Anne Tyler
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Willa Drake führt nach außen hin das Leben einer durchschnittlichen amerikanischen Frau. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Als sie eines Tages einen überraschenden Anruf erhält, stellen eine neue Familie, spleenige Nachbarn und ein Hund namens Airplane ihr Leben gründlich auf den Kopf. Anne Tyler erzählt mit Geist, Witz und Herz die Geschichte einer so stillen wie mutigen Frau, die nach Jahrzehnten sich selbst näherkommt und schließlich, aus einer impulsiven Entscheidung heraus, zu einem selbstbestimmten Leben findet.
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Anne Tyler, geboren 1941 in Minneapolis, Minnesota, ist Autorin von zahlreichen Romanen und Trägerin des Pulitzerpreises. Für ihr Lebenswerk erhielt sie den Sunday Times Award. Sie ist Mitglied der American Academy und des Institute of Arts and Letters. Bei Kein & Aber erschienen unter anderem ihre Bestseller Eine gemeinsame Sache, Launen der Zeit, Der leuchtend blaue Faden, mit dem sie auf der Shortlist des Booker Prize und des Women's Prize for Fiction stand, sowie Der Sinn des Ganzen, der ebenfalls für den Booker Prize nominiert war. 2024 erschien ihr neuer Roman Drei Tage im Juni. Anne Tyler lebt in Baltimore.
Michaela Grabinger hat für Kein & Aber zahlreiche Romane übersetzt, u. a. von Laila Lalami, Elif Shafak, Anne Tyler, Helen Simpson und Russell Franklin.
Michaela Grabinger hat für Kein & Aber zahlreiche Romane übersetzt, u. a. von Laila Lalami, Elif Shafak, Anne Tyler, Helen Simpson und Russell Franklin.
Produktdetails
- Verlag: Kein + Aber
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 10. Juli 2018
- Deutsch
- ISBN-13: 9783036993829
- Artikelnr.: 52908863
Auszug aus dem Puppenhaus
Anne Tylers Milieu ist die dysfunktionale Familie: In "Launen der Zeit" lässt die Autorin eine Amerikanerin den Aufstand proben
Anne Tyler verfügt über die unversiegbare Fabulierfreude und den Kultstatus der angelsächsischen Schriftsteller, die ihren Ton und ihr Publikum ein für allemal gefunden haben. John Updike nannte sie einmal wickedly good, also etwa auf hinterlistige Weise gut; und der literarisch hochangesehene "Guardian" verkündete: "Die größte lebende Romanautorin? Ganz einfach: Anne Tyler."
Zuletzt hat sie Shakespeares skandalöse Zähmung der Widerspenstigen in eine migrantenfreundliche Greencard-Komödie umgeschrieben, die der Vorlage den Stachel nimmt. Sie mag
Anne Tylers Milieu ist die dysfunktionale Familie: In "Launen der Zeit" lässt die Autorin eine Amerikanerin den Aufstand proben
Anne Tyler verfügt über die unversiegbare Fabulierfreude und den Kultstatus der angelsächsischen Schriftsteller, die ihren Ton und ihr Publikum ein für allemal gefunden haben. John Updike nannte sie einmal wickedly good, also etwa auf hinterlistige Weise gut; und der literarisch hochangesehene "Guardian" verkündete: "Die größte lebende Romanautorin? Ganz einfach: Anne Tyler."
Zuletzt hat sie Shakespeares skandalöse Zähmung der Widerspenstigen in eine migrantenfreundliche Greencard-Komödie umgeschrieben, die der Vorlage den Stachel nimmt. Sie mag
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Außenseiter, aus dem Alltagstrott ausscherende Frauen und komische Käuze. Ihr Milieu ist die dysfunktionale amerikanische Normalfamilie, ihr Stil ein gleichmäßiger, syntaktisch unkomplizierter Erzählton mit eher lapidaren Dialogen. Das Wichtigste steht oft zwischen den Zeilen. Dies ist ihr zweiundzwanzigster Roman, und die deutsche Version, die diesen Ton bewundernswert genau trifft, erscheint gleichzeitig mit dem Original.
Dort heißt das Buch "Clock Dance", nach einem Kindertanz, bei dem ruckartige Armbewegungen den Lauf des Uhrzeigers nachahmen. Auf Deutsch hat man ihm den faden Titel "Launen der Zeit" verpasst, und das ebenso irrelevante Umschlagbild zeigt zwei seilhüpfende kleine Lockenmädchen. Die Autorin lässt die Uhr im Leben ihrer unheldischen Heldin Willa Drake ordentlich ruckeln. 1967, 1977 und 1997 spielen die drei Episoden des ersten Drittels. Sie zeigen eine Willa, die eher die Konfliktscheu ihres Vaters als das aufbrausende Wesen ihrer Mutter geerbt hat.
In kritischen Situationen reagiert sie hilflos und kuscht vor Derek, ihrem College-Freund, als er auf dem Abbruch ihres Sprachstudiums zum Zweck sofortiger Heirat besteht. Sich selbst sieht sie als eine Frau, "deren Hauptziel darin bestand, als selbstverständlich betrachtet zu werden". Dereks Anspruch auf lebenspraktische Überlegenheit äußert sich nicht zuletzt in seinem aggressiven Fahrstil, der Willa in einem Anfall ungezügelter road rage nach knapp zwanzig Ehejahren zur Witwe macht.
Den Präliminarien folgt der Hauptteil. Nach einem halben Jahrhundert sind wir in der Gegenwart des Jahres 2017 angelangt. Der neue Gatte Peter tituliert Willa gern als "Kleines" und ist auch sonst keine echte Alternative zu dem Verflossenen. Die beiden Söhne kümmern sich wenig um ihre Mutter, seelische Vereinsamung droht. Wir ahnen, es wird langsam Zeit für einen Ausbruch aus dem Puppenhaus und für ein Accelerando der Geschichte. In solchen Fällen hilft zuverlässig ein bewährtes Requisit, die geladene Pistole. Ihr erster Auftritt anno 1977, als ein Sitznachbar im Flugzeug der jungen Frau etwas Hartes in die Seite rammt und sie anzischt: "Das ist eine Waffe. Sie ist geladen. Eine Bewegung und ich schieße", diente nur dazu, sie in ihrer verzagten Hilflosigkeit vorzuführen. Es gab keinen Eklat, keine Aufklärung des Vorfalls.
Doch diesmal ist die Pistole losgegangen, auf offener Straße, scheinbar aus dem Nichts, und hat Denise, die Exfreundin des älteren Sohnes, ins Bein getroffen. Der etwas ruppige Anruf einer genervten Nachbarin - unbedingt und schnellstens müsse sie ihrer eingegipsten Tochter helfen und ihre Enkelin Cheryl versorgen - bringt Willa zum ersten spontanen Entschluss ihres Lebens und katapultiert sie aus dem vertrauten Arizona in ein abenteuerlich fremdes Baltimore.
Aber die Nachbarin irrt sich, die Kleine ist gar nicht das Kind des Sohnes. Wider die Vernunft und unter Missachtung aller männlichen Bedenken folgt Willa trotzdem dem Ruf in eine Welt, die den gepflegten Leerlauf ihrer bisherigen Existenz gründlich durcheinanderbringt. Ein schäbiges Viertel in einer Stadt ohne Glamour (Wohnort der Autorin und Schauplatz vieler ihrer Bücher), wo die uramerikanische Tugend der Nachbarschaftshilfe noch nicht ausgestorben ist und wo Willa sich gebraucht und gemocht fühlen darf. Hier ist Anne Tyler, die aus einer Quakerfamilie stammt, in ihrem Element.
Unter den liebenswerten Spinnern und Misfits der neuen Umgebung findet Willa eine neue Familie, lernt Selbstvertrauen und sogar Autofahren auf unbekanntem Terrain. Die humpelnde und scharfzüngige Denise wächst ihr regelrecht ans Herz - man ahnt bald, dass sie eine bessere Gefährtin für den Sohn abgegeben hätte als die affektierte Blondine, die er seiner Mutter bei einem Lokalbesuch vorstellt.
Im Zentrum der Anziehung steht die gar nicht so kleine, alles andre als hilflose Cheryl, dank ihrer ungeschminkten Sprache eine Offenbarung für die verhinderte Linguistin und bald schon Wunsch-Enkelkind ihrer unechten Oma. Sie streichelt das Gipsbein der Mutter, kuschelt mit dem Hund Airplane (ja, er hat Flügelohren) und backt Ingwerplätzchen. Wenn Willa sich über sie beugt, atmet sie "tief und genüsslich den buttrigen Popcorngeruch von Cheryls Haar ein". Anders als der Duft von Popcorn hat diese - durchaus klischeeverdächtige - Vorstadtidylle nichts Süßliches an sich. Sie erinnert an das Symbol des Saguaro oder Säulenkaktus, Willas Lieblingspflanze, die in Form eines Miniablegers von Arizona an die Ostküste wandert: stachelbewehrte Sukkulenz aus kargem Boden. Am Ende macht sich Willa auf den Heimflug, zurück zu ihrem Gatten mit seinen Geschäftsfreunden und Golfkumpels. Aber halt: "Beim Betreten des Terminals überkam sie das Gefühl, alle Menschen hätten für die Dauer ihrer Abwesenheit mitten in der Bewegung verharrt... Sie alle wirkten wie gemalt, wie Puppen, deren Puppenhaus der Flughafen war." Mitten unter den Rucksack- und Laptoptaschenträgern sieht sie sich nach den Ticketschaltern um. Ein Rückflug ist angesagt.
WERNER VON KOPPENFELS
Anne Tyler: "Launen der Zeit". Roman.
Verlag Kein & Aber. Zürich, Berlin 2018. 303 S., geb. 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dort heißt das Buch "Clock Dance", nach einem Kindertanz, bei dem ruckartige Armbewegungen den Lauf des Uhrzeigers nachahmen. Auf Deutsch hat man ihm den faden Titel "Launen der Zeit" verpasst, und das ebenso irrelevante Umschlagbild zeigt zwei seilhüpfende kleine Lockenmädchen. Die Autorin lässt die Uhr im Leben ihrer unheldischen Heldin Willa Drake ordentlich ruckeln. 1967, 1977 und 1997 spielen die drei Episoden des ersten Drittels. Sie zeigen eine Willa, die eher die Konfliktscheu ihres Vaters als das aufbrausende Wesen ihrer Mutter geerbt hat.
In kritischen Situationen reagiert sie hilflos und kuscht vor Derek, ihrem College-Freund, als er auf dem Abbruch ihres Sprachstudiums zum Zweck sofortiger Heirat besteht. Sich selbst sieht sie als eine Frau, "deren Hauptziel darin bestand, als selbstverständlich betrachtet zu werden". Dereks Anspruch auf lebenspraktische Überlegenheit äußert sich nicht zuletzt in seinem aggressiven Fahrstil, der Willa in einem Anfall ungezügelter road rage nach knapp zwanzig Ehejahren zur Witwe macht.
Den Präliminarien folgt der Hauptteil. Nach einem halben Jahrhundert sind wir in der Gegenwart des Jahres 2017 angelangt. Der neue Gatte Peter tituliert Willa gern als "Kleines" und ist auch sonst keine echte Alternative zu dem Verflossenen. Die beiden Söhne kümmern sich wenig um ihre Mutter, seelische Vereinsamung droht. Wir ahnen, es wird langsam Zeit für einen Ausbruch aus dem Puppenhaus und für ein Accelerando der Geschichte. In solchen Fällen hilft zuverlässig ein bewährtes Requisit, die geladene Pistole. Ihr erster Auftritt anno 1977, als ein Sitznachbar im Flugzeug der jungen Frau etwas Hartes in die Seite rammt und sie anzischt: "Das ist eine Waffe. Sie ist geladen. Eine Bewegung und ich schieße", diente nur dazu, sie in ihrer verzagten Hilflosigkeit vorzuführen. Es gab keinen Eklat, keine Aufklärung des Vorfalls.
Doch diesmal ist die Pistole losgegangen, auf offener Straße, scheinbar aus dem Nichts, und hat Denise, die Exfreundin des älteren Sohnes, ins Bein getroffen. Der etwas ruppige Anruf einer genervten Nachbarin - unbedingt und schnellstens müsse sie ihrer eingegipsten Tochter helfen und ihre Enkelin Cheryl versorgen - bringt Willa zum ersten spontanen Entschluss ihres Lebens und katapultiert sie aus dem vertrauten Arizona in ein abenteuerlich fremdes Baltimore.
Aber die Nachbarin irrt sich, die Kleine ist gar nicht das Kind des Sohnes. Wider die Vernunft und unter Missachtung aller männlichen Bedenken folgt Willa trotzdem dem Ruf in eine Welt, die den gepflegten Leerlauf ihrer bisherigen Existenz gründlich durcheinanderbringt. Ein schäbiges Viertel in einer Stadt ohne Glamour (Wohnort der Autorin und Schauplatz vieler ihrer Bücher), wo die uramerikanische Tugend der Nachbarschaftshilfe noch nicht ausgestorben ist und wo Willa sich gebraucht und gemocht fühlen darf. Hier ist Anne Tyler, die aus einer Quakerfamilie stammt, in ihrem Element.
Unter den liebenswerten Spinnern und Misfits der neuen Umgebung findet Willa eine neue Familie, lernt Selbstvertrauen und sogar Autofahren auf unbekanntem Terrain. Die humpelnde und scharfzüngige Denise wächst ihr regelrecht ans Herz - man ahnt bald, dass sie eine bessere Gefährtin für den Sohn abgegeben hätte als die affektierte Blondine, die er seiner Mutter bei einem Lokalbesuch vorstellt.
Im Zentrum der Anziehung steht die gar nicht so kleine, alles andre als hilflose Cheryl, dank ihrer ungeschminkten Sprache eine Offenbarung für die verhinderte Linguistin und bald schon Wunsch-Enkelkind ihrer unechten Oma. Sie streichelt das Gipsbein der Mutter, kuschelt mit dem Hund Airplane (ja, er hat Flügelohren) und backt Ingwerplätzchen. Wenn Willa sich über sie beugt, atmet sie "tief und genüsslich den buttrigen Popcorngeruch von Cheryls Haar ein". Anders als der Duft von Popcorn hat diese - durchaus klischeeverdächtige - Vorstadtidylle nichts Süßliches an sich. Sie erinnert an das Symbol des Saguaro oder Säulenkaktus, Willas Lieblingspflanze, die in Form eines Miniablegers von Arizona an die Ostküste wandert: stachelbewehrte Sukkulenz aus kargem Boden. Am Ende macht sich Willa auf den Heimflug, zurück zu ihrem Gatten mit seinen Geschäftsfreunden und Golfkumpels. Aber halt: "Beim Betreten des Terminals überkam sie das Gefühl, alle Menschen hätten für die Dauer ihrer Abwesenheit mitten in der Bewegung verharrt... Sie alle wirkten wie gemalt, wie Puppen, deren Puppenhaus der Flughafen war." Mitten unter den Rucksack- und Laptoptaschenträgern sieht sie sich nach den Ticketschaltern um. Ein Rückflug ist angesagt.
WERNER VON KOPPENFELS
Anne Tyler: "Launen der Zeit". Roman.
Verlag Kein & Aber. Zürich, Berlin 2018. 303 S., geb. 22,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Sylvia Staude gibt zu, dass Anne Tyler nicht zu den rasend spektakulären Erzählerinnen gehört. Allerdings schätzt Staude Tylers unaufgeregten Ton und eleganten Sätze, ihre Fähigkeit, Kitsch zu vermeiden und Dinge zwischen den Zeilen stehenzulassen. Die an sich wenige berauschende Geschichte einer fest im amerikanischen Alltag und in der Ehe eingespannten Frau, die ihrem Leben nach einem unerwarteten Ereignis eine geringfügig neue Wendung zu geben vermag, erklärt Staude, zeigt Tyler als meisterhafte Erzählerin der Nuancen und feine Ironikerin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Gebundenes Buch
Familie - das war immer so ein Thema für Willa. Nicht, dass sie keine gehabt hätte, aber bei ihr lief es immer ein bisschen anders ab als in den so genannten Vorzeigefamilien, vor allem in ihrer Kindheit, als die ebenso manisch-depressive wie kapriziöse Mutter mit dem ihr ergebenen …
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Familie - das war immer so ein Thema für Willa. Nicht, dass sie keine gehabt hätte, aber bei ihr lief es immer ein bisschen anders ab als in den so genannten Vorzeigefamilien, vor allem in ihrer Kindheit, als die ebenso manisch-depressive wie kapriziöse Mutter mit dem ihr ergebenen Vater und damit auch mit den beiden noch recht jungen Töchtern sozusagen den Molli machte. Was nichts anderes heißt, als dass die ganze Familie ihrem Willen und vor allem ihren extremen Launen unterworfen war - da konnte es schon mal passieren, dass sie auf die Mädchen einprügelte und es gleich danach bitter bereute. Oder einfach für ein paar Tage die Familie verließ und bei der Rückkehr so auftrat, als ob nichts gewesen wäre. Willa hat sich eingefügt, versucht, ihren geliebten Vater zu unterstützen, nie rebelliert und stumm gelitten.
Später, in ihrer Ehe, bemüht Willa sich darum, es mit ihren beiden Söhnen ganz anders anzugehen und ihnen eine liebevolle und präsente Mutter zu sein. Ihre Ehe mit Derek ist, obgleich nicht einfach, doch ein stabiles und festes Fundament in ihrer beider Leben. Doch dann stirbt Derek mit Anfang vierzig und sie muss ihre Geschicke neu ordnen
Im weiteren Verlauf der Handlung begegnen wir Willa im Alter von 61: Sie erhält gerade einen sehr überraschenden Anruf, in dem sie - in zweiter Ehe in Arizona lebend - darum gebeten wird, der ehemalige Freundin ihres Sohnes in Baltimore zur Hilfe zu eilen, die angeschossen wurde. Im Klartext soll sie sich um deren Tochter Cheryl, die noch ein Kind ist, kümmern. Willa weiß selbst nicht warum, aber sie nimmt diese merkwürdige Herausforderung an - und erlebt zum ersten Mal, wie anders das Leben sein kann - auch hier fügt sie sich ein, aber ebenso lenkt sie und erfährt zum ersten Mal, wie es ist, selbst gesteuert zu leben. Und auch, dass das Konzept "Familie" ganz anders funktionieren kann als das, was sie bisher kannte.
Willas Leben im Wandel der Zeiten: Das garantiert ein ruhiges, dabei eindringliches, kraftvolles und ausgesprochen sprachgewaltiges Leseerlebnis! Typisch Anne Tyler also?
Ja und nein, denn anders als in den meisten Vorgängerromanen, in denen sich der Fokus im Erzählverlauf auf verschiedene Personen richtet, steht diesmal durchgehend Willa im Mittelpunkt - es ist ein Weg der Entwicklung und der Erkenntnis, den sie durchläuft. Doch eine Konstante bleibt: am Ende hat man das Gefühl, ein absolut abgerundetes Bild, einen vollkommenen Eindruck von allem zu haben und legt das Buch mit tiefer Befriedigung aus der Hand - und vielleicht auch mit ein bisschen Wehmut, denn wieder gibt es einen ungelesenen Tyler-Roman weniger, auf den man sich freuen könnte.
Anne Tyler bewerben zu wollen, würde bedeuten, Eulen nach Athen zu tragen: die Grande Dame der amerikanischen Literatur braucht keine Propaganda, schon gar nicht von einer "normalen" Leserin wie mir. Doch vielleicht kennt der ein oder andere sie doch noch nicht oder nicht gut genug: dieser Roman wäre eine tolle Gelegenheit, um Bekanntschaft mit der Autorin, ihrem so leichten und dabei so eleganten Stil, ihrer wunderbaren, glasklaren Sprache - die, soweit ich es beurteilen kann, aufs Trefflichste von Michaela Grabinger ins Deutsche übertragen wurde, zu machen.
Mein Fazit: Anne Tyler versteht es, die Banalitäten des Lebens, das Alltägliche - eine Frau, die im Laufe ihres Lebens Erfahrungen unterschiedlichster Art sammelt - zu etwas ganz Besonderem, Einzigartigen werden zu lassen - so wie wir alle in unseren Leben gleichzeitig banal und einzigartig sind. Wie immer ist ihr das einfach großartig gelungen, denn sie versteht es, mit einer Leichtigkeit zu schreiben, die das Buch auch als Unterhaltung genießen lässt: selbstverständlich auf allerhöchstem Niveau. Ich hoffe sehr, dass der Nobelpreis nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt!
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