige zu tun: Irgendwie macht man sich immer die Finger schmutzig."

Nach "Die Galerie am Potsdamer Platz" liefert die Autorin nun mit "Zeitenwende am Potsdamer Platz" den zweiten Teil der Galeristinnen-Trilogie. Wie auch schon bei Teil Eins komme ich nicht umhin, das wunderschöne Cover zu erwähnen. Nicht nur, weil es wirklich einen starken Wiedererkennungswert hat. Nein, es ist auch jetzt wieder farblich perfekt abgestimmt. Ein großes Lob an die Autorin und das Verlagsteam von HarperCollins. Titel, Cover und Klappentext sind, zumindest für mich, ein schlagkräftiges Kaufargument.

Alice, die nun seit fünf Jahren in England lebt, verdient ihren Lebensunterhalt weiterhin mit der Fotografie. Sie vermisst ihre Familie, die Arbeit in der Galerie und sucht weiterhin nach ihrem Platz. Auch die Beziehung zu John muss sich weiteren Widrigkeiten stellen. Werden die Zwei sie meistern können? Warum will Alice John nicht heiraten? Und was soll sie mit ihrem Leben in England anfangen?

Als ihr Vater stirbt und ihr Erbe von den Nazis beschlagnahmt wird, trifft Alice eine folgenschwere Entscheidung. Sie kehrt zurück nach Deutschland und bringt dort nicht nur sich, sondern auch ihre Familie in Gefahr. Schon bald geht es nicht mehr nur um ihr Erbe, sondern ums nackte Überleben.

Teil Eins hat mir, abgesehen von kleineren Schwächen, schon gut gefallen. Ich war wirklich gespannt, wie es weitergeht. Was ich bei Buch-Reihen auch immer gern verfolge, ist, wie und ob sich AutorInnen weiterentwickeln. Und für mich ist hier eine ganz klare Entwicklung zu sehen. Im Schreibstil, der sich deutlich flüssiger liest als in Band Eins, im Spannungsbogen und auch in der Art und Weise wie Gefühle und Stimmungen zum Leser transportiert werden. Ich liebe die kürzeren Kapitel und die Kapitelüberschriften. Letztere gab es auch schon in Teil eins. Dort sind sie mir aber nicht so stark im Gedächtnis geblieben.
Auch Teil Zwei ist wieder sehr gut recherchiert und ich freue mich, dass wir hier noch stärker und intensiver in die Geschichte der damaligen Zeit und in die Arbeit der Künstlerfamilie eintauchen dürfen. Ganz besonders nachdrücklich ist mir der Satz in Erinnerung geblieben, dass man nie wusste, was passiert, weil sich alles stündlich ändern konnte. Und das nicht immer alles so sein muss, wie es auf den ersten Blick erscheint. Nicht nur die oft unbedachte Alice bringt durch leichtfertiges, überstürztes Handeln sich selbst und andere in Gefahr.
Und in "Zeitenwende am Potsdamer Platz" hat sie sich jetzt endlich in mein Herz geschlichen.

Unbedingt erwähnen möchte ich noch die Ausflüge in die Kunst und der krasse Gegensatz, was mit ihr passieren kann, wenn sie den gesellschaftlichen Ansprüchen plötzlich nicht mehr genügt. Das macht mich noch jetzt betroffen und nachdenklich.

Fazit:
Eine mehr als gelungene Fortsetzung. Starke Bilder, straffe Dramaturgie und eine Geschichte, die den Leser abholt. Hoffentlich muss ich nicht so lange auf das Finale warten.
Meine klare Leseempfehlung!