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CK
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Raum Stuttgart

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Insgesamt 212 Bewertungen
Bewertung vom 11.08.2025
van der Wouden, Yael

In ihrem Haus


ausgezeichnet

Vergangenheit und Versöhnung: Fesselnder, atmosphärischer Debüroman 4,5⭐️


„Das Haus hielt den Atem an.“

Die junge Isabel lebt 1961 alleine im Haus ihrer verstorbenen Mutter in der niederländischen Provinz. Ihr Leben verläuft in sehr ruhigen, geordneten Bahnen. Außer zu ihrem Dienstmädchen und ihren beiden Brüdern, die längst nicht mehr im Haus wohnen, hat sie kaum Kontakte. Als ihr Bruder Louis eines Tages seine Freundin Eva ungefragt bei ihr einquartiert, gerät Isabels monotone Routine gehörig durcheinander. Sie fühlt sich mit dem unerwünschten Gast nicht mehr wohl in ihrem Haus, es verschwinden Dinge und Isabel wird immer mißtrauischer Eva gegenüber, von der sie nicht so recht weiß, was sie von ihr halten soll. Zwischen den beiden ungleichen Frauen entwickelt sich unerwartet eine starke Anziehung, die Isabels festgefügtes Weltbild erschüttert. Und nicht nur das, auch die Ereignisse der Vergangenheit werden wieder aufgewühlt ...

"Was war schon Glück? Was war das Glück wert, wenn es einen Krater hinterließ, der dreimal so groß war? Was wussten die Menschen, die von Glück sprachen, schon davon, was es bedeutete, jede Nacht von zischenden Flugzeugen und vom verzweifelten Hämmern an Türen und Fenstern zu träumen und morgens mit einer Hand an der Kehle aufzuwachen - der eigenen, an der eigenen Kehle. Was wussten sie davon, tagelang kein Wort zu sprechen, nie berührt worden zu sein, was wussten sie von Verlangen, vom Nichtspüren, und Nichts-Spüren. Was wussten sie schon von einem Haus, dass immer nur leerer wurde. Von sterbenden Tieren und sterbenden Vätern und sterbenden Müttern und von Schusslöchern in Baumstämmen unter eingeritzten Herzen mit den Namen von Menschen, die fehlten, und der aufgeplatzten Lippe eines Bruders. Und was wussten ... was könnte sie schon wissen von ..."

„In ihre Haus“ ist ein Roman, der mich wirklich positiv überrascht hat!
Yael van der Wouden schreibt sehr fesselnd, atmosphärisch und auch sinnlich.

"Darauf lief es hinaus: Einen kurzen, gierigen Moment lang hatte sie gelernt, was Begehren bedeutet. In diesen wenigen Tagen hatte sie seine Gestalt und seinen Geschmack erfahren. Leichtfertig hatte sie sich geöffnet, doch ihr Begehren blieb unerwidert."

Die Atmosphäre der 60erJahre, die Stimmung der Nachkriegszeit, ist atmosphärisch sehr gut eingefangen, die Charaktere authentisch. Isabel wirkt sehr distanziert, vor allem zu Beginn, dennoch ist man von Anfang an aus ihrer Sicht in der Geschichte drin. Eva ist eine deutlich vielschichtigere Figur, erst mit der Zeit entpuppt sich ihr Geheimnis.

"Ist das nicht seltsam? Niemand in diesem Land scheint irgendetwas zu wissen: Niemand weiß, wo sie wohnen, wer was getan hat, wer wohin verschwunden ist. Alles ein großes Geheimnis. Wissen ist flüchtig. Menschen sind einfach in der Nacht verschwunden und ..."

Zum Inhalt möchte ich nicht mehr verraten, um nicht zu spoilern.
Ich kann nur meine ausdrückliche Leseempfehlung für diesen fesselnden, intensiven Debütroman geben! Hat mich sehr begeistert!

Bewertung vom 07.08.2025
Laing, Olivia

Everybody


sehr gut

Der Traum vom freien Körper: Anspruchsvolles Sachbuch/Memoir

„Everybody: Warum unser Körper politisch ist“ von Olivia Laing ist ein gleichermaßen interessantes wie anspruchsvolles Sachbuch über die Zusammenhänge von Gesellschaft, Körperpolitik und Geschichte.

Die Autorin berichtet detailliert über den langen Kampf um körperliche Freiheit, von der Geschichte des Feminismus, der sexuellen Befreiung, LGBTQ-Bewegungen, der Bürgerrechtsbewegung und vielem mehr.

"Bei allen Kämpfen des vergangenen Jahrhunderts, vom Feminismus über die Emanzipation der Homos•xuellen bis zur Bürgerrechtsbewegung, ging es im Grunde um das Recht, nicht unterdrückt zu werden, nur weil man eine bestimmte Art von Körper bewohnt: zu leben, wo man möchte, zu arbeiten, wo man möchte, zu essen, wo man möchte, zu gehen, wohin man möchte, ohne das Risiko, attackiert oder getötet zu werden; eine Abtreibung vornehmen zu lassen, sich in der Öffentlichkeit zu küssen, einvernehmlichen S•x zu haben ohne die Angst, im Gefängnis zu landen. Die errungenen Siege waren hart erkämpft, aber nicht für die Ewigkeit gesichert, und nun droht der Rückfall in unüberwunden geglaubte Verhältnisse."

In ihren Recherchen befasst sich die Autorin mit Wilhelm Reich und seinen Theorien (das nahm für meinen Geschmack etwas zu viel Raum in Anspruch), außerdem geht sie auf weitere eindrucksvolle Persönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts ein wie z.B. James Baldwin, Nina Simone, Sigmund Freud, Susan Sontag und Malcolm X. Die historischen Zusammenhänge fand ich sehr interessant, teilweise etwas zu ausschweifend.

Das Augenmerk der Autorin liegt besonders bei Frage nach der Freiheit des Körpers sowie die Rechte bzw. Einschränkungen der einzelnen Körper.

"Doch meine Kindheit hat mich nicht nur gelehrt, dass der Körper ein Objekt ist, dessen Freiheit durch die Außenwelt beschränkt wird, sie hat mir auch gezeigt, dass der Körper selbst ein Mittel zur Freiheit sein kann."

"Wenn über Körper gesprochen wird, besonders in der Populärjultur, ist das Themenspektrum in der Regel eng begrenzt und es geht zumeist um das Erscheinungsbild oder die Gesunderhaltung des Körpers. Der Körper als eine Ansammlung von Oberflächen von mehr oder minder ansprechendem Aussehen. Der perfekte, unerreichbare Körper, so glatt und glänzend, praktisch nicht von dieser Welt. Womit man ihn füttert, wie man ihn pflegt und die ständige Angst, dass er womöglich abweichend oder ungenügend ist. Mich hingegen interessiert in erster Linie die Erfahrung, in ihm zu leben, etwas zu bewohnen, das so katastrophal verletzlich war, so hilf- und wehrlos Lust und Schmerz, Hass und Begehren ausgesetzt."

"Wir alle sind in unserem Körper gefangen, will sagen in einem Raster widersprüchlicher Auffassungen zu der Frage, was dieser Körper bedeutet, wozu er fähig ist und was er tun und lassen darf. Wir sind nicht bloß Individuen, hungrig und sterblich, sondern repräsentieren Typen und sehen uns Erwartungen, Ansprüchen, Forderungen, Verboten und Strafen ausgesetzt, die stark variieren können, je nachdem, welche Art von Körper wir bewohnen. Freiheit bedeutet nicht nur, wie der Sade hemmungslos seinen materiellen Gelüsten zu frönen. Sie bedeutet auch, sein Leben führen zu können, ohne gehemmt, behindert, beschädigt oder kaputt gemacht zu werden, sprich ohne fortwährend eingetrichtert zu bekommen, was der eigenen Körperkategorie erlaubt ist und was nicht."

Obwohl ich das Buch thematisch sehr interessant fand, bin ich anhand des Klappentextes offenbar mit etwas anderen Erwartungen an dieses Buch herangegangen. Diese wurden also nicht alle erfüllt; dennoch kann ich dieses Buch weiterempfehlen, da es einigen Stoff zum Nachdenken sowie viele kluge Gedanken bietet.
Es ist weniger ein reines Sachbuch, sondern auch teilweise Memoir, da man einiges über das Leben der Autorin erfährt, die mir bisher noch völlig unbekannt war.

"Und doch ist der Traum vom freien Körper keineswegs vergangen. Er liegt in der Luft."

"Ein freier Körper muss nicht heil oder unbeschädigt oder naturbelassen sein. Er verändert sich ständig, immerzu, in einem fort, er ist schließlich eine fluide Form. Stellen Sie sich einen Moment lang vor, wie es wäre, einen Körper zu bewohnen ohne Angst, ohne Angst haben zu müssen. Stellen Sie sich vor, wozu wir in der Lage wären. Was wir für eine Welt erbauen könnten."

Bewertung vom 07.08.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


gut

Sprachlich starker Debütroman mit kleinen Schwächen: 3,5⭐️


In ihrem Debütroam "Adlergestell" erzählt Laura Laabs von drei Mädchen und ihrer Kindheit während der Nachwendezeit. Lenka, Chaline und die Ich-Erzählerin sind gerade eingeschult worden. Ihre bisherige Welt existiert nicht mehr, was sich auch im Schulalltag bemerkbar macht.

„Alle Lehrbücher waren über Nacht ungültig geworden. Man sollte meinen, dass immerhin das Alphabet verlässlich geblieben und auch zuvor kein X für ein U verkauft worden war.“

Plötzlich scheint alles möglich und greifbar, der Kapitalismus macht sich breit.

„Ich sah darin eine Chance, einige der im Fernsehen angepriesenen Produkt zu ergattern, wenigstens eine Packung Kellog's Frosties, die mit einer Extrazuckerkruste überzogen waren und so den Tiger in mir wecken sollten. Doch als wir leibhaftig vor den neuen Produkten entstanden, wirken sie kleiner, blasser, ja weniger wirklich, als gerade noch in der Werbung. Mich beschlich das Gefühl, dass die Bilder im Fernseher zu der Welt davor nicht ganz passten und dass die Guten vielleicht auch Schurken waren.“

Ihre Eltern müssen sich plötzlich mit Arbeitslosigkeit und einer neuen Realität auseinandersetzen; ihre Großeltern verarbeiten noch die Vergangenheit.
35 Jahre später kehrt die Erzählerin zurück zum Adlergestell, während Lenka zum Islam konvertiert und Chaline eine erfolgreiche Beauty-Bloggerin geworden ist. Wie sind sie zu dem geworden, was sie heute sind?

Die Kapitel sind relativ kurz und aus wechsenlden Perspektiven geschrieben, auch vom heutigen Leben der Erzählerin bekommt man einige Eindrücke.
Nicht immer ist sofort klar, wer hier gerade erzählt, die Spannung wird durch die verschiedenen Erzählstränge und Zeitebenen aufrechterhalten.

Insgesamt ein sprachlich sehr starkes Buch, das inhaltlich jedoch leider eher oberflächlich die damalige Zeit berühren kann. Die Ich-Erzählerin lernt man recht gut kennen, auch von Chalines und Lenkas Leben bekommt man einen guten Eindruck. Die Handlung bleibt insgesamt leider etwas blass und hätte für meinen Geschmack noch tiefgreifender ausgearbeitet werden können.
Dennoch ein literarisch sehr interessanter Debütroman einer vielversprechenden Autorin. - 3,5 ⭐️

Bewertung vom 04.08.2025
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt


sehr gut

Nummern statt Namen: Erschütternde Kinderschicksale


"'Wie heißt du denn, Kleine?' fragte er.
'Nummer acht', sagte sie höflich.
Er zog die Brauen hoch. 'Und dein richtiger Vorname?'
'Den habe ich vorm Haus abgegeben. Ich bin jetzt bloß noch die Nummer acht.'"


In Eva Völlers Roman „Der Sommer am Ende der Welt“ reist die Journalistin Hanna nach Borkum, um dort für einen Zeitungsartikel zu recherchieren. Es geht um die traumatischen Erfahrungen ehemaliger „Verschickungskinder“, die damals in der „Villa Aurelia“ auf Borkum Schlimmes erlebt haben. Auch Hannas Mutter war damals dort, was Hannas Arbeit auch zu einem sehr persönlichen Anliagen macht.
Sie reist gemeinsam mit ihrer 16jährigen Tochter Kathi, die ihre Mutter jedoch eher widerwillig begleitet. Untergebracht sind sie in einem Nobelhotel – und genau hier war damals das Kinderkurheim.
Kaum auzf der Insel, verliebt Hanna sich in den Inselarzt Ole; auch für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick.
Als eines Tages vor Hannas Hotelzimmertür das Tagebuch einer ehemaligen Kinderbetreuerin des Kinderkurheims liegt, gibt es Hinweise auf ein vertuschtes Verbrechen. Und es scheint so, als ob es Oles Familie ein schreckliches Geheimnis gibt ...
Stück für Stück wird die Vergangenheit aufgedeck - doch nicht alle auf der Insel möchten, dass die Wahrheit ans Licht kommt ...

Wenn man bedenkt, dass auch zwei Geschwister der Autorin Eva Völler damals in Kinderkurheime verschickt wurden, macht es diese zu einem sehr persönlichen Roman.
Thematisch hat mich an dem Buch besonders der historische Hintergrund, das schlimme Schicksal der Verschickungskinder interessiert und berührt. Darüber müsste viel mehr berichtet werden und ich habe mir vorgenommen, noch mehr zu dem Thema zu lesen und zu recherchieren.

Der Roman war meiner Meinung nach insgesamt thematisch ein wenig überladen; die Liebesgeschichte war sehr klischeehaft und hätte meiner Meinung nach nicht unbedingt sein müssen.
Der Schreibstil war jedoch gut lesbar; es kam auch ordentlich Spannung auf. Besonders die Kapitel über die Vergangenheit fand ich sehr interessant; nur die Tagebucheinträge waren aufgrund der Schreibschrift etwas schwer lesbar, das störte den Lesefluss etwas.

Insgesamt ein spannender Unterhaltungsroman zu einem historisch sehr interessanten Thema.

Bewertung vom 30.07.2025
Raymond, Mirjam

Von Null auf Held oder Wer ist eigentlich Amin? (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Große Empfehlung: Tiefgründiges, unterhaltsames Kinderbuch über Freundschaft und Flucht


Der 12jährige Jonas, genannt „Johnny“ ist der Anführer seiner vierköpfigen Freundes-Bande, den „Sheriffs“. Er hat eine große Klappe und ständig Quatsch im Kopf - und dementsprechend permanent Ärger: mit seiner Mutter und vor allem mit dem Schuldirektor.
Als plötzlich sein Mitschüler Amin verschwindet, wird Johnnys Leben kräftig auf den Kopf gestellt. Nicht nur, dass der fiese Matteo versucht, seine Freunde gegen ihn aufzubringen und ihm seinen Posten als Anführer streitig zu machen - Johnny findet auch noch zufällig Amins Tagebuch. Dadurch erfährt er, dass Amin in einer Flüchtlingsunterkunft lebt. Und je mehr er über Amins Leben erfährt, desot mehr ändert sich auch in Johnny selbst. Johnny begibt sich auf eine abenteuerliche Suche nach Amin …

Das Buch hat mein Kind und mich von Anfang bis Ende komplett begeistert!
Ein toller Schreibstil, unterhaltsam und spannend – aber gleichzeitig feinfühlig und mit viel Tiefgang!
Dabei werden gerade die schwierigen Themen wie Krieg und Flucht sehr kindgerecht und genau passend umgesetzt. Auch um Freundschaft und Ausgrenzug geht es, um Vorurteile und Rassismus. Dabei kommt das Buch als insgesamt sehr spannender Roman daher, teilweise liest es sich wie ein Krimi, besonders als Johnny auf der Suche nach Amin ist. Gleichzeitig ist der Roman wunderbar feinfühlig; Amins Einsamkeit und Sorgen werden sehr authentisch dargestellt. Alle Charaktere haben mir sehr gut gefallen, ganz besonders Johnny, Amin und Frau Bodler. Gerade die Entwicklung von Johnny hat mich sehr gut gefallen.
Auch der Schluss des Buchs ist meiner Meinung sehr gelungen: Glaubwürdig, genau passend und auch für Kinder gut verständlich.

Genau SO müssen Kinderbücher sein - Von uns gibt es eine ganz klare Leseempfehlung für Kinder ab 10 Jahren! Das Buch wäre sicher auch gut als Klassenlektüre geeignet. Auch ich als Erwachsene habe das Buch mit Begeisterung und Spannung gelesen; war zwischendurch auch gerührt. Und viele kluge Worte, die auch Kinder schon gut begreifen können, haben es mir besonders angetan:

"Ich fange an zu begreifen, dass es mit der Wahrheit nicht so einfach ist. Immer wenn man denkt, man hat sie verstanden, verkleidet sie sich. Manchmal auch in eine Lüge."

"Wenn erstmal ein Gerücht an dir klebt, kriegst du es nur mühsam wieder weg. Das ist schlimmer als Schneckenschleim. Ich weiß wovon ich spreche! Und an einem Jungen wie Amin kleben viele Gerüchte. Solange er keine Stimme hat, mit der er sich verteidigen kann, nutzen Blödmänner wie der das aus. "

Vielen Dank, liebe Mirjam Raymond, für diesen wunderbaren Debütroman!
Wir hoffen sehr, dass wir von dieser Autorin bald noch weitere Bücher lesen dürfen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.07.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


weniger gut

Zwischen Krankheit, Selbstfindung und (vermeitlichem) „Besser sein“

Daniela Dröschers Buch „Lügen über meine Mutter“ ist ein Buch, das zwar nicht „bequem“ zu lesen war, jedoch thematisch wie inhaltlich einiges zum Nachdenken bot und mir insgesamt sehr gut gefallen hatte.

Thematisch geht es bei der Autorin seitdem stets um Klassismus und (soziale) Herkunft, z.B. im Sachbuch „Zeige Deine Klasse“ (teilweise gelungen, wenn auch etwas überzogen) und im kleinen Format z.B. in der Mini-Anthologie „check your habitus“ (fand ich sehr gelungen).

Auf ihren autofiktionalen Roman „Junge Frau mit Katze“ war ich sehr gespannt.
Die junge Ela, die lebenslang quasi im Schatten ihrer (mehrgewichtigen) Mutter stand, ist erwachsen geworden. Sie ist die erste ihrer Familie, die Abitur hat und studiert (was schon in allen Veröffentlichungen bis zum Abwinken betont wurde). Sie steht kurz vor der langersehnten Promotioin, als ihr Körper plötzlich streikt.
Während die junge Frau von Arzt zu Arzt rennt, von einer (falschen?) Diagnose zur nächsten, und ihr Körper ständig neue Symptome zeigt, ihre Panik immer größer wird, muss sie sich fragen, ob sie wirklich einen Platz in der akademischen Welt „verdient“ hat ....
Diese Krankheits- sowie Lebensgeschichte ist natürlich eine sehr persönliche und somit schwer zu beurteilen, egal ob es als Roman oder Sachbuch geschrieben wäre.
Gegen Ende hin findet sich eine etwas lasche und fragwürdige Erklärung sowie eine passend zusammengeschriebende Selbstfindung der Protagonistin.

Das Buch lässt mich leider zwiegespalten bzw. mit eher unangenehmen Gefühlen zurück.

Es gibt diese leider weit verbreitete Denkweise, dass nur die-/derjenige etwas wert ist, die/der "es geschafft hat", sprich Abitur hat, studiert hat, Karriere gemacht hat, damit sozusagen bewiesenermaßen "etwas Besseres“ ist.
Ich dagegen denke, kein Mensch ist mehr oder weniger wert als ein anderer, ungeachtet von Herkunft, Rasse, Geschlecht, Status oder Beruf, etc.

Schon das Buch „Lügen über meine Mutter“, was mir ja eigentlich gut gefallen hatte, rief in mir teils gemischte Gefühle hervor. Diese Gefühle waren bei diesem Roman noch viel stärker, nicht nur gemischt, sondern größtenteils entwickelte ich eher abweisende und negative Gefühle der Autorin bzw. ihrem literarischen Alter Ego gegenüber. Auch sie möchte bis zur Besessenheit, bis zum körperlichen Zusammenbruch beweisen, dass sie „es schaffen“ kann, etwas „Besseres“ zu werden, ihr Leben mit einer akademischen Karriere aufzuwerten.

"Ich las die Beurteilung abermals, dieses Mal jedoch mit einer gewissen Verärgerung. Ich hatte das Gefühl, die Zweitprüferin bewertete nicht meine Leistung, sondern mich als Person. Ganz so, als wäre ich jemand, der kein 'summa' verdiente, ganz gleich was ich tat oder nicht tat."

Erst als sie einsehen muss, dass ihr Körper ihr zu verstehen gibt, dass das nicht der richtige Weg ist, sieht sie widerwillig ein, dass es andere Lebensentwürfe gibt.

"Ich glaube, dass eine Erkrankung tatsächlich oftmals zu einer Erweckung führt. Ich glaube aber auch, dass einzig und allein man selbst diesen Zusammenhang herstellen kan. Tut es ein anderer ungefragt an unserer Stadt, fahren wir - die Kranken - unsere Krallen aus.
Jede einzelne meiner Episoden war für mich die Geburt eines anderen Selbst. Nie sagt der Körper so deutlich 'ich' wie in den Momenten, in denen er um seine Existenz fürchten muss."

Leider hat mich die literarische Verarbeitung dieser Erkenntnis nicht wirklich überzeugen können.

Am besten fand ich noch die Einschübe über ihre Mutter, abseits des Romans.

"Ich frage mich, wie ihr Leben verlaufen wäre, hätte meine Mutter ihre Liebe zum Lesen verteidigt. Vor sich selbst, ihrem Mann, ihrem Vater. Die beiden wichtigsten Männer in ihrem Leben haben Bücher als unnötigen Luxus betrachtet.
Auch wenn meine Mutter das Lesen eine ganze Weile fast ganz aufgegeben hat - eine Erzählerin ist sie geblieben. Sie kann gut mit Wörtern, wie man so schön sagt. Sie genießt es, sich umsichtig und gewählt auszudrücken.
Ist ihr jeder Gedanke gekommen, selbst zu schreiben? Vielleicht schreibt meine Mutter, indem sie spricht. Nur dass ich - so kommt es mir manchmal vor - ihre einzige Leserin bin."

Insgesamt bleiben mir vom Buch ein paar gute Gedanken und Sätze, ja, - doch insgesamt hat mich das Buch leider ziemlich enttäuscht.

Bewertung vom 28.07.2025
Rosa, Maya

Moscow Mule


sehr gut

Sprachlich sehr gelungen: Russische Jugend um die Jahrtausendwende


"Wir waren zu jung, um patriotisch zu sein, und zu alt, um an den Triumph der Gerechtigkeit zu glauben. Die Perspektiven waren überschaubar. Wir könnten natürlich so weiterleben, als gäbe es keine Politik, stattdessen glamourös tun, in der visafreien Türkei Urlaub machen und Shoppingcenter durchstöbern. Wir könnten auch abwarten, ob es irgendwann wieder freie Wahlen, eine echte Opposition und keine Zensur mehr geben würde. Aber am besten würden wir nach Europa emigrieren, jetzt sofort, bevor es noch schlimmer würde, denn es könnte schlimmer werden. Russen flohen nicht zum ersten Mal, in jeder Generation gab es einen Massenexodus, man denke nur an die Bolschewiken vor hundert Jahren.“

Maya Rosa hat mit "Moscow Mule" einen Debütroman geschrieben, der vor allem sprachlich sehr bemerkenswert ist. Sehr viel Wortwitz und Scharfzüngigkeit, das hat mich hier am meisten begeistert!

Die Autorin erzählt die Geschichte von Karina und Tonya, die gemeinsam an einer Moskauer Universität studieren. Sie teilen nicht nur ihre Männergeschichten, sondern auch ihren permanenten Geldmangel. Der große Traum ist es, dem Leben in Russland zu entfliehen und nach Europa auszuwandern.

Die Autorin verbindet in ihrem Roman die politische Lage sehr gekonnt mit dem Leben der beiden jungen Frauen und ihrem unendlichen Drang nach Freiheit und einem besseren Leben.

"Nichts machte uns zynischer als genau diese Weisheit, nämlich dass man nur ein Leben hat und dass es nicht schlecht wäre, es woanders zu verbringen, wo man immer noch die Möglichkeit hätte, sich an eine vertraute Birke anzulehnen, ohne zwischendurch im Kerker zu landen. Bürgerrechte zu haben. Sich bei keinen Behörden anzubiedern und nirgendwo Schmiergeld zu zahlen."

Auch das sehr schwierige Verhältnis von Karina zu ihrer (sehr hart wirkenden) Mutter bringt die Autorin sehr authentisch wieder, genauso wie das sehr liebevolle Verhältnis Karinas zu ihrer Großmutter:

"Meine Oma wusste stets, wie man jemanden aufmuntern konnte. In ihrer Gegenwart war es beinahe unmöglich zu klagen. Wann immer ich irgendwelche Weltuntergangslieder anstimmte, rief sie mich wie ein tibetischer Mönch zur Vernunft mit den drei gleichen Fragen, auf die ich immer mit 'Ja' zu antworten gezwungen war. Bist du am Leben? Bist du gesund? Bist du frei? Das nannte sie 'Die drei großen Vorteile', durch die man nichts weiter zu befürchten hätte. Eingeschüchtert und ermahnt konnte ich meistens nicht weiter jaulen. Einem Menschen, der den Krieg gegen die Faschisten hinter sich hatte und nun die Deutschen mit Pelmeni bewertete, aus dem Dachgeschoss der Erinnerung lachend 'Hände hoch!' und 'Hitler kaputt!' rief, sollte man nicht widersprechen."

Ich habe diesen Debütroman vor allem aufgrund des beachtenswerten Schreibstils sehr gerne gelesen, es sind großartige Sprachbilder und Sätze, die die Autorin hier einbaut:

"Ein paar Tage später und ein Leben älter landete ich wieder in Moskau."

„Ich wusste, dass du nicht alle Tassen im Schrank hast, aber jetzt weiß ich, dass da gar kein Geschirr drin ist, oder?“

„Ich wollte bloß leben, über alle denkbaren Grenzen reisen und frei über alle Straßen laufen.“

"Mein Stolz klebte noch an meinem Schuh wie ein Stück Papier, bis es endgültig an den Zacken der Rolltreppe abgekratzt wurde."

Leider konnte mich die Geschichte an sich, besonders gegen Ende hin, nicht komplett überzeugen. Stellenweise wirkt die Geschichte noch unfertig, es fehlte mir noch etwas.
Daher ziehe ich 1 Stern ab, möchte aber dennoch eine Lesesempfehlung mit 4 Sternen aufgrund der starken Sätze geben und hoffe sehr, von der Autorin bald noch mehr lesen zu dürfen.

Bewertung vom 25.07.2025
Ichikawa, Saou

Hunchback


ausgezeichnet

Provokant, mutig und beeindruckend: Lebenszeichen einer behinderten Frau - 4,5⭐️


"'Ich hätte gerne bei McDonald's gejobbt.' 'Ich wäre gerne zur Oberschule gegangen.' 'Wenn ich - eins fünfundsechzig, Spross hochgewachsener, bildschöner Eltern mit Black Card - gesund gewesen wäre, hätte ich die Welt erobern können.'"

„Hunchback“ von Saou Ichikawa ist ein nur knapp 96 Seiten langer, jedoch sehr intensiver und kraftvoller Roman. Die Autorin, die selbst an myotubulärer Myopathie erkrankt ist, erzählt das Leben der vierundvierzigjährigen Shaka, die aufgrund einer genetisch bedingten, schweren Muskelerkrankung ein isoliertes Leben in einem Wohnheim führt. Ihr Alltag findet zwischen ihrem Bett, ihrem Schreibtisch und dem Speisesaal des Wohnheims statt. Sie hat keine Freunde und hatte noch nie eine Liebesbeziehung. Sie ist aufgrund ihrer schweren Wirbelsäulenverkrümmung auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen; immer wieder benötigt sie ein Beatmungsgerät, um Schleim abzusaugen; sprechen kann sie nur im Notfall.
Allein das Internet bietet ihr einen Ausweg in die Welt draußen. Sie studiert online an verschiedenen Universitäten und schreibt p•rnografische Artikel für einen Verlag.
Finanzielle Sorgen hat sie nicht, da ihre Eltern ihr viel Geld vererbt haben; selbst das Wohnheim gehört ihr. Ihr Einkommen, welches sie durch das Schreiben von Texten im Internet verdient, spendet sie komplett weiter an Bedürftige, die Tafel und Mädchenschutzhäuser.

"Die Millionen, die meine Eltern mir vererbt haben, liegen - unangetastet - hier und da verteilt auf der Bank. Da ich keine Kinder habe, denen ich sie vererben könnte, gehen sie nach meinem Tod an den Staat. Dass das gesamte Vermögen, das die Eltern eines behinderten Kindes mühsam aufgehäuft haben, nach dessen Ableben an den Staat geht, weil es keine Kindeskinder gibt, höre ich öfter. Wenn diejenigen, die sich darüber aufregen, dass die Krankenkassen von unproduktiven Behinderten ausgesaugt werden, das wüssten, wären sie vielleicht versöhnt."

Als einer der Pfleger sie auf ihre Internet-Beiträge anspricht, macht Shaka ihm ein unmoralisches Angebot, um eine Samenspende zu erhalten, denn: „Wie eine normale Menschenfrau ein Kind empfangen und abtreiben - das ist mein Traum.“

Saou Ichikawa deckt in ihrem beeindruckenden Debütroman den gesellschaftliche Blick auf Behinderungen, Sexualität und Körper auf.
Sprachlich ist das Buch sehr roh und direkt, teils vulgär. Das mag schockierend wirken, besonders wenn es um die sexuellen Wünsche der Protagonistin geht, zeigt jedoch auf, dass jede*r den Wunsch nach Selbstbestimmung und „Normalität“ hat.

"Ich hasse alles, was mit dem Überleben der Zeiten wertvoller wird. Je länger ich lebe, desto mehr zerbreche ich. Ich zerbreche nicht, um zu sterben, ich zerbreche, um zu leben. Ich zerbreche als Beweis dafür, dass ich gelebt habe. Das ist etwas völlig anderes als eine unheilbare Krankheit, die einen Gesunden befällt, oder der normale Alterungsprozess, der früher oder später bei jedem gesunden Menschen einsetzt."

Als Buchliebhaberin, die gedruckte Bücher dem E-Book absolut vorzieht, hat mich besonders nachdenklich gemacht, was die Autorin zur Barrierefreiheit in der Literatur sagt:
"Ich hasse gedruckte Bücher. Ich hasse den Machismus der Lesekultur, die in fünf Punkten Gesundheit voraussetzt: man muss sehen, ein Buch halten, die Seiten zmschlagen, die Lesehaltung aufrechterhalten und zum Erwerb ungehindert eine Buchhandlung aufsuchen können. Ich hasse die unwissende Arroganz der 'Buchliebhaber', die sich ihrer Privilegiertheit nicht bewusst sind."

„Hunchback“ ist ein herausforderndes, kraftvolles Buch, weitgehend autofiktional anmutend. Voller Tiefgang und viel Stoff zum Nachdenken, aber auch mit Humor und Sarkasmus.

"Die Falten meines Herzens verziehen sich zu einem Emoticon, das ein hämisches Grinsen nachbildet. Mein Gesicht indes bleibt unbewegt."

"Ja. Genau dieses Mitleid ist die richtige Distanz.
Ich kann keine Mona Lisa werden.
Weil ich ein Buckelmonster bin, ein hunchback."

Wie schon andere Leser*innen zuvor, war ich vom eher kryptischen Ende leicht überfordert (und kann nicht genau deuten, was uns die Autorin damit sagen will), weshalb ich einen halben Stern bei der Bewertung abziehe und 4,5⭐️ vergebe.

Insgesamt war dies jedoch ein unfassbar beeindruckendes Leseerlebnis, das noch lange in mir nachhallen wird. „Hunchback“ ist schon jetzt eines meiner diesjährigen Jahreshighlights!

Bewertung vom 21.07.2025
Espach, Alison

Wedding People


ausgezeichnet

Witziger, herzerwärmender Feel-Good-Roman über Verluste und neue Chancen: 4,5⭐️


Schon das Cover zum Roman „Wedding People“ von Alison Espach ist ein echter Hingucker!
Der Plot lässt eher leichte Unterhaltung vermuten, doch dieser Debütroman hat viel mehr zu bieten. Ich mochte von Anfang an den tollen Schreibstil der Autorin, gleichermaßen witzig wie emotional und tiefgründig.

Es geht hier um Phoebe und Lila, zwei Frauen, deren aktuelle Pläne nicht unterschiedlicher sein könnten.
Lila, ein typisches „reiches, verwöhntes Töchterchen“, plant ihre Hochzeit, es soll ein unvergessliches Fest werden, eine ganze Woche lang soll die Party im prächtigen Hotel „Cornwall Inn“ dauern. Doch da kommt ihr Phoebe in die Quere: Diese wurde vom Ehemann verlassen, hat keine Freunde, ihre Katze ist gestorben, ihre Karriere stagniert. Sie ist todunglücklich, quasi am Tiefpunkt ihres Lebens, weshalb sie in genau diesem Hotel ihrem Leben ein Ende setzen will.
Das passt Lila natürlich überhaupt nicht. Dumm nur, dass Phoebe ihr unbedacht von ihrem Suizidvorhaben erzählt hat. Nun möchte Lila sie davon abbringen, denn sie möchte sich ihre perfekte Hochzeit auf keinen Fall ruinieren lassen.

Das Buch an sich und vor allem die Dialoge zwischen Lila und Phoebe sind oft total witzig, trotz des ernsthaften Themas muss man zwischendurch einfach mal herzhaft lachen:

"Wenn du nicht mitkommst, muss ich meine Mutter fragen. Also tu uns beiden den Gefallen und erzähl mir nicht, du hättest was vor, denn ich weiß ja, dass du vorhattest, heute tot zu sein."

Ich möchte nicht spoilern, sage nur so viel: Das Buch hat einige (mehr oder weniger) unerwartete Wendungen ...

Der Roman hat mich im positiven Sinn sehr überrascht. Wie gesagt, die Erwartung war hier eher „Unterhaltung“, was auch geboten ist, denn der Roman liest sich sehr flüssig und angenehm, hat viele witzige Momente - doch er berührt auch durch viel Emotion und Menschlichkeit.

Die Charaktere sind allesamt gut getroffen. Ich fand vor allem die Figur von Phoebe sehr sympathisch dargestellt; mit ihr und ihren Gedanken konnte ich mich noch am ehesten identifizieren (vielleicht, weil ich Bücher ebenso sehr liebe):

"Und ja, manchmal las sie wirklich zu viel. Manchmal las sie Bücher, anstatt ihr Leben zu leben, aber bedeutete das nicht einfach, dass ihr Lebensinhalt eben das Lesen von Büchern war?"

„In der Lobby vor dem Bücherregal bleibt sie stehen. Sie stellt ‚Mrs Dalloway‘ zurück, den Rücken nach vorn. Sie ist so gut im Vorhersagen, was in Büchern geschieht, und so schlecht darin, wenn es um das Leben geht. Deswegen hat sie den Büchern den Vorzug gegeben - weil es so viel härter ist zu leben. Um zu leben, muss sie hier raus und hinein ins Ungewisse.“

Für mich war das ein sehr schönes Leseerlebnis, emotional und unterhaltsam.
Eine ganz klare Leseempfehlung von mir – ich vergebe 4,5⭐️.

Bewertung vom 21.07.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


ausgezeichnet

Eine Frau, zwei mögliche Leben: Starkes Romandebüt 4,5⭐️

„Wenn ich sage, ich kann keine Kinder bekommen, dann haben immer alle Mitleid. Gespräch beendet. Wenn eine Frau sagt, sie will einfach nicht, und zwar nie, also wirklich nie, dann muss sie sich erklären. Als wäre das alles, was uns definiert, die einzige Entscheidung, die wir im Leben treffen müssen. Und klar, wir müssen sie ja auch tatsächlich alle treffen, irgendwann. Aber es fuckt mich so ab, echt.“

„Im Leben nebenan“ erzählt Anne Sauer (auch bekannt als @fuxbooks) auf zwei Ebenen das Leben von Toni bzw. Antonia.
Toni, die mit ihrer ihrem Partner Jakob lange vergeblich versucht hat, ein Kind zu bekommen, bis an die Grenzen der Verzweiflung - und die dann eines Morgens plötzlich aufwacht als Antonia: In ihrem Heimatdorf, neben ihr liegt ein Baby, das sie gemeinsam mit ihrer Jugendliebe (jetzt Ehemann) Adam hat. Antonia kann sich an nichts erinnern, sie war doch gerade in einem anderen Leben, gleich nebenan?

„Als sie jünger war, dachte Toni, man müsste den einen Menschen finden. Dass es einen gäbe, den Richtigen, den sie heiraten würde, Haus, Kinder, volles Programm. Eine Vorstellung von Romantik, die jedes Verlieben mit Erwartungen erstickte und ihr vor allem immer wieder vermittelte: Das war es noch nicht, dein Happy End.“

Anne Sauer zeigt auf literatisch sehr gelungene Art und Weise auf, dass es mehrere Perspektiven im Leben gibt. Im Roman sind diese Perspektiven miteinander verwoben; sind ganz unterschiedlich und haben doch gemeinsame Schnittpunkte, vor allem den Kinderwunsch, das Muttersein oder Nichtmuttersein.

Das Ende ist etwas kryptisch, was insofern schon passend ist, als es „das eine richtige Leben“ einfach nicht gibt. Und jede*r von uns hat sich sicher schon mindestens einmal im Leben gefragt, was gewesen wäre, wenn ....

Irgendwie hat mir noch „das i-Tüpfelchen“ gefehlt (gegen Ende hin), um die volle Punktzahl zu vergeben; dennoch bin ich ziemlich begeistert von diesem emotionalen, klugen Buch, das ich allen Menschen, egal ob Eltern oder Nicht-Eltern, sehr ans Herz legen möchte.

Es gibt 4,5 Sterne ⭐️ von mir und die Hoffnung, von der Autorin bald noch mehr lesen zu dürfen!