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SofieWalden

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Insgesamt 731 Bewertungen
Bewertung vom 28.11.2025
Roth-Hunkeler, Theres

Damentour


sehr gut

Wie fühlt man, was denkt man, nach so vielen gelebten Jahren, Auseinandersetzung und Aufarbeitung zugleich

Ruth und ihre Freundin Anna planen, eine ganz eigene Konstellation zu schaffen, eine Zusammenkunft einer Gruppe von Frauen, aufs Ruths Anwesen. Die Fünf, die dann anreisen, sind sehr verschieden, was ja eigentlich auch nicht anders sein kann, denn alle sind schon ein paar Jahre mehr auf dieser Welt und haben ihren Anteil am Dasein erlebt. Das hat aus jeder Einzelnen der Protagonistinnen etwas gemacht und nun sind sie hier, um sich in diesem schönen Ambiente auseinanderzusetzen, mit dem Älterwerden, ja eigentlich dem Ältersein. Man geht in sich, soweit man das aushalten kann. Aber der Hauptaugenmerk ist auf ein Aufarbeiten in der Gemeinschaft, miteinander und manchmal auch in Konfrontation, ausgerichtet. Das ist spannungsreich und freundschaftlich zugleich, gespickt mit Wahrheiten, in allen Varianten, nicht immer schön und auch nicht immer sympathisch. Und beim Betrachter, dem Leser, der hier eingeladen wird, teilzuhaben, kommen nicht nur positive Gefühle auf. Aber das ist auch nicht gewollt. Denn hier soll sich niemand fügen, sich positiv verkaufen, sich nicht so verhalten, Altersentsprechend, den Erwartungen der Gesellschaft angepasst. Hier geht es um jeden Einzelnen als Mensch und noch ist das Leben nicht vorbei, nein, ist es nicht. Und als es zu Ende ist, dieses dreimonatige 'Experiment', ist viel geschehen, in jedem drin. Und für alle wird es nun, bewusst und fokussiert, weitergehen, selbstgewählt, hin zu einem selbstbestimmtes Sein.
Diese Geschichte, sie zu lesen, war interessant und spannend, gerade weil gleichzeitig nichts und doch so viel passiert. Und man bleibt zurück, nimmt 'sein ganz eigenes Ding davon mit', mit vielen Denkanstößen und Gelegenheit zur Selbstreflexion. Es geht gar nicht anders.

Bewertung vom 26.11.2025
von Arenberg, Amia;Zierden, Malte;Oßkar

Malte & Oßkar und der Lauf der Dinge


ausgezeichnet

Ein Gefühl von Verlust und ein schöner Vorschlag für einen Weg, damit umzugehen

Malte hat einen besten Freund, Oßkar, eine Taube. Als diese eines Tages durch Maltes Ungeschick verletzt wird, ist da plötzlich ein ganz komisches Gefühl in ihm drin. Es ist Angst, die Angst, dass er seinen Freund verlieren wird. Aber da ist ja Phia, das Mädchen von nebenan. Auch sie ist für Malte die beste Freundin und sie hilft, damit es Oßkar ganz schnell wieder gut geht. Irgendwann wird der Lauf der Dinge dazu führen, dass seine Taube nicht mehr ist, aber nicht jetzt. Aber dieses Gefühl von Verlust, es lässt den Jungen nicht mehr los. Und Phia, sie hat sogar tatsächlich schon einmal Sterben und Trauer erlebt, mit ihrem Hund. Was dann kommt, ist ein wenig Traum und ganz viel Fantasy und es ermöglicht Osßar, mehr darüber zu erfahren, es gar zu fühlen, dass das Sterben zum Leben dazu gehört und den Trost kennenzulernen, der einem beim Trauern hilft. Hier ist dieser gar ganz konkret, sozusagen zum Anfassen, in Form eines freundlichen kuscheligen Traumwesens. Mit diesem geht es es auf eine Reise und man erlebt eine mögliche Vorstellung von dem, was danach kommt, für Phias Hund, dem es nun in dieser anderen Welt gut geht.
Dies ist eine schöne Geschichte, um Kindern dieses schwere Thema auf eine ganz besondere Art nahe zu bringen, ihnen Angst zu nehmen und den Umgang mit der Trauer, wenn man in eine solche Situation kommt, leichter zu machen. Und dann sind da noch die Bilder, die diese Geschichte nicht einfach nur begleiten, sondern ein ganz wichtiger Teil davon sind. Sie sind wunderbar gelungen, geradezu grandios ab dem Moment, wo man diese besondere andere Welt betritt, mit warmen, gar wärmenden Farben und sie tragen ganz entscheidend dazu bei, dass das ungute Gefühl vergeht und man die Nähe zulässt, die uns diese Geschichte vorschlägt, um damit umzugehen.

Bewertung vom 24.11.2025
Hunter, Erin

Warrior Cats - Die Prophezeiungen beginnen


ausgezeichnet

Ein Wald, vier Katzenclans und der Versuch, die Macht an sich zu reißen

Vier Katzenclans und der Wald, der ihr Zuhause ist, damit fängt alles an. Es ist ein zunehmend fragiles Gebilde aus Regeln und Absprachen, das für alle ein weitgehend friedliches Leben möglich macht. Doch immer wieder kommt es zu kämpferischen Auseinandersetzungen, die in jüngster Zeit für einen der Kriegerkatzen und zudem zweitem Mann des Donner-Clans, zum Tod führt. Das rührt am Machtgleichgewicht und auch der Nachwuchs an Kriegerschülern lässt zu wünschen übrig. In dieser Situation betritt der Hauskater Sammy den Wald und er nutzt das Angebot der Anführerin des Donner-Clans, verabschiedet sich von seinem ungeliebten Leben als domestizierter Katze und will ein Krieger werden. Er lernt schnell und macht seine Sache zur Überraschung einiger der Clanmitglieder gut. Er zeigt Fähigkeiten, die ihn zu Höherem berufen und die in der Luft liegende von einem der Clans anvisierte alleinige Machtübernahme im Wald, er wird sich für seine neue Familie dem entgegen stemmen, voller Entschlossenheit.
Die reinen Textbände der 'Warrior Cats' waren ein großer Erfolg. Und jetzt also die Umsetzung in Gestalt einer Comic-Version. Das Flair, das diese Fantasy-Geschichte aus der Katzenwelt umgibt, packend von Anfang an und die Nähe, gerade zu Sammy, der jetzt Feuerpfote heißt, ist sofort da. Die Spannung, ob und wie Feuerpfote seinen Weg geht, wie er zu einem Teil dieser auch für ihn anderen Welt wird und gar zu dem einen Krieger und Leittier aufsteigt, das ist ganz großes bildhaftes und atmosphärisches Kino, mit stehenden Bildern, die so lebendig daherkommen, das man gerne für eine Weile darin versinkt.

Bewertung vom 19.11.2025
Luka, Saskia

Lass uns noch bleiben


sehr gut

Nach dem Rückzug wieder zurück ins Leben

Anna lebt in Berlin und betreibt dort einen Pflanzenladen. Bis vor Kurzem hat sie sich sehr wohl gefühlt in ihrem Leben, bis es dann anders wurde. Denn ihre Freundin Vinka ist, von heute auf morgen, einfach gegangen. Kein Wort, warum. Und Anna, sie versucht, verletzt, unsicher und allein, einfach weiterzumachen. Die kleinen Rituale wie der morgendlichen Plausch mit dem benachbarten Antiquar helfen ihr dabei, aber die Trauer und die Frage, voran es lag, treiben sie um. Doch dann kommt Alex in ihren Laden und bittet darum, seine Wohnungsanzeige bei ihr aufhängen zu dürfen. Zögerlich bietet Anna ihm ein Zimmer in ihrer (zu) großen Wohnung an, für einen und er nimmt an. Man sieht sich kaum, denn Alex betreibt eine kleine Bar und arbeitet so nachts. Er drängt sich auch nicht auf. Aber er ist freundlich und bietet sich an, für eine Mahlzeit, für einen Besuch von ihr in seiner Bar. Und in Anna keimt ein erster kleiner Funken auf, dem Leben wieder offener zu begegnen. Schließlich macht man sich zusammen auf den Weg, Vinka zu suchen und endlich eine Antwort zu finden, warum ihre Freundin meinte, Anna so ohne Worte zurücklassen zu müssen.
Diese Geschichte, klein, aber fein. Auf eine sehr ruhige Weise wird hier ein Stück Leben erzählt, kein großes Drama oder in diesem Augenblick eben doch, für diesen einen Menschen Anna auf jeden Fall. Man liest es gern, dieses Buch und begleitet Anna auf ihrem Weg, raus aus dem Schneckenhaus, erlebt, wie sie langsam wieder Vertrauen fasst zu einem anderen Menschen, der auch eine Geschichte mit sich trägt. Und ja, es entwickelt sich etwas.
Hier erfährt man eine wirklich schöne Lesezeit.

Bewertung vom 16.11.2025
Hertmans, Stefan

Dius


sehr gut

Eine Männerfreundschaft mit viel Gemeinsamkeit und intensivem Austausch

Es ist Dius, der Kunststudent, der eines Tages an Anton, den Dozenten, der seinen Schülern die Kunstphilosophie näherzubringen versucht, herantritt und seine Freundschaft erbittet. Etwas befremdet von diesem Vorschlag, stimmt der ruhige zurückhaltende Mann dann dennoch zu und die beiden finden in langen Spaziergängen durch das gemeinsame Interesse an jeder Art von Kunst bald zu einer Nähe, die man tatsächlich Freundschaft nennen kann. Diese angenehme Vertrautheit geht auch über auf die Themen des Lebens. Und die Natur, die sie umgibt, auch sie spielt eine große Rolle in ihren Gedankengängen, mal direkt, mal in der Übertragung auf andere Bereiche. Doch dann kommt es zum Bruch, wegen einer Lüge. Viele Jahre später steht Dius erneut vor der Tür seines früheren Freundes und Anton lässt ihn ein.
Dieses Buch, es hat eine wunderbar ruhige Ausstrahlung. Der literarische Schreibstil, poetisch und es ist einfach ein Genuss, wie hier durch das Wort eine so besondere Atmosphäre geschaffen und Gedanken über Kunst so allumfassend vielschichtig an uns Leser herangetragen werden, ohne abstrakt und abgehoben zu erscheinen. Kunst ist einfach ein Teil vom großen Ganzen, das unser Leben schöner macht und einen Kontakt schafft, für ein Mehr für das eigene Sein.
Besonders und sehr anregend und eben auch sehr menschlich.

Bewertung vom 12.11.2025
Bjergfeldt, Annette

Mr. Saitos reisendes Kino


ausgezeichnet

Eine lange Reise zu Freundschaft, Geborgenheit und der Bestimmung fürs Leben

Es beginnt in Buenos Aires, im Jahr 1927. Hier wird die kleine Lita geboren. Ihre Mutter, eine lebenslustige strahlende junge Frau, die Schuhe liebt und den Tango, ist bei Nonnen aufgewachsen, behütet und mit Bildung ausgestattet. Und auch Lita darf ihre ersten Jahre dort verbringen, bis die politischen Umbrüche in ihrer Heimat Mutter und Tochter zur Flucht zwingen. Durch Zufall landen sie auf Upper Puffin Island, einer Fischerinsel vor Neufundland. Eine sehr eigene kleine Gemeinschaft und sie nimmt die beiden auf, im dortigen Seemannsheim. Für Lita fühlt es sich hier schon sehr bald an wie Familie. Es entsteht eine tiefe Freundschaft mit Oona, die gehörlos ist und einfach wunderbar und dann ist da Mr. Saito, der ein wanderndes Kino betreibt und den Menschen Freude und die Geschehnisse aus der Welt auf ihre Insel bringt, mit einem ausgezogenen Laken als Leinwand und seinem Projektor, der laufende Bilder zum Leben erweckt. Und er eröffnet auch Lita eine ganz neue Welt, die sich als ihre Bestimmung erweist, das helle Licht für ihr Leben.
Sieben Wellen stehen für die sieben Kapitel in diesem Buch und jede von ihnen spült einen neuen Abschnitt von Litas Leben mit ans Ufer.
Faszinierend in ihrer ruhigen wunderbar fließenden Sprache nimmt uns die Autorin mit auf eine Reise. Sie lädt die Leser dazu ein und es offenbart sich uns eine Geschichte, in die man sich regelrecht hineinfallen lassen kann.
Im übertragenen Sinne ganz großes Kino.

Bewertung vom 09.11.2025
Allende, Isabel

Perla und der Pirat 2


sehr gut

Auch eine Hundegeschichte und Vorurteile erkennen und es anders machen

Die Erzählerin in dieser Geschichte heißt Perla, eine Hundefrau, die jeder lieb hat und die ganz doll brüllen kann. Sie erzählt von dem Tag, als ihr bester Freund auf der ganzen Welt nach der Schule aufs Abholen wartet und keiner kommt. Das liegt an unglücklichen Umständen, aber Nicos Entscheidung, einfach loszugehen, sich allein auf den langen Weg nach Hause zu machen, ist nicht gut. Denn unterwegs bekommt er Angst und verkriecht sich unter einer Parkbank. An der Schule wird es inzwischen dramatisch. Die Eltern sind da, Nico aber ja nicht und alle suchen, auch die Polizei. Aber wer Nico findet, das ist letztendlich sein Hund Perla, auf verschlungenen Wegen und mit Hilfe des Piraten, dem jungen Mann, der ins Nebenhaus von Nicos Familie eingezogen ist. Nico und seiner Schwester fanden ihn von Anfang an ziemlich cool und halt auch ein bisschen anders. Und sie hätten ihn gerne näher kennengelernt. Aber die Eltern hatten es wegen dem coolen Anderssein verboten. Tja und jetzt ist ausgerechnet durch dessen Inititative Nico wieder da. Und auch die Erwachsenen merken nun, was für ein toller Typ der Pirat ist und dass man ihn wirklich gerne zum Freund hätte.
Ein toll illustriertes Bilderbuch mit Aussage. Die Bilder sind bunt und lebendig und so richtig Teil der Geschichte. Und ein bisschen mehr auf Menschen zugehen, einfach mal Hallo sagen und dann sehen wie sie sind, das ist schon sehr viel besser als seinen Vorurteilen allein vom Ansehen her freien Lauf zu lassen. Es ist auch nicht fair den Anderen gegenüber und zudem ziemlich schlecht für einen selbst. Denn so findet man sie nicht, die ja vielleicht 'besten Freunde der Welt'.

Bewertung vom 12.10.2025
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Schwäche wird ausgenutzt, eine Dreierkonstellation, intensiv und packend, ein echter Boyle

Der Tod seiner Mutter zwingt den jungen Arzt Terry dazu, sich nach Bouler City aufzumachen, einer armseligen Wüstenstadt am Rande von Nevada. Dort will er seiner Mutter beerdigen, das Erbe regeln und dann möglichst schnell zurück nach L.A., wo er arbeitet. Doch die zufällige Begegnung in einer Bar, mit Namen Bethany, setzt ein Geschehen in Gang, das zu einer absolut unguten Dreiecksbeziehung, führt. Die junge Frau ist skrupellos und hat Terry sehr schnell als schwach und manipulierbar ausgemacht. Uneingeladen quartiert sich in dem Haus der Mutter ein, das nun ihm gehört. Und Terry, er ist befremdet und gleichzeitig fasziniert von dieser Frau, die sich einfach nimmt, was sie will. Er fühlt sich in jeder Beziehung von ihr angezogen, lässt Dinge geschehen und ist sich gleichzeitig darüber im Klaren, dass er hier zunehmend zum Opfer wird. Und der dritte im Bunde, Bethanys sogenannter Ex, Jesse,der die noch keinesfalls endgültig abgeschlossene Beziehung nutzt, um auch etwas abzubekommen, vom Kuchen. Denn das Leben hier, für beide ohne Perspektive, Looser, abgerissen und durch Drogen zugedröhnt. Hier kommt die Chance.
Boyle, wie immer grandios in seinem Schreibstil, die fokussierte intensive Beleuchtung des Geschehens, er umkreist diese drei Menschen, die sich in ihrer geradezu gewaltsam erzwungenen Dreierkonstellation mit dem überforderten Arzt, der aber eigentlich auch gar nicht nein sagen will, als Opfer in ihrer Mitte, abseits der 'Zivilisation', aneinander abarbeiten.
Ein packender unglaublich gut angelegter Roman. Wie kann man als Leser nur dazu gebracht werden, so fixiert dieses 'Spiel' zu erleben, es wohl erleben zu wollen, mit drei Menschen, die einen schon fast eher anwidern sollten, das Kriterium von Sympathie ist am ehesten noch bei Terry gegeben.
Denn einmal Angefangen mit dem Lesen, gibt es kein Halten mehr, bis zum Ende.

Bewertung vom 12.10.2025
Louis, Édouard

Der Absturz


ausgezeichnet

Das Leben eines Bruders und der Tod, eine Analyse und noch viel mehr


Édouard Louis, er möchte es aufschreiben, das Leben seines Bruders, das schon sehr früh ein langsames Sterben war. Louis kannte seinen Bruder kaum und als er von seiner Mutter erfährt, dass dieser wieder einmal im Krankenhaus liegt, es aber diesmal nicht mehr schaffen wird, reist er an, ohne wirkliche Emotionen, um zu unterstützen und die Beerdigung zu organisieren.
Damit sollte es für ihn abgeschlossen sein. Doch, obwohl ohne Bindung zu dem Verstorbenen, beschließt der Autor, seinen in diesem Buch namenlosen Halbbruder, nicht so gehenzulassen. Auch von ihm soll etwas bleiben, nicht ohne jede Spur vergangen sein.
Und so beginnt er, ihn kennenzulernen, nicht nur die bekannten Fakten, die Umrisse seines Lebens, die es schwer gemacht haben, eine Chance zu haben, auf mehr. Denn das war immer das Bestreben dieses Mannes. Noch bevor er mit etwas angefangen hatte, wollte er mehr, der Beste sein, groß anerkannt, kein Handwerker, ein Künstler. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie, ohne menschliche Anteilnahme, ohne Unterstützung, driftet er schon bald in eine Welt von Alkohol und Drogen ab. Er begeht Straftaten. Und immer wieder sucht er den Neuanfang, ohne es wirklich zu tun. Das steht auf seinem Blatt 'Leben'. Aber der Bruder fragt auch nach dem Dahinter. Eigentlich sucht er es nicht, er findet es, mehr überrascht und sich des Menschen immer mehr bewusst werdend. Und all das, was er auf dieser 'Entdeckungsreise' erfahren hat, er schreibt es auf, nüchtern, fokussiert, nicht lamentierend, nicht abschweifend, keine Ausflüchte. Aber er nimmt auch die Menschlichkeit, das Liebenswerte darin auf und das alles macht auch etwas mit ihm selbst. Er reflektiert, schaut auf sich selbst, Gedanken kommen auf. Und es entsteht Nähe.
Der Schreibstil, grandios, feinfühlig, fast poetisch und so wirkt das Sachliche nicht kalt, sondern einfach nur richtig und genau passend, um das darzulegen und an uns Leser weiterzugeben, was der Autor vorhatte zu tun. Daraus geworden ist mehr. Mehr als die Bestandsaufnahme eines Lebens, das einfach so war. Auch der Autor selbst ist dabei gewachsen, an Bewusstsein, an dem Zulassen der Auseinandersetzung mit sich selbst und am Nachdenken über Dinge, die bisher wenig Beachtung bei ihm gefunden hatten.
Und wir Leser, wir begleiten ihn dabei, mit ganz viel Nachhall für uns selbst.
Ein absolut grandioses Buch, sehr berührend, sehr besonders und einfach außerordentlich.

Bewertung vom 09.10.2025
Thor, Annika

Eine Insel im Meer


ausgezeichnet

1938, zwei Kinder werden nach Schweden verschickt, um sie zu retten und erleben Fremde

1938, die Deutschen sind nun auch in Österreich einmarschiert. Eine jüdische Wiener Familie versucht, ein Visum für die Ausreise in die USA zu erhalten. Als dies vorerst scheitert, schicken sie ihre beiden Töchter Steffi und Nelli nach Schweden, um sie dort in Sicherheit zu wähnen. Die Geschwister landen auf einer kleinen Insel. Dort werden sie, entgegen der Absprachen, getrennt. Die jüngere Nelli kommt in eine nette Pflegefamilie. Steffi wird bei einer verhärmten Frau untergebracht, die wenig redet und dem Mädchen kaum positive Gefühle entgegen bringt. Es ist ein ganz anderes Leben, das hier auf die beiden einstürzt. Eine fremde Sprache, Ablehnung, gar Mobbing in der Schule und die einheimische Bevölkerung zeigt auch eine eher negative Einstellung gegenüber den Kindern. Das trifft vor allem die ältere Steffi, die durchaus auch mal aufbegehrt und so einfach zu einem guten Ziel für gängige Vorurteile und Anfeindungen wird. Im Inneren ist das erst 12-jährige Mädchen verängstigt und hat unsagbares Heimweh nach ihren Eltern. Schreiben tut sie ihnen natürlich nichts davon, denn sie sollen sich nicht noch mehr Sorgen machen. Die Hoffnung auf eine schnelle Wiederzusammenführung schwindet, denn die Immigration nach Amerika ist erst einmal nicht möglich. Doch ganz langsam wird es besser. Auch Steffi erfährt eine erste zaghafte Annäherung an eine Mitschülerin, in der Schule zeigen sich erste 'Erfolge' und ganz wider Erwarten stellt sich ihre Pflegemutter in einer entsprechenden Situation hinter 'ihr Kind'.
Dieses 1996 erschienene und nun neu aufgelegte Buch, es erschüttert und berührt zutiefst. Das Fühlen der Kinder, Fremdsein, Verlassenheit, die Angst vor der realen Bedrohung ihres Lebens und das herzzerreißende Heimweh nach Geborgenheit durch Eltern und Heimat, das ist einem so nah, wenn man dies hier liest. Und die Gedanken führen einen weiter, zu einem Heute, in dem Krieg und Flucht so aktuell und die Berührungspunkte mit diesen Themen so präsent und nah sind, wie dies für uns so schon lange nicht mehr der Fall gewesen ist. Menschen flüchten, suchen Schutz in der Fremde und fühlen genau das, was uns hier in diesem Buch so berührt.
Das sollten wir mitnehmen in unseren Alltag und es bewusst leben.