Tino Hanekamp
Audio-CD
So was von da
Ungekürzte Lesung mit Florian von Manteuffel (5 CDs), Lesung. CD Standard Audio Format. 436 Min.
Gesprochen: Manteuffel, Florian von
Nicht lieferbar
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Hamburg, St. Pauli, 31. Dezember. Oskar Wrobel ist verkatert wie immer, er hat Schulden bis zum Hals und heute steigt die letzte Party in seinem Club, bevor die städtischen Abrissbagger anrollen. Was danach kommen soll, weiß der liebe Gott allein. Zum Glück bleibt ihm zum Grübeln keine Zeit, denn ein verzweifelter Ex-Zuhälter stürmt seine Wohnung, sein bester Freund zerbricht am Ruhm, im Club geht's drunter und drüber und dann sind da noch der tote Elvis, die Innensenatorin und - Mathilda, Mathilda, Mathilda, seine große Liebe, die er um jeden Preis zurückwill.Der wildeste und romanti...
Hamburg, St. Pauli, 31. Dezember. Oskar Wrobel ist verkatert wie immer, er hat Schulden bis zum Hals und heute steigt die letzte Party in seinem Club, bevor die städtischen Abrissbagger anrollen. Was danach kommen soll, weiß der liebe Gott allein. Zum Glück bleibt ihm zum Grübeln keine Zeit, denn ein verzweifelter Ex-Zuhälter stürmt seine Wohnung, sein bester Freund zerbricht am Ruhm, im Club geht's drunter und drüber und dann sind da noch der tote Elvis, die Innensenatorin und - Mathilda, Mathilda, Mathilda, seine große Liebe, die er um jeden Preis zurückwill.Der wildeste und romantischste Kiezroman aller Zeiten.
Tino Hanekamp war Musikjournalist und Clubbetreiber. Für seinen Roman 'So was von da' wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Heute lebt er als Autor und Übersetzer im Süden Mexikos.
Produktdetails
- Verlag: Der Audio Verlag, Dav
- Anzahl: 5 Audio CDs
- Gesamtlaufzeit: 436 Min.
- Erscheinungstermin: 1. April 2011
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783862310524
- Artikelnr.: 32317899
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Im Wirbelsturm des Lebens
Junge Menschen, die schon alles wissen: Tino Hanekamp erzählt in seinem Romandebüt von einer legendären Nacht
So - und wo kommt jetzt das Buch bitte her? Ein sonderbar aus der Zeit gefallenes Tanzbuch ist das, ein Pop-Roman, könnte man auch sagen, wenn das nicht seit einigen Jahren so einen dinosaurierhaften Klang hätte. Ein Buch jenseits aller Gegenwartskrisen scheinbar und doch ein Gegenwartsroman, weise, schnell und jetztbewusst: Tino Hanekamp hat das Buch geschrieben, 32 Jahre alt, geboren in Wippra in Sachsen-Anhalt, lebt seit Jahren in Hamburg, gründete einst den Musikclub "Weltbühne", der bald schon abgerissen wurde, gründete dann einen neuen, großen, großartigen, wie man sagt, der
Junge Menschen, die schon alles wissen: Tino Hanekamp erzählt in seinem Romandebüt von einer legendären Nacht
So - und wo kommt jetzt das Buch bitte her? Ein sonderbar aus der Zeit gefallenes Tanzbuch ist das, ein Pop-Roman, könnte man auch sagen, wenn das nicht seit einigen Jahren so einen dinosaurierhaften Klang hätte. Ein Buch jenseits aller Gegenwartskrisen scheinbar und doch ein Gegenwartsroman, weise, schnell und jetztbewusst: Tino Hanekamp hat das Buch geschrieben, 32 Jahre alt, geboren in Wippra in Sachsen-Anhalt, lebt seit Jahren in Hamburg, gründete einst den Musikclub "Weltbühne", der bald schon abgerissen wurde, gründete dann einen neuen, großen, großartigen, wie man sagt, der
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heißt "Uebel und Gefährlich" und steht noch.
Der Roman heißt "So was von da", es ist die Geschichte der letzten Nacht in einem Hamburger Club, einer Silvesternacht, bevor der Club abgerissen werden soll, und über dem Betreiber und Ich-Erzähler Oskar Wrobel stürzen die Schwierigkeiten des Lebens zusammen. Der Schutzgelderpresser Kiezkalle will 10000 Euro von ihm haben, und zwar sofort, seine Freunde werden immer sonderbarer, und die letzte Nacht in seinem Club soll und muss legendär und für immer unvergesslich werden.
Keine leichte Aufgabe - ein junger Mann, im Wirbelsturm seines Lebens. Der Abend, die Nacht, der nächste Morgen werden dann übrigens wirklich legendär und unvergesslich, und Tino Hanekamp schreibt das auf, so leicht und genau und mitreißend und traurig und schön, als wäre man tanzend mittendrin. "Die Leute sind wie frei schwebende Elektronen, treiben scheinbar ziellos umher, bleiben aneinander kleben, verharren kurz und treiben weiter. Alles scheint einer höheren Ordnung zu folgen, dem Gesetz der Party, dem Drang nach Geschwindigkeit und Verschmelzung. Jetzt bloß kein Neutron sein. Näher zu den Menschen. Und scheiß auf die Teilchenphysik."
Es ist ein Buch der Jetzt-Feier in einer kleinen Welt am Abgrund. Etwas geht zu Ende, und das ist nicht nur die Geschichte dieses Clubs. Eine aus diesem bizarr- fröhlich-verdrehten Hamburger Freundeskreis trägt einen golfballgroßen Tumor im Kopf. Nina, die Malerin. Sie weiß es erst seit wenigen Wochen, in der Gruppe weiß es keiner außer Oskar. Nina wird sterben, in wenigen Monaten schon, und dass keiner etwas davon ahnt, ändert nichts daran, dass ihre Todeskrankheit die Stimmung dieser letzten Nacht grundiert. Und diese Stimmung ist nicht Trauer, Resignation und Lebenshader, sondern: Feierfreude und eine irre beschleunigte Glücksbereitschaft - Nina Glücksplanet: "Vorhin ist hinter den Wolken mal wieder die Sonne untergegangen, und da fragt man sich ja immer: Wo geht die denn hin, die Sonne? Jetzt wissen wir's. Zu Nina mittenrein."
Eine kleine Gruppe junger Menschen wird von der Blitzerkenntnis erfasst, dass dieser verdammte Krebs, von dem man immer wieder und ständig und überall aus fremden Leben hört und liest und weiß, dass dieser Krebs sogar in ihre Gruppe der Lebensbeginner einbrechen kann. Ja, das ist banal und eine lächerliche Alltagserkenntnis, in Wahrheit ist es aber alles, alles und alles. Oskar ist der Mann, der schon früh, lange bevor er das mit Nina erfährt, mit diesen Weisheitsaugen durch die Welt geht. Gerade wurde seine Wohnung von Kiezkalle zertrümmert und er selbst in eine Ohnmacht geprügelt, da fährt er mit Freunden die Elbchaussee entlang im Regen und schaut aus dem Wagenfenster: "Der Wind treibt spitze Wassertropfen waagerecht über das Land. Ausflügler kommen uns entgegen, anscheinend erschüttert, am berühmten Elbstrand weder Palmen noch Sonnenschein vorgefunden zu haben. Nur ihre Kinder sind gut drauf, hüpfen in Pfützen und werfen Knallerbsen in die Gegend. Die Kinder wissen, wie man lebt. Und dann werden sie älter und vergessen alles. Ein Junge bleibt stehen und starrt mit Stauneaugen den Mann im Laken an. Seine Mutter zerrt ihn weiter. ,Komm, Ole, es ist kalt.'"
Das sind so Indianerweisheiten, die Tino Hanekamp da immer wieder überraschend unpeinlich in sein Club-Buch mitten hineinschreibt und die das Herz schön mitschwingen lassen, beim Lesen. Es ist überhaupt eine große, unkitschige Warmherzigkeit, die Tino Hanekamps Buch von den Pop-Romanen alter Schule unterscheidet. Der Held kommt ganz ohne Verachtung für die Welt aus, ganz ohne Verachtung für Menschen, die uncool sein könnten, die Aschenbecher leeren in seinem Club, die eine andere Musik hören, ein anderes Leben leben, falsche Gesten machen, falsche Gesichter haben, den falschen Anzug tragen. Er ist viel zu beschäftigt mit den eigenen Fehlern, dem eigenen, ihm davonfliegenden Leben, dieser Oskar. Und zu beschäftigt mit einer Liebe, die vergangen ist. Das ist das zweite Schwungrad dieses Buches: Oskars Liebe zu Mathilda, die verschwunden ist, aber sein ganzes Leben beherrscht, jeden Gedanken.
Eine Liebe, wie es nur eine gibt im Leben, oder zwei, und die wächst und wächst und immer großartiger wird, je weiter sie zurückliegt. Ein Phantom, die Idee eines Lebens, in dem alles gut wäre: "Wenn sie bei mir wäre, wüsste ich, wo ich bin. Wenn sie bei mir wäre, wäre alles andere leicht, und das Einzige, was ich aushalten müsste, wären ihre Schönheit und die Art, wie sie ihre Haare aus dem Gesicht streicht, ihr Blick, wenn sie mich ansieht, ihr Geruch, wenn ich mich in ihrem Körper verliere und die Welt um uns verschwimmt. Aber so ist es nicht. Es ist alles gar nicht wahr."
Nichts ist wahr, und das Leben muss trotzdem gelebt werden. Das Buch liest sich zwischendrin auch immer wieder wie ein Ratgeber für Clubbetreiber von heute. Sehr präzise: Welche Vorbereitungen sind zu treffen für die perfekte Nacht, welche Drogen sind wo auszulegen, wie bezahle ich meine Angestellten, wie wird alles trotzdem irgendwie scheinbar perfekt. Den Rahmen schaffen für eine höhere Sache, für die Kunst, das Abenteuer, den anderen Weg. Das Bewusstsein des Erzählers trübt sich im Verlauf des Abends naturgemäß ein. Aber die Sprache bleibt klar. Und schön ist alles. Rauchen zum Beispiel: "Rauchen ist überhaupt das Beste. Rauchen ist besser als Atmen. Hier in der Dunkelheit versinken und in den Tönen und rauchen ist das Allerbeste für immer."
Klar taucht irgendwann der Magnet seines Lebens auf, in dieser Nacht. Mathilda von damals, Liebe für immer, große Haare, großer Duft. Sie ist nur auf der Durchreise, natürlich, das hat das Glück so an sich. Sie will ans Meer und vorher noch mal schnell ihren Oskar sehen. Oskar von früher, der hier zwischen einstürzenden Clubmauern, Kiezkalles Killerfäusten, einer todkranken Nina und Organisationsirrsinn hin und her taumelt. Das wirft ihn nun natürlich völlig aus der Lebensbahn, Ablenkung total und sofort: "Lass uns doch mal über andere Dinge reden, zum Beispiel über Vögel oder Fische, aber auf keinen Fall über die Liebe. Rocky hat recht. Man muss sein Leben ändern, immer wieder. Wir müssen zehn, zwanzig, dreißig Leben leben, weil wir nur eines haben."
Tino Hanekamps Buch ist, in diesen Zeiten der kolossalen neuen deutschen Literaturlethargie, ein echter Lichtblick. Weil es so lebendig ist, so todesbewusst, so gegenwartsnah. Und es ist auf eine ganz und gar unwahrscheinliche Weise sogar auch politisch. Und das nicht nur in der politischen Wutabrechnung mit der Innensenatorin der Stadt, die, in den Aufzug des Clubs eingesperrt, Silvester recht beengt feiern muss - sondern in den kleinen, nur scheinbar lächerlichen Hinweisen darauf, dass die Angestellten in dem Club anständig verdienen, dass es ein Ziel sein könnte im Leben, dass Menschen in ihrer Arbeit glücklich sein können, auch wenn es nicht die klassischen Selbstverwirklichungsberufe sind. Und dass sich die Selbstverwirklicher bewusst sind, dass ihr Verwirklichungstamtam nur funktioniert, wenn andere etwas anderes machen. Helfen, Arbeit teilen, und dass ein freies, selbstbestimmtes Arbeiten, mit Löhnen, von denen man gut leben kann, möglicherweise ein kleines utopisches Projekt sein könnte, an dem zu arbeiten es sich anzufangen lohnt.
Auch das steckt in Hanekamps Buch. Nicht als Botschaft. Sondern als Frage, als ein Ziel, als Möglichkeit.
Und eine Ahnung, eine Angst, formuliert vielleicht auch mit dem Blick auf vorhergehende, so schnell verglühte Generationsprojekte: "Vielleicht sind wir früh vergreist, nur gut für einen Sommer."
Tino Hanekamp, so klingt sein erstes Buch, hat noch einige Sommer vor sich. Und einige Bücher. Wollen wir hoffen.
VOLKER WEIDERMANN
Tino Hanekamp: "So was von da". Kiepenheuer und Witsch, 300 Seiten, 14,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Roman heißt "So was von da", es ist die Geschichte der letzten Nacht in einem Hamburger Club, einer Silvesternacht, bevor der Club abgerissen werden soll, und über dem Betreiber und Ich-Erzähler Oskar Wrobel stürzen die Schwierigkeiten des Lebens zusammen. Der Schutzgelderpresser Kiezkalle will 10000 Euro von ihm haben, und zwar sofort, seine Freunde werden immer sonderbarer, und die letzte Nacht in seinem Club soll und muss legendär und für immer unvergesslich werden.
Keine leichte Aufgabe - ein junger Mann, im Wirbelsturm seines Lebens. Der Abend, die Nacht, der nächste Morgen werden dann übrigens wirklich legendär und unvergesslich, und Tino Hanekamp schreibt das auf, so leicht und genau und mitreißend und traurig und schön, als wäre man tanzend mittendrin. "Die Leute sind wie frei schwebende Elektronen, treiben scheinbar ziellos umher, bleiben aneinander kleben, verharren kurz und treiben weiter. Alles scheint einer höheren Ordnung zu folgen, dem Gesetz der Party, dem Drang nach Geschwindigkeit und Verschmelzung. Jetzt bloß kein Neutron sein. Näher zu den Menschen. Und scheiß auf die Teilchenphysik."
Es ist ein Buch der Jetzt-Feier in einer kleinen Welt am Abgrund. Etwas geht zu Ende, und das ist nicht nur die Geschichte dieses Clubs. Eine aus diesem bizarr- fröhlich-verdrehten Hamburger Freundeskreis trägt einen golfballgroßen Tumor im Kopf. Nina, die Malerin. Sie weiß es erst seit wenigen Wochen, in der Gruppe weiß es keiner außer Oskar. Nina wird sterben, in wenigen Monaten schon, und dass keiner etwas davon ahnt, ändert nichts daran, dass ihre Todeskrankheit die Stimmung dieser letzten Nacht grundiert. Und diese Stimmung ist nicht Trauer, Resignation und Lebenshader, sondern: Feierfreude und eine irre beschleunigte Glücksbereitschaft - Nina Glücksplanet: "Vorhin ist hinter den Wolken mal wieder die Sonne untergegangen, und da fragt man sich ja immer: Wo geht die denn hin, die Sonne? Jetzt wissen wir's. Zu Nina mittenrein."
Eine kleine Gruppe junger Menschen wird von der Blitzerkenntnis erfasst, dass dieser verdammte Krebs, von dem man immer wieder und ständig und überall aus fremden Leben hört und liest und weiß, dass dieser Krebs sogar in ihre Gruppe der Lebensbeginner einbrechen kann. Ja, das ist banal und eine lächerliche Alltagserkenntnis, in Wahrheit ist es aber alles, alles und alles. Oskar ist der Mann, der schon früh, lange bevor er das mit Nina erfährt, mit diesen Weisheitsaugen durch die Welt geht. Gerade wurde seine Wohnung von Kiezkalle zertrümmert und er selbst in eine Ohnmacht geprügelt, da fährt er mit Freunden die Elbchaussee entlang im Regen und schaut aus dem Wagenfenster: "Der Wind treibt spitze Wassertropfen waagerecht über das Land. Ausflügler kommen uns entgegen, anscheinend erschüttert, am berühmten Elbstrand weder Palmen noch Sonnenschein vorgefunden zu haben. Nur ihre Kinder sind gut drauf, hüpfen in Pfützen und werfen Knallerbsen in die Gegend. Die Kinder wissen, wie man lebt. Und dann werden sie älter und vergessen alles. Ein Junge bleibt stehen und starrt mit Stauneaugen den Mann im Laken an. Seine Mutter zerrt ihn weiter. ,Komm, Ole, es ist kalt.'"
Das sind so Indianerweisheiten, die Tino Hanekamp da immer wieder überraschend unpeinlich in sein Club-Buch mitten hineinschreibt und die das Herz schön mitschwingen lassen, beim Lesen. Es ist überhaupt eine große, unkitschige Warmherzigkeit, die Tino Hanekamps Buch von den Pop-Romanen alter Schule unterscheidet. Der Held kommt ganz ohne Verachtung für die Welt aus, ganz ohne Verachtung für Menschen, die uncool sein könnten, die Aschenbecher leeren in seinem Club, die eine andere Musik hören, ein anderes Leben leben, falsche Gesten machen, falsche Gesichter haben, den falschen Anzug tragen. Er ist viel zu beschäftigt mit den eigenen Fehlern, dem eigenen, ihm davonfliegenden Leben, dieser Oskar. Und zu beschäftigt mit einer Liebe, die vergangen ist. Das ist das zweite Schwungrad dieses Buches: Oskars Liebe zu Mathilda, die verschwunden ist, aber sein ganzes Leben beherrscht, jeden Gedanken.
Eine Liebe, wie es nur eine gibt im Leben, oder zwei, und die wächst und wächst und immer großartiger wird, je weiter sie zurückliegt. Ein Phantom, die Idee eines Lebens, in dem alles gut wäre: "Wenn sie bei mir wäre, wüsste ich, wo ich bin. Wenn sie bei mir wäre, wäre alles andere leicht, und das Einzige, was ich aushalten müsste, wären ihre Schönheit und die Art, wie sie ihre Haare aus dem Gesicht streicht, ihr Blick, wenn sie mich ansieht, ihr Geruch, wenn ich mich in ihrem Körper verliere und die Welt um uns verschwimmt. Aber so ist es nicht. Es ist alles gar nicht wahr."
Nichts ist wahr, und das Leben muss trotzdem gelebt werden. Das Buch liest sich zwischendrin auch immer wieder wie ein Ratgeber für Clubbetreiber von heute. Sehr präzise: Welche Vorbereitungen sind zu treffen für die perfekte Nacht, welche Drogen sind wo auszulegen, wie bezahle ich meine Angestellten, wie wird alles trotzdem irgendwie scheinbar perfekt. Den Rahmen schaffen für eine höhere Sache, für die Kunst, das Abenteuer, den anderen Weg. Das Bewusstsein des Erzählers trübt sich im Verlauf des Abends naturgemäß ein. Aber die Sprache bleibt klar. Und schön ist alles. Rauchen zum Beispiel: "Rauchen ist überhaupt das Beste. Rauchen ist besser als Atmen. Hier in der Dunkelheit versinken und in den Tönen und rauchen ist das Allerbeste für immer."
Klar taucht irgendwann der Magnet seines Lebens auf, in dieser Nacht. Mathilda von damals, Liebe für immer, große Haare, großer Duft. Sie ist nur auf der Durchreise, natürlich, das hat das Glück so an sich. Sie will ans Meer und vorher noch mal schnell ihren Oskar sehen. Oskar von früher, der hier zwischen einstürzenden Clubmauern, Kiezkalles Killerfäusten, einer todkranken Nina und Organisationsirrsinn hin und her taumelt. Das wirft ihn nun natürlich völlig aus der Lebensbahn, Ablenkung total und sofort: "Lass uns doch mal über andere Dinge reden, zum Beispiel über Vögel oder Fische, aber auf keinen Fall über die Liebe. Rocky hat recht. Man muss sein Leben ändern, immer wieder. Wir müssen zehn, zwanzig, dreißig Leben leben, weil wir nur eines haben."
Tino Hanekamps Buch ist, in diesen Zeiten der kolossalen neuen deutschen Literaturlethargie, ein echter Lichtblick. Weil es so lebendig ist, so todesbewusst, so gegenwartsnah. Und es ist auf eine ganz und gar unwahrscheinliche Weise sogar auch politisch. Und das nicht nur in der politischen Wutabrechnung mit der Innensenatorin der Stadt, die, in den Aufzug des Clubs eingesperrt, Silvester recht beengt feiern muss - sondern in den kleinen, nur scheinbar lächerlichen Hinweisen darauf, dass die Angestellten in dem Club anständig verdienen, dass es ein Ziel sein könnte im Leben, dass Menschen in ihrer Arbeit glücklich sein können, auch wenn es nicht die klassischen Selbstverwirklichungsberufe sind. Und dass sich die Selbstverwirklicher bewusst sind, dass ihr Verwirklichungstamtam nur funktioniert, wenn andere etwas anderes machen. Helfen, Arbeit teilen, und dass ein freies, selbstbestimmtes Arbeiten, mit Löhnen, von denen man gut leben kann, möglicherweise ein kleines utopisches Projekt sein könnte, an dem zu arbeiten es sich anzufangen lohnt.
Auch das steckt in Hanekamps Buch. Nicht als Botschaft. Sondern als Frage, als ein Ziel, als Möglichkeit.
Und eine Ahnung, eine Angst, formuliert vielleicht auch mit dem Blick auf vorhergehende, so schnell verglühte Generationsprojekte: "Vielleicht sind wir früh vergreist, nur gut für einen Sommer."
Tino Hanekamp, so klingt sein erstes Buch, hat noch einige Sommer vor sich. Und einige Bücher. Wollen wir hoffen.
VOLKER WEIDERMANN
Tino Hanekamp: "So was von da". Kiepenheuer und Witsch, 300 Seiten, 14,95 Euro
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»So sollte jede Party sein. Ich wäre dabei.« Heinz Strunk
In Tino Hanekamps autobiographisch angehauchtem Roman wacht Oskar Frobel am Morgen des 31. Dezembers völlig verkatert neben einer schönen, aber ihm völlig unbekannten, Dame auf. Verschuldet bis über beide Ohren, steigt an diesem Abend die letzte Party in seinem Club, bevor dieser …
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In Tino Hanekamps autobiographisch angehauchtem Roman wacht Oskar Frobel am Morgen des 31. Dezembers völlig verkatert neben einer schönen, aber ihm völlig unbekannten, Dame auf. Verschuldet bis über beide Ohren, steigt an diesem Abend die letzte Party in seinem Club, bevor dieser von den städtischen Abrissbaggern dem Erdboden gleich gemacht wird. Doch Zeit zum Grübeln und für Sentimentalitäten bleibt Oskar in den letzten Stunden des alten Jahres und seines Clubs nicht: verschrobene, verzweifelte, schrullige und liebenswerte Charaktere geben sich an diesem Abend die Klinke in die Hand. Ex-Zuhälter Kiezkalle stürmt Oskars Wohnung und fordert auf Grund eines früheren Gefallens von ihm 10.000€, sein bester Freund und gefeierter Rockstar Andreas "Rocky" Rockmann bricht gemeinsam mit ihm in das Haus seiner Mutter - der verhassten Hamburger Innensenatorin - ein, um seinen totkranken Vater - den "toten Elvis" - zu befreien. Der melancholische russische Türsteher Leo zählt alles, was ihm vor die Nase kommt (in der Vertonung mit Florian von Manteuffel ein genialer Runninggag!), Oskars beste Freundin Nina sucht nach neuen Lebensinhalten, ein polnischer Stripper und Arzt leistet erste Hilfe bei diversen Dancefloor-Unfällen, ein Fahrstuhl bleibt stecken, eine wertvolle Gitarre wird zerstört, ein Herz erleidet einen Infarkt... und dann ist da noch Mathilda, Mathilda, M-A-T-H-I-L-D-A... Oskars große Liebe, die vor Jahren seit Leben verlassen hat, aber immer noch das Herzstück all seiner Gedanken ist.
Die Personen und die Lokationen wechseln wie ein Blitzlichtgewitter, die Sätze sind kurz, schnell und sprudeln heraus, wie Oskar der Schnabel gewachsen ist. Bei dem Hörbuch ist man nicht nur Gast(-hörer), man ist im wahrsten Sinne "so was von da" auf der irrsten Party des Jahres!
Doch Oskars Geschichte ist nicht nur eine Liebeserklärung an den Hamburger Kiez, sondern an wahre Freundschaft, die Liebe und das Leben an sich und ganz sicher wird nicht nur auf Oskars Grabstein eines Tages stehen, dass er es wenigstens versucht hat! Mit gerade mal 23 Jahren hat Oskar schon so viel erlebt und erzählt seine Geschichte dank Unterstützung seiner Scheißhauslektüre "Marc Aurel" mit einer viel größeren Weisheit als mancher Greis, dass einem beim Zuhören leichte Wehmut packt und man anfängt von seiner eigenen Party zu träumen... Aber wenn einem eine Sache klar geworden ist nachdem man Oskar Frobels Geschichte gehört hat, dann ist es, dass es für eine Party nie zu spät ist, auch dann nicht, wenn der Tod schon vor der Tür steht.
Florian von Manteuffels Stärke liegt sicher nicht in der unterschiedlichen Intonation verschiedener Charaktere. Um ehrlich zu sein, kann ich ihn mir nach dieser Lesung nicht als Sprecher für einen dialoglastigen Roman vorstellen, allerdings ist ihm die Rolle von Oskar Frobel wie auf den Leib geschrieben und ich bin mir sicher: keiner hätte ihn besser verkörpern können als Florian von Manteuffel! Seine Sprache ist schnoddrig und er schießt Oskars ungefilterte Gedankenströme stakkatoartig heraus, Tino Hanekamps Textvorlage ist ehrlich und authentisch, seine Figuren überspitzt gezeichnet und ein Spiel mit Klischees. Der Hörer wird von einem immer stärker werdenden Sog erfasst, so dass er sich der wilden Partynacht nicht entziehen kann, bis das letzte alkoholische Getränk über den Tresen gegangen ist und die letzten Besucher den Club verlassen haben. Neben traurigen und melancholischen Einlagen sorgen viele bizarre und überdrehte Momente für Lacher. Hier ist nichts gestellt, hier ist nichts vorhersehbar, das ist das wahre Leben und das sollte man nicht einfach an sich vorbeiziehen lassen! Und wer nach dem Hören nicht von der verrücktesten Party des Jahres berauscht ist, weiß danach zumindest, wie man eine solche stemmt ;)
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Was für ein Buch! Gelesen hat es sich wie Butter. Auf den ersten Blick. Locker-flockig geschrieben, frisch von der Leber weg, wie es dem Autor in den Sinn kam. Sollte man meinen. Dass es nicht so war, merkt man viel später. Oder war es so, dass Tino Hanekamp genau das getan hat und gerade …
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Was für ein Buch! Gelesen hat es sich wie Butter. Auf den ersten Blick. Locker-flockig geschrieben, frisch von der Leber weg, wie es dem Autor in den Sinn kam. Sollte man meinen. Dass es nicht so war, merkt man viel später. Oder war es so, dass Tino Hanekamp genau das getan hat und gerade dadurch eine Tiefe erreicht hat, die richtig spürbar wurde? Man hatte das Gefühl dabei zu sein...
Zwei Dinge haben mich ganz besonders beeindruckt:
Zum ersten die Beschreibung der Liebe Oskars zu Mathilda. Ganz anders als als in anderen Büchern beschrieben: Die unstillbare Liebe und Sehnsucht zu einer Frau. Dort oft ausgeschmückt in schmalztriefender Groschenroman-Manier, romantisch verklärt, erdacht, unwirklich, hier in nüchterner Umgangssprache gelebt. Und doch ist Oskars Liebe glaubwürdiger, ehrlicher, nachvollziehbarer, erlebbarer. In anderen Romanen erscheint oft eine erdachte, erzählte wirkende Liebe, schmalzig überzeichnet und aufgesetzt erzählt. Diese Liebe hier, Oskars Liebe zu Mathilda ist authentisch und fühlbar!
Das Zweite war Oskars Schock über die Krankheit einer nahestehenden Person (Ich will hier nicht zuviel verraten), der sich immer wieder, teilweise vollkommen unvermittelt in seine Gedanken stiehlt und genauso unvermittelt und ungefiltert aufgeschrieben wurde. Auch hier hatte man das Gefühl, das ist echt, so fühlt sich das an, wenn man erfährt, dass einem nahestehenden Menschen solche schlimmen Dinge widerfahren.
Fazit:
Ein ehrliches, erlebbares Buch, tiefsinniger als es auf den ersten Blick erscheint. Empfehlenswert und ganz klar kein Fall für booklooker!
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