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sofie

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Insgesamt 70 Bewertungen
Bewertung vom 12.07.2025
Saan, Anita van

Tiere im Meer / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.57


ausgezeichnet

Tiere im Meer” ist der 57. Band aus der Reihe “Wieso? Weshalb? Warum? Junior”. Wie schon bei den anderen Büchern aus dieser Reihe, die ich kenne, erklärt dieser Band kindgerecht ein bestimmtes Thema mit tollen Bildern und vielen Klappen zum Aufklappen.

Die kurzen Texte eignen sich gut zum Vorlesen und sind auch für die Eltern durchaus zum Teil noch informativ. Die Tiere werden sehr exakt bezeichnet. Manchmal hätte ich mir aber durchaus noch ein paar mehr Beschriftungen gewünscht, wenn mein Kind dann mal wieder sehr genau wissen möchte, wie der blaue Fisch denn nun heißt.

Die Klappen sind für das Alter 2 bis 4 Jahre in Ordnung. Bei kleineren Kindern muss man noch bisschen aufpassen, dass sie nicht zu rabiat damit umgehen. Aber das geht gut. Die Bilder und Texte hinter den Klappen ergänzen die Hauptseite immer sehr gut.

Nach einem Besuch im Aquarium neulich findet mein Sohn (2) das Buch nun noch besser und möchte es sehr oft anschauen!

Bewertung vom 06.07.2025
Kapitelman, Dmitrij

Russische Spezialitäten


sehr gut

"Ein kleiner, für immer mutter-sprachlich verängstigter Teil von mir freut sich darüber, auf Anhieb das richtige russische Wort für russische Radikalisierung gefunden zu haben. Sich etwas anatmen bedeutet, dumme Dinge in den Kopf zu nehmen und sich zu verändern." S. 130

Dmitrij Kapitelman ist in Kiew geboren. Bereits in seinen vergangenen Büchern hat er sich mit seiner Familiengeschichte und seiner Herkunft auseinandergesetzt. Sein neuester Roman "Russische Spezialitäten" ist aber vielmehr in der Gegenwart verhaftet. Zum einen erzählt er die Geschichte seiner Eltern nach der Aussiedlung nach Deutschland und die ihres "Magasins", in dem sie in Leipzig russische Spezialisten verkauften. Zum anderen geht es aber vor allem um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und wie dieser Familien und Freundschaften belastet. Die Wirkung der russischen Propaganda spielt dabei eine große Rolle.

Wie schon in seinen vorherigen Büchern ist die Sprache von Kapitelman unglaublich durchdacht und durchzogen von Bildern. Er spielt mit der Sprache und hier nicht nur mit der deutschen, sondern auch mit der russischen und ukrainischen. Das Verhältnis zu seiner Muttersprache Russisch, das ebenso durch den Krieg belastet wird, ist dabei eines der großen Themen des Romans.

Im ersten Teil stecken auch viel Wortwitz und amüsante Beobachtungen aus Deutschland. Im zweiten Teil, der in der Ukraine spielt, bleibt einem das Lachen dann eher im Hals stecken.

Etwas gestört hat mich das Episodenhafte des Romans. Auch bleibt die Sprache manchmal etwas distanziert und fast konstruiert. Der Tiefgang ist zwar da, lässt einen manchmal aber etwas kalt zurück.

Insgesamt kann ich "Russische Spezialitäten" trotzdem empfehlen. Ein hochaktuelles Buch!

Bewertung vom 06.07.2025
Johnston, Bret Anthony

We Burn Daylight


gut

“Er hütete seine Erfahrungen im Leben auf die gleiche Weise wie meine Eltern, wie ich selbst, und wir durften nur einen Blick auf das werfen, was wir sehen sollten. Dabei war mir doch so wichtig, dass er anders war, besser. Ich war über uns alle empört.” S. 378

1993 kam es in Waco, Texas zu einer mehrwöchigen Belagerung einer religiösen Gemeinschaft / Sekte durch das FBI und weitere US-Sicherheitsbehörden. Die Anhänger des Anführers hatten zuvor bereits Waffen gehortet und verteidigten sich, während das FBI sie eher als Geiseln des Anführers ansah. Bret Anthony Johnston nimmt diese wahren Ereignisse und nutzt sie, um die Geschichte der beiden Teenager Roy, Sohn des örtlichen Sheriffs, und Jaye, die von ihrer Mutter nach Waco und zu “Lamb” gebracht wird, zu erzählen.

Der Autor nutzt den Ablauf der Geschehnisse bis hin zu den genauen zeitlichen Abläufen aus der Realität, ändert aber die Namen (so z.B. auch den des Anführers) und teilweise das Geschlecht der handelnden Personen. Roy und Jaye sind komplett fiktiv. Leider gibt es im Buch selbst keine Einordnung was wahr und was fiktiv ist, z.B. in einem Vor- oder Nachwort.

Die Beschreibung des Buchs hatte mich einerseits angesprochen, denn die Ereignisse in Waco 1993 sind auf jeden Fall interessant und könnten eine gute Grundlage für einen spannenden Roman geben. Andererseits interessieren mich Liebesgeschichten zwischen Teenagern eher nicht, daher war ich skeptisch. Die Leseprobe gefiel mir aber doch und hatte bei mir den Eindruck erweckt, dass die Liebesgeschichte etwas hinter der der Gemeinschaft zurücksteht.

Man kann es schon ahnen, damit lag ich leider falsch und so konnte mich dieser Roman nicht wirklich begeistern. Am Anfang spielt der Roman noch mit verschiedenen Zeitebenen, die quasi aufeinander zulaufen: Jaye erzählt ihre Geschichte und wie sie überhaupt nach Waco gekommen ist. Roy erzählt die ersten Tage ihrer gemeinsamen Geschichte. Beide erzählen mit etwas Abstand zum Geschehen und ordnen ihre Gefühle auch eher aus einer erwachsenen Perspektive ein – so zumindest mein Eindruck. Etwa in der Mitte des Buchs wird das aber aufgegeben. Beide Erzählungen sind dann in der gleichen Zeitebene und auch der Abstand zu den Ereignissen wird immer mehr aufgegeben.

Leider sind die Gefühle der beiden Protagonisten bei mir nie wirklich angekommen. Dem Leser wird zwar immer wieder erzählt, wie verliebt sie sind, aber für mich war das eine typische Teenie-Romanze: himmelhochjauchzend ohne eine richtige Grundlage. Hinzu kommt, dass beide noch keine 15 sind, was vieles für mich noch unglaubwürdiger machte. Viele ihre Handlungen konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen und einiges kam gefühlt aus dem Nichts. Dabei sollten sie – im Vergleich zu den religiösen Fanatikern – wohl eigentlich die Vernünftigen sein.

Achtung, leichter Spoiler: Völlig verloren hat mich der Autor dann beim Epilog, der einfach nur noch kitschig und übertrieben ist und in Teilen quasi ein alternatives Ende zu den wirklichen Ereignissen darstellt, damit wir ein Happy end haben.

Unterbrochen werden die Erzählungen von Jaye und Roy durch Ausschnitte aus einem (fiktiven) Podcast, in dem Interviews mit Überlebenden der Ereignisse geführt werden. Das fand ich einen sehr interessanten stilistischen Kniff.

Die Übersetzung von Sylvia Spatz fand ich hingegen an einigen Stellen etwas holprig und das Englische scheint deutlich durch. So wird an einigen Stellen “cult” als “Kult” übersetzt, wo meiner Meinung nach Sekte besser gepasst hätte. Der Sheriff nennt seinen Sohn manchmal “Detektiv” (im Original vermutlich “detective”), was mich jedesmal aus dem Lesefluss gerissen hat. Hier hätte “Partner” oder meinetwegen “Kommissar” besser gepasst. Über weite Teile des Buchs siezt Jaye zudem Lamb, den Anführer. Auch darüber bin ich immer wieder gestolpert.

Die Sprache des Autors hat mir ansonsten an vielen Stellen sehr gut gefallen und ich habe mir einige Zitate herausgeschrieben. Auch deswegen vergebe ich trotz meiner Kritik noch 3 von 5 Sternen. Denn die Liebesgeschichte, die mich vor allem gestört hat und die mir sehr unrealistisch schien, war ja klar vom Verlag angekündigt. Ein bisschen unklar ist mir allerdings, wer die Zielgruppe dieses Romans ist.

Bewertung vom 06.07.2025
Gebhardt, Miriam

Die kurze Stunde der Frauen


ausgezeichnet

Miriam Gebhardt nimmt sich in ihrem neuen Sachbuch “Die kurze Stunde der Frauen. Zwischen Aufbruch und Ernüchterung in der Nachkriegszeit” einem Thema an, um das sich viele Erzählungen ranken und das mich sehr interessiert hat. Sie betrachtet die Situation der Frauen in Deutschland unmittelbar am Ende des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit in beiden deutschen Staaten. Dabei versucht sie, mit einigen Mythen aufzuräumen und stellt an sich selbst den Anspruch, über Frauen aus Fleisch und Blut zu schreiben und kein feministisches Märchen, wie dies manchmal schon geschehen ist.

Ich finde, diesem Anspruch wird sie durchwegs gerecht. In vielen Themen zeigt sie zum einen die Ungerechtigkeiten gegenüber den Frauen in der Nachkriegszeit (z.B. auf dem Arbeitsmarkt), gleichzeitig aber auch Frauen, die selbst eher ein konservatives Rollenmodell verfolgten (und warum). Es ist auf jeden Fall kein feministisches Märchen, definitiv aber auch nicht antifeministisch.

Besonders gut gefiel mir, dass sie auf konkrete Lebensläufe und Aussagen sowohl von berühmten (oder zumindest solchen, die es sein sollten) als auch von alltäglichen Frauen, dann meist über Tagebücher, zurückgreift. Bei den engagierten Frauen sind mir einige Namen nun geläufiger, die leider trotz ihrer Leistungen nur wenig bekannt sind, so z.B. Elisabeth Schwarzkopf.

Themen, die mich besonders beeindruckt haben, waren z.B. die Geschichte des Grundgesetzes und wie der Gleichheitssatz hineingelangt ist. Das liest sich teilweise spannend wie ein Krimi. Auch den Blick auf Erziehungsratgeber aus der NS-Zeit (und teilweise noch davor) und deren Langlebigkeit mit Auswirkungen bis in die Gegenwart fand ich sehr spannend. Insgesamt gefiel mir auch der Fokus darauf, wie sich hierzulande aus der deutschen Geschichte eine spezifische Sicht auf Weiblichkeit und besonders Mütterlichkeit entwickelt hat, die uns wiederum bis heute beeinflusst.

Ich kann “Die kurze Stunde der Frauen” damit auf jeden Fall jedem (und jeder!) empfehlen, die sich für die Nachkriegszeit interessiert. Das Buch ist auch sehr gut lesbar.

Bewertung vom 02.10.2016
Kniesche, Thomas

Büchermorde - Mordsbücher


sehr gut

In sieben Kapiteln befasst sich Thomas Kniesche in „Büchermorde – Mordsbücher“ mit allen Fragen rund um das Thema – wie der Titel schon sagt – Bücher und Morde. Es geht um bibliophile Ermittler, mordende Bibliothekare, das Buch als Waffe und die Bibliothek als Tatort. Dabei werden häufige Motive in Krimis – wie eben zum Beispiel die Leiche in der Bibliothek – vorgestellt und historisch eingeordnet.
Das kleine Büchlein (144 Seiten mit Anhang und vielen kleinen Abbildungen) ist schnell gelesen und man erfährt dabei doch einiges. Vor allem aber lernt man viele Bücher bzw. Krimis kennen, die sich um andere Bücher drehen. Mir waren es manchmal ein bisschen zu viele Nacherzählungen von Handlungen, ich hätte mir etwas mehr Analyse gewünscht. Am besten gefiel mir daher auch das Kapitel „Postmoderne Bücherkrimis: Wenn Fiktion und Realität verschmelzen“.
Der Stil ist sachlich, aber trotzdem unterhaltsam und im Anhang findet man alle bibliografischen Angaben zu den vorgestellten Büchern.
Insgesamt ist „Büchermorde – Mordsbücher“ ein schönes Geschenk für Buch- und Krimiliebhaber. Von mir gibt es 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 15.04.2016
Higgs, John

Alles ist relativ und anything goes


ausgezeichnet

„Zugegeben, Ulysses wird nicht oft mit Grand Theft Auto verglichen, aber ich glaube, wer mit beidem vertraut ist, dürfte mit dem Vergleich einverstanden sein.“ S. 58
„Alles ist relativ und anything goes“ hält auf jeden Fall, was der Untertitel verspricht, nämlich ein unterhaltsame Reise durch das 20. Jahrhundert. Der Autor erklärt im Vorwort, dass er versuchen will, dass 21. Jahrhundert besser zu verstehen, indem er sich das vorangegangene Jahrhundert genauer ansieht. Und ich finde, das ist ihm ziemlich gut gelungen.
Die einzelnen Kapitel sind immer einem bestimmten Thema gewidmet, trotzdem zieht sich durch das ganze Buch ein roter Faden und immer wieder werden Fakten aus den vorherigen Kapiteln herangezogen und fügen sich so zu einem großen Ganzen. Der Schreibstil ist sehr unterhaltsam, es gibt viele witzige und skurrile Anekdoten. Trotzdem wird durchaus auch Wissen vermittelt. Gut gefallen hat mir auch, dass das Buch nicht so anglozentrisch ist, obwohl John Higgs Brite ist. Das stört mich zum Beispiel immer ein bisschen bei den Büchern von Bill Bryson, mit denen sich dieses Buch ganz gut vergleichen lässt.
Positiv hervorzuheben ist auch die Gestaltung des Buches: hochwertiges Papier und jedes Kapitel beginnt mit einem passenden Foto.
Insgesamt also ein runde Sache. 5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 11.04.2016
Pamuk, Orhan

Diese Fremdheit in mir


ausgezeichnet

Orhan Pamuk erzählt in dem Roman „Diese Fremdheit in mir“ die Lebensgeschichte des Bozaverkäufers Mevlut. Wie viele junge Männer oder vielmehr noch Jugendliche folgt Mevlut seinem Vater vom Dorf nach Istanbul. Sie bauen sich illegal ein kleines Haus und verkaufen gemeinsam in den Straßen Joghurt und Boza, ein traditionelles Getränk. Auch der Bruder seines Vaters und dessen Söhne leben in Istanbul. Auf einer Hochzeit verliebt sich Mevlut und beginnt dem Mädchen Briefe zu schreiben...
„Diese Fremdheit in mir“ ist aber nicht nur die Geschichte Mevluts, sondern eigentlich die Geschichte zweier Familien. Vor allem aber ist es auch eine Geschichte Istanbuls. Die Handlung des Romans reicht über 50 Jahre und in dieser Zeit wächst und wächst die Stadt immer weiter. Immer mehr Menschen aus allen Landesteilen der Türkei kommen in die große Stadt, um ihr Schicksal zu suchen. Sie alle wollen es zu etwas bringen, es entstehen Konflikte, die Korruption blüht und Familienbande halten zusammen oder auch nicht. Und der Bozaverkäufer Mevlut ist stiller, manchmal auch teilhabender Beobachter des Ganzen.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Besonders die Art des Erzählens fand ich toll. Manchmal hat es fast etwas von einem Märchen und immer wieder gesellen sich zum Erzähler die Figuren der Handlung und erzählen ihre Sicht der Dinge. So als würden sie alle zusammensitzen und nun dem Leser diese Geschichte näher bringen. Ich habe außerdem einiges über die türkische Zeitgeschichte erfahren, was ich sehr interessant fand. Mevlut sitzt oft zwischen allen Stühlen und Fronten und so bekommt man einen sehr großen Überblick über die verschiedenen Bewegungen.
Sicher nicht mein letzter Roman des Autors und 5 von 5 Punkten!

Bewertung vom 23.03.2016
Galbraith, Robert

Die Ernte des Bösen / Cormoran Strike Bd.3 (Restauflage)


gut

Im dritten Fall von Cormoran Strike und Robin Ellacott wird es persönlich. Robin bekommt ein abgeschnittenes Frauenbein zugeschickt und Strike ist sich sicher, dass der Schlüssel zur Lösung des Falls in seiner Vergangenheit liegt. Und wieder einmal müssen die beiden auch gegen die Polizei arbeiten.
Ich kannte aus der Reihe bisher nur den ersten Teil, der mir sehr gut gefallen hat. Im Vergleich dazu flacht dieser dritte Teil leider meiner Meinung nach etwas ab. Am Anfang fand ich besonders den etwas detaillierteren Blick in Strikes Vergangenheit sehr interessant. Er war auch schon im ersten Buch der spannendste Charakter und hier erhält man einen noch besseren Einblick. Auch über Robin erfährt man noch so einiges.
Ich finde aber man hätte für die Geschichte keine 600 Seiten benötigt. Zwischendrin gibt es doch einige Längen, in denen es im Fall nicht so richtig voran geht und nicht sehr viel passiert. Ich habe prinzipiell nichts gegen langsame Krimis, aber das hier hätte man doch straffen können. Außerdem nehmen mir die privaten Probleme, besonders von Robin mit ihrem Verlobten Mathew, viel zu viel Raum ein. Und dann wird der Konflikt zum Schluss noch nicht mal richtig aufgelöst.
Den ersten Roman hatte ich noch im englischen Original gelesen, diesen nun in der Übersetzung. Diese schien mir an manchen Stellen doch etwas holprig und man liest leider an einigen Stellen noch das Englische durch.
Insgesamt also eine durchaus nette Geschichte und für Fans von Strike und Robin sicher sehr interessant. Als einzelnes Buch konnte es mich allerdings nicht vom Hocker reißen, daher 3 von 5 Sternen.

Bewertung vom 05.03.2016
Moster, Stefan

Neringa


ausgezeichnet

"Sollte sich mein Enkelkind auf die Spuren meiner Arbeit begeben, würde es nirgendwo etwas finden, weil die digitale Entwicklung darüber hinweggegangen sein würde. Das Pflaster, das mein Großvater vor der Christuskirche gelegt hatte, würde dasselbe Enkelkind hingegen noch betrachten können.“ (S. 56)
„Neringa oder die andere Art der Heimkehr“ von Stefan Moster ist ein Roman über eine Reise in die Vergangenheit. Ausgelöst durch einen Film im Kino begibt sich der Ich-Erzähler in seine eigenen Vergangenheit und in die seines Großvaters. Gleichzeitig bringt ihn eine junge Frau dazu, auch die Gegenwart wieder stärker wahrzunehmen.
Besonders sprachlich hat mir der Roman sehr gut gefallen, da sitzt jedes Wort und keines ist zu viel. Auch die Komposition ist toll, der Wechsel zwischen Gegenwart, Vergangenheit und (vielleicht) konstruierter Vergangenheit lässt die Charaktere in verschiedenen Blickwinkeln erscheinen. Und auch die Beschreibungen der Orte haben mich sehr beeindruckt und direkt etwas Fernweh ausgelöst.
Das Buch kreist um Themen wie Identität, Heimat, Herkunft. Was bedeutet Identität in einer Welt, in der wir ständig an anderen Orten und in anderen Ländern leben? Welchen Wert hat Heimat noch? Und vor allem wie beeinflusst uns unsere eigenen Vergangenheit, aber eben auch die unserer Vorfahren?
Wenn ich etwas an „Neringa“ bemängeln müsste, dann wäre es nur die Liebesgeschichte, die auf mich irgendwie nicht ganz glaubwürdig wirkte. Insgesamt habe ich das Buch aber regelrecht verschlungen und werde sicher bald noch mehr von Stefan Moster lesen. 5 von 5 Sternen.

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Bewertung vom 21.02.2016
Nichol, Christina

Im Himmel gibt es Coca-Cola


ausgezeichnet

"Aber wie ist es möglich, eingehend über die Lösung der Probleme unseres Landes nachzudenken, wenn wir stattdessen immer nur über Elektrizität nachdenken?" (S. 106)
Georgien, im Jahr vor der sogenannten „Rosenrevolution“. Der Held und Ich-Erzähler der Geschichte ist Slims Achmed Makaschwili, ein Anwalt im Meeresministerium von Batumi am Schwarzen Meer. Slims versucht seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, macht sich viele Gedanken über sein Heimatland und träumt gleichzeitig von einer Auswanderung nach Amerika. Aber hauptsächlich wartet er darauf, dass der Strom wiederkommt. Der Originaltitel (und wie ich finde auch passendere Titel) heißt dementsprechend auch „Waiting for the electricity“.
Die Autorin, Christina Nichol, ist Amerikanerin und kennt den Georgien und den Kaukasus von Arbeiten für NGOs. Im Normalfall bin ich immer etwas skeptisch, wenn ein „westlicher“ Autor über Osteuropa schreibt, denn oft wirkt das dann etwas herablassend. Doch das ist in diesem Roman überhaupt nicht der Fall, ganz im Gegenteil zeichnet die Autorin ein sehr liebevolles Bild eines Landes zwischen Ost und West. Und dabei kritisiert sie durchaus die georgische Gesellschaft, gleichzeitig zeigt sie aber auch die Probleme ihres eigenen Landes.
Der Roman hat sehr viel Witz, macht gleichzeitig aber auch sehr neugierig auf Georgien und seine Geschichte. Ich habe zumindest während des Lesens immer mal wieder etwas nachgeschlagen. Die Geschichte an sich entwickelt sich eher langsam und es gibt durchaus auch einige Längen. Mich persönlich hat das allerdings weniger gestört, ich mag es, wenn sich ein Buch Zeit für seine Figuren und ihre Entwicklung lässt. Von mir gibt es eine Empfehlung und 5 von 5 Sternen.