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6 Kundenbewertungen

Bertolt Brechts: Leben des Galilei in einer spannenden Hörspiel-Fassung auf 2 CDs, komplett gespielt im Original und mit zusätzlichen Erläuterungen. Bertolt Brecht (1898-1956) verwebt in Leben des Galilei meisterhaft die Konfliktfelder moderner Wissenschaften mit der Geschichte des Naturwissenschaftlers Galileo Galilei (1564-1642).

Produktbeschreibung
Bertolt Brechts: Leben des Galilei in einer spannenden Hörspiel-Fassung auf 2 CDs, komplett gespielt im Original und mit zusätzlichen Erläuterungen. Bertolt Brecht (1898-1956) verwebt in Leben des Galilei meisterhaft die Konfliktfelder moderner Wissenschaften mit der Geschichte des Naturwissenschaftlers Galileo Galilei (1564-1642).
Autorenporträt
Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Berlin. Von 1917 bis 1918 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings bereits im Jahr 1918 unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde. Bereits während seines Studiums begann Brecht, Theaterstücke zu schreiben. Ab 1922 arbeitete er als Dramaturg an den Münchener Kammerspielen. Von 1924 bis 1926 war er Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin. 1933 verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, wo er sich die nächsten fünf Jahre aufhielt. Außer Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. 1948 kehrte er aus dem Exil nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem Tod als Autor und Regisseur tätig war.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2020

Das Faktum steht in den Sternen

Brechts "Leben des Galilei" in Düsseldorf: Die konservative Inszenierung zum fünfzigsten Geburtstag des Schauspielhauses hat eine klimapolitische Mission.

Nicht nur die höchsten Herren der Hierarchie bis hinauf zum Papst disputieren in Bertolt Brechts "Leben des Galilei" mit dem Protagonisten über die Ergebnisse von dessen astronomischer Forschung, sondern auch ein Geistlicher, der im Personenverzeichnis als der kleine Mönch geführt wird. Er prophezeit, dass das heliozentrische Weltbild revolutionäre Konsequenzen für das Selbstbild der Lebenswelt haben werde. Wenn die Erde nicht mehr im Mittelpunkt des Kosmos stehe, werde die teleologische Metaphysik ihre Evidenz verlieren, die Lehre, dass alles in der Schöpfung auf einen Zweck hin geordnet sei. Der Hunger wird in der unschönen neuen Welt reduziert auf "Nicht-gegessen-Haben", also nur noch negativ definiert, nicht mehr positiv als Trieb, der Befriedigung verlangt.

Diese Warnung vor der Neutralisierung der Welt durch die Wissenschaft trägt der kleine Mönch kraft persönlicher Autorität vor, indem er ausmalt, wie seine Eltern, Bauern in der Campagna, die Nachricht von Galileis Entdeckungen aufnehmen werden. "Ich sehe sie die Löffel auf die Herdplatte senken, ich sehe, wie sie sich verraten und betrogen fühlen" - weil ihnen versichert worden ist, "dass das Auge der Gottheit auf ihnen liegt, forschend, ja beinahe angstvoll". Das Einverständnis mit dem Elend, für aufgeklärte Zirkel weit über den Marxismus hinaus Inbegriff des falschen Bewusstseins, deutet der Mönch als Wissen der Armen um die "Rollen", die ihnen im "Welttheater" zugewiesen sind. Ein kleines dialektisches Lehrstück im Stück: Die Tatenlosen sehen sich als "die Agierenden", unter allen Personen des Dramas sind es die Analphabeten, für die das Theatralische der Welt existentielle Selbsterkenntnis und nicht bloß modisches barockes Zeitgefühl ist.

Hätten die Eltern des Mönchs eine Zeitreise ins Düsseldorf des Jahres 2020 antreten können, um der Premiere von "Leben des Galilei" zur Feier des fünfzigsten Geburtstags des Schauspielhauses beizuwohnen, dann wären sie nicht aus ihrer Welt gefallen. Sie hätten sich an das einzige Requisit halten können, das Olaf Altmann in den leeren schwarzen Raum gewuchtet hat, das gigantische Rohr, das aus dem Bühnenhimmel hinabragt. Es steht natürlich für das Fernrohr, den Hebel, mit dem Galilei die vorkopernikanische Welt aus den Angeln gehoben hat. Aber es ist so groß, als hätte es nur ein göttlicher Werkzeugmacher herstellen können und als sollte es ein göttlicher Naturkundler verwenden. Allerdings verkehrt herum: Gott würde oben hineinschauen und das Fernrohr zum Mikroskop umfunktionieren, um forschend das menschliche Kleinvieh zu studieren.

Manchmal wird das Rohr in Lars-Ole Walburgs Inszenierung wie ein Scheinwerfer eingesetzt. Dann beschreibt das Licht auf dem Boden einen Kreis, in dessen Mitte Galilei liegt, ein Gefangener seiner Rolle, bevor er der Gefangene der Inquisition wird. Hält sich am oberen Ende des Rohrs sein Über-Ich verborgen, die Instanz internalisierter Sozialkontrolle, für die das Auge der Gottheit ein mythisches Gleichnis war? So dialektisch ist das emblematische Berufsabzeichen nicht gemeint. Das Fernrohr ist so groß, weil es demonstrieren soll, dass der Streit zwischen Galilei und der Kirche ganz einfach liegt. Die Prälaten weigern sich, durch das Fernrohr zu blicken, sie wollen nicht sehen, dass Galilei recht hat.

Wurde das Instrument womöglich gerade deshalb bis zur Dimension eines Rosenmontagszugwagens aufgeblasen, weil Brechts Fabel vom Augenschein der Tatsachenwahrheit ihre Evidenz verloren hat? Die wissenschaftshistorische Forschung bestimmt das Abstraktionsvermögen als das Moderne an Galileis Theoriebildung. Brechts Stück war kein Werk der Wissenschaft, und es wäre zwecklos, es im Licht des Forschungsstands zu aktualisieren. Anders gesagt: Es ist ein Klassiker, und so wird es in der Düsseldorfer Geburtstagsaufführung behandelt. Die Vermenschlichung des Helden durch Burghart Klaußner, der eine Fülle an Zwischentonfällen mobilisiert, dient der Abmilderung des Formelhaften, drastischer gesagt: camoufliert die schlechte Abstraktion des Thesendramas.

Das Programmheft reklamiert für das Stück Aktualität in der Zeit der Klimadebatte. Indem die Regie auf jede Anspielung verzichtet, behandelt sie die Aktualität als evident - und erliegt damit dem objektivistischen Denkfehler hinter der Monumentalisierung des Fernrohrs. Dass heute wieder wissenschaftliche Fakten gegen dunkle Mächte stehen, soll selbst ein Faktum sein. Doch das ist falsch. Prognosen über das Weltklima können nicht dieselbe Gewissheit beanspruchen wie astronomische Beobachtungen, und die Verdunkelung der Aussichten der Menschheit, die der Konsens der Klimaforscher beschreibt, ist selbst ein Ergebnis der wissenschaftlichen Zivilisation.

PATRICK BAHNERS

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