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Benutzername: 
JDaizy
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 63 Bewertungen
Bewertung vom 01.07.2022
Die Galerie am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.1
Cedrino, Alexandra

Die Galerie am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.1


sehr gut

"Ob es richtig von Alice gewesen war, in Berlin zu bleiben? Was sie bis jetzt von der Stadt gesehen hatte, gefiel ihr. Quecksilbrig und gefährlich war es, düster, dreckig, billig. Aufregend, schnell und bevölkert von den interessantesten Menschen. Wenn sie irgendetwas erreichen wollte, dann hier. Aber sie musste auch aufpassen. Berlin ernährte sich von Leichtsinn und Gutgläubigkeit. Diese Stadt zog viele an: Glücksritter genauso wie Künstler, Elende und Verwahrloste, die Hoffnungsvollen und die Optimisten."

Die junge Kunststudentin Alice bricht Hals über Kopf alle Zelte in Wien ab und stolpert ins lebendige, turbulente Berlin der Dreißiger Jahre. Ihr Vorsatz: Herauszufinden, was zwischen ihrer Mutter Anna und ihrer Großmutter Helena Waldmann vorgefallen war, warum der Kontakt unwiderbringlich abgebrochen wurde und ja, sie will ein Schuldeingeständnis ihrer Großmutter. Kein leichtes Unterfangen. Denn Helena Waldmann ist nicht nur ein gestandenes Familienoberhaupt, sondern auch eine harte, unnahbare und scheinbar unberührbare alte Frau.
Wird es Alice gelingen in der Familie Waldmann Gehör zu finden oder gar aufgenommen zu werden in den Familienclan? Scheitert ihr Plan? Und warum könnte das Aufstreben des Nationalsozialismus all ihre Hoffnungen zerstören?

"Die Galerie am Potsdamer Platz" ist der erste Teil der dreiteiligen Galeristinnen-Saga und das Debüt von Alexandra Cedrino. Das Taschenbuch mit 382 Seiten erschien 2022 bei der Verlagsgruppe HarperCollins. Es ist hochwertig verarbeitet und hat eine angenehme Schriftgröße. Ganz besonders mag ich das eindrucksvolle und vielversprechende Cover: Die Farbgestaltung und die junge Frau mit dem Fotoapparat vor der pulsierenden Stadt. Genau so stelle ich mir Alice vor. Auch der Klappentext macht sofort Lust auf mehr.

Obwohl die Autorin für mich noch unbekannt war, haben mich zwei Dinge an diesem Roman neugierig gemacht: Das historische Berlin der bewegten Dreißiger Jahre und die Geschichte einer Kunsthändlerfamilie. Und eins vornweg: Die Autorin hat mich nicht enttäuscht.

An der ein oder anderen Stelle gibt es noch Potential im Spannungsbogen und in der Figurenzeichnung. Aber spätestens ab der Mitte des Buches war ich in der Geschichte gefangen.
Alice blieb für mich in ihrer Art immer ein bisschen suspekt, aber John, Gentle und Johann mochte ich sehr. Auch Helena habe ich in mein Herz schließen können. Wir alle machen Fehler und ich konnte ihre Beweggründe mitfühlen. Fast ist das Buch ein bisschen kurz für den Einstieg in diese umfassende Familiengeschichte und ich hätte mir gewünscht, mehr zu erfahren und hätte dafür andere Stellen, die gerade zu Beginn etwas langatmiger waren, gekürzt.
Das ist aber Jammern auf hohem Niveau und ich bin sehr gespannt auf Band 2, der schon auf meinem Nachttisch liegt.

Noch ein Wort zum Schreibstil der Autorin. Fast könnte man meinen, es gäbe zwei Erzählstimmen. Denn eine ist pragmatisch und distanziert, die andere einfühlsam, emotional und bildgewaltig. Es gab Phasen, in denen ich gern schneller vorangekommen wäre und andere, in denen ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte.

Ganz besonders vertieft war ich in die Beziehung von Alice und John, die Annäherung von Alice und Helena und tatsächlich in diese kurzen Verbindungen fast ohne Worte zwischen Alice und Gentle. Auch die Beschreibungen ihrer entstehenden Liebe zur Fotografie und die Einblicke in die Kunstsammlungen waren für mich sehr interessant. Wie viel können Bilder erzählen? Und können sie unser Leben positiv, oder auch negativ, beeinflußen?

Fazit:
Ein gelungenes Romandebüt, das Lust auf mehr macht. Sehr gut recherchiert und man spürt immer wieder die Leidenschaft der Autorin für die Kunst. Ich bin gespannt auf den zweiten Teil!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.05.2022
Das Lächeln der Natur. Ein Lesebuch für Gartenliebhaber
Lässig, Christine

Das Lächeln der Natur. Ein Lesebuch für Gartenliebhaber


ausgezeichnet

"Schöne Blumen wachsen langsam", hat William Shakespeare festgestellt, "nur das Unkraut hat es eilig." Jeder wird ihm beipflichten, der ein Stück Land bearbeitet. Wer es nicht betonieren will, muss damit leben. Und selbst dann würde ein Breitwegerich noch genug Platz finden, sich in einer winzigen Spalte fröhlich zu entwickeln. Es ist ganz erstaunlich, wie viel Überlebenswille in diesen Pflanzen steckt. "

Was gibt es Schöneres als im Grünen zu sitzen und den Pflanzen beim Wachsen, den Vögeln beim Singen und den Regenwürmern beim Graben zuzusehen. Gerade in einer Großstadt wie Berlin ist ein Garten Luxus. Zehn Jahre Wartezeit auf einen Kleingarten. Für viele von Ihnen sicher unvorstellbar. Dabei heißt es doch so schön: "Willst du ein Leben lang glücklich sein, dann leg dir einen Garten an."
Es gibt Tausende solcher Sprichworte und Weisheiten. Viele davon finden sie auch am Anfang und Ende des hier vorliegenden Buches "Das Lächeln der Natur". Liebevoll aneinander gereiht.
Eine wachsende und blühende Symphonie zauberhafter Illustrationen von Rita Fürstenau und gedanklicher Ausflüge der Autorin Christine Lässig.

Ganz egal, ob "Blumenliebhaber, Gemüsezüchter, Parkbesitzer, Kleingärtner, Gartenfachleute oder Neueinsteiger" - für jeden wird in diesem Büchlein etwas dabei sein.
Ich habe mich ganz besonders in den Ausführungen zum Gartenjahr wiedergefunden. Nicht alles lässt sich planen. Auch die Inspiration zu unseren Kindheitserinnerungen mochte ich sehr. Sicher hat jeder eine Lieblingsblume oder -pflanze, mit der er etwas verbindet. Sie nicht auch? Und sind es nicht die leisen Kräfte, die das Leben tragen? Im Garten zählt jeder noch so kleine Augenblick. Da schiebt sich ein kleines Pflänzchen durch die Erde, dass da gar nicht gepflanzt wurde. Man braucht Geduld. Darf es bleiben? Muss es weg? Was für den einen Unkraut ist, ist für den anderen ein Heilkraut, das geliebt und geschätzt wird. 
Es fällt mir wirklich schwer ein umfassendes Bild dieses Büchleins zu skizzieren, weil für mich auf fast jeder Seite eine Inspiration versteckt war.

Einzig die Buchbindung war bei den Sprüchen zu Beginn und am Ende des Buches etwas knapp bemessen und erschwerte das Lesen.

Fazit:
"Ein Lächeln der Natur" - Dieser Titel trifft es sehr gut. Ein Lächeln auch für den geneigten Leser.
Ein gelungener Mix aus kurzen Texten, weisen Sprüchen, Erfahrungen und Beobachtungen. Ein Muss für jeden Gartenfreund und jeden, der es werden möchte. Mit wunderschönen Illustrationen.

Bewertung vom 02.03.2022
Seit ich tot bin, kann ich damit leben
Näf, Willi

Seit ich tot bin, kann ich damit leben


ausgezeichnet

"Okay. Hör mal. Ich bin Satiriker, und du bist tot. Satiriker nimmt niemand beim Wort, und Tote geben keine Interviews. Das ist meinen Leserinnen und Lesern ja auch klar. Sie können Fakten und Fiktion unterscheiden und lieben die Literatur als Ort lustvoller Schöpfung. Sie verwechseln auch nicht kulturelle Inspiration mit "Aneignung" und verbieten den Deutschen nicht die Pizza, weil sie ursprünglich aus Italien kommt."

Lange habe ich überlegt wie ich meine Rezension beginnen soll. Und ich will nicht lange drum herum reden. ADEO hat mit Willi Näf und seinem Buch "Seit ich tot bin, kann ich damit leben" einen Volltreffer gelandet. Ich bin schwer begeistert. Von Anfang bis zum Ende war ich keine einzige Minute gelangweilt und habe den Einstieg mit der Danksagung, die kurze Reflexion mit den zehn Interviewpartnern zu Beginn, die Zeittafel und die vorangehend erzählten, quellentreuen Lebensgeschichten mit ihren fiktiven Interviews sehr genossen. Ein wahrhaftes Lesevergnügen.

"Das Leben sieht doch gleich ganz anders aus, wenn man es erst einmal hinter sich hat." 
Der Autor Willi Näf erzählt abwechslungsreich und unterhaltsam, und trotz schwieriger Themen durchaus humorvoll.

Es gab mehrere Interviews, die mich wirklich nachhaltig berührt haben. Zum Beispiel das Kapitel mit Lutz Baumgartner und Dietrich Bonhoeffer. Gerade in der jetzigen politischen Situation hat es noch einmal eine ganz andere Perspektive bekommen. Was haben wir aus unserer Geschichte gelernt? Diese Frage beschäftigt mich aktuell jeden Tag. 
Das Interviel mit Elisabet Trump hat mich besonders in Bezug darauf gefesselt, warum Menschen zu dem werden, der sie (heute) sind. Und mit Mary Ann Graves habe ich viel über eine Tragödie erfahren, die mir bisher völlig unbekannt war. Super spannend und sehr bewegend. Auch wie unterschiedlich hier die Erinnerungen gefärbt sind oder wie weitreichend Entscheidungen sein können.
Auch Sarah Forbes Bonetta kannte ich als Person noch nicht. Ihre Assoziation, dass der englische Regen und der Nebel die Haut auswaschen und sie Angst um ihre eigene hatte, hat mich sehr berührt. Diese kleine Kinderseele ... was hat sie alles erleben müssen. Aber Sallys Entwicklung zeigt, dass trotzdem alles möglich ist. Das macht Mut, finde ich.
Ich könnte noch so viel schreiben, will aber nicht zu viel verraten. Außer, dass es mich ganz besonders fasziniert hat, wie es der Autor bewerkstelligt hat, alle Geschichten miteinander zu verknüpfen. Das ist wirklich hohe Kunst! 
Außerdem bewundere ich es, wie es der Autor schafft, Stellung zu beziehen ohne dabei zu werten. Das ist wirklich gerade bei diesen Themen eine Gratwanderung. Er bedient keine Klischees und liefert vergnügliche und inspirierende Wortgefechte. Das Buch wirkt wirklich beim Leser nach. Zumindest bei mir und meinem historisch interessierten Mann.
Fazit:
Mit seinem lockeren, frischen Schreibstil bringt Willi Näf Leben in längst verstorbene Persönlichkeiten. Damit wird es eine hoffentlich breite Leserschaft ansprechen. 
Ich würde mich riesig freuen, wenn der Autor "Seit ich tot bin, kann ich damit leben" fortsetzen würde.
Meine absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 08.01.2022
Pullikalb (eBook, ePUB)
Kunellis, Christina

Pullikalb (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

"Die Muscheln, sagte sie leise, haben eine richtig harte Schale. Aber innen drin, da sind sie sehr, sehr weich. Und manchmal da dringt ein Fremdkörper in so eine Muschel ein. Ein scharfes, spitzes Splitterstück, das verletzt ihr weiches Inneres und tut ihr furchtbar weh. Und egal, wie sich die Muschel windet, egal was sie tut - sie wird es nie wieder los. Irgendwann ist die Verzweiflung und der Schmerz so groß, dass die Tränen der Muschel zu fließen beginnen, und diese Tränen beginnen den Splitter einzuhüllen, /.../ bis eine runde, glatte Perle entstanden ist! Und dann ist da kein blöder Splitter mehr und auch kein Schmerz und keine Verzweiflung - nur noch diese Kostbarkeit!"

Die 17-jährige Merle hat kein einfaches Leben. Ihre Mutter war seit ihrer Schwangerschaft überfordert und stellt auch heute die eigenen Interessen höher als die ihrer Tochter. Als sie Merle Heilig Abend bis ins neue Jahr hinein allein lässt, um mit ihrem neuen Partner Dieter allein sein zu können, ist der Punkt erreicht, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Warum nur, merkt ihre Mutter nicht, dass das, was ihre Tochter sagt, nicht das ist, was sie denkt? Warum fällt niemand sonst in ihrem Umfeld auf, was in Merle selbst vorgeht?

Ein Unfall bringt Merle durch Zufall an einen Ort, an dem alles anders zu werden scheint. Oder auch nicht? Mit dieser Frage lässt uns die Autorin Christina Kunellis lange im Unklaren.
Die studierte Agrarwissenschaftlerin, die als Stadtkind heute selbst einen Bio-Milchviehbetrieb betreibt, weiß also, wovon sie spricht. Sie selbst hat verschiedene Höfe und die Arbeit mit sozial auffälligen Jugendlichen kennengelernt. Eine gute Expertise für das Buch, und das merkt man in jeder Zeile.
Merle ist als Figur extrem stark gezeichnet. Ich habe als Leser mit ihr mitfühlen können, habe mich mit ihr gefreut, noch öfter aber gelitten. Am liebsten hätte ich das Mädchen in den Arm genommen. Dann wieder hätte ich sie am liebsten ganz fest an den Schultern geschüttelt. Die Autorin versteht es Merles Gefühlswelt, so exzessiv sie auch sein mag, bildhaft zu beschreiben und dabei den Leser an die Hand zu nehmen. Es gab tatsächlich Szenen, an denen ich kurz pausieren musste beim Lesen. Merle, die zum ersten Mal erfährt, was aufrichtige Zuwendung, Familie, Gehalten und Ausgehalten werden bedeutet. Die damit aber nur schwer umgehen kann, die nicht nur gegen das Außen, sondern vor allem gegen sich selbst rebelliert. Es ist eine Achterbahn der Emotionen.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Merle geschrieben. Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob ihre Realität mit fiktiven Elementen verbunden wird. Das hat mich tatsächlich auch noch nach dem Lesen des Buches beschäftigt und beschäftigt mich immer noch. Diese offene Frage hat das Lesevergnügen, aber überhaupt nicht beeinflusst. Wenn man von "Vergnügen" bei diesem Roman sprechen kann. Es ist eher harte Kost, weil er ein spezielles und sehr sensibles Thema abhandelt, dass gar nicht so selten auftritt wie wir alle umhin glauben: Selbsthass, Selbstverletzung, bis hin zur Selbstaufgabe, Vergewaltigung und Suizid. Gibt es überhaupt einen Weg aus dem Teufelskreis von Angst, Traurigkeit, Überforderung und inneren Kämpfen?

Neben all den dunklen Schatten gibt es aber auch wundervolle Momente, die mir in Erinnerung geblieben sind: der alte Opi, die Schlittenfahrt, das Pullikalb, herzhaftes Lachen, Füreinander da sein, der Ausritt im Winter, der Spaß im Freibad und natürlich die erste große Liebe.

Besonders schön finde ich die Assoziation von Merles schwierigem Start mit der Geburt des "Pullikalbs". Ich mag den Titel, weil er mich neugierig gemacht hat und das hält, was er verspricht. Genau wie das Cover. Für mich passt es perfekt zum Inhalt des Buches.

Fazit:
Wie kann man die Leere in sich füllen, die einen in den Abgrund zu reißen droht; wie den Schmerz bekämpfen, der übermächtig scheint? Ein sehr bewegendes, aufrüttelndes Buch, eine Herausforderung an den Leser, weil Merles Schmerz au

Bewertung vom 06.12.2021
Mordsgipfel
Rehn, Heidi;Kämmerer, Harry;Schmöe, Friederike

Mordsgipfel


ausgezeichnet

"Längst haben Frauen kein Glänzen mehr in den Augen, wenn sie ihn sehen. Außer seine Mutter. Und das kommt vom Kiffen. Trudi weigert sich standhaft, alt beziehungsweise erwachsen zu werden und wohnt aktuell bei ihm in der alten Mühle, weil ihr Vermieter sie rausgeschmissen hat. War ja auch keine wirklich gute Idee, in einem Mehrparteienhaus Tantra-Seminare zu geben. Trudi' s Tantra Time. Wahnsinn! Hoffentlich will sie die Kurse nicht in der Mühel fortsetzen."

Sie mögen die Berge? Sie mögen gute Unterhaltung und blicken gern in Abgründe - auch, oder gerade jetzt zur besinnlichen (Vor-)Weihnachtszeit. Dann möchte ich Ihnen diese Anthologie ans Herz legen.

In "Mordsgipfel - Krimis aus den bayrischen Bergen" nehmen Sie vierzehn Autoren und Autorinnen mit auf die Reise zum Geigelstein, der Partnachklamm, dem Ochsenkopf, dem Kofel bis hin zu den Gipfeln der Alpen. Ihre Protagonisten beschreiten mit forschem Schritt mörderische Pfade und blicken in tiefe Abgründe. Nicht nur vom Berg herab, sondern auch tief in ihre Seele.
Da liegen plötzlich Tote am Wegesrand, ein Auto stürzt über die Felskante, es wird gespitzelt, gezündelt und gewildert. Aber auch geliebt, gemalt und durch die Lüfte geflogen. Aufgestiegen, Abgestiegen, Abgehoben und Abgestürzt.

Nur eine Krimi-Anthologie unter vielen? Keineswegs! Zum einen wartet "Mordsgipfel" mit einer wirklich herausragenden Gestaltung auf. Und die Geschichten sind grandios unterhaltsam, abwechslungsreich und sprachlich ausgefeilt. Was wohl auch an den versierten Autoren und Autorinnen wie Heidi Rehn, Marta Donato und Harry Kämmerer uva. liegt, die mit ihren Geschichten ganze Arbeit geleistet haben.
Noch einmal zum Layout und der Gestaltung. Als bekennender Coverkäufer bin ich eher kritisch. Aber das Cover gefällt mir ausgesprochen gut. Es ist unaufgeregt, eingängig, bleibt damit im Gedächtnis und hat eine angenehme Farbgestaltung. Ganz besonders mag ich, dass alle Autoren und Autorinnen auf den Innsenseiten hinter den Klappen mit einem Porträtfoto abgebildet sind und auch persönliche Worte zu "ihrem Berg" hinter jeder Geschichte hinterlassen haben. Auch die Vita direkt hinter der jeweiligen Geschichte schafft ein verbindendes Element zwischen Leser und Autor.
Obwohl ich ein Flachlandtiroler bin und (noch) keinen Bezug zu den Alpen hatte (ja, bei mir sind alle Berge in Süddeutschland Alpen :-) haben mich die Geschichten sehr gut unterhalten. Sie haben mir Lust auf mehr gemacht. Besonders die Klamm, oder war es der Klamm? Ganz egal, da möchte einmal hin. Und wenn ich einmal in der Nähe von München bin, dann möchte ich natürlich auch auf den sagenumwobenen Olympiaberg.

Es fällt mir schwer die Geschichten herauszuheben, die mir besonders gut gefallen habe. Alle sind auf ihre ganz eigenen Art und Weise besonders. Aber es gibt sie doch - die, die einen immer wieder sofort als Erstes einfallen, wenn man an die Anthologie denkt. Zuallererst der krönende Abschluss "Öha" der Autorin Manuela Obermeier. Dann die zwei Geschichten mit historischen Bezug von Heidi Rehn und Markus Richter, die sprachgewaltige Geschichte von Beatrix Mannel, die mit Farben und Worten spielt und immer wieder überrascht, der "Absturz eines Schwarzrocks" von Marta Donato und ... es ufert aus. Ich muss aufhören.

Aber wie sagt Stefan Brandner so schön "Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist."

Fazit:
Kauft die Anthologie. Es lohnt sich wirklich! Ich habe selten eine so schöne Anthologie in den Händen gehalten. Außerdem steht Weihnachten vor der Tür. "Mordsgipfel" ist das perfekte Geschenk für die, die immer noch nicht wissen, was sie ihren Lieben schenken sollen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2021
Ein Cottage in Cornwall
Kabatek, Elisabeth

Ein Cottage in Cornwall


ausgezeichnet

"Möchtest du einen Tee", fragte Lori, an niemanden speziell gerichtet, und Karen und Maggie antworteten im Chor: "Danke, gerne."
"Du hast nicht zufällig ..."
"... den einen oder anderen Scone vom Frühstück übrig?" Beide grinsten sich an. Maggie setzte sich am Küchentisch gegenüber, und Karen rutschte auf den Stuhl neben Lori.
"Doch, habe ich", erwiderte Lori, die das Tee-Angebot schon wieder bereute. "Obwohl ich mich schon frage, warum sich eigentlich alles hier bei mir in der Küche knubbelt."
"Weil du die besten Scones machst und es die gemütlichste Küche der Welt ist", erklärte Maggie und kommentierte mit einem zufriedenen Grunzen, dass Titilope gerade einen Teller mit einem Scone vor ihr deponierte."


"Ein Cottage in Cornwall" ist mein erster Roman der Autorin Elisabeth Kabatek. Und soviel sei gleich vornweg verraten: Es wird nicht mein letzter sein.
Im dritten Cornwallroman, der sich aber sehr gut ohne Vorkenntnisse der ersten beiden lesen lässt, denn ich kannte sie auch nicht, treffen wir auf die 50-jährige Schwäbin Margarete. Maggie, wie sie liebevoll von den Einheimischen genannt wird, hat ihre Heimat Stuttgart für ihre große Liebe Chris verlassen und versucht in Cornwall Fuß zu fassen. Doch nicht nur das Wetter, sondern auch ihre Mutter und die Noch-nicht-Exfrau ihres Partners machen ihr das Leben schwer. Wird sie als Großstadtpflanze Freude am Landleben finden? Wird aus dem Greenhorn eine richtige Farmerin werden? Und was wird aus ihren Träumen?

Der Schreibstil der Autorin ist locker und leicht. Ich bin geradezu durch die Seiten geflogen. Es gab auf den 381 Seiten wirklich an keiner Stelle unangenehme Längen. Das hat mich wirklich beeindruckt. Auch, dass es die Autorin schafft, mich zum Lachen und zum Weinen zu bringen. Glück und Leid liegen so nah beieinander, dass es manchmal weh tut.

Doch nicht nur Maggie und Chris haben sich in mein Herz geschlichen. Auch Lori, die schnippische und manchmal cholerische Commanderin mit Feldwebelton hat mein Herz erobert. Wie gern wäre ich bei den gemütlichen Küchenabenden mit Scones und Tee dabei gewesen.
Oder Liam, ein Mann mit dem Herz am richtigen Fleck, der hartnäckig am Ball bleibt. Oder die herzliche Titilope, die anpackt, wo sie gebraucht wird. Elisabeth Kabatek haucht ihnen Leben ein, macht sie alle greifbar und angreifbar. Ich habe mitgefiebert, mitgelacht, mitgeweint. Und möchte jetzt vor allem eins wissen: Wie geht es weiter? Oder was passierte davor?
Ein bisschen hat sie auch mein Fernweh geweckt. Cornwall ... vielleicht sollte ich wirklich einmal nach Cornwall fahren. Dann könnte ich herausfinden, ob die deutsche und die englische Mentalität wirklich so gegensätzlich sind.

Drei Szenen sind mir (neben vielen anderen) bis heute im Gedächtnis geblieben: Die Szene als Chris Maggie in die Bucht entführt, als Maggie nach dem Unwetter dorthin zurückkehrt und als sie dort an Silvester nicht nur einen Start ins neue Jahr feiern. Mehr darf ich leider nicht verraten. Lest selbst. Es lohnt sich wirklich!


Fazit:
Auch wenn Trauer, unerfüllte Hoffnungen und lose Enden scheinbar unüberwindbar erscheinen; wenn uns die Einsamkeit wie ein hartes Band umschlingt ... Es lohnt sich immer um sein Glück zu kämpfen. Mit Freunden an seiner Seite ist man nie allein!

PS: Liebe Frau Kabatek, über die Sache mit Liam und Bullshit müssen wir noch einmal reden. ;)

Bewertung vom 02.09.2021
Learning by DOGing
Chris, Iris D.

Learning by DOGing


ausgezeichnet

Ich liebe Tiere, Hunde ganz besonders. Und ich liebe Geschichten.
Deshalb war ich ganz gespannt auf "Learning by DOGing" von Iris D. Chris.
Im Sammelband finden sich acht sehr unterschiedliche Bellotristik-Kurzgeschichten.
So kann der Leser mit Frauchen Christina und ihrer Hündin Bella einen Besuch in einem ganz besonderen Hunderestaurant erleben. Mögt ihr Pansensuppe? Oder bekommt die nur euer Hund?
Christina stellt sich auch einem sehr smarten Hundetrainer mit innovativen englischen Ideen, der eher die Frauchen als die Vierbeiner verzückt. Und man erfährt, warum Hundebesitzerin Susi durch und durch gern herzlos wäre.
Ganz besonders gern mochte ich Pelle Primelsocke, weil diese Geschichte nicht nur länger ist als die anderen. Sie fällt auch ein bisschen aus der Reihe, weil sie aus Sicht des Hundes erzählt wird.
Herzhaft gelacht habe ich bei den Flirtcrashern. Auch ich hätte keinen Sieger bestimmen können.
Ob lustige Flirtcrasher, spannendes Mordstheater oder gruselige Schöhnheitsoperationen. Alle Geschichten sind kurzweilig, leicht zu lesen und überraschend abwechslungsreich.

Der erste Sammelband "Learning by DOGing" ist im November 2020 als handliches Taschenbuch erschienen. Mit acht Geschichten auf 176 Seiten eignet es sich perfekt als Urlaubslektüre, zum Lesen in der Bahn oder als kleines Geschenk für Hundefreunde. Und die haben wir doch alle.
Auch die kleinen schwarz-weiß-Grafiken lockern die Geschichten liebevoll auf.
Man merkt, dass die Autorin ein bekennender Hundemensch ist.
Ich bin schon jetzt gespannt auf Band 2 "All unDOG control" und ihre weiteren Projekte.

Bewertung vom 13.07.2021
Und im Gepäck das Leben
Musser, Elizabeth

Und im Gepäck das Leben


ausgezeichnet

"Der Frieden des Herrn möge mit euch gehen, wohin er euch auch sendet. Er möge euch durch die Wildnis führen und im Sturm beschützen. Er möge euch nach Hause geleiten in der Freude über die Wunder, die er euch gezeigt hat. Und möget ihr in diese Freude einst wieder durch diese Türen treten."

Abbie hat alles im Griff. Sie ist glücklich verheiratet mit Bill, hat zwei wunderbare Söhne und ein geregeltes, gut durchorganisiertes Leben. Nichts kann ihre Pläne durchkreuzen. Dafür ist alles viel zu gut von ihr durchdacht. Mit dem Umzug in ein hochmodernes Loft wird ihre Familie wieder einen Schritt nach vorn machen. Doch irgendwie hat Abbie dieses Mal die Rechnung ohne ihre drei Männer gemacht. Ihre Söhne wollen endlich auf eigenen Beinen stehen und ihr Mann geht völlig überraschend auf Abstand. Warum? Abbie versteht die Welt nicht mehr.

Sie entscheidet sich ihren Sohn Bobby auf dem Jakobsweg zu begleiten. Und natürlich hat sie auch hier alles durchdacht, geplant und organisiert. Was soll schon schiefgehen. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Abbie muss lernen Loszulassen und sich für andere zu öffnen. Viel mehr aber, muss sie sich selbst finden. Und das ist gar nicht so einfach mit so viel Gepäck im eigenen Rucksack.
Die Wanderung wird zu einer Reise zu sich selbst. Nicht ohne dabei jedoch die anderen aus dem Blick zu verlieren. "Begleitet" wird sie neben ihrem Sohn Bobby, von Rasa - einer Flüchtlingshelferin, Caroline - der Schwester eines guten Freundes, einer Pfadfindergruppe, einer Familie aus Holland und zahlreichen anderen Pilgern aus aller Welt. Und ein jeder von ihnen trägt seine eigene Geschichte und eigene Erfahrungen im Gepäck.

Mir hat das Buch Lust auf mehr gemacht. Lust aufs Reisen, Lust auf eine Pilgerwanderung, Lust auf eine Reise zu mir selbst. Ganz eindrücklich ist mir der Satz im Gedächtnis geblieben: "Lassen Sie uns zuerst einmal Abbie zurückholen." Im Trubel des Alltags verlieren wir uns gern selbst aus dem Blick, kümmern uns zuerst um andere, wollen alles richtig machen, und machen doch oft kleine und große Fehler. Einmal den Fokus ganz auf sich richten dürfen, ohne gleich als egoistisch zu gelten, hat mir Mut gemacht. Und irgendwie fühle ich mich mit allen Figuren sehr verbunden.

Obwohl die Geschichte schwere Themen wie zum Beispiel Traumatisierung, Verlust und persönliches Scheitern aufgreift, macht sie Mut und Hoffnung. Wir können es besser machen, es ist nie zu spät und in allem Chaos kann auch Schönes entstehen.

"Im Gepäck das Leben" ist als deutsche Ausgabe 2021 im FRANCKE Verlag erschienen. Das Original erschien schon 2020 unter dem Titel "The promised Land". Es hat 27 Kapitel auf 368 Seiten und ich mag das Cover sehr. Es zeigt vermutlich Abbie, wie sie beim Pilgern auf einem Berg verweilt und in die Ferne schaut.
Einen einzigen kleinen Kritikpunkt habe ich. Die Namen sind manchmal wirklich verwirrend. Brett, Bill und Bobby, Jean-Claude und Jean-Paul, und dann auch noch die Fülle an Figuren machen es dem Leser nicht immer leicht. Selbst wenn die Kapitel immer mit der "sprechenden" Person eingeführt werden. Die Geschichte wird aus einer Multiperspektive erzählt, auch wenn Abbie die Person ist, die alle miteinander verbindet.
Am liebsten mochte ich Bobby und seine Großmutter Swannee. Die zwei sind einfach so herzlich und liebenswert.

Fazit:
Schließen möchte ich mit Abbies Worten, weil ich es besser einfach nicht sagen kann: "Wir erfreuen uns an den guten Dingen, die das Leben auf dem Jakobsweg einem schenkt: Verlust und Liebe, Glaube und Gemeinschaft, Schmerz und Ausdauer und eine Handvoll Wunder."
Sich gemeinsam den Herausforderungen des Lebens stellen: DAS lehrt uns dieses Buch. Es ist nicht nur eine Geschichte, sondern viel mehr als das, wenn man sich darauf einlässt. Wir alle sind Flüchtlinge und auf der Reise unseres Lebens. Das sollten wir nie vergessen. Meine absolute Leseempfehlung!

6 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.06.2021
Vom kleinen Waschbären, der nicht aufgab und den großen Sprung wagte
Toepel, Kerstin

Vom kleinen Waschbären, der nicht aufgab und den großen Sprung wagte


ausgezeichnet

"Henry, der kleine Waschbär, sammelt gern schöne Dinge: Blumen, Steine, Tannenzapfen, Blätter, Zweige, Beeren, Pilze und Federn. Immer wieder findet er etwas, das er behalten möchte. /.../ Nach einiger Zeit merkt er, dass er mal wieder aufräumen muss. /.../ In der hintersten Ecke sieht er plötzlich eine Kiste. /.../ Was mag da nur drin sein?"

Wer kennt sie nicht, die Geschichten vom kleinen Waschbären, der nicht wusste, dass er was ganz Besonderes ist und der sich traute, mutig zu sein. Jetzt halte ich den dritten Band in meinen Händen. Wieder einmal macht sich der kleine Waschbär Henry auf, um ein Abenteuer zu wagen.
Beim Entrümpeln seiner Wohnung entdeckt er alte Sachen seiner Großeltern und stößt auf eine Goldmedaille. Die muss seinem Opa gehört haben. Auch Henry möchte gern ein Sieger sein. Wie sich das wohl anfühlen mag?
Eine Bekanntmachung für einen Weitsprungwettbewerb im Wald lässt ihn jubeln. Jeder darf mitmachen! Endlich gibt es eine Chance selbst eine Medaille zu gewinnen.
Der kleine Waschbär beginnt fleißig zu trainieren, um der beste Weitspringer des Waldes zu werden. Doch dann passiert etwas Unerwartetes. War das ganze Training für umsonst?
Wird Henrys Traum trotzdem in Erfüllung gehen können? Wird er trotzdem noch zu einem Helden?

Mit "Vom kleinen Waschbären, der nicht aufgab und den großen Sprung wagte" ist Kerstin Toepel eine ganz wundervolle Fortsetzung gelungen.
Das Buch enthält neben zauberhaften Illustrationen auch kleine Mutmach-Botschaften für unsere Kinder.
Übung macht den Meister.
Manchmal weiß man erst später, wozu eine Anstrengung gut war.
Gib nie auf, nur weil du mal hinfällst.
Da geht mein Herz auf! Genau das möchte ich allen unseren Kindern mit auf den Weg geben. Und selbst unsere Kleinsten werden das verstehen.

Das Buch ist 2021 im SCM Verlag als hochwertiges Hardcover erschienen. Die Illustrationen sind einfach nur zauberhaft. Man kann eine gefühlte Ewigkeit auf jeder Seite verweilen und entdeckt immer wieder liebevolle, kleine Details. Ganz besonders mag ich die Coverillustration von Henry, bei der er seine gesammelten Dinge präsentiert, und seine tierischen Freunde vom "Team Henry", die ihm an seinen großen Tag zujubeln wollen. Auch der weise Wolf ist mir im Gedächtnis geblieben.
Sogar die Umschlagseiten vorn und hinten innen sind mit kleinen Zweigen und Blüten illustriert.

Das Buch kann ganz für sich allein gelesen werden. Trotzdem möchte ich euch auch die Vorgänger ans Herz legen. Sie sind alle einfach nur großartig.

Fazit:
Ein wunderschönes Kinderbuch mit großartigen Illustrationen und einer wichtigen kindgerechten Botschaft: Gib niemals auf! Manchmal weiß man erst später, wozu eine Anstrengung gut war. Für Kinder ab 3 Jahre.

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