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in der Nacht
Antonia Murgos Debütroman über eine junge
Nanny in einem merkwürdigen Haushalt
Landkartenfälscherin, Musikautomatenstimmerin, Erdbeerverkäuferin, Zirkusartistin: Es gibt kaum einen Beruf, den Fräulein Dezember noch nicht probiert hat – und das, obwohl sie erst 15 Jahre alt ist. Ihre neue Stelle als Kindermädchen bei Familie Mondschein klingt vergleichsweise harmlos.
Es wird ihr aber schnell klar, dass sie sich da gewaltig getäuscht hat. In der verwinkelten Villa der Familie passieren die seltsamsten Dinge: Ihr Schützling Raban kann sich in Luft und Rauch auflösen und spielt die fiesesten Streiche. Bald stellt sich heraus, dass er magische Kräfte hat. Noch mysteriöser ist Rabans Vater Herr Mondschein, der in seinem Beruf als „Schattenmann“ kleine Kinder erschreckt. Nacht um Nacht klappert er an Türen oder wirft gruselige Schatten an die Wände. Aber warum ist er, zumindest in seiner Freizeit, so freundlich und nett?
In ihrem Debütroman thematisiert die italienische Autorin Antonia Murgo die sprichwörtliche Angst vor dem Monster unter dem Bett – vor gruseligen Schatten und unerklärlichen Geräuschen im Kinderzimmer. Mit Herrn Mondschein und seinem Beruf als Angstmacher gibt sie dieser Furcht eine Menschengestalt. Er wird aber nicht nur als bedrohlicher Schattenmann dargestellt, sondern gleichzeitig als sorgender Familienvater, der die nächtliche Angstmacherei als ganz gewöhnlichen Beruf versteht. Dezembers Erfahrungen als Blumenverkäuferin oder Zirkusartistin findet er viel sonderbarer.
Langsam gewöhnt sich Fräulein Dezember an das verwinkelte Haus und seine mysteriösen Bewohner. Sie versteht mit der Magie der Mondscheins umzugehen: Raban lässt sich mit einem Blasebalg wieder in ein Kind aus Fleisch und Blut zurückverwandeln. Seine liebsten Verstecke – auf dem warmen, weichen Brot im Ofen oder ganz oben auf dem Schornstein – kennt sie bald. Auch ihr anfängliches Misstrauen gegenüber dem Schattenmann legt sich. Trotz seines kuriosen Berufs ist Herr Mondschein der netteste Mensch, dem Dezember je begegnet ist. Als eines Nachts eine Gruppe Einbrecher den Schattenmann besiegen will, um die Welt für immer von den nächtlichen Ängsten zu befreien, muss Dezember sich entscheiden. Wer ist gut, wer böse? Und wer versteckt geschickt seine bösen Absichten?
Antonia Murgo hat mit Fräulein Dezember eine jüngere Version von Mary Poppins geschaffen, die in dieser magisch-mysteriösen Geschichte zeigt, dass Angst auch gute Seiten hat. „Wenn sie als Kind die Angst vorm Schattenmann besiegen, besiegen sie als Erwachsene auch alle anderen Ängste“, beschreibt Herr Mondschein seinen Beruf. Die Menschen, die sich ihrer Furcht noch nie stellen mussten, sind ihr später erst recht nicht gewachsen. Gleichzeitig werden die Menschen, die den Schattenmann besiegen und damit die Angst vertreiben wollen, als Schurken beschrieben. Diese vertauschten Rollen lassen die Leser bis zum Schluss rätseln, wem Dezember vertrauen kann. Damit wirft der Roman ein neues Licht auf das Verständnis von Gut und Böse und normalisiert die Angst, die jeder von Zeit zu Zeit in sich trägt. Vielleicht denkt das ein oder andere Kind das nächste Mal an Raban und Herrn Mondschein, wenn die Nacht wieder merkwürdige Schatten an die Kinderzimmerwände wirft.
JOHANNA MÜLLER
Die liebsten
Verstecke ihres
Schützlings:
im Schornstein
und auf
dem warmen,
weichen
Brot im
Ofen
Antonia Murgo:
Fräulein Dezember und die Mondscheinbande.
Aus dem Italienischen
von Ingrid Ickler.
Knesebeck Verlag,
München 2023.
192 Seiten, 16 Euro.
Ab 8 Jahren.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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