Dave Eggers
Audio-CD
Ein Hologramm für den König
5 CDs, Lesung. CD Standard Audio Format. Gekürzte Ausgabe. 394 Min.
Übersetzung: Wasel, Ulrike; Timmermann, Klaus;Gesprochen: Pleitgen, Ulrich
Nicht lieferbar
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Dave Eggers ist einer der interessantesten, engagiertesten und wagemutigsten Schriftsteller der Gegenwart. Das darf, das muss man so sagen. Sein neuer Roman erzählt die anrührende Geschichte von Alan Clay, einem amerikanischen Geschäftsmann kurz vor dem Bankrott, der mitten in der Wüste von Saudi-Arabien auf den alles entscheidenden, rettenden Deal hofft.
Eggers, DaveDave Eggers hat bislang sechs Bücher veröffentlicht, darunter Ein herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität, für das er 2001 Pulitzer-Preis-Finalist war. Für Zeitoun wurde ihm unter anderem der American Book Award und der Albatros-Preis der Günter-Grass-Stiftung verliehen. Dave Eggers ist Gründer und Herausgeber von McSweeney's, einem unabhängigen Verlag mit Sitz in San Francisco. Der Autor stammt aus Chicago und lebt heute mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Nordkalifornien. Mit Ein Hologramm für den König und Der Circle erscheinen schon zwei Hörbücher von Dave Eggers bei Hörbuch Hamburg. Beide werden von Tom Hanks verfilmt.
Pleitgen, UlrichUlrich Pleitgen (1946-2018) spielte zwanzig Jahre lang an den Schauspielhäusern in Basel, Bochum und Frankfurt und am Thalia Theater in Hamburg. Seit Ende der Achtzigerjahre war er in zahlreichen Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen. Für seine Leistung als Sprecher wurde er u. a. mit dem Deutschen Hörbuchpreis sowie den Preis der deutschen Schallplattenkritik geehrt.
Pleitgen, UlrichUlrich Pleitgen (1946-2018) spielte zwanzig Jahre lang an den Schauspielhäusern in Basel, Bochum und Frankfurt und am Thalia Theater in Hamburg. Seit Ende der Achtzigerjahre war er in zahlreichen Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen. Für seine Leistung als Sprecher wurde er u. a. mit dem Deutschen Hörbuchpreis sowie den Preis der deutschen Schallplattenkritik geehrt.
© Michelle Quint
Produktdetails
- Verlag: Hörbuch Hamburg
- Gesamtlaufzeit: 394 Min.
- Altersempfehlung: ab 12 Jahren
- Erscheinungstermin: 13. Februar 2013
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783899038569
- Artikelnr.: 36800956
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Vertreter Alan Clay will dem König die IT für eine geplante 2-Mio.-Retortenstadt am Roten Meer verkaufen. So wie Ulrich Pleitgen spricht, stellt man sich Clay vor: Typ Studienrat, bärtig, Bauchansatz. Pleitgen nuanciert, setzt Pausen, variiert den Ton, aber die feuchte Aussprache ist auf die Dauer fast genauso unsympathisch wie die Person des IT-Verkäufers. Clay ist lahm und frustriert, säuft und lamentiert in endlosen, ekligen Ausschweifungen über eine harmlose Zyste. Trotzdem gibt es attraktive Frauen, die Sex mit ihm wollen. Das soll einer verstehen, es muss am Wüstenklima liegen. Nachdenkliches Mitleid, wie es Millers Drama hervorruft, kommt nicht auf, eher Verdruss.
© BÜCHERmagazin, Sabine Stamer (sta)
Ich bin das Auge am Himmel
Was wir von Dave Eggers und seinem neuen Roman lernen können / Von Rainer Merkel
Jetzt ist es also so weit. Wir sind im Zeitalter der Demütigungen angekommen. Zumindest wenn wir unser Geld in der freien Wirtschaft verdienen und Amerikaner sind. So wie Alan Clay, der 54-jährige Consultant der IT-Firma Reliant, trauriger Held von Dave Eggers' neuem Roman "Ein Hologramm für den König", der in der Wüste Saudi-Arabiens in einem Zelt festsitzt und hofft, dass das W-Lan-Signal zurückkommt. Es ist heiß, die Klimaanlage funktioniert nicht, und all das, was uns so groß und wunderbar, was uns so unwiderstehlich und sexy gemacht hat, ist plötzlich von uns abgefallen oder hat sich, um in Eggers'
Was wir von Dave Eggers und seinem neuen Roman lernen können / Von Rainer Merkel
Jetzt ist es also so weit. Wir sind im Zeitalter der Demütigungen angekommen. Zumindest wenn wir unser Geld in der freien Wirtschaft verdienen und Amerikaner sind. So wie Alan Clay, der 54-jährige Consultant der IT-Firma Reliant, trauriger Held von Dave Eggers' neuem Roman "Ein Hologramm für den König", der in der Wüste Saudi-Arabiens in einem Zelt festsitzt und hofft, dass das W-Lan-Signal zurückkommt. Es ist heiß, die Klimaanlage funktioniert nicht, und all das, was uns so groß und wunderbar, was uns so unwiderstehlich und sexy gemacht hat, ist plötzlich von uns abgefallen oder hat sich, um in Eggers'
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Metaphorik zu bleiben, in eine faustgroße Geschwulst irgendwo am Rücken zusammengeballt. Und Alan fragt sich jetzt die ganze Zeit, während er in seinem Hotel vor dem Spiegel steht, ob das vielleicht das Ende ist und er Krebs hat. Er verpasst den Shuttle, der ihn morgens von seinem Hotel in Dschidda zu seinem Arbeitsplatz bringen soll, er verträumt Tage und Nächte und bekommt den Brief an seine Tochter, der er die Studiengebühren nicht mehr bezahlen kann, nicht fertig.
Der Roman changiert zwischen zwei Welten. Dem klimatisierten Hotelzimmer, dem Spiegel im Badezimmer, den enervierenden körperlichen Selbstbefragungen und dem kärglich möblierten Zelt in der Wüste, in King Abdullah Economic City, KAEC genannt, wo Alan und sein Team auf den König warten. Die saudi-arabische Wirklichkeit scheint dabei fast unwirklicher als die Phantasie, die wir von ihr haben. Eggers zelebriert das ziemlich genüsslich.
Eggers, der große Magier des Hyperrealismus, der kleine sympathische Bruder von David Foster Wallace, ist jetzt zum Therapeuten unserer globalen Seinsvergessenheit geworden. Alan schafft es noch nicht mal mehr, sich sexuell erregen zu lassen. Nur unter Wasser, sozusagen in einem Modus der vorgeburtlichen Regression, gelingt das noch, als er einer schönen Ärztin hinterhertaucht, die er schließlich im Zuge seiner körperlichen Selbstbefragung konsultiert.
Alan, Eggers, die Amerikaner und natürlich überhaupt wir alle sind in unserem großen kapitalistischen Tagtraum gefangen. Vielleicht sollte man einfach zum Vergleich noch mal nachlesen, wie Dave Eggers in "A.H.W.O.S.G." ("Einem herzzerreißenden Werk umwerfender Genialität"), seinem ersten Buch, das 2000 herauskam, den von Krebs aufgeblähten und gleichzeitig schon halb ausgeweideten Bauchraum seiner sterbenden Mutter inszeniert. Mit was für einer Selbstgewissheit er da vorgeht. Mit einem über 30-seitigen Vorwort nimmt er Anlauf, und springt mitten in dieses ganze Elend hinein. Unglaublich. Kraftvoll und cool zugleich. Aber diese ganze Energie, der ganze hyperaktive Sprachrausch, damit ist es längst vorbei. Eggers verschwindet, nach seinem ersten Roman, in sein selbstgewähltes Exil nach Island und Costa Rica und kommt komplett erneuert wieder zurück. Ein Teil seiner Honorare gibt er von nun an an seine Leser und seine Hilfsprojekte wieder zurück, von Rick Moody wird er zum "Bono der Literatur" ernannt, während Pico Iyer ihn fortwährend mit Norman Mailer vergleicht. Keine Fiktion mehr bitte. Oder jedenfalls nicht zu viel.
Eggers hat alles versucht, um sich den literarischen Narzissmus wieder auszutreiben. Seine Freunde mussten "Weit gegangen", in dem er von der Odyssee eines sudanesischen Bürgerkriegsopfers erzählt, so oft lesen, bis auch die letzten Spuren der Selbstbezüglichkeit, die letzten Bestandteile seiner eigenen Stimme verschwunden waren. Eggers fing noch mal ganz von vorne an. Von dem Charme, aber auch dem Egozentrismus von "A.H.W.O.S.G." ist nichts mehr übrig geblieben.
Jetzt sitzt er im Zelt in der Wüste. In seinem ersten richtigen Roman seit zehn Jahren. Zwar ist Alan ein gesichtsloser Business-Typ mittleren Alters, aber gleichzeitig so empfindsam, dass er an seiner eigenen Sensibilität fast erstickt. Das wirkt zwar etwas kalkuliert, als Abgesang auf die Old-Economy-Ära, aber irgendwie funktioniert es ganz gut. Es funktioniert auf eine ähnliche Weise, wie auch schon Bret Easton Ellis' zeitdiagnostische Charaktere funktioniert haben, es funktioniert über die Leerstellen, die Dumpfheit und die Ignoranz, so wie auch schon die Amerikaner bei Henry James zu Projektionsflächen der Leere geworden sind, in denen das alte Europa sich nach jemandem sehnen konnte, der uns alle mit seiner unerschütterlichen "confidence" vor dem Untergang bewahrt.
Aber Eggers macht da nicht mit. Er entlarvt diesen Mythos, obwohl er ihm natürlich mit Haut und Haaren, mit seinem ganzen Eggerschen Non-Profit-Imperium, von der im Sudan engagierten Valentino Achak Deng Foundation bis zu den Schreib- und Leseschulen von 826 Valencia, verfallen ist, aber das ist eine andere Geschichte. Er entlarvt diesen Mythos als etwas aus zweiter Hand. Etwas, das nur geborgt ist. Und es gelingt ihm, weil er diese besondere Fähigkeit zur Empathie hat. Weil er keine seiner Figuren vorführt oder verrät. Großartig, wie zum Beispiel Alan sich in einem kleinen Dorf in den saudi-arabischen Bergen von seinem Fahrer, mit dem er sich angefreundet hat, einfach absetzen lässt, um mit wildfremden Männern in der glühenden Hitze eine Mauer zu bauen. Ein Wunsch, den er sich jetzt endlich erfüllt, nachdem seine eigene Mauer daheim von den kleinlichen Bürokraten des Bauordnungsamts gestoppt worden ist. Aber es ist nur ein kurzer Glücksmoment, genauso wie der Nachmittag, den Alan mit Zahra verbringt, der Ärztin, die ihn mit einem internationalen Team operiert hat. In seiner Anmaßung hat Alan auf eine ausreichende Betäubung verzichtet, und die Operation wird zu einer fast religiösen Erfahrung. Wie hält man solche Schmerzen aus? Gleichzeitig erinnert sich Alan, wie er vor Jahren mit seiner Tochter nach Cape Canaveral gefahren ist, um einen der letzten Starts des Space Shuttles zu erleben. Er will ihr noch einmal zeigen, wozu Amerika in der Lage ist. Die Schmerzen werden immer größer, und dann verschwindet in seiner Erinnerung das Shuttle in einem gelblichen Blitz im Weltraum und Alan bricht erleichtert in Tränen aus. Das internationale Ärzteteam bohrt sich derweil in sein Innerstes hinein. Aber was ist dort? Wie sind hier die Koordinaten? Was ist eigentlich von uns noch übrig geblieben? Alan und sein Team warten in dem demütigenden Zeltprovisorium auf den arabischen König, damit er sich das neue holographische Konferenzsystem vorführen lassen kann, während in der Black Box nebenan die Chinesen lauern, in einer Parallelwelt, die Alan schon gar nicht mehr zugänglich ist. "Ich bin das Auge am Himmel", sagt er in einem Moment väterlichen Größenwahns zu seiner Tochter. "Ich kann sehen, wo du aufgebrochen bist und wohin du gehst, und von hier oben sieht das alles richtig gut aus." Das ist Amerika, das ist unser aller große Hoffnung und unsere immerwährende Inspiration.
Es ist ein fast gemütlicher, auf eine fast angenehme Weise beängstigender Roman, in dem wir uns aber ganz gut zurechtfinden. Er seziert unseren imaginären Raum, in dem wir von der Globalisierung träumen und gleichzeitig vor ihr Reißaus zu nehmen versuchen. Entwurzelte Existenzen geistern durch dreidimensionale Hochglanzmagazine und haben Sex, als würden sie in den Duty Free Shops nach Geschenken für ihre Angehörigen suchen. Sex, bei dem "jemand anders nicht gerne zusehen würde", wie Ruby, die hysterische Ex-Frau von Alan, konstatiert.
Eggers ist, bis auf das allerdings etwas misslungene Schlussbild, ein großartiger Roman gelungen. Ein Buch, in dem die Leere beruhigend und die Kommunikation beklemmend geworden ist, in dem die größte Lust dann entsteht, wenn wir an uns selbst herumschneiden, uns in unseren Körper hineinzubohren versuchen, wo wir die letzten Reserven von Emotionalität und Spiritualität zu finden erhoffen. "Wir sollten traurig sein, total traurig . . .. Wir verdienen es, für hundert Jahre traurig zu sein", sagt Eggers über den Krieg im Irak. In seinem Roman nimmt diese Traurigkeit jetzt schon Gestalt an. Vielleicht ist es eine Trauer, die Eggers nach dem schnellen Tod seiner Eltern, die innerhalb weniger Monate nacheinander an Krebs verstarben, selbst schon bewältigt hat. Vielleicht zieht er daraus die Kraft für seine beängstigend vielen, so ehrenvollen Projekte, von denen die Literatur und der nach seiner Mutter benannte Verlag nur ein Teil zu sein scheinen. Man schreckt ein bisschen davor zurück, aber kann sich dem auch nicht entziehen.
Es ist heiß dort draußen, draußen in der Wüste. Die Welt rückt immer enger zusammen, und es wird immer bedrohlicher. Der König rauscht mit seiner Fahrzeugkolonne wieder davon. Wirbelt ein bisschen Staub auf. Sonst ist nichts weiter passiert. Lasst uns alle noch mal schnell untertauchen und unter Wasser nach den Schönheiten des Lebens suchen, bevor alles zu Ende ist und wir ins Hotelzimmer zurückkehren müssen, um zu überprüfen, ob uns auch schon so eine verfluchte Geschwulst gewachsen ist. David Foster Wallace hat sich das Leben genommen, Eggers macht weiter. Eggers ist ein Pragmatiker, vielleicht kann er uns allen weiterhelfen, auf der Suche nach dem großen literarischen Leitstern. Sein neuer Roman ist zumindest schon mal ein Anfang.
Dave Eggers: "Ein Hologramm für den König". Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Kiwi, 19,99 Euro
Von Rainer Merkel ist gerade der Roman "Bo" bei S. Fischer erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Roman changiert zwischen zwei Welten. Dem klimatisierten Hotelzimmer, dem Spiegel im Badezimmer, den enervierenden körperlichen Selbstbefragungen und dem kärglich möblierten Zelt in der Wüste, in King Abdullah Economic City, KAEC genannt, wo Alan und sein Team auf den König warten. Die saudi-arabische Wirklichkeit scheint dabei fast unwirklicher als die Phantasie, die wir von ihr haben. Eggers zelebriert das ziemlich genüsslich.
Eggers, der große Magier des Hyperrealismus, der kleine sympathische Bruder von David Foster Wallace, ist jetzt zum Therapeuten unserer globalen Seinsvergessenheit geworden. Alan schafft es noch nicht mal mehr, sich sexuell erregen zu lassen. Nur unter Wasser, sozusagen in einem Modus der vorgeburtlichen Regression, gelingt das noch, als er einer schönen Ärztin hinterhertaucht, die er schließlich im Zuge seiner körperlichen Selbstbefragung konsultiert.
Alan, Eggers, die Amerikaner und natürlich überhaupt wir alle sind in unserem großen kapitalistischen Tagtraum gefangen. Vielleicht sollte man einfach zum Vergleich noch mal nachlesen, wie Dave Eggers in "A.H.W.O.S.G." ("Einem herzzerreißenden Werk umwerfender Genialität"), seinem ersten Buch, das 2000 herauskam, den von Krebs aufgeblähten und gleichzeitig schon halb ausgeweideten Bauchraum seiner sterbenden Mutter inszeniert. Mit was für einer Selbstgewissheit er da vorgeht. Mit einem über 30-seitigen Vorwort nimmt er Anlauf, und springt mitten in dieses ganze Elend hinein. Unglaublich. Kraftvoll und cool zugleich. Aber diese ganze Energie, der ganze hyperaktive Sprachrausch, damit ist es längst vorbei. Eggers verschwindet, nach seinem ersten Roman, in sein selbstgewähltes Exil nach Island und Costa Rica und kommt komplett erneuert wieder zurück. Ein Teil seiner Honorare gibt er von nun an an seine Leser und seine Hilfsprojekte wieder zurück, von Rick Moody wird er zum "Bono der Literatur" ernannt, während Pico Iyer ihn fortwährend mit Norman Mailer vergleicht. Keine Fiktion mehr bitte. Oder jedenfalls nicht zu viel.
Eggers hat alles versucht, um sich den literarischen Narzissmus wieder auszutreiben. Seine Freunde mussten "Weit gegangen", in dem er von der Odyssee eines sudanesischen Bürgerkriegsopfers erzählt, so oft lesen, bis auch die letzten Spuren der Selbstbezüglichkeit, die letzten Bestandteile seiner eigenen Stimme verschwunden waren. Eggers fing noch mal ganz von vorne an. Von dem Charme, aber auch dem Egozentrismus von "A.H.W.O.S.G." ist nichts mehr übrig geblieben.
Jetzt sitzt er im Zelt in der Wüste. In seinem ersten richtigen Roman seit zehn Jahren. Zwar ist Alan ein gesichtsloser Business-Typ mittleren Alters, aber gleichzeitig so empfindsam, dass er an seiner eigenen Sensibilität fast erstickt. Das wirkt zwar etwas kalkuliert, als Abgesang auf die Old-Economy-Ära, aber irgendwie funktioniert es ganz gut. Es funktioniert auf eine ähnliche Weise, wie auch schon Bret Easton Ellis' zeitdiagnostische Charaktere funktioniert haben, es funktioniert über die Leerstellen, die Dumpfheit und die Ignoranz, so wie auch schon die Amerikaner bei Henry James zu Projektionsflächen der Leere geworden sind, in denen das alte Europa sich nach jemandem sehnen konnte, der uns alle mit seiner unerschütterlichen "confidence" vor dem Untergang bewahrt.
Aber Eggers macht da nicht mit. Er entlarvt diesen Mythos, obwohl er ihm natürlich mit Haut und Haaren, mit seinem ganzen Eggerschen Non-Profit-Imperium, von der im Sudan engagierten Valentino Achak Deng Foundation bis zu den Schreib- und Leseschulen von 826 Valencia, verfallen ist, aber das ist eine andere Geschichte. Er entlarvt diesen Mythos als etwas aus zweiter Hand. Etwas, das nur geborgt ist. Und es gelingt ihm, weil er diese besondere Fähigkeit zur Empathie hat. Weil er keine seiner Figuren vorführt oder verrät. Großartig, wie zum Beispiel Alan sich in einem kleinen Dorf in den saudi-arabischen Bergen von seinem Fahrer, mit dem er sich angefreundet hat, einfach absetzen lässt, um mit wildfremden Männern in der glühenden Hitze eine Mauer zu bauen. Ein Wunsch, den er sich jetzt endlich erfüllt, nachdem seine eigene Mauer daheim von den kleinlichen Bürokraten des Bauordnungsamts gestoppt worden ist. Aber es ist nur ein kurzer Glücksmoment, genauso wie der Nachmittag, den Alan mit Zahra verbringt, der Ärztin, die ihn mit einem internationalen Team operiert hat. In seiner Anmaßung hat Alan auf eine ausreichende Betäubung verzichtet, und die Operation wird zu einer fast religiösen Erfahrung. Wie hält man solche Schmerzen aus? Gleichzeitig erinnert sich Alan, wie er vor Jahren mit seiner Tochter nach Cape Canaveral gefahren ist, um einen der letzten Starts des Space Shuttles zu erleben. Er will ihr noch einmal zeigen, wozu Amerika in der Lage ist. Die Schmerzen werden immer größer, und dann verschwindet in seiner Erinnerung das Shuttle in einem gelblichen Blitz im Weltraum und Alan bricht erleichtert in Tränen aus. Das internationale Ärzteteam bohrt sich derweil in sein Innerstes hinein. Aber was ist dort? Wie sind hier die Koordinaten? Was ist eigentlich von uns noch übrig geblieben? Alan und sein Team warten in dem demütigenden Zeltprovisorium auf den arabischen König, damit er sich das neue holographische Konferenzsystem vorführen lassen kann, während in der Black Box nebenan die Chinesen lauern, in einer Parallelwelt, die Alan schon gar nicht mehr zugänglich ist. "Ich bin das Auge am Himmel", sagt er in einem Moment väterlichen Größenwahns zu seiner Tochter. "Ich kann sehen, wo du aufgebrochen bist und wohin du gehst, und von hier oben sieht das alles richtig gut aus." Das ist Amerika, das ist unser aller große Hoffnung und unsere immerwährende Inspiration.
Es ist ein fast gemütlicher, auf eine fast angenehme Weise beängstigender Roman, in dem wir uns aber ganz gut zurechtfinden. Er seziert unseren imaginären Raum, in dem wir von der Globalisierung träumen und gleichzeitig vor ihr Reißaus zu nehmen versuchen. Entwurzelte Existenzen geistern durch dreidimensionale Hochglanzmagazine und haben Sex, als würden sie in den Duty Free Shops nach Geschenken für ihre Angehörigen suchen. Sex, bei dem "jemand anders nicht gerne zusehen würde", wie Ruby, die hysterische Ex-Frau von Alan, konstatiert.
Eggers ist, bis auf das allerdings etwas misslungene Schlussbild, ein großartiger Roman gelungen. Ein Buch, in dem die Leere beruhigend und die Kommunikation beklemmend geworden ist, in dem die größte Lust dann entsteht, wenn wir an uns selbst herumschneiden, uns in unseren Körper hineinzubohren versuchen, wo wir die letzten Reserven von Emotionalität und Spiritualität zu finden erhoffen. "Wir sollten traurig sein, total traurig . . .. Wir verdienen es, für hundert Jahre traurig zu sein", sagt Eggers über den Krieg im Irak. In seinem Roman nimmt diese Traurigkeit jetzt schon Gestalt an. Vielleicht ist es eine Trauer, die Eggers nach dem schnellen Tod seiner Eltern, die innerhalb weniger Monate nacheinander an Krebs verstarben, selbst schon bewältigt hat. Vielleicht zieht er daraus die Kraft für seine beängstigend vielen, so ehrenvollen Projekte, von denen die Literatur und der nach seiner Mutter benannte Verlag nur ein Teil zu sein scheinen. Man schreckt ein bisschen davor zurück, aber kann sich dem auch nicht entziehen.
Es ist heiß dort draußen, draußen in der Wüste. Die Welt rückt immer enger zusammen, und es wird immer bedrohlicher. Der König rauscht mit seiner Fahrzeugkolonne wieder davon. Wirbelt ein bisschen Staub auf. Sonst ist nichts weiter passiert. Lasst uns alle noch mal schnell untertauchen und unter Wasser nach den Schönheiten des Lebens suchen, bevor alles zu Ende ist und wir ins Hotelzimmer zurückkehren müssen, um zu überprüfen, ob uns auch schon so eine verfluchte Geschwulst gewachsen ist. David Foster Wallace hat sich das Leben genommen, Eggers macht weiter. Eggers ist ein Pragmatiker, vielleicht kann er uns allen weiterhelfen, auf der Suche nach dem großen literarischen Leitstern. Sein neuer Roman ist zumindest schon mal ein Anfang.
Dave Eggers: "Ein Hologramm für den König". Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Kiwi, 19,99 Euro
Von Rainer Merkel ist gerade der Roman "Bo" bei S. Fischer erschienen.
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Der Amerikaner Alan Clay gehört mit 54 Jahren zwar noch nicht zum alten Eisen, aber er hat die besten Jahre seines Lebens bereits hinter sich. Als erfolgreicher Manager hat es ihm früher an nichts gefehlt, aber mittlerweile scheint ihn das Glück verlassen zu haben. Job verloren, …
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Der Amerikaner Alan Clay gehört mit 54 Jahren zwar noch nicht zum alten Eisen, aber er hat die besten Jahre seines Lebens bereits hinter sich. Als erfolgreicher Manager hat es ihm früher an nichts gefehlt, aber mittlerweile scheint ihn das Glück verlassen zu haben. Job verloren, geschieden und finanziell so klamm, dass er kaum noch die Studiengebühren für die Ausbildung seiner Tochter aufbringen kann. Mit einem neuen Job als selbstständiger Handlungsreisender (sic!) bewegt er sich ständig am Rande des Existenzminimums.
Aber jetzt sieht er Licht am Ende des Tunnels, denn es gilt King Abdullah Economic City, die Stadt der Zukunft und gleichzeitig Prestigeobjekt des gleichnamigen Monarchen, mit einem innovativen Kommunikationssystem auszustatten, dessen Highlight die Telefonie per Hologramm ist. Und so reist Alan Clay nach Saudi-Arabien und hat nicht nur die Demo-Version der Software sondern auch große Hoffnungen im Gepäck.
Aber diese bekommen bereits bei der Ankunft einen Dämpfer verpasst, denn anstatt einer prosperierenden Mega-City wird die amerikanische Delegation von den Bauruinen des Großprojekts empfangen. Der Auftraggeber taucht nicht auf, und man schickt Alan und seine Begleiter in ein Zelt, in dem weder die Klimaanlage noch der Internetanschluss stabil funktionieren, um dort auf dessen Ankunft zu warten, damit sie ihre Lösung demonstrieren können.
Die Tage vergehen, angefüllt mit Nichtstun und Warten auf den König. Nicht von ungefähr hat Eggers seinem Buch ein Zitat aus Samuel Becketts "Warten auf Godot" vorangestellt, denn so wie jener erscheint auch König Abdullah nicht, und diese Situation hält Alan Clay quasi in einem Schwebezustand, in dem er ausreichend Zeit hat, seine persönliche Situation zu reflektieren, sich mit einer eingebildeten Krankheit zu befassen und den absurden Alltag in dem Wüstenzelt zu bewältigen.
Schlussendlich erscheint der Monarch, und dann platzen alle Träume wie Seifenblasen, denn die Chinesen, die ihn begleiten, sind in der Lage, die gewünschte Kommunikationslösung wesentlich preisgünstiger als die Amerikaner zu realisieren.
Wie immer in seinen Romanen zeigt Dave Eggers in "Ein Hologramm für den König" die Auswirkungen, die politische Zustände und Ereignisse für seine Protagonisten haben. Hier nun ist es der Anbruch eines neuen Zeitalters im Wirtschaftsleben, das nicht mehr an den alten Maßstäben zu messen ist. Fairness und Ehrlichkeit sind längst abgelöst worden von Arroganz und Ellbogenmentalität, im Zentrum steht immer das Streben nach monetären Vorteilen. Der globalisierte Kapitalismus hat dafür gesorgt, dass Amerika stark an Boden gegenüber den Nationen verloren hat, die auf dem Technologiesektor aufgeholt haben und Arbeitskräfte fast zum Nulltarif anbieten.
Klar und eindringlich, warmherzig und mitfühlend, mit großer Sympathie für seine Hauptfigur beschreibt der Autor den Wertewandel und dessen Auswirkungen auf den einzelnen im Zeichen der Globalisierung.
Ganz gleich, wie groß die Anstrengungen sind, es ist vergebens. Männer wie Alan Clay haben keinen Platz mehr in diesem Spiel.
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