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FAZ-Journalistin Johanna Adorján schreibt über ihre Großeltern Vera und István, die als ungarische Juden den Holocaust überlebt haben und 1956 während des Aufstandes von Budapest nach Dänemark geflohen sind. 1991 haben sie sich das Leben genommen. Man fand sie Hand in Hand in ihrem Bett. Adorján erzählt die Geschichte dieser ungewöhnlichen Liebe.
Johanna Adorján, 1971 in Stockholm geboren, studierte in München Theater- und Opernregie. Seit 1995 arbeitet sie als Journalistin, seit 2001 in der Feuilleton-Redaktion der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Autorin lebt in Berlin.
Produktdetails
- Verlag: Random House Audio
- Gesamtlaufzeit: 256 Min.
- Erscheinungstermin: 19. Februar 2009
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783866049871
- Artikelnr.: 24896525
Herstellerkennzeichnung
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Das Lied vom traurigen Sonntag
Johanna Adorjáns Romandebüt "Eine exklusive Liebe" als Vorabdruck in der F.A.Z.
Der 13. Oktober 1991 hätte ein ganz normaler Sonntag werden können. Vera sitzt in der Küche ihres Hauses im dänischen Charlottenlund und wartet darauf, dass der Kaffee durch die Maschine läuft. Im Aschenbecher glimmt eine Zigarette. Auf einem Ringblock notiert die Einundsiebzigjährige, was sie heute erledigen will: die Zeitung abbestellen, die Rosen für den Winter fertigmachen, Mitzi, den Hund, bei einer Freundin unterbringen. Das klingt, als stünde ein Urlaub an. In Wahrheit sind es Vorbereitungen für eine Reise ohne Wiederkehr. Denn dieser Sonntag ist der letzte Tag im Leben von Vera und ihrem
Johanna Adorjáns Romandebüt "Eine exklusive Liebe" als Vorabdruck in der F.A.Z.
Der 13. Oktober 1991 hätte ein ganz normaler Sonntag werden können. Vera sitzt in der Küche ihres Hauses im dänischen Charlottenlund und wartet darauf, dass der Kaffee durch die Maschine läuft. Im Aschenbecher glimmt eine Zigarette. Auf einem Ringblock notiert die Einundsiebzigjährige, was sie heute erledigen will: die Zeitung abbestellen, die Rosen für den Winter fertigmachen, Mitzi, den Hund, bei einer Freundin unterbringen. Das klingt, als stünde ein Urlaub an. In Wahrheit sind es Vorbereitungen für eine Reise ohne Wiederkehr. Denn dieser Sonntag ist der letzte Tag im Leben von Vera und ihrem
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schwerkranken Mann István. Am Abend wird sich das Ehepaar gemeinsam ins Bett legen, einander an der Hand nehmen und, wie es lange schon geplant war, nach Anleitung des amerikanischen Handbuchs "Final Exit" aus dieser Welt scheiden.
Johanna Adorján, Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, lässt der Selbstmord ihrer Großeltern bis heute nicht los. Den aufmerksamen Lesern ihrer Texte mag die Verbundenheit der Journalistin mit ihren Großeltern aufgefallen sein, denn gelegentlich tauchten sie in ihren Feuilletons auf. Etwa, wenn die Enkelin darüber rätselte, warum sich das Ehepaar sein Leben lang siezte, oder sich daran erinnert, dass die Großeltern, die als ungarische Juden den Holocaust überlebt hatten und 1956 während des Aufstands in Budapest nach Dänemark flohen, über das Martyrium von Konzentrationslager und Flucht niemals sprachen.
Das Schweigegebot im Hause Adorján führte die nächste Generation fort, die sich auch lange Zeit weigerte, über den Freitod von Vera und István zu reden. Achtzehn Jahre danach bricht Johanna Adorján mit dieser Tradition. In ihrem berührenden Romandebüt "Eine exklusive Liebe", das im Februar bei Luchterhand erscheint und wir von heute an vorabdrucken, macht sich die 1971 in Stockholm geborene Autorin auf, Leben und Sterben ihrer Großeltern zu begreifen. Es ist die schmerzliche, bisweilen auch heitere Beschreibung einer Reise in die eigene, verschüttete Familiengeschichte, die sie von Budapest über Paris und Kopenhagen quer durch Europa bis nach Israel und New York führt. Aus Gesprächen mit Verwandten und Freunden der Großeltern ergibt sich dabei nicht nur das Bild zweier faszinierender Menschen, die durch die Tragödien des vergangenen Jahrhunderts zweimal nur knapp mit dem Leben davonkamen und sich jedes Mal neu erfinden mussten. Das Buch liefert zudem der Autorin im Laufe des Entstehens immer neue Hinweise darüber, wer sie selbst ist.
Das zu beantworten ist freilich so leicht nicht. Ein ums andere Mal versucht die Tochter einer Deutschen und eines in in Ungarn geborenen Dänen mit jüdischem Hintergrund, die selbst kein Wort Ungarisch spricht und, mit einem dänischen Pass ausgestattet, in München aufgewachsen ist und heute in Berlin lebt, ihre Biographie zu verorten, geographisch wie seelisch. Wie ungarisch bin ich, will sie wissen. Wie jüdisch? Und: Was ist das überhaupt, jüdisch sein? Dieses Gefühl, "alles Mögliche nur halb zu sein", mithin nie wirklich dazuzugehören, hat die Autorin stets begleitet. Nun löst sich die Ohnmacht endlich auf - ausgerechnet in der Erkenntnis, dass ihre Großmutter ähnlich zerrissen war.
Wie fühlt man sich an seinem letzten Tag? Denkt man bei dem, was man tut, daran, dass es das letzte Mal ist? Das letzte Mal im Garten, das letzte Glas Milch, das letzte Mal Zähneputzen? Die Rekonstruktion der letzten Stunden im Leben der Großeltern, in denen viel Musik gehört, Kuchen gebacken und ein Geschenk nach dem anderen für die Familie eingepackt wird, unterbricht die Autorin immer wieder mit Überlegungen, Fragen und skrupulösen Reflexionen auf ihr literarisches Erforschen von Familiengeschichte. So entstehen wie in einem Puzzle bald an dieser, bald an jener Stelle verblüffende Zusammenhänge, während andernorts fehlende Teile blinde Flecken hinterlassen. Dass die Autorin nicht müde wird, nach diesen Rätseln zu fragen, dass sie überhaupt alles, mutig und mit beißendem Witz, stets aufs Neue hinterfragt, macht ihr Buch über einen düsteren Sonntag zu einem glänzenden Stück.
SANDRA KEGEL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Johanna Adorján, Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, lässt der Selbstmord ihrer Großeltern bis heute nicht los. Den aufmerksamen Lesern ihrer Texte mag die Verbundenheit der Journalistin mit ihren Großeltern aufgefallen sein, denn gelegentlich tauchten sie in ihren Feuilletons auf. Etwa, wenn die Enkelin darüber rätselte, warum sich das Ehepaar sein Leben lang siezte, oder sich daran erinnert, dass die Großeltern, die als ungarische Juden den Holocaust überlebt hatten und 1956 während des Aufstands in Budapest nach Dänemark flohen, über das Martyrium von Konzentrationslager und Flucht niemals sprachen.
Das Schweigegebot im Hause Adorján führte die nächste Generation fort, die sich auch lange Zeit weigerte, über den Freitod von Vera und István zu reden. Achtzehn Jahre danach bricht Johanna Adorján mit dieser Tradition. In ihrem berührenden Romandebüt "Eine exklusive Liebe", das im Februar bei Luchterhand erscheint und wir von heute an vorabdrucken, macht sich die 1971 in Stockholm geborene Autorin auf, Leben und Sterben ihrer Großeltern zu begreifen. Es ist die schmerzliche, bisweilen auch heitere Beschreibung einer Reise in die eigene, verschüttete Familiengeschichte, die sie von Budapest über Paris und Kopenhagen quer durch Europa bis nach Israel und New York führt. Aus Gesprächen mit Verwandten und Freunden der Großeltern ergibt sich dabei nicht nur das Bild zweier faszinierender Menschen, die durch die Tragödien des vergangenen Jahrhunderts zweimal nur knapp mit dem Leben davonkamen und sich jedes Mal neu erfinden mussten. Das Buch liefert zudem der Autorin im Laufe des Entstehens immer neue Hinweise darüber, wer sie selbst ist.
Das zu beantworten ist freilich so leicht nicht. Ein ums andere Mal versucht die Tochter einer Deutschen und eines in in Ungarn geborenen Dänen mit jüdischem Hintergrund, die selbst kein Wort Ungarisch spricht und, mit einem dänischen Pass ausgestattet, in München aufgewachsen ist und heute in Berlin lebt, ihre Biographie zu verorten, geographisch wie seelisch. Wie ungarisch bin ich, will sie wissen. Wie jüdisch? Und: Was ist das überhaupt, jüdisch sein? Dieses Gefühl, "alles Mögliche nur halb zu sein", mithin nie wirklich dazuzugehören, hat die Autorin stets begleitet. Nun löst sich die Ohnmacht endlich auf - ausgerechnet in der Erkenntnis, dass ihre Großmutter ähnlich zerrissen war.
Wie fühlt man sich an seinem letzten Tag? Denkt man bei dem, was man tut, daran, dass es das letzte Mal ist? Das letzte Mal im Garten, das letzte Glas Milch, das letzte Mal Zähneputzen? Die Rekonstruktion der letzten Stunden im Leben der Großeltern, in denen viel Musik gehört, Kuchen gebacken und ein Geschenk nach dem anderen für die Familie eingepackt wird, unterbricht die Autorin immer wieder mit Überlegungen, Fragen und skrupulösen Reflexionen auf ihr literarisches Erforschen von Familiengeschichte. So entstehen wie in einem Puzzle bald an dieser, bald an jener Stelle verblüffende Zusammenhänge, während andernorts fehlende Teile blinde Flecken hinterlassen. Dass die Autorin nicht müde wird, nach diesen Rätseln zu fragen, dass sie überhaupt alles, mutig und mit beißendem Witz, stets aufs Neue hinterfragt, macht ihr Buch über einen düsteren Sonntag zu einem glänzenden Stück.
SANDRA KEGEL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Durch ein Interview mit der Autorin bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden. Obwohl ich sonst nicht so gerne Biografien lese, habe ich mich auf diese Geschichte über die außergewöhnlichen Großeltern, die den gemeinsamen Freitod gewählt haben, eingelassen. Die …
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Durch ein Interview mit der Autorin bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden. Obwohl ich sonst nicht so gerne Biografien lese, habe ich mich auf diese Geschichte über die außergewöhnlichen Großeltern, die den gemeinsamen Freitod gewählt haben, eingelassen. Die Lektüre habe ich nicht bereut: Johanna Adorjans Sprache gefällt mir (muss öfters die F.A.S. lesen) und die zwei wechselnden Erzählperspektiven - zum einen wird der Verlauf des letzten Tages im Leben der Großeltern beschrieben, zum anderen ihre Lebensgeschichte - geben dem Buch einen interessanten und ansprechenden Aufbau. Der erste Teil, der Tag vor dem Selbstmord, ist sehr anrührend und gelungen rekonstruiert, der zweite Teil, die Lebensgeschichte, bleibt allerdings sehr bruchstückhaft und oft ein bisschen oberflächlich, denn die Großeltern selbst haben wenig aus ihrer Vergangenheit erzählt und von noch lebenden Freunden ist auch nicht viel zu erfahren. Deshalb muss Johanna Adorjan sich großteils auf ihre Erinnerungen an das "exklusive" Paar verlassen. Irgendwie erfährt man dadurch in dem Buch sogar fast mehr über sie als über das eigentliche Thema, die Großeltern. Alles in allem aber eine trotz des traurigen Themas schöne und gelungene Familiengeschichte.
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Antworten 4 von 5 finden diese Rezension hilfreich
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Habe das Buch am vergangenen Sonntag gelesen. Johanna Adorján schreibt in einem angenehm zu lesenden und fesselnden Stil über ihre Großeltern, die als Juden den Holocaust überlebten, 1956 während des Aufstands von Budapests von Ungarn nach Dänemark flohen und sich im …
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Habe das Buch am vergangenen Sonntag gelesen. Johanna Adorján schreibt in einem angenehm zu lesenden und fesselnden Stil über ihre Großeltern, die als Juden den Holocaust überlebten, 1956 während des Aufstands von Budapests von Ungarn nach Dänemark flohen und sich im Herbst 1991 das Leben nahmen. Sie bebildert zwei exzentrische Persönlichkeiten, die sich zeitlebens siezten, aber nicht ohne den anderen leben wollten. Also beschaffen sie sich, als István schwer krank wird, das Skandalbuch "Final Exit", eine Anleitung zum Selbstmord, und planen ihren gemeinsamen Suizid...
Was soll oder kann man über solch ein Buch sagen? Irgendwie fehlen mir die Worte.
(Rezension vom 21.11.2009)
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Antworten 1 von 3 finden diese Rezension hilfreich
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