Einmal mehr schafft Alice Munro das, was nur die wenigsten Autoren vermögen: Uns Figuren zu schenken, die so lebendig sind, dass wir für einen Moment ganz in ihr Leben tauchen. Da ist Janet, die ihren alten Vater ins Krankenhaus bringen muss und unverhofft Trost in einem Planetarium findet. Ein junges Mädchen, das auf einer Truthahnfarm anheuert. Und eine Frau, die dem überheblichen Gerede ihres Mannes begegnet, indem sie ihm eine Schüssel Zitronenbaiser an den Kopf wirft. Sie alle blicken zurück und blicken nach vorn, stolz und manchmal zweifelnd - und wie Munro behutsam davon erzählt, ist einzigartig.
Mit 'Die Jupitermonde' erscheint der letzte, noch fehlende Band in der Autorenedition Munro bei Fischer Taschenbuch - neu übersetzt von Heidi Zerning.
»Geschichten voller Zauber!« Publishers Weekly…mehr
Es gibt keinen besseren Einstieg in die wunderbare Welt der Alice Munro als 'Das Bettlermädchen', so Jonathan Franzen. Eines der Hauptwerke der Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro endlich wieder lieferbar - in neu durchgesehener Übersetzung.
Munro entfaltet, einzigartig in ihrem Werk, in diesem Band die Geschichte zweier Frauen, Flo und Rose, über mehrere Jahrzehnte: Rose wächst bei ihrer Stiefmutter Flo in einer kanadischen Kleinstadt auf. Als sie den Muff des Alltags nicht mehr erträgt, zieht sie in die Welt, fängt an zu studieren, heiratet, hat Affären und macht Karriere beim Fernsehen. Flo bleibt in der Provinz zurück und vertreibt sich die Zeit mit Bingo-Spielen.
Mit ihrem unvergleichlichen Gespür für die Herzensbildung ihrer Figuren hat Alice Munro mit dem 'Bettlermädchen' ein frühes Meisterwerk geschaffen.…mehr
Am 10. Juli 1931 erblickte Alice Munro, die heute vom Nobelpreiskomitee als "Meisterin der zeitgenössischen Kurzgeschichte" bezeichnet wird, in Wingham, in der kanadischen Provinz Ontario, das Licht der Welt. Obgleich sie in eher ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, entschied sie sich bereits in ihren frühen Kinderjahren dazu Schriftstellerin zu werden. Ihre ersten Geschichten verfasste Alice Munro im Teenageralter und kam ihrem Berufswunsch im Jahr 1949 einen großen Schritt näher als sie sich ein Stipendium für die University of Western Ontario verdiente. Unglücklicherweise konnte sie ihr Journalistik Studium aufgrund von Geldproblemen nicht abschließen.
1968 veröffentlichte Alice Munro ihren ersten Kurzgeschichtenband "Tanz der seligen Geister" (dt. 2010) für den sie ebenfalls ihre erste Auszeichnung, den Governor General´s Award, verliehen bekam. Diesen Preis sollte sie noch zwei weitere Male erhalten, nämlich für "Das Bettlermädchen: Geschichten von Flo und Rose"(1978, dt. 1981) und "Der Mond über der Eisbahn"(1986, dt. 1989). Insgesamt veröffentlichte Alice Munro 14 Sammlungen mit über 150 ihrer Kurzgeschichten sowie einen Roman.
Ihre Familiengeschichte verarbeitete sie selbst unter anderem in dem Band "Wozu wollen Sie das wissen?"(2006, dt. 2008), beginnend im späten 18.Jahrhundert mit ihren schottischen Vorfahren bis in die Gegenwart und ihrer eigenen Familie. Doch auch ihre Tochter machte das Leben der Autorin in dem Buch "Lives of Mothers & Daughters. Growing up with Alice Munro"(2002, nicht ins Deutsche übersetzt) zum Thema.
Sie legt den Fokus ihrer Geschichten meist auf die Themen Liebe, Ehe und Geschlechterrollen und behandelt diese aus der Sicht von Frauen.
Alice Munro lebte gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann, Gerald Fremlin, in Clinton, Ontario, bis dieser im April 2013 verstarb, dem gleichen Jahr in dem sie ihren Nobelpreis gewinnen sollte. Ihr Buch "Liebes Leben"(2012, dt. 2013) soll Munros eigenerAussage zufolge ihr letztes Werk gewesen sein.
Sie ist eine von insgesamt nur 13 Frauen die den Nobelpreis für Literatur erhalten haben.
Bewertung von Buchdoktor aus Deutschland am 04.01.2017
Alice Munros miteinander verknüpfte Geschichten von Flo und Rose (1978) erscheinen als Hardcover neu in durchgesehener Übersetzung. -
Als Reaktion auf die Vergabe des Nobelpreises an Alice Munro waren einige enttäuschte Reaktionen zu vernehmen, warum eine Autorin ausgezeichnet würde, die 'nur' Kurzgeschichten und die auch noch über Alltägliches schreiben würde. Die Nachzeichnung des Lebens einer jungen Frau aus dem ländlichen Ontario in Einzelgeschichten ähnelt in ihrer Aneinanderreihung von Episoden Munros 'Wozu wollen sie das wissen'. Die kanadische Autorin erzählt auch in diesem Buch alltägliche Ereignisse aus dem Alltag von Mädchen und Frauen so exakt und stilistisch abgezirkelt, dass ihre Leser vermeintlich Vertrautes aus einem neuen Blickwinkel wahrnehmen. - Rose bekommt nach dem Tod ihrer Mutter eine Stiefmutter, Flo, und der kleine Halbbruder Brian wird geboren. Das Pflichtbewusstsein, mit dem Flo in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg ihre Aufgabe anpackt, könnte an eine Vernunftehe denken lassen. Damals war das nichts Ungewöhnliches. Flo nimmt den Kampf mit der widerspenstigen Rose auf; sie zeigt sich aber auch als geduldige Geschichtenerzählerin. Erwachsene waren in der geschilderten Zeit noch davon überzeugt, mit der Prügelstrafe nur das Beste für die Zukunft ihre Kinder zu tun. Munro beschreibt fein beobachtet den Kontrast zwischen dem mit Inbrunst strafenden Vater und Flo, die nur widerwillig und zum Schein schlägt. Sowie der Vater den Rücken gekehrt hat, tröstet Flo ihre Stieftochter und verwöhnt sie mit besonderen Leckerbissen. Diese Szene, in der Flo sich mit harmlosem Blick in ihrem Handeln weit von der herrschenden Meinung entfernt, finde ich charakteristisch für Munros listige Art des Erzählens. Roses Kindheit ist inzwischen Vergangenheit und ihr ist im Rückblick klar, dass Flo sich stets dem Vater unterordnete und ihre Ansichten durch passiven Widerstand ausdrückte. Flo wirkte nach außen nicht zu klug und war damit die ideale Frau für Roses Vater. - Auch Roses Lehrerin weicht Konflikten aus, indem sie ihre Schüler in der Pause sich selbst überlässt und vorgibt, nichts von Quälereien der Kinder untereinander mitzubekommen. Und doch bereitet diese so passiv wirkende ältere Frau in jedem Jahrgang einige Schüler für die Aufnahmeprüfung zur Oberschule vor. Auch Rose überquert in doppelter Bedeutung die Brücke vom Dorf in die Stadt und muss als Oberschülerin zum ersten Mal spüren, wie abgeschieden, ärmlich und ungebildet sie bisher gelebt hat. Einen Unterschied zwischen Stadt und Land hat sie bisher nicht gekannt. Rose ist ein Landei durch und durch, als sie als Stipendiatin mit viel Glück in den Haushalt ihrer Mentorin Dr. Henshawe einzieht. Ob Roses Begegnung mit dem Doktoranden Patrick ein Glücksfall für sie ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Durch seine Beziehung zu einem 'Bettlermädchen' rebelliert Patrick zugleich gegen die Normen seiner wohlhabenden Familie und gegen das Erwachsenwerden. Rose und Patrick verstricken sich in eine komplizierte gegenseitige Abhängigkeit, in der Überzeugung, der andere Partner könnte nicht allein existieren. Als beide längst ein gemeinsames Kind haben, ist das Beziehungsdrama noch längst nicht beendet. - Wer sich auf Munros anspielungsreichen Erzählton einlassen kann, bekommt von ihr sehr viel mehr als den Lebenslauf einer Aufsteigerin aus einfachen Verhältnissen erzählt. Viele Frauen haben zu Roses Zeit den ersten Schritt aus der Enge der Provinz vollzogen und viele Mütter wollen mit ihren Mitteln das Beste für ihre Kinder erreichen. In ihrer Beschreibung von Alltäglichem versteckt Alice Munro auch hier sprachliche Schätze und verschlüsselten Spott. Wie es sich in der Kriegs- und Nachkriegszeit in Flos Haut und der 'der Lehrerin' lebte und ob der Gang über die Brücke sich als Roses erster Schritt ins Unglück entpuppen würde, diese Frage hat mich bis zur letzten Seite nicht losgelassen. Ein zeitloser Text, der mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben hat.
“Wie sollen wir leben” ist eine Sammlung von Erzählungen, kein Roman. Schon die erste Enttäuschung. Das scheint das Gewicht des Buches zu verringern, als sei seine Verfasserin jemand, der sich nur an die Pforten der Literatur klammert, statt sich in ihr sicher niedergelassen zu haben.”
“Zu viel Glück” ist eine Sammlung von Erzählungen der diesjährigen Nobelpreisträgerin für Literatur. Die eingangs zitierte Stelle stammt aus der Geschichte “Erzählungen” aus eben jener Sammlung. Sie schien mir als Einstieg passend, weil das Buch (obwohl es kein Roman ist) sich nicht nur nicht an die “Pforten der Literatur klammert” sondern im Gegenteil diese weit aufstößt um die ganze Magie gut erzählter Geschichten zu verströmen.
Ich habe bisher ungern Kurzgeschichten gelesen. Nicht weil ich, wie im Zitat erwähnt, der Meinung bin dies sei keine richtige Literatur. Vielmehr geht es mir beim Lesen so, dass ich bei liebgewordenen Charakteren gerne länger verweile, als es in Kurzgeschichten gestattet wird. Bei Alice Munro ist es anders. In der Kürze und der Einfachheit liegt das Besondere. Ihre Geschichten gehen unter die Haut.
Doree “muss drei Bussen nehmen” um ihren Mann zu besuchen. Munro braucht nur wenige Sätze um ein junges Zimmermädchen zu skizzieren, dessen Schicksal einen brennend interessiert. Warum hat sie ihr Aussehen radikal verändert? Warum verschließt sie sich vor der Welt? Und vor allem, in was für einer Art Anstalt sitzt ihr Mann? Alle Fragen werden geklärt und die “Dimension” (so auch der Name der Geschichte) der Antworten sind tragisch. Munro aber nimmt dem Schrecken ohne viele Worte das Grauen. Sie spielt das Unglück nicht hinunter, sie zeigt nur dessen Alltäglichkeit.
In jeder Geschichte gab es so etwas wie eine “Schlüsselstelle” die mich tief Atem holen ließ. Einen Moment, in dem mir klar wurde, wie banal und gleichzeitig bedeutend Situationen sein können. In “Erzählungen” war es der Moment als Joyce begreift, dass die bekannte Schriftstellerin einst eine ihrer Musikschülerinnen war, die nur aus Verehrung zu ihr, ein Instrument lernte. In “Der Grat von Wenlock” ist es der Laut den nackte Haut beim Aufstehen von einem Stuhl macht. Die “schmatzenden Pobacken” sind inmitten einer “skandalösen” Situation, das einzig normale. In “Tieflöcher” ist es die Erkenntnis, dass es manchmal schon etwas ist, “den Tag überstanden zu haben, ohne dass er zur absoluten Katastrophe” gerät.
Jede einzelne Geschichte in diesem Band beweist, das Alice Munro sich nicht nur in der Literatur sicher niedergelassen hat. Sie scheint auch sicher im Leben zu stehen. Vielleicht mit ein Grund warum man ihr den Nobelpreis zuerkannt hat. Vielleicht der beste Grund überhaupt.
Bewertung von Buchdoktor aus Deutschland am 04.01.2017
Als es noch alte Jungfern gab ... Neuübersetzung des Erzählbandes von 1986
Im neu übersetzten Band (1986 bereits als Klett Cotta Ausgabe erschienen) zeigt Alice Munro pointiert das Frauenbild um 1980, der Entstehungszeit dieser Texte. Im Frauenbild scheint sich seit der Vorkriegszeit wenig verändert zu haben. Frauen erlebten sich damals noch als Besitz ihrer Ehemänner, die sie erst formten und erzogen und sich ihrer Geschöpfe wieder entledigten, wenn diese Erziehung nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfiel. Das Motiv des Entledigens von einer alternden oder zu unabhängigen Frau durchzieht den gesamten Band. Der Zusammenhang zum Lebensentwurf der Autorin ist nicht zu übersehen, die selbst anderes im Leben erstrebte, als an Kaffeeeinladungen teilzunehmen.
Der Zwang, sich ein für alle Mal zwischen Ehe und Berufstätigkeit plus Unabhängigkeit entscheiden zu müssen tritt hier zugleich mit dem Bild der unverheirateten Frau als „alte Jungfer“ auf. In „Die Chaddeleys und die Flemings“ bilden unverheiratete Schwestern und Kusinen in beiden Familienzweigen eine starke Hausmacht. Für die Erzählerin sind die Kusinen der Mutter das Fenster zu einer fernen Welt, in der die Tanten auf bewundernswerte Weise zurechtkommen. Die Mutter als einzige verheiratete Frau einer ganzen Generation könnte von der Mehrheit der Tanten durchaus zu bemitleiden sein. Ihre Ehe samt Pflicht zum Gehorsam und zur Arbeitsleistung für den Ehemann kann als Abstieg angesehen werden. In dieser Familie treffen Welten aufeinander, zwischen denen es nur wenig gemeinsame Gesprächsthemen gibt, unterlegt von dezent verborgenem Neid aufeinander. Auch in „Bardon Bus“ geht es um das Thema der alternden unverheirateten Frau.
In „Dulse“ sinniert die ungefähr 45-jährige Lektorin Lydia über ihre abnehmende Attraktivität für andere, verbunden mit Existenzängsten ihres Berufsstands. Ihr Partner fordert Anpassung, zu der sie nicht bereit zu sein scheint. Die Schuld für ihr Beziehungsproblem sucht Lydia in ihrem beruflichen Ehrgeiz. Wäre sie glücklicher, wenn sie nicht studiert und die elterliche Farm nie verlassen hätte? „Die Putensaison“ und „Unfall“ spielen in den 40ern, als bereits viele kanadische Männer im Zweiten Weltkrieg kämpften.
Zwei betagte Freundinnen treten in „Mrs Cross und Mrs Kidd“ auf, die sich kennen, seit sie Kleiderschürzen und dicke Zöpfe trugen. Obwohl gesundheitlich angeschlagen, haben beide noch etwas in petto und zumindest eine geht dabei nicht unbedingt zartfühlend vor. Je oller, je doller.
In der Einleitung (1985) äußert sich Alice Munro über das Erzählen als Teil ihrer selbst, der mit dem Abschluss einer Erzählung von ihr getrennt wird und sie damit befreit. Sie berichtet, dass sie in ihren Kurzgeschichten persönliche Erfahrungen und Beobachtungen mit biografischen Anteilen verknüpft.
Alice Munros Produktivität überrascht mich immer wieder. Ihre feinsinnigen Beobachtungen des Alltags von Mädchen und Frauen drehen sich immer wieder um Liebe, Ehe und den profanen Lebensunterhalt. Auch nachdem ich die biografischen Bezüge zum Leben der Autorin entdeckt habe, werden mir Munros exakte Beschreibungen alltäglicher Ereignisse nie langweilig. Sie schreibt so überzeugend, weil sie die Menschen durchschaut, bevor ihre Figuren das selbst tun.
Literarische Miniaturen
Vielen Romanlesern dürfte es genau so gegangen sein wie mir, Alice Munro kam auf meiner Leseliste bisher nicht vor, Kurzepik als literarische Appetithäppchen ersetzen mir nicht die gedankliche Weite und thematische Vielfalt eines klassischen Romans. Aber wenn eine Autorin mit dem Nobelpreis geehrt wird wie Alice Munro in diesem Jahr, sollte man ruhig mal eine Ausnahme machen von der Leseroutine. Man muss denn auch mindestens zwanzig Jahre zurück gehen zu Toni Morrison (1993), um preisgekrönte Schriftsteller US-amerikanischer Herkunft zu finden. Kanada, immerhin nordamerikanisch, hatte bisher noch keinen Nobelpreisträger gestellt. Nach seinem Stifter soll den mit fast einer Million Euro dotierten Literaturpreis derjenige Autor erhalten, der «das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat», und für 2013 ehrte die Jury nun also eine «Virtuosin der zeitgenössischen Kurzgeschichte». So betrachtet, das sei vorwegschickt, geht der Preis auch völlig in Ordnung.
Zehn recht unterschiedliche Erzählungen sind in dem Band «Zu viel Glück» enthalten, dessen Titel schon darauf hindeutet, dass jedem Übermaß potenziell Leid, Unglück, Enttäuschung, Scheitern gegenübersteht, das Glück auf ein bescheideneres Maß zurückstutzend. Als Protagonisten begegnet man fast ausnahmslos Frauen in mittelständisch geprägten, meist ländlichen Milieus Kanadas. Alle sind in wenigen Worten sehr treffend geschilderte Charaktere, die oft in prekären Verhältnissen leben und Konflikten vielfältigster Art ausgesetzt sind. Wen wundert’s, dass meistens Männer den Gegenpol bilden, Ursache der Probleme sind oder gar Katastrophen auslösen wie in der ersten, sehr beklemmenden Geschichte. Munro schreibt jedenfalls aus weiblicher Sicht, ohne dass man ihr Feminismus vorwerfen könnte, sie liefert lediglich ihren Beitrag zu der These «Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen». Als Konfliktpotential zieht die Autorin neben dem ziemlich dominant im Vordergrund stehenden Geschlechterkampf auch das Miteinander der verschiedenen Generationen heran sowie gesellschaftliche Umbrüche. Es gibt bei ihr innere Spannungen und menschliche Konflikte zuhauf, sie beschreibt unsentimental und mit viel Hintersinn gekonnt die vielfältigen seelischen Probleme des Menschen.
Wie ein Schlag ins Gesicht beginnt es gleich in der ersten Geschichte einer Frau, deren Mann ihre drei Kinder umgebracht hat, die sich aber trotzdem an ihn gebunden fühlt. Eine Musikschülerin geht ihre eigenen Wege und taucht plötzlich als Autorin wieder auf, eine Philosophie-Studentin liest einem reichen Lustgreis nackt Gedichte vor, eine Mutter steht ratlos ihrem völlig aus der Bahn geworfenen Sohn gegenüber, eine Frau verblüfft den in ihr Haus eingedrungenen Mörder mit einer Giftmord-Geschichte. Die tragische Liebe einer jungen Frau zu einem durch ein Muttermal abstoßend verunstalteten Mann wird ebenso knapp und pointiert erzählt wie die Zuneigung einer lebenslustigen Masseurin zu ihrem sterbenskranken Leukämie-Patienten, die kaltblütige Ermordung eines geistig zurückgebliebenen Mädchens durch zwei Schülerinnen oder ein Unfall im Wald, der ein Paar wieder näher zusammenbringt. Zuletzt folgt eine Geschichte aus dem Europa des 18. Jahrhunderts, in der eine Frau als erste eine Professur für Mathematik erhält, die längste und sicherlich auch schwächste Erzählung dieses Bandes.
Munro vermag Empathie zu wecken, sie erzählt in einfachen Worten, unaufgeregt, fast lakonisch Dramen ohne Katharsis, vor allem aber ohne Happy End, was ja nicht ganz selbstverständlich ist für die Kontinenthälfte, auf der sie lebt. Dabei bewegt sie sich immer haarscharf an der Grenze zur Trivialliteratur, hat aber mit ihrem inzwischen abgeschlossenen Lebenswerk, ihr erklärtermaßen letztes Buch erschien ja vor wenigen Tagen, ihre epischen Form zur Vollendung gebracht. Wer Munros komprimierte, humorlose Erzählweise mag, kommt jedenfalls voll auf seine Kosten.
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