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Top-Rezensenten Übersicht

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Edda246
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 85 Bewertungen
Bewertung vom 06.05.2025
Killer Potential
Deitch, Hannah

Killer Potential


ausgezeichnet

Witzig, spritzig, intelligent – beste Unterhaltung!

Evie ist SAT-Tutorin, bereitet auf die Prüfung zur Zulassung für die Uni vor.
Als sie eines Tages zu ihrer Schülerin Serena Victor kommt, findet sie deren Eltern tot auf, die Mutter erschlagen, der Vater noch mit dem Kopf im Koiteich, ertrunken.
Noch bevor sie die Polizei anrufen kann, und starr vor Angst, hört sie einen Hilfeschrei aus einer Kammer unter der Treppe und findet eine junge Frau gefesselt vor.
Die Situation eskaliert, als Serena, die Tochter und Nachhilfeschülerin, auftaucht.
Evie und die fremde Frau müssen fliehen.
Es beginnt ein wahnwitziger Roadtrip à la Thelma und Louise. Doch diese Geschichte ist anders, es sind Evie und Jae. Jae spricht anfänglich nicht – wer ist sie, die Unbekannte, die Geisel?
Es kommen nach und nach Wahrheiten zum Vorschein – doch wie werden sie gedeutet? Die Spannung steigt zwischen den beiden notgedrungen Flüchtenden - und die äußeren Situationen eskalieren. Unerwartete und verblüffende Wendungen in schneller Aktion treiben die Flucht voran – gibt es noch einen Ausgang?

Die Szenerien sind sofort eingängig, man kann sich auf das rasante Abenteuer leicht einlassen. Die Aufregung und die Unsicherheit innerhalb ihrer erzwungenen Beziehung ist psychologisch fein beobachtet und dargestellt. Die Gedanken Evies, das bis ins Kleinste Erdachte neben Erinnerungen und detaillierten Beobachtungen und Beschreibungen machen den Roman äußerst unterhaltsam. Er sprüht vor Intelligenz und treffendem Witz!

Obwohl es nur die beiden Hauptdarstellerinnen gibt, wird die Geschichte nie langweilig, sondern bleibt anregend, ein kaum aus der Hand gelegtes Buch. Lediglich der Schluss zieht sich für meinen Geschmack etwas hin, ist allerdings schlüssig und rundet die Geschichte ab.

Bewertung vom 23.04.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


ausgezeichnet

Ein beeindruckender und vielschichtiger Roman!

Amanda Peters ist eine Schriftstellerin mit Mi'kmaq Abstammung – ein indigenes Volk, das im Nordosten der USA und Kanada lebt.
Ihr Vater war Beerenpflücker und inspirierte sie, ebenso wie die Erzählungen ihrer Familie zu dieser Geschichte, eine Geschichte, die sich so auch hätte zutragen können.
Es beginnt mit den Erinnerungen von Joe, einem der Kinder einer 7 köpfigen indigenen Familie. Er erinnert sich an die Zeit vor 50 Jahren als die Familie r Anfang der 1960ger Jahre nach Maine in die USA gefahren war, um wie jedes Jahr dort Beeren zu pflücken. Plötzlich verschwindet das jüngste Kind, Ruthie. Trotz wochenlanger Suche bleibt sie verschwunden – eine Tragödie für alle Beteiligten!
In wechselnden Erzählungen von Joe und Norma werden die darauffolgenden Jahrzehnte erzählt und stellen dar, wie dieses Ereignis zwei Familien geprägt hat, welche Wellen ein Schlüsselereignis schlägt, welche Kettenreaktion eine schreckliche Tragödie auslöst.
Was bedeutet der Zusammenhalt einer Familie, was passiert ihr bei so einem Ereignis? Diese Geschichte zeigt, wie unterschiedlich und schwerwiegend die Konsequenzen sein können und dass eine Tragödie die Folgezeit tief beeinflusst. Unschuld und Schuld, Angst und Verzweiflung treiben eine Suche voran bis zur Erlösung.
Beide Protagonisten, Norma sowie Joe treffen Entscheidungen für ihr späteres eigenes Familienleben, mit diesen Erfahrungen. Amanda Peters beschreibt dies mit einer Selbstverständlichkeit und Ehrlichkeit von Joe und Norma, die lebensklug ist.
Unglaublich mitreißend und hochgradig emotional beschrieben. Eine sehr gute Zeitbeschreibung, vor allem während des Beerenpflückens, rundet dies ab.

Es könnte sich so abgespielt haben, könnte eine wahre Geschichte sein, die vielen native Indians passiert ist. Jede Seite ( Buchseite sowie die der Protagonisten Joe und Norma )ist spannend und lässt tief in die einzelnen Charaktere blicken. Wie sie die Geschichte und die Einzelschicksale im Rahmen derer Möglichkeiten webt und agieren lässt, ist äußerst fesselnd. Mit viel Feingefühl zeichnet sie ihre Protagonisten im Zusammenhang mit der damaligen Zeit, deren Vorurteilen und Moralvorstellung. Man entdeckt immer wieder neue Aspekte, die zum Nachdenken anregen, ein vielschichtiger Roman! Auch wirft diese beschriebene Zeit einen wichtigen Blick auf amerikanische und kanadische Geschichte bezüglich Indigener Menschen und wird in Erinnerung gerufen, Damals wurden Indigene Indianer oder Rothäute genannt, abfällig betrachtet und minderwertig von den Weißen angesehen, übliche Vorurteile hatten Bestand und Unrecht konnte geschehen. Der „Indian Act“, sollte den kanadischen Indigenen ihre Identität nehmen, sie wurden von etlichen Rechten beschnitten. Sogenannte Indianerbeauftragte entschieden über den Schulgang indigener Kinder, die ihren Familien entrissen werden konnten usw.
( Erst 2009 bat Barack Obama in einer Erklärung um Verzeihung)
Eine beeindruckende Erzählung und wichtiges Zeitzeugnis.

Der Roman wurde in über 17 Ländern veröffentlicht.

Bewertung vom 02.04.2025
Geht so
Serrano, Beatriz

Geht so


ausgezeichnet

Eine überaus geistreiche und witzige Punktlandung!

Ursprünglich studierte Marisa, 32 Jahre alt, Kunstgeschichte – wird aber von dort rekrutiert in eine Werbeagentur. Überzeugt davon, dass es vorübergehend sei, arbeitet sie inzwischen schon 8 Jahre in der Werbebranche, ist im mittleren Management und berichtet über Ihre Wahrnehmungen und Erfahrungen. Sie kennt die Strukturen und Verhaltensweise in dieser Branche bis ins Kleinste, ist ein wichtiger Teil davon. Sie verspottet das System, weil sie weiß, wie es tickt. „Meine Arbeit besteht darin, freundlich zu sein und heiße Luft zu verkaufen“.
Um diese „heiße Luft zu ertragen, schaut sie sich in freier Zeit pausenlos jegliche Art von Youtube-Videos an. Manchmal weint sie, hat Herzschmerzen und nimmt Tabletten, Ängste zu lösen. Doch sie hält durch.

8 Stunden täglich mit entfremdeten und unbefriedigten Arbeiten zu verbringen, verlangt einiges von ihr ab. Sie hat das Flair einer erfolgreichen, selbstbewussten und klugen Madrider Großstadtfrau, die sich in dem „Dschungel „ bewährt“, auch in den kuriosesten Situationen. Mit distanzierten Betrachtungen nimmt Marisa die Werbebranche bzw. ihre Agentur aufs Korn. Witzig und spritzig wird der Alltag geschildert. Sarkastisch sein zu können und doch mittendrin zu sein – ein Spagat! Doch der lässt auch Federn. Trotz ihrer Distanz ist Marisa Teil dieses absurden Systems. Beatriz Serrrano erzeugt Spaß und Spannung anhand von diesen absurd witzig dargebrachten Szenen. Man selbst lacht und weiß, dass es in Teilen so ist, dass es bekannt vorkommt. Die Protagonistin ist menschlich verständlich, sympathisch. Nicht nur für 20-30 Jährige – diese geistreichen Betrachtungen sind zeitlos. Unglaublich witzig dargebracht und erscheint weitaus kreativer als das beschriebene Kreative in der gezeigten creative Branche – und das ist schon kurios und exzellent an sich. Spritzig, witzig, jeder Abschnitt amüsant und auf den Punkt gebracht.

Bewertung vom 26.03.2025
Peggy
Godfrey, Rebecca;Jamison, Leslie

Peggy


ausgezeichnet

Peggy Guggenheims Leben im lebendigen Zeitkolorit

Rebecca Godfrey stellt in ihrem Buch überlieferte Szenen der legendären Peggy Guggenheim dar und verknüpft sie auf originelle Weise, so dass ein Roman entstanden ist, der sehr wohl so geschehen sein könnte. Leslie Jamison vollendete ihn später anhand der Aufzeichnungen von Rebecca Godfrey. Der Roman umfasst den Zeitabschnitt von 1920 – 1938 und schildert die turbulenten Jahre Peggys in New York, Paris und Südfrankreich durch Sicht und Gedanken von Peggy. Dies wird erzählt bis zur Eröffnung ihrer ersten Galerie in London.
Peggy Guggenheim ist bekannt als eine exzentrische, ausschweifende und schillernde Persönlichkeit mit zahlreichen Liebesaffären. In diesem Roman wird sie von einer Seite dargestellt, die sie im Rahmen ihrer Zeit menschlich, greifbar und sympathisch macht.
Wie wurde Peggy Guggenheim zu einer weiblichen Ikone, die maßgeblich zur Bekanntmachung und Anerkennung der moderne Kunst des 20. Jahrhunderts beitrug?
Peggy Marguerite Guggenheim, 1898 als wohlhabendes jüdisches Mädchen geboren, wurde durch durch ihren Vater inspiriert, die bildende Kunst zu begreifen, er führt sie in die Betrachtung von Malereien ein und erkennt ihre Begabung. Der Vater stirbt auf der Überfahrt der legendären Titanic 1912. Mit 21 erbt Peggy ein Vermögen, zieht nach Paris in das Milieu von Künstlern und Intellektuellen, finanziert ausschweifende Partys und unterstützt mittellose Künstler. Selbst sittsam erzogen, ist sie beeindruckt von Intellektuellen und Künstlern in Paris, heiratet den „ König der Bohème “ Laurence Vail. Doch, mit 23, fühlt sie sich nicht als Bohemiènne. Sie sagt auch, „ich bin keine Debütantin (eine junge Frau, die in die Gesellschaft eingeführt wird), ich bin ein Libertin“ – ein Freigeist. Ihre Mutter: „Gut so, dann endest du nicht als Nichtsnutz“. Mit fast 40, 1938, gründet sie in London ihre erste Galerie, das Guggenheim Jaune, mit Werken moderner Kunst, das sie weltweit bekannt und berühmt machen wird.
Rebecca Godfrey zeigt auf spannende Weise Peggy Guggenheims Werdegang. Eine sehr gute Recherche bis ins Detail zu der Zeit zwischen 1920 und 1938 – man spürt regelrecht die damalige Stimmung der Oberschicht in New York, der Bohème in Paris mit dem Surrealismus und den persönlichen menschlichen Verbindungen. Das Zeitkolorit wird lebendig hervorgeholt.

Sie webt und konstruiert um wichtige Ereignisse des frühen 20. Jahrhunderts die Gedanken und Träume neben der Realitätsbewältigung aus Sicht von Peggy.
Berühmte und bekannte Namen, die Peggys Weg kreuzen z.B. von den Vanderbilts, Rockefellers, Henry Hilton sowie Man Ray, Samuel Beckett ergänzen diese schillernde Zeit. Die Frauenrolle ist im Aufbruch ( die Suffragettendemonstration in New York wird beschrieben), gut dargestellt anhand der Beschreibungen der unterschiedlichen Auseinandersetzungen mit begegnenden Frauen sowie der Vorstellungen ihrer Schwester und Mutter.
Kleine Beobachtungen und erfrischende Gedanken, auch die Kommunikation mit Künstlern geben wichtige Hinweise auf den Zeitgeist und ihren Einfluss. Sie entwirft Szenen, die fesseln und in die dargestellte Zeit optimal einbinden. Absolut spannend!
Manches wird in Abschnitten vorweg genommen, was sich später klärt, der Lesefluss reißt nicht ab, wird dadurch interessant. Es ist ein durchgängig spannender Roman der sich stark an die tatsächlichen Begebenheiten hält und eine Peggy Guggenheim kreiert, die menschlich und sympathisch ihren ungewöhnlichen Weg findet.

Bewertung vom 17.03.2025
Der Wolf im dunklen Wald / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.2
Piontek, Sia

Der Wolf im dunklen Wald / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.2


ausgezeichnet

Ein super Krimi mit vielen Wendungen und sympathischer Ermittlerin

Carla Seidel, Ermittlerin im Morddezernat, hat sich von Hamburg nach Dannenberg versetzen lassen. Und das dort friedliche Wendland erfordert nun Ihren vollen Einsatz. Ein Mord hat im Dragahner Forst während einer Gesellschaftsjagd stattgefunden.
Carla ist aufgefordert, zu ermitteln. Nebenbei und nicht unwichtig ist der 18. Geburtstag ihrer Tochter Lana, die trotz baldiger Volljährigkeit die Zuwendung ihrer Mutter noch benötigt. Carla ist voll eingebunden und muss zwischen Privatem und Arbeit jonglieren.
Was hat der Mord mit dem Freiherrn von Boenning zu tun, der die Jagdgesellschaft ins Leben rief? Carla recherchiert und die unterschiedlichen Spuren führen weit zurück in die Vergangenheit. Parallel dazu ist auch Lana am Rande verwickelt in die Angelegenheit, da ihr neuer Schwarm Fabian, der Sohn des verdächtigen Gutsbesitzers, mit ihr zum Mordzeitpunkt auf einem Aussichtsturm zur Wildbeobachtung war. Lana forscht auf eigene Faust.
Carla ist von Anfang an sympathisch, wir erfahren viel über ihre Vergangenheit und werden solidarisch, denn Carla kämpft mit eigenen Dämonen. Sie bleibt eine taffe Ermittlerin, die auch mal auf eigene Faust vorprescht. Ein bestimmtes Kribbeln bringt sie voran und letztendlich auf die richtige Fährte.
Der Roman ist vielseitig und detailliert recherchiert, intelligent und vielschichtig aufgebaut. Er zeigt Facetten der Persönlichkeiten der Mitspieler, deren Hintergründe, möglichen Beweggründe, deren Ängste, Sehnsüchte, auch das Scheitern und der Auseinandersetzung mit den Kompromissen der Realität sind greifbar dargestellt. Wirtschaftliche, politische Szenarien werden beleuchtet. Die Protagonisten und Verdächtigen sind überschaubar. Die Handlungsorte und die Darstellung der Mitstreiter ist feinsinnig beobachtet und beschrieben. Ein Spannungsroman voller Überraschungen und Wendungen, über 400 Seiten Lesefreude pur. Dies ist ein zweiter abgeschlossener Teil der taffen Ermittlerin, ich freue mich auf einen dritten. Hut ab - beste spannende Unterhaltung!

Bewertung vom 03.03.2025
Ein ungezähmtes Tier
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


sehr gut

Gute Unterhaltung!

Es geht um einen Raubüberfall am 2. Juli 2022, der exakt 7 Minuten dauern wird.
Doch wie kam es dazu? Das Buch schildert ausführlich die Geschichte in Rückblenden und gegenwärtigem Voranschreiten.
Da sind Arpad mit seiner Frau Sophie in einem schicken Designer Glashaus am Genfer See und da ist das Pärchen Greg und Katrine, die etwas entfernt in einer Mittelschichts-Siedlung, von den Reichen spöttisch „die Warze“ genannt, mit ihren Kindern wohnen,
Den Reichen bleibt kein Wunsch offen und so könne sie mit einer Lässigkeit damit umgehen. Sophie, Anwältin, ist schön, attraktiv und zufrieden. Ihre Ausstrahlung beeindruckt vor allem Greg, Polizist, der schon bald Möglichkeiten ersinnt, sie heimlich zu beobachten. Sie strahlt für ihn etwas Animalisches aus, dem er sich nicht entziehen kann. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Sophie und Katrine freunden sich an. Es taucht ein Fremder auf. Liebe, Intrigen, Grenzüberschreitungen und alte und neue Geheimnisse – dies verspricht eine gute Unterhaltung.
Wie immer hat Joel Dicker den Roman intelligent konstruiert. Langsam angehend, doch dann mit immer mehr unerwarteten Wendungen steigert sich die Spannung.
Die Verknüpfungen der mitspielenden Personen zu dem Raubüberfall wird deutlich und auch jedes Eigeninteresse und Beweggrund – und das sind sehr unterschiedliche - kommen Häppchenweise ans Licht und da mehr Personen in die Geschichte einsteigen steigt die Spannung.
Es überzeugt, dass der Plot wichtig ist und das ist gelungen. Eine eher leichte Lektüre, die man gern in einem Stück anhört oder durchliest. Torben Kessler liest ausgezeichnet und bringt die einzelnen Charaktere zum Leben.

Bewertung vom 01.03.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


sehr gut

Gute Unterhaltung!

Über einen Liebesromanautor, der in einem Zug eine jüngere Frau kennenlernt.
Jeder kennt es: Wie wahre ich Distanz zu Mitreisenden, die zufällig auf dem Platz vis-à-vis oder schräg gegenüber sitzen. In diesem Roman sitzt hier Catrin, Psychologin, die offenbar noch keinen Roman Eduards gelesen hat. Heiter beschreibt Daniel Glattauer dies und später wie sich die Distanz verschiebt anhand der Gedanken und Worte des Protagonisten Eduard, dem bekannten Liebesromanautor.
Mit einem Mal sieht sich Eduard, der sonst Zurückhaltende, über sein Leben erzählen. Es geht um freie Liebe, die Ehe, Liebesangelegenheiten, alles, was ein Autor von Liebesromanen als Profi wissen sollte. Die beiden Catrin und Eduard kommen sich näher auf der Strecke Wien - München. Seine Mitreisende verwickelt ihn in eine angeregte Unterhaltung, so kommen Wahrheiten und Unwahrheiten zutage - man erzählt Fremden oft mehr als Vertrauten – so auch hier. Manches will man als Leser gar nicht wissen, das ist der Moment, wo die Distanz zunimmt und die Geschichte anstrengender und nicht mehr in einem Zug durchgehört wird. Doch es ist kein langes Hörbuch und der Schluss, in dem Catrin eine Wahrheit gesteht, gibt einen spannenderen Ausklang, nicht unbedingt realistisch, doch humorvoll und originell.
Man kann sich dem anfänglichen Gespräch kaum entziehen. Ich bin ein Fan von Daniel Glattauers Romanen und war schon begeistert von „Gut gegen Nordwind“ (auch gelesen u.a.von Christian Berkel), der auch eine Gesprächsdynamik aufzeigte, nur in Form von Emails. Als Leser/in lauscht man auch hier gebannt als „Mäuschen“ und lässt sich gut unterhalten.
Manches plätschert vor sich hin, es darf nicht allzu Tiefgründiges erwartet werden, der Schluss mit den unerwarteten Wendungen gibt dann das gewisse Extra.
Für mich eine gute humorvolle Unterhaltung mit einem wunderbaren
Christian Berkel, der auch dieses Hörbuch sensibel und ergreifend vorträgt, so ist der Protagonist gleich doppelt sympathisch.

Bewertung vom 26.02.2025
Der Gott des Waldes
Moore, Liz

Der Gott des Waldes


ausgezeichnet

Mitreißend beschrieben und komplex konstruiert – ein Highlight!

Ein Sommercamp in den Adirondack Mountains, einem bewaldeten Gebirge nordöstlich von New York lädt an die 90 Jungen und Mädchen ins Sommercamp ein. Hier lernen sie unter anderem sich in der Wildnis zurechtzufinden und, wenn es darauf ankommt, zu überleben. Ein Survivaltrip ist der Höhepunkt am Ende jeden Camp-Aufenthalts.

Es sind ganz individuelle Lebensschicksale, welche die Menschen an diesen Ort zusammenkommen lassen. Die Jugendlichen kommen überwiegend aus wohlhabenden Familien aus Kalifornien oder New York. Doch dann verschwindet ein junges Mädchen.
Barbara van Laar, 13-jährig, Mitglied des Camps. Es wird zur Suche aufgerufen.
Wohin geht Barbara nachts in den Wald, regelmäßig? Barbara verschwindet 1975, 14 Jahre nachdem ihr Bruder Bear verschwand mit 8. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Begebenheiten? Die taffe Investigatorin Juditha Luptack einer der ersten weiblichen State Troopers, tritt auf den Plan und recherchiert.
Durch Rückblenden bis hin zum Jahr 1961 erfährt man Lebensgeschichten der einzelnen Beteiligten. Da sind die Aufseher, wie z.B. Louise oder T.J., da gibt es die junge Außenseiterin Tracy, die sich mit Barbara angefreundet hat, da gibt es das Ehepaar van Laar, die Besitzer des Naturreservats, sie bewohnen das Haus Self-Reliance.
Fäden ziehen sich zusammen, Schuld wird zugewiesen, Investigator Luptack recherchiert
unvoreingenommen, muss sich zusätzlich in ihrem eigenen Arbeitsbereich herablassend und bevormundend von ihrem Vorgesetzten durchsetzen und zuhause auf ihre Selbständigkeit bestehen
Liz Moore zeigt einzelne Mitstreiter auf, deren Herkunft und deren Antrieb. Sie zeigt verwundete Seelen und taffe Heldinnen an diesem Ort. Es sind kluge Beobachtungen menschlichen Verhaltens und auch der Überheblichkeit und der Wertevorstellungen der Reichen in den 1950ger,1960ger Jahren. Werden die sozial Vernachlässigten von den Wohlhabenden belastet, beschuldigt?
Judytha denkt:
„Reiche Leute werden vor allem dann wütend, wenn sie merken, dass sie für ihre Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden sollen“

Der Wald und das Camp sollten heilen – doch ist dies der Fall?„Wenn du dich verlaufen hast, setz dich hin und Schrei“ , ein Leitsatz des Camps reicht nicht im geringsten aus.
Es scheint alles nicht so zu sein, wie es sich die Van Laars zurechtgelegt haben.
Innerhalb von Lügen und jahrelangen Täuschungen findet Judytha die Wahrheit heraus und trifft eine Entscheidung.

Die Zeit 1975 mit all den Umbrüchen atmet auf und das Buch gibt einen positiven hoffnungsfrohen Ausblick.
Ein Einblick in eine Zeitepisode, die alle geprägt hat. Judytha die Heldin schreitet trotz aller Hindernisse voran, ebenso Barbara zu selbstbestimmten Frauen, die ihre Selbständigkeit nicht bezeichnen müssen durch ein namensgebendes Haus namens Self-Reliance – sie sind es von innen heraus. 1975 wurde von der Uno zum ersten Mal das internationale Jahr der Frau ausgerufen, Judytha und Barbara sind Pioniere und geben dem Roman den erleichterten hoffnungsfrohen Ausblick – und dieser wirkt nach. Grübeln wird man allerdings über die menschlichen Mechanismen, die Schuld zuweisen, die Opfer werden lassen. Und ist nicht auch dies oder jenes übertragbar auf heute? Das Buch stellt dar anhand eines Zeitabschnitts. Sehr gut gefallen hat mit die Zeitleiste, die über jedem Abschnitt genau den behandelnden Zeitabschnitt zeigt von 1961-1975. Spannende 590 Seiten eines packenden Krimis und eines Gesellschaftsromans!
Klug und mitreißend beschrieben und komplex konstruiert von Liz Moore. Für mich ein Buch, dass den Vorschusslorbeeren vollends gerecht wird und das ich jederzeit weiterempfehle. Ein Highlight!

Bewertung vom 16.02.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


ausgezeichnet

Ein leichtfüßiger Roman zu einem schweren Thema

Marlene ist Witwe geworden, ihr schwerkranker Mann Rolf beging Selbstmord und ließ sie allein zurück. Die Geschichte beginnt mit der Trauerfeier und der kuriosen Situation, dass Marlene sich mit einer verklemmten Toilettentür auseinandersetzen muss. Marlene betrachtet sich und ihre Situation, mit der sie vorerst nur fertig wird durch Rückzug. Doch ein Klempner wird im Haus benötigt und dieser entpuppt sich als ehemaliger Schüler und dieser, Jack, zieht bei ihr vorübergehend ein. Marlenes Anfang, sich einem erfüllten Leben wieder zu nähern, beginnt. Und als sich beide mit der Ärztin Ida in Richtung Wien aufmachen, wo Rolf Marlene einen Brief hinterlassen hat, wird die Reise für die drei ereignisreich.

Der Roman ist witzig, durch die Begebenheiten und der eigensinnigen Beobachtungsgabe der Protagonistin. Marlene denkt, als sie sich im Spiegel erblickt: “Eine Untote mit schlecht einmassiertem Trockenshampoo“. Ein bodenständiger Humor, der die Protagonistin sofort vertraut und sympathisch macht. Sind es nicht die kleinen Dinge, die wichtig sind!

Der Roman handelt auch von wahrer Freundschaft, beeindruckend die Menschen und Begebenheiten, die Marlene auf ihren Weg zurück ins Leben ohne Rolf begleiten. Er handelt von der Liebe zum Leben, sich den Herausforderungen zu stellen, so kurios und ungewöhnlich sie auch sind - die Situationen erfordern von Marlene und ihren Begleitern Annahme und Einsatz – mit tiefem Vertrauen in die Schicksalsfügung.

So wie Marlene am Anfang vor die Aufgabe gestellt wird „es müsste ihr aus eigener Kraft gelingen, sich zu befreien“ (in Bezug auf die verklemmte Toilettentür, als Metapher) so wird ihre individuelle Reise gelingen, denn aufgehoben in Begegnungen und Freunden findet Marlene wieder zu sich.
In poetischer beeindruckender geschriebener Sprache, wie z.B. :.... erspürte mühsam errichtete Grenzposten und legte innere Landschaften frei, die sie seit Ewigkeiten nicht mehr aufgesucht hatte...ergänzt beeindruckend mit ihrer Stimme im Hörbuch Ruth Reinecke

Der Roman berührt, amüsiert und hat die Botschaft, nicht zu verzweifeln, der Reise zu vertrauen, die Hinweise anzunehmen. Ein wunderbar feinsinniges Buch, das mit Tod und Verlust, ernsthaft, doch mit Humor und Leichtigkeit umgeht und einem schweren Thema Hoffnung macht.
Sehr empfehlenswert.


Susann Pasztor ist auch ausgebildete Sterbebegleiterin

Bewertung vom 11.02.2025
Der große Riss
Henríquez, Cristina

Der große Riss


sehr gut

Atmosphärisch dicht, bildgewaltig, klug recherchiert

Noch 1899 gehörte Panama zu Kolumbien, 1903 erklärte Panama die Unabhängigkeit und erlaubte den USA, den Panamakanal zu bauen. Die Männer die den Kanal bauten kamen aus aller Welt. Da ist z.B. John Oswald mit seiner Frau aus Tennessee im Auftrag der USA, der die Malaria bekämpfen will; da gibt es Ada, 16jährig, aus Barbados, die ihr Glück versucht; da gibt es Francisco den Fischer aus Panama mit seinem Sohn Omar.

Nicht nur der reale Bau des Kanals auch das, was die Lebensumstände des und der Einzelnen betrifft mit all den Hoffnungen und Ängsten, die damit verbunden sind, werden vorgestellt. Es sind die unbekannten Helden, die es wagten, sich dem auszusetzen mit Hoffnung auf Arbeit, auf Selbstbestimmung und gutem Verdienst all den Widerständen zum Trotz.
Christina Henriquez stellt ein Spektrum an menschlichen Schicksalen vor und verzahnt sie was wiederum neue Perspektiven und Entscheidungen aufwirft.
Sie beleuchtet sehr unterhaltsam deren Hintergrund und Geschichte, deren Beweggründe nach Panama zu kommen, deren Mut und Überlebenskampf. Und dieser bezieht sich nicht nur auf existentielles. Sehr gut recherchiert sind die Bedingungen, die dort 1907 herrschten. Krankheiten, Hunger, Ausbeutung, Ausgrenzung.

Atmosphärisch dicht, bildgewaltig, klug recherchiert und sehr unterhaltsam.