Benutzer
Benutzername: 
CK
Wohnort: 
Raum Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 241 Bewertungen
Bewertung vom 05.11.2025
Lutzenberger, Ida;Lutzenberger, Ana;Reisedepeschen

rette rette Fahrradkette


sehr gut

Rad-Abenteuer zweier Schwestern - für einen guten Zweck


„rette rette Fahrradkette“ fällt einem schon durch das farbenfrohe und künstlerisch gestaltete Cover auf – was daran liegt, dass die Autorinnen Ana und Ida Lutzenberger Künstlerinnen sind. Gemeinsam haben sie 16 Länder bereist, 15.000 km sind sie mit ihren Rädern „Shauny“ und „Eddie“ gestrampelt.
Und das nicht nur aus Abenteuerlust – sie sammelten dabei mit jedem gefahrenen Kilometer Spenden für Sea-Watch (hierzu hätte ich mir etwas mehr Infos im Buch gewünscht, aber man kann es auf Social Media mehr erfahren).

„Für alle, die ihre Heimat verlassen müssen aber nicht wollen, und alle, die ihre Heimat verlassen wollen, aber nicht können.“

Das Buch ist ein gelungener Mix aus Reisebericht und Tagebuch. Der Schreibstil ist sehr blumig und kreativ, die Fotos zur Reise wirklich beeindruckend. Die Schönheit der Natur und die Vielfalt der Menschen, das konnte ich mir gar nicht oft genug ansehen.

„Wenn man länger weit weg ist, erfährt man nicht nur zum ersten Mal, wie schön die Welt der anderen ist, sondern auch wie schön die eigene ist.“

Gemeinsam mit den beiden Schwestern lernt man neue Kulturen und Menschen kennen. Von der Türkei bis in die sowohl schönen als auch herausfordernden Gegenden in Asien, man sieht die Wüsten in Iran und das Hochgebirge in Kirgistan, man lernt Usbekistan und Kirgistan kennen.

"Sicherlich hängt die Wahrnehmung eines Landes immer auch davon ab, wer man ist und warum man sich dort aufhält - jeder Erfahrungsbericht wird aus unterschiedlichen Zutaten gekocht."

Sehr gut gefallen hat mir auch das vorletzte Kapitel "Radreisen als Frau":

„Erst dieses ‚obwohl‘ hatte uns den Widerspruch gezeigt, den viele andere zwischen dem selbständigen Fahrradreisen und dem Frausein sahen. Für sie schien es einen Grund zu geben, der dagegensprach, dass weibliche Füße freibestimmt in die Pedale drücken und in die Ferne strampeln sollten. Der Grund, den wir dafür gefunden haben, ist, dass die Vorstellungen in Bezug auf das, was man/frau tun ‚kann‘ und ‚sollte‘ vielerorts noch stark von patriarchalischen Strukturen beeinflusst sind. Diese Vorstellung besagen, dass das weibliche Geschlecht natürliche Einschränkungen mit sich bringt, beispielsweise in den Bereichen Stärke oder Mut.“

„Nach unserer Reise würden wir sagen, dass man als Frau genau dorthin Gurken sollte, wo man hin möchte, und dafür genau das Fortbewegungsmittel wählen sollte, dass man am liebsten mag.
Nicht nur um patriarchatsverstaubten Köpfen, die meinen, Frauen seien hilflos ohne Männer, das Gegenteil zu beweisen, sondern auch um andere Mädchen und Frauen zu einem selbstbestimmten, unabhängigen Lebensstil zu ermutigen. Und besonders denjenigen, denen tendenziell ständig Schwäche eingeredet wird, zu zeigen, dass sie stark sind. Dass sie alles schaffen können. Die schönsten Momente auf unserer Reise erlebten wie immer dann, wenn wir nicht nur unsere Räder, sondern auch das Selbstvertrauen einer Frau oder eines Mädchens ein Stück vorangebracht hatten.“

Genauso wie die Schwestern hat auch mich die unglaubliche Gastfreund*innenschaft berührt und begeistert, die sie auf ihrer Reise erleben durften:
„Wir waren erstaunt, was für intensive, schöne Momente wir dadurch sammeln konnten, dass wir aus unserer Komfortzone hinausgeradelt sind, und wie viel Wertschätzung wir nicht nur für das eigene Leben gewonnen haben, sondern auch für das der anderen, der Unbekannten und Fremden.
Durch die unzähligen Begegnungen mit neuen Kulturen, Religionen und Menschen haben wir neue Lebensweisen nicht nur kennen- sondern auch verstehen gelernt. Die unglaubliche Gastfreund*innenschaft, die uns entgegengebracht wurde, hat uns einen unverblümten Einblick ins Leben der Menschen gegeben, der uns dazu gebracht hat, Vorurteile abzubauen und das Fremde nicht zu verurteilen.“

Insgesamt ein wirklich inspirierendes und künstlerisch gestaltetes Buch, das mir sehr gut gefallen hat.

Bewertung vom 03.11.2025
Varga, Anne-Marie

Happy Ending


gut

Happy Ending: Warmherzige Geschichte, deren Potential nicht ausgeschöpft wurde


Die 26jährige Rosie, Autorin eines Bestsellers, verlässt ihr Leben in New York nach einer schmerzhaften Trennung. Sie hofft, in London endlich wieder Muse zum Schreiben ihres zweites Buches zu finden und auch ansonsten ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Zum Glück findet sie dort in Tara, Saoirse und Deepti schnell neue Freunde. Nur Taras Zwillingsbruder Gamble hält Rosie für eine eingebildete Amerikanerin. Doch später will er ihr sogar mit ihrem neuen Buch helfen, auf das ihr Verlag nicht mehr länger warten will.
Doch auch in London kann Rosie ihrer New Yorker Vergangenheit nicht ganz entkommen. Sie verschweigt ihren neuen Freund*innen, was in New York passiert ist. Sollte ausgerechnet der attraktive, aber verschlossene Gamble helfen können, wieder einen Weg ins Leben zu finden?

Ich hatte aufgrund der sehr interessanten Leseprobe und des Klappentexts hohe Erwartungen an das Buch.
Diese wurden leider nicht ganz erfüllt. Zwar ist der Schreibstil recht locker-flockig und gut lesbar, aber ich konnte mich nicht so recht mit den Charakteren anfreunden. Das Buch beinhaltet einige ernste Themen wie z.B. Depressionen, die meiner Meinung nach zwar nicht ganz falsch, aber bei weitem nicht tiefgreifend genug behandelt wurden. Auch insgesamt war mir das Buch, obwohl es (zum Glück) keine typische 08/15-Lovestory war, leider doch noch zu klischeehaft und seicht.
Meiner Meinung nach hatte die Grundidee des Romans ein größeres Potential, das die Autorin nicht ganz ausgenutzt hat. Einige Passagen waren mir auch zu langgezogen und ausschweifend, anderes passierte ann wiederum viel zu schnell.

Insgesamt ein ganz nettes und leicht lesbares Buch, das mir aber sicher nicht besonders in Erinnerung bleiben wird.

Ich vergebe 3/5 Sterne.

Bewertung vom 26.10.2025
Habbach, Tamara

Punkt, Linie, Halt.


ausgezeichnet

Workbook für mehr innere Ruhe und Achtsamkeit

„Punkt, Linie, Halt.: Design für mehr innere Ruhe und Präsenz: 40 traumasensible Gestaltungsimpulse“ von Tamara Habbach ist ein sehr hilfreiches Workbook. Es ist kein Ratgeber, aber ein Buch, das Hilfe im Alltag bringen kann für Menschen mit Trauma, innerer Unruhe und Stress.

Das Buch verbindet verschiedene Elemente des Kommunikationsdesigns mit traumasensiblen Übungen zur Selbstwahrnehmung. Die Intention des Buchs ist es, Menschen in akuten Belastungssituationen, bei innerer Anspannung oder in Stresssituationen zu helfen. Vorkenntnisse sind hier nicht erforderlich, denn die Gestaltungsimpulse sollen auf eher spielerische Art und Weise einladen, mit verschiedenen Formen, Farben, Linien, Strukturen und Typografie zu experimentieren. Gestaltung soll hier eine Möglichkeit zu sein, Verbindung zu sich selbst aufzunehmen. Besonders in Situationen, in denen Worte schwerfallen können, kann diese eine gute Ausdrucksmöglichkeit sein. Es muss nicht perfekt sein, sondern einfach einen freien Gestaltungs- und Ausdrucksraum bieten.

Was mir nicht so gut gefällt an dem Buch ist zum einen, dass die Seitenzahlen leider nicht durchgehend auf allen Seiten aufgedruckt sind; das macht das Nachschlagen etwas schwierig. Und das Format in A5 und Broschur ist etwas ungünstig zum Bearbeiten bzw. richtigen Aufklappen; hier hätte ich A4 und vor allem Hardcover besser gefunden.

Ansonsten hat mir das Buch sehr gut gefallen, sowohl vom Schreibstil her als auch von der Gestaltung.
Die Autorin kommuniziert sensibel und auf Augenhöhe mit ihren Leser*innen. Auch der ausdrückliche Hinweis, dass das Buch kein Therapiersatz ist, sondern ein Praxisbuch für den Alltag.

Ich werde mich sicherlich noch mehr mit dem Buch beschäftigen und versuchen, es in stressigen Alltagssituationen, bei innerer Unruhe oder Stress im Alltag hilfebringend einzusetzen. Auch wenn ich wahrlich kein Talent zum Zeichnen oder Gestalten habe, hoffe ich, dass ich Freude daran haben werde und das Buch mir bei der Selbstwahrnehmung und Stressbewältigung helfen kann.

Bewertung vom 23.10.2025
Kapitelman, Dmitrij

Russische Spezialitäten (eBook, ePUB)


sehr gut

Sprache und Zugehörigkeit

Dimitrij Kapitelmann erzählt in seinem aktuellen Roman die Geschichte einer Familie, die in Leipzig ein Geschäft für russische Spezialitäten hat. Neben Wodka und Pelmeni gibt es hier auch eine Art Zugehörigkeitsgefühl für Osteuropäer*innen.
Seit Kriegsbeginn in der Ukraine ist das Verhältnis zwischen dem Protagonisten und seiner Mutter schwierig, denn die Mutter steht auf Putins Seite; glaubt alles, was das russische Fernsehen zeigt.

"In der russischen Welt meiner Mutter ist Russland gut und heldenhaft und hat gar keine andere Wahl, als zu kämpfen. Herzlos ist das nicht von ihr, nur sehr wahrheitsverloren. Deswegen leidet Mama wohl auch so sehr darunter, dass ihr Sohn diese russischen Wahrheiten aufs Verderben nicht erkennen will. Sie fühlt sich missverstanden und zu Unrecht als russischer Unmensch verurteilt. Mir bleibt nur, weiter die Grenze zur Gewalt aufrechtzuerhalten, auch vor ihr. Und beim Abendessen selektiv auf den russisch ungefährlichen Bildschirm zu schauen. Aber Selbstbetrug ist eben auch Arbeit, die kein anderer für dich macht. Mama stopft sich noch eine Zigarette."

"Ich schaue zu Mama. Wie ängstlich muss man sein, um die Welt nur aus dieser totalitären fernsehrussischen Sicht betrachten zu wollen? Wie schwach? Denn das ist Gewalt im Kern immer: Schwäche."

Das Verhältnis ihres Sohnes zu ihr sowie zu seiner geliebten russischen Sprache wird auf eine schwere Probe gestellt.

"Aber was heißt schon ‚außer‘ Sprache? Seit diesem Krieg weiß ich überhaupt nicht, was Sprache eigentlich ist. Was sie soll. Was sie will. Was sie kann. Ob sie gehört, wem sie gehört, wohin sie gehört. Wie sehr Sprache der Zeit hörig ist.
Mein Verhältnis zur Sprache meiner Mutter, meiner Mutter-Sprache, war nicht immer so entmündigend politisch. Es gab Zeiten, da waren die Wörter zwischen uns treue Boten des Vertrauens. Nicht undurchsichtige Vertreter von Zusammengehörigkeit oder ewiger Trennung. Von Unschuld und Kriegsverbrechen, Leben und Tod letztlich."

Mitten im Krieg unternimmt er eine Reise in die Ukraine, um seine Mutter zur Vernunft zu bringen. Ist das eine kluge Idee?

"Das Licht geht aus, mein Handy hat aber weiter Empfang. Mama schreibt: 'Ja, es besteht ja auch gar keine richtige Gefahr. Russland beschießt ja ausschließlich militärische Ziele.'
Sowjetischer Leim ist offensichtlich wirklich dicker als Blut. Falls diese Reise in die vom Krieg übersäte Ukraine ein unbewusster Versuch war, Mama von den russischen Lügen zurückzubekommen, dann ist er gescheitert."

Dimitrij Kapitelmann hat einen gleichermaßen unterhaltsamen wie nachdenklich stimmenden Roman über Familie, Sprache und Herkunft geschrieben. Besonders die Abschnitte über seine Liebe zur russischen sprache fand ich sehr gelungen.

"Wenn wir beide miteinander reden, fühlt es sich manchmal so an, als wäre uns nur noch die gemeinsame russische Sprache geblieben. Dabei waren wir noch nie weiter von einer gemeinsamen russischen Sprache entfernt. Und dennoch habe ich fast anderthalb Stunden an meinem russischen Sprachinhalator gehangen, bevor ich zu Besuch kam. Und gelesen. Nach etwa einem Jahr Invasion beschloss ich, trotz des russischen Terrors täglich genauso viele Seiten russischer Literatur zu lesen, wie ich Lebensjahre zähle. Aktuell also 36 Seiten täglich. Um etwas, das ich gar nicht näher bestimmen kann, nicht an die Vergangenheit zu verlieren. Möglichst halblaut, damit ich meine Mutter-Sprache von mir selbst höre. Nicht von meiner Mutter. Ich trage eine Sprache wie ein Verbrechen in mir und liebe sie doch, bei aller Schuld. Neben aus der Ukraine geflohenen Menschen stehe ich stumm wie ein Baumstumpf. Zumindest bis ich einige von ihnen ebenfalls Russisch sprechen höre."

"Doch die Angst vor fehlenden russischen Wörtern werde ich wohl nie loswerden.
Auch deshalb versuche ich, stolz zu sein auf die russischen Wörter, die mir nicht fehlen. Die russische Sprache wird den russischen Präsidenten überleben. Wenn er schon lange in seinem hässlichen Massenmördergrab verfault. Dann könnten die russischen Wörter, die mir nicht fehlen, noch für vieles gut sein. Zumindest hoffe ich das."

Ansonsten passiert zugegebenermaßen nicht allzu viel in dem Roman, es sind mehr Alltäglichkeiten, das mag vermutlich nicht jede*r. Ich fand den Roman größtenteils sehr gelungen.

Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars über NetGalley. Die hier geäußerte Meinung ist meine eigene.

Bewertung vom 23.10.2025
Kaiser, Vea

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels


gut

Eine Frau nimmt sich ihren Anteil


Wien in den späten 80er Jahren. Angelika Moser, Tochter einer alleinerziehenden Hausbesorgerin eines Gemeindehauses, arbeitet als Buchhalterin, aber sie liebt es, zu feiern und zu tanzen. Ihren neuen Job im noblen Grand Hotel in Wien liebt sie sehr. Um das Nobelhotel zu retten, lässt sie sich auf Wunsch ihres Chefs auf fragwürdige „Zahlenspiele“ ein. Als sie schwanger wird und dann alleine mit ihrem Sohn dasteht, muss sie sehen, wie sie finanziell klarkommt. Ihren Freud Freddy liebt sie zwar, aber sie kann sich nicht auf ihn verlassen.

"'Ich muss mich um die Ingi kümmern, ich muss mich um meine Mutter kümmern, ich muss mich um die Arbeit kümmern - ich will mich nicht auch noch um dich kümmern müssen. Aber du kümmerst dich um gar nix. Das packe ich nimmer ', sagte sie, und Freddy, der coole, der lässige, der unerschütterliche Freddy, verlor die Fassung. Als wäre ihre kleine Wohnung eine Bühne, sprang er aufs Bett: 'Reicht es denn nicht, dass ich dich liebe', schrie er so laut, dass man ihn wahrscheinlich bis in den ersten Bezirk hörte."

Um über die Runden zu kommen, beginnt sie, Rechnungen des Hotels zu manipulieren und sich selbst Geld zu überweisen. Es vergehen viele Jahre, bis sie auffliegt ...

„Fabula Rasa“ war mein erster Roman von Vea Kaiser. Sprachlich fand ich ihn gut, größtenteils unterhaltsam – aber er hatte ziemliche Längen. Für meinen persönlichen Geschmack hätte man die Geschichte deutlich kompakter gestalten können. So fand ich ihn einfach zu ausschweifend und lang. Insgesamt nicht schlecht, aber vom Hocker gehauen hat mich das Buch leider nicht.
Irreführend fand ich auch den Untertitel „Die Königin des Grand Hotels“, der passt so überhaupt nicht zum Buch. Ich vergebe 3 Sterne für eine interessante, aber zu zähe Story.

Bewertung vom 19.10.2025
Specht, Heike

Die Frau der Stunde (eBook, ePUB)


gut

Starke Frauen in der Politik


„Die Frau der Stunde“ ist der Debüroman der Historikerin Heike Specht. Erzählt wird die Geschichte der Politikerin Catharina Cornelius, eine fiktive Figur. Der Roman spielt in Bonn, Ende der 70er Jahre. Völlig überraschend wird sie zur Außenministerin und Vizekanzlerin, ihre männlichen Kollegen sind fassungslos. Als sich die Ereignisse von Bonn bis Therean überschlagen, steht Catharina Cornelius vor größeren Herausforderungen als gedacht ...

Hm, eigentlich dachte ich, thematisch wäre das Buch genau mein Ding, aber leider konnte mich der Roman nicht so begeistern wie erwartet.
Sehr gut dargestellt fand ich die politische Situation der damaligen Zeit, was die Frauen in der Politik angeht. Hier zwar mit fiktiven Figuren, aber meiner Meinung nach sehr realistisch dargestellt.
Auch die Freundschaft der drei Frauen Catharina, Suzanne und Azadeh fand ich sehr beeindruckend.
Sprachlich ist der Roman gelungen, vieles sehr treffend formuliert:

„‘Du musst dich nicht entschuldigen, Helga.‘ Catharina winkte ab. ‚Wenn wir Frauen jetzt noch anfangen, die Schuld für den Chauvinismus der Männer auf uns zu nehmen...‘“

„Catharina fragte sich, warum Männer ab einem gewissen Alter dazu neigten, immer wieder die gleichen Witze zu reißen. War das genetisch? Irgendein unumkehrbarer biochemischer Prozess im Hirn, der mit Anfang vierzig einsetzte?“

„Das, meine Liebe, war eine entfesselte Männerhorde - Bundestags-Edition.“

Doch ansonsten fand ich das Buch über weite Strecken recht zäh und langatmig. Bei den vielen fiktiven Figuren und Namen kann man leicht den Überblick verlieren; streckenweise verliert sich die Autorin in zu vielen Nebensächlichkeiten. Ich hatte also leider nicht das erwartete Lesevergnügen, sondern musste wirklich aufpassen, dass ich bei dem Roman durchhalte.

Mein Fazit. Ein interessanter Roman mit starken Frauenfiguren, der mich jedoch nicht komplett abholen konnte. Dennoch würde ich gerne mal ein Sachbuch von Heike Specht lesen; ich denke, dass mir das bei diesem Thema mehr liegen könnte.

Hier vergebe ich 3 Sterne.

Bewertung vom 17.10.2025
Peterson, Anke

Dudu forscht. Von A bis Z


ausgezeichnet

Tolles Mitmachbuch für kreative und neugierige Kinder ab 5


„Dudu forscht: Von A bis Z: Rätsel, Experimente, Bastelspaß“ ist ein wirklich tolles Mitmachbuch für Kinder ab ca. 5 Jahren.

Auf ca. 80 Seiten gibt es jede Menge Wissen, spannende Rätsel, dazu tolle und kreative Bastelideen und Malprojekte sowie einfache Experimente, die auch schon die Kleinen gut machen können.
Die tollen Bastelarbeiten und Stickerbogen sind meiner Meinung nach das größte Highlight.

Dieses interaktive Mitmachbuch ist perfekt gegen Langeweile und man kann dabei noch viel lernen. Dabei werden die Kinder unterhaltsam begleitet vom Roboter Dudu und dem Hund Schnüffel.

Sehr empfehlenswertes und vielseitiges Wissens- und Mitmachbuch!

Bewertung vom 15.10.2025
Koens, Enne

Von hier aus kann man die ganze Welt sehen


sehr gut

Schönes Kinderbuch über Herkunft und Familie

„Von hier aus kann man die ganze Welt sehen“ von Enne Koens ist eines der Kinderbücher, die für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2025 nominiert sind.

Erzählt wird die Geschichte der neunjährigen deetje. Sie lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter in einem Hochhaus in der Stadt. Von ihrem Vater weiß Dee nichts. Eines Tages findet sie auf der Straße einen Brief, den der nette Postbote offenbar verloren hat. Weder den Namen des Empfängers noch des Absenders kann man entziffern und Deetje wird neugierig, sie öffnet den Brief heimlich. Im Brief schreibt jemand, dass er jemanden vermisst, und Dee vermutet hier ein Geheimnis. Und mit Geheimnissen kennt sich Deetje aus, denn sie glaubt schon länger, dass ihre Mutter ein Geheimnis hat, immerhin ist sie so ganz anders als Dee selbst. Deetje glaubt, sie könnte adoptiert sein.
Gemeinsam mit ihren Freunden Vito und Kevin macht Dee sich auf die Suche nach dem Empfänger des Briefs. Dabei trifft sie viele verschiedene Menschen, doch es tauchen immer neue Fragen auf – nicht nur, as den Brief angeht, sondern auch Deetjes Fragen nach ihrer wahren Herkunft.

„‘Deine Mutter hat wohl ein Geheimnis, Dee. Wie kommt sie an ein Kind wie dich?‘
Was sie danach noch sagt, weiß ich nicht. Ich sehe, dass sie redet, aber ich kann sie nicht hören. Ich starre sie an.
Ganz kurz verstehe ich nicht, warum ich es so schlimm finde, dass sie laut sagt, was ich schon hunderttausendmal gedacht habe. So schlimm, dass ich nichts mehr hören kann.
Dann weiß ich es.
Ich dachte, ich sei die Einzige, die es sieht. Ich dachte, ich könnte in aller Ruhe von einem anderen Leben träumen, ohne dass andere Leute auch etwas über mich denken. Natürlich nicht. Wie konnte ich so dumm sein?
Plötzlich begreife ich die vielen Male, als die Leute uns etwas zu lange ansahen. Ich verstehe alle kleinen und großen Bemerkungen in Geschäften, auf der Straße und in der Klasse. Als ich mich auf dem Spielplatz zu meiner Mutter stellte und die Frau, mit der sie redete, fragte: ‚Ist das dein Kind?‘ Wonach sie neugierig von mir zu meiner Mutter und wieder zurück schaute. Meine Mutter, die mich von einem Fest abholte. Die Mutter des Geburtstagskindes, die rief: ‚Deetje, deine Babysitterin ist da.‘ Wir verwirren die Leute, das wusste ich. Jedes Mal, wenn ich spürte, dass wir unterschiedlich waren, dachte ich niemals darüber nach, was der Rest der Welt dachte. Jetzt, da Grazia es gesagt hat, weiß ich, dass der Rest der Welt auch sieht, wie verschieden wir sind, und ich fühle mich verschiedener denn je.“

Deetje mochte ich als Protagonistin sehr gerne, ein gleichermaßen kluges, aufgeschlossenes wie liebenswertes Kind. Sie weiß, was sie will – das kam auch oft sehr witzig daher:

„Er zwinkert mir zu.
‚Igitt, Vito. Du bist neun.‘
‚Fast zehn. Und übrigens, auch neunjährige Menschen haben Gefühle.‘
‚Hilfst du mir beim Suchen?‘
‚Und gehen wir dann danach miteinander, Deetje?‘
‚Bestimmt nicht, Vito.‘
‚Warum nicht?‘
‚Ich will frei sein.‘“

Die Geschichte hat mir insgesamt wirklich gut gefallen. Sie ist flüssig und unterhaltsam geschrieben, vom Inhalt her werden die Fragen nach Herkunft und Familie kindgerecht, aber doch mit gewissem Anspruch behandelt. Die Altersempfehlung passt meiner Meinung nach ab 9 Jahren, auch wenn es relativ viel Text zu lesen ist. Das Buch eignet sich meiner Meinung nach auch gut zum Vorlesen.

Wiedermal ein sehr schönes Kinderbuch von Enne Koens!

Bewertung vom 13.10.2025
Larrea, Maria

Die Kinder von Bilbao


ausgezeichnet

Die Tochter von niemandem: Intensiver, berührender Debütroman

"Man erinnert sich nicht an den Moment seiner Geburt."

Maria erfährt erst mit Ende zwanzig, dass ihre Eltern nicht ihre leiblichen sind. Sie wurde adoptiert. Diese Nachricht zieht ihr den Boden unter den Füßen weg.

"Ihre Lüge endet hier. Auf der Türschwelle dieses Bürogebäudes, dessen Böden sie scheuert. Hier, wo mein Vater, arbeitslos und in Stein verwandelt, mit den Füßen das Linoleum vor seinem Sessel abwetzt, weil er nicht mehr aufsteht, nichts mehr tut, nichts mehr sagt.
Ich bin bei dieser Offenbarung als Einzige zugegen. Meine Mutter wird richtig liegen, ich lasse sie allein, ich habe nichts mehr zu sagen. Ihr Geständnis hat mich zerbrochen. Hier steht sie vor mir, die Arme fest über ihrer flusigen Strickjacke verschränkt und mit ihren rissigen Händen umklammert. Ohne es zu wissen, habe ich sie soeben befreit.
Ich bin siebenundzwanzig, und an diesem Tag bin ich zum ersten Mal gestorben."

Maria macht sich verzweifelt auf die Suche nach ihren Wurzeln. Sie möchte wissen, woher sie wirklich kommt und wer ihre leiblichen Eltern sind. Sie ist völlig vereinnahmt von dieser Suche, kann den Alltag kaum noch bewältigen.

"Vor anderen reihte ich Sätze, Banalitäten und Alltagsgesten aneinander, doch innerlich wankte ich. Weiterzumachen, ohne zu wissen, mit welchem Ziel, mein innerer Kompass kaputt, himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt."

Auf zwei Ebenen erzählt die Autorin: Da sind zum einen Marias Erinnerungen an ihre Kindheit in Paris mit einem trinkenden Vater, mit vielen Entbehrungen.

Auf der anderen Seite erfährt man die Geschichte ihrer Adoptiveltern Victoria und Julián, die sich in Spanien kennenlernten und verliebten, gemeinsam nach Frankreich auswanderten und genauso verzweifelt wie vergeblich versuchen, ein Kind zu bekommen.

"Enttäuschung rann ihr zwischen den Beinen herunter. Scharlachrot über ihre zarte, so weiße Haut."

Marias lange Suche dauert viele Jahre, ihre Reise führt sie schließlich von Paris bis nach Bilbao.
Das Wiedersehen mit der leiblichen Mutter nach sehr langer und obsessiver Suche ist gleichermaßn befreiend wie schmerzhaft.

"Sie korrigiert sich, nur ein Scherz. Aber der Hieb hat gesessen, der Pfahl hat sich mir in die Seele gerammt. Ich habe dich leben lassen. Noch eine Schuld, und keine geringe. Aber theoretisch hat sie recht."

Doch auch ihre Gefühle für ihre Adoptiveltern muss Maria aufarbeiten:

"Und ich schämte mich, dass ich so wütend auf meine Mutter war.
Letztendlich hatte sie mir das Leben gerettet. Reiß dich mal zusammen: sie ist deine Mutter, ob es dir gefällt oder nicht, sie hat dich großgezogen. Danke schön, Madame. Aber die Wut kam zurück, und mit ihr die Fragen. Wie lange wird es mir noch so schlecht gehen? Schlecht, weil ich weggeworfen wurde, verlassen, gerettet, geliebt, verwöhnt, fotografiert, abgewischt, gefüttert, untergebracht, passend gemacht wurde? Mein Leid war nutzlos, es kam mir lächerlich vor."

und findet am Ende ihren Frieden sowie versöhnliche Töne:

"Ich will Julián und Victoria beschützen, es soll nicht vorschnell über ihre Versäumnisse, ihre Ungeschicktheit und ihre Armut beurteilt werden, ich habe nur ihre Liebe von ihnen geerbt."

„Die Kinder von Bilbao“ von Maria Larrea ist ein Debütroman, der mich sehr begeistert hat, sowohl inhaltlich als auch literarisch. Die Sprache der Autorin ist etwas ganz Besonderes; man bemerkt wohl ihren filmischen Hintergrund, aber wow - sie kann auch großartig schreiben!

"Ich werde sein, was ich werden will. Ich werde einem Roman entspringen und zudem werden, was ich schreibe. Ich werde schreiben, was ich war."


„Die Kinder von Bilbao“ ist ein sehr intensiver und berührender Roman über Familie, soziale Herkunft und Identität, der sicher noch lange in mir nachhallen wird.

Eine ganz klare Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 13.10.2025
Schlett, Liv K.

Birk


ausgezeichnet

Berührender Jugendroman über Schwächen und Selbstfindung


„Birk“ von Liv K. Schlett ist meiner Meinung nach ein wirklch herausragender Jungedroman zu einem Thema, das (soweit ich weiß) bisher noch nicht in der Jugendliteratur vorkam und gerade deshalb sehr empfehleswert ist.

Der 16jährige Birk ist eigentlich ein typischer Teenager, er findet seine Eltern nervig, er mag seine Freunde, Sport und Zocken. Seit längerem ist er in Kathy, das seiner Meinung nach schönste Mädchen in der Klasse verliebt. Doch er hat ein Problem, ein großes Problem, von dem niemand wissen darf. Anonym schreibt er sich seine Sorgen online auf einem Blog von der Seele. Doch dann passiert etwas, was Birk völlig aus der Bahn wirft ...

Die Autorin hat die Sprache der Jugendlichen meiner Meinung nach sehr authentisch getroffen. Das Buchformat als Blog fand ich genau passend und sehr gut gelungen!

"'Birk', sagte Asha, jetzt ganz ruhig und vorsichtig, 'das stimmt nicht. Du bist ein cooler und netter Typ und viele Menschen mögen dich. Wen es juckt, dass du nachts ins Bett machst, ist ein Opfer und denen kann man auch nicht mehr helfen. Als ob es was an dir ändert. Als ob es dich zu einem schlechten Menschen macht. Es ist ein Problem, das du hast, aber das macht dich nicht zu einem Problem.'"

Ich als Erwachsene bin zwar nicht die direkte Zielgruppe, aber das Buch hat mich von Anfang an stark begeistert. Selbst Mutter, habe ich nochmal einen anderen Blickwinkel auf das Geschehen; stelle mir Fragen, wie ich selbst mit so etwas umgehen würde.

Ich war von „Birk“ wirklich sehr berührt, oft wütend und traurig – das Buch hat mich in jeder Hinsicht positiv überrascht und ich hoffe sehr, dass es viele Leser*innen aller Altersklassen finden wird!

Von mir bekommt es eine eindeutige Empfehlung!