Kunsthistorikerin Kathryn und der Künstlerin Hope, und dann wird sie immer schlimmer.
Die lange weiße Nase, deren Erguß hier mit hämischer Genauigkeit geschildert wird, ist nur ein häßliches Detail der Karikatur, die Updike in seinem Roman "Sucht mein Angesicht" von einer feministischen Kunsthistorikerin entwirft. Der Plot des Romans ist schnell erzählt: Die junge Kathryn, die Updike mit großem misogynen Eifer als verklemmtes, "klappmessergleiches" Unsinnlichkeitsmonster mit "Pferdegesicht" ausmalt, besucht die alte Malerin Hope Chafetz, die in den vierziger Jahren Mitglied der Abstrakten Expressionisten und später Gattin verschiedenster Genies war. Die junge Frau befragt die alte zu ihrem Leben, ihrer Kunst und ihren Männern, und Hope, die alte Dame, steht - mal unwillig, mal begierig, den unausgesprochenen Geheimnissen ihrer Vergangenheit auf die Spur zu kommen - Rede und Antwort.
Man kann in der Figur von Hope Chafetz unschwer eine literarisch verzuckerte Wiedergängerin der Künstlerin Lee Krasner erkennen, die eine der Hauptvertreterinnen des Abstrakten Expressionismus und unter anderem mit Jackson Pollock liiert war. Bei Updike, der selbst einmal in London an der Ruskin School of Drawing and Fine Arts studiert hat, wird diese Malerin zum betulichen Pinselmütterchen; mal ist Hope empört über die forsche Art der jungen Kunsthistorikerin, unangenehme Fragen zu stellen, mal ist sie mütterlich besorgt um die so unweiblich auftretende junge Frau - und so schreiten Gespräch und Roman voran und versuchen, die jüngere amerikanische Kunstgeschichte als Dialog zweier Generationen zu erzählen. Hope berichtet von ihrer ersten Ehe mit einem pollockhaften Farbschleudergenie namens Zack, von ihrer zweiten mit einem Pop-art-Künstler, der sie für eine Pferdepflegerin verließ, und von ihrer dritten und letzten Beziehung zu einem Sammler, in dessen Gesellschaft sie wieder zu sich selbst kam und kleine graue Bilder malen konnte.
Es sind seltsam erfunden wirkende Frauenzerrfiguren, die der 1932 geborene Schriftsteller da auf die Leser losläßt, literarische Marionetten, die böse Klischees über Frauen dahinplaudern, als seien ihre "zurückgekämmten Frisuren" in Wirklichkeit nur Perücken, unter denen zwei häßliche alte Männer stecken, die sich kichernd häßliche alte Männerdinge sagen. Wenn Philip Roth in "Das sterbende Tier" die Gier eines alten Mannes nach einer jungen Kubanerin beschreibt, mag die Detailfreude, mit der Roth diese sexuelle Obsession beschreibt, nicht jedermanns Sache sein, aber die Figur ist auf ihre Weise mitreißend und erschreckend - und glaubwürdig.
Dagegen reibt man sich die Augen, wenn man liest, welche Sätze Updike seinen Protagonistinnen in den Mund stopft: "Es waren Männer", sagt Hope über die Abstrakten Expressionisten, "die die überschüssige Energie hatten, den angeborenen Drang zum Kämpfen." Warum muß sie das sagen, als bekannte Malerin der gleichen Bewegung? An den Männern lieben die beiden Frauen, ob Feministin oder ergebene Dienerin, das "Grobbehauene". Hope sieht ein, daß "sie Jerry nicht hätte an Land ziehen können, wenn sie die Figur gehabt hätte, die sie sich als seine Ehefrau zulegte", mit Hüften nämlich, die "aussahen wie zwei Matchsäcke, die für einen langen Ausflug gepackt waren". Wenig später stellt die junge Feministin, die gern "wie ein Scheunendrescher" ißt, erleichtert fest: "Ein Wunder, daß ich nicht fett bin."
Keine Spur von Selbstbewußtsein, von Eigensinn, von Revolte bei diesen Frauen, deren sich mühselig dahinwälzender Dialog immer nur eins zu bestätigen hat: Männer können es halt besser, sind geborene Führer und manchmal auch Genies, welche die Farbe auf die Leinwand schleudern wie Cowboys ihr Lasso in die Prärie. Der abgenagte Mythos vom wilden Künstler, der so hemmungslos malt, wie er liebt, und der nach Feierabend das Bettlaken zur Leinwand der Gefühle macht, wird noch einmal aufgekocht: Zack, "bedrängt von schreienden Bedürfnissen", habe, wenn er aus dem Atelier kam, "in seinen schönen gelbbraunen scharfsichtigen Western-Augen den Geist der Schönheit" getragen. Natürlich muß die Feministin bei so viel männlicher Kunstschönheit am Ende doch schaudernd fragen, wie es war, dabeizusein, als Zack "alle Grenzen sprengte". Ihre Augen bekommen, wie Hope entdeckt, einen "sagenhaften öligen Glanz", der unter den "Lidern einer sündhaften aufbegehrenden biblischen Königin" hervorschimmert. Klarer Fall: Die da will es doch auch, erkennt der Herrenschreiber im literarischen Frauengewand, um die spröde junge Frau sogleich als "Sinnentier" von leuchtender "Kreatürlichkeit" zu entlarven.
Wo die Frauen in dieser schwiemeligen Kunstgeschichtsverhunzung nicht mit einem hämischen "Na, bitte" ins Boudoir ihrer Begierden zurückgejagt werden, grinsen Updikes ebenfalls reichlich holzschnittartige Ansichten zur Kunst aus den Dialogen heraus: Während der Abstrakte Expressionismus "das Erhabene wiedergefunden" habe, während es Zack um "Ewigkeit" ging und er wie ein "Freskenmaler der Renaissance fürs Immerdar" arbeitete, sei die neuere Kunst seelenlos und unmännlich. Wie man sich im Ernst Cindy Sherman an die Wand hängen könne, "oder in Scheiben geschnittene Kühe. Wer möchte so etwas besitzen?" Keiner, denn es ist nur Dreck im Vergleich zur "lebendigen Kreatürlichkeit" eines Pollock, gegen die auch weibliches Talent machtlos ist. Das bestätigen bei Updike sogar die Hunde: "Hunde", sagt Hope an einer der erbärmlichsten Stellen des Romans, "haben vor Frauen nicht den Respekt, den sie vor Männern haben, das ist einfach so."
So einfach ist das mit der Kunst und den Männern und dem Leben. Nur einmal, in der Szene, in der der Tod von Hopes Mann Jerry geschildert wird, berührt der Ton des Romans. Ansonsten ist die alternde Malerin Hope - ganz anders als etwa die Mutter in Jonathan Franzens "Korrekturen" - keine liebenswürdig schrullige, in ihren Vorstellungen gefangene alte Dame auf der verzweifelten Suche nach Glück. Die warme Empathie, die Liebe zu den traurigen Figuren, die etwa Franzens Romane prägt, fehlt in "Sucht mein Angesicht". Selbst Updikes immer wieder aufscheinendes Gespür für Zwischentöne, ungewisse Atmosphären, fast unsichtbare Bewegungen zwischen Menschen, leidet unter dem Klischeesalat, den er in "Sucht mein Angesicht" auf sehr zähen 316 Seiten serviert.
Wie man packend von den Künstlern des Abstrakten Expressionismus erzählen kann, zeigen auf ganz andere Art und Weise die Journalisten Mark Stevens und Annalyn Swan mit ihrer soeben in den Vereinigten Staaten erschienenen Biographie Willem de Koonings. Es ist die bessere Kunstgeschichte und der bessere Roman einer Zeit, die interessantere Figuren zu bieten hatte als das gespenstische Personal von Updikes seltsamem Spätwerk.
John Updike: "Sucht mein Angesicht". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Maria Carlssen. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005. 320 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main