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In "Eine runde Sache" reisen zwei Künstler aus zwei unterschiedlichen Jahrhunderten durch sprachliche und kulturelle Räume und sind immerzu in Bewegung. Fremdheitserfahrungen, Identität, das Leben als Künstler und jede Menge Politik sind die großen Themen des Romans, in dem sich die beiden Handlungsstränge gegenseitig spiegeln. Zuerst schickt sich Tomer Gardi selbst, auf Deutsch verfasst, als literarische Figur mit dem sprechenden Deutschen Schäferhund Rex und dem Elfen- oder gar Erlkönig an seiner Seite auf eine fantastisch-abenteuerliche Odyssee. Slapstickartig, komisch und mit viele...
In "Eine runde Sache" reisen zwei Künstler aus zwei unterschiedlichen Jahrhunderten durch sprachliche und kulturelle Räume und sind immerzu in Bewegung. Fremdheitserfahrungen, Identität, das Leben als Künstler und jede Menge Politik sind die großen Themen des Romans, in dem sich die beiden Handlungsstränge gegenseitig spiegeln. Zuerst schickt sich Tomer Gardi selbst, auf Deutsch verfasst, als literarische Figur mit dem sprechenden Deutschen Schäferhund Rex und dem Elfen- oder gar Erlkönig an seiner Seite auf eine fantastisch-abenteuerliche Odyssee. Slapstickartig, komisch und mit vielen unterschwelligen Nadelstichen peitscht der Wind in die Segel. Im zweiten Teil des Romans, übersetzt aus dem Hebräischen, folgen wir dem im 19. Jahrhundert lebenden indonesischen Maler Raden Saleh von Java durch Europa und zurück nach Asien - ein historischer Roman und zugleich ein Abbild unserer Zeit. Virtuos spielt Tomer Gardi mit Sprachen. Mit all seiner Originalität und dem Überbordwerfen konventioneller Romankonzeptionen löst er auch die Krux mit der Wahl der Sprache, die sein literarisches Ich martert. Sagt es zu Beginn des Romans doch, »dass ich ein Idee für eine Geschichte habe, weiß aber nicht, ob ich es auf Hebräisch schreiben soll, oder auf meinem Deutsch. (...) Jeder Stimme wird ja was anderes und unterschiedliches Ausdrücken können. Andere und unterschiedliche Fantasien entwickeln, von andere und unterschiedliche Lebenserfahrungen erzählen können. (...) Und wie kann ich entscheiden?«
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Tomer Gardi, geboren 1974 im Kibbuz Dan in Galiläa, lebt in Berlin. Er studierte Literatur und Erziehungswissenschaft in Tel Aviv und Berlin. Gardis literarischer Essay "Stein, Papier" wurde 2011 veröffentlicht (dt. 2013). Beim Bachmannpreis 2016 löste ein Auszug aus seinem Debütroman "Broken German" eine Debatte über die deutschsprachige Gegenwartsliteratur aus. Sein zweiter Roman "Sonst kriegen Sie Ihr Geld zurück" erschien 2019. Das Hörspiel zu "Broken German" erhielt 2017 den Deutschen Hörspielpreis der ARD. "Die Feuerbringer - Eine Schlager-Operetta" wurde von der Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Monats Februar 2018 gewählt.
Produktdetails
- Verlag: Droschl, M
- Seitenzahl: 256
- Erscheinungstermin: 25. Juni 2021
- Deutsch
- ISBN-13: 9783990590973
- Artikelnr.: 61914749
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Oliver Jungen unterhält sich fabelhaft mit Tomer Gardis spiegelbildlichen Erzählungen, die der Autor zu einem Roman über Identität zusammenfasst. Wie der Autor den Mythos vom Ewigen Juden und die Geschichte des indonesischen Malerfürsten Raden Saleh in den beiden Texte zu einem Antimärchen über die "Heimatsuche von Künstlernaturen" verklebt, findet Jungen so überbordend witzig wie fordernd, da der Autor allerhand Urdeutsches vom Schäferhund bis zum Erlkönig auftreten lässt und alles in seiner Kunstsprache beschreibt und bisweilen in einem "Schäferhund-Deutsch".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Ich ist ein Wanderer
Gewundene Wege, romantischer Blick, freche Schnauze: Tomer Gardis doppelter Identitätsroman bringt einen erfrischenden Ton in den Zugehörigkeitsdiskurs.
Eine Sache kann schief sein und doch rund wirken. Das Portugiesische hat mit "barocco" sogar ein Wort für schiefrunde Perlen, deren Reiz gerade darin besteht, keine vollendete Kugel zu sein. In diesem Sinne ließe sich auch das Buch des in Berlin lebenden israelischen Schriftstellers Tomer Gardi als "runde Sache" ansehen. So verschieden die beiden darin enthaltenen, in sich wiederum kreisförmig angelegten Erzählungen auf allen Ebenen sind, wirken sie doch wie verzerrte Spiegelbilder voneinander. Hier wie dort nämlich geht es um eine endlose
Gewundene Wege, romantischer Blick, freche Schnauze: Tomer Gardis doppelter Identitätsroman bringt einen erfrischenden Ton in den Zugehörigkeitsdiskurs.
Eine Sache kann schief sein und doch rund wirken. Das Portugiesische hat mit "barocco" sogar ein Wort für schiefrunde Perlen, deren Reiz gerade darin besteht, keine vollendete Kugel zu sein. In diesem Sinne ließe sich auch das Buch des in Berlin lebenden israelischen Schriftstellers Tomer Gardi als "runde Sache" ansehen. So verschieden die beiden darin enthaltenen, in sich wiederum kreisförmig angelegten Erzählungen auf allen Ebenen sind, wirken sie doch wie verzerrte Spiegelbilder voneinander. Hier wie dort nämlich geht es um eine endlose
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Identitätssuche von Künstlernaturen, und insbesondere ein Motiv ist es, das dieses kuriose Prosa-Paar zur Perle rundet: das des Ewigen Juden.
Gardi fasst den alten Mythos unter Anlehnung an den französischen Feuilletonliteraten Eugène Sue als ewige Strafwanderschaft auf und parallelisiert ihn der Sage des Fliegenden Holländers. Der gleichnamige Propagandafilm der Nationalsozialisten schwingt allenfalls als Assoziation mit, aber der Grund für das ziellose Irren liegt unschwer erkennbar in einem rassistischen Absprechen der Zugehörigkeit, mal ganz direkt, mal romantisch verbrämt.
Die erste der beiden Geschichten ist eine fulminant grobianische Groteske mit so viel Witz, Feuer und Skurrilität, als würde Helge Schneider eine Satire von Scholem Alejchem nachzuerzählen versuchen. Als Icherzähler fungiert ein gewisser Tomer Gardi, ein "gieriger Mensch" und daher stets der Erste am Buffet, wobei ihm am Eröffnungsabend eines Theaterfestivals ein Missgeschick passiert - "ein Stück Salzgürke" flutscht ihm vom Teller, auf dem ausgerechnet der Intendant ausrutscht und "auf seiner Arsch" landet: "Das Leben hat die Kunst beleidigt" - was sich nur durch eine "passende Erklärung", also eine Geschichte, wiedergutmachen lässt. Als ebendie präsentiert sich das freihändig erdachte Antimärchen aus deutschen Wäldern. Einen guten Teil seines enormen Sprachwitzes verdankt es dem dabei verwendeten Gardi-Deutsch, einer von diesem Autor zur Perfektion gebrachten Kunstsprache, deren Reiz gerade darin besteht, kein vollendetes Duden-Idiom zu sein. Dass Gardis "Broken German", das beim Ingeborg-Bachmann-Preis vor einigen Jahren eher konsterniert zur Kenntnis genommen wurde, nicht nur effektvoll lakonisch ist, sondern melodisch und rhythmisch hochgradig durchgeformt, zeigt sich auf Anhieb an Formulierungen wie: "Der Fluss flieste jetzt ruhig und klar. Eine Idylle, ironisiert. Immer eine Frage der Perspektive, die Idylle."
Auch inhaltlich geht es viel um Aussprache und Missverstehen, denn nur so gelangt der sich nach einer "Yacht" sehnende Protagonist auf eine wilde, deutsche "Jagd" (und zwar als Gejagter). Mit diesem Halali stehen zahlreiche urdeutsche Figuren in Verbindung, darunter ein dauerreimender "Erlkönig" und ein sprechender Schäferhund, der aus kompliziert zu erklärenden Gründen eine Gummi-Automatenvagina als Maulkorb trägt und deshalb nur umlautgebrochenes Schäferhund-Deutsch herausbekommt ("Üch brüngü düch üm"). Das immer abstruser werdende Abenteuer, in dessen Verlauf das Gespann aus Hund, Erlkönig und Ewigem Juden - als solcher erscheint der auf der Flucht Verlotternde den anderen bald - lustig plaudernd einen allegorischen Ort (Bad Obdach) erreicht und dort eine adlerbewachte deutsche Arche zu besteigen versucht, was angesichts der hereinbrechenden Sintflut keine schlechte Idee ist, besteht also aus wüst und komisch ineinander verkeilten Versatzstücken der jüdisch-deutschen Kulturgeschichte, eine Antiidylle, ironisiert.
Die scheiternde Assimilation des Helden (Tomer schlüpft in den gehäuteten Erlkönig, wird aber gleich an seiner Sprache enttarnt) ist dabei ebenso Thema wie seine Weigerung, weiter als "ewiger Zeuge", nämlich "Von dem Kreuz zum gehakten Kreuz", herhalten zu wollen: "Ich bin jetzt in Fantasie interessiert." Wie Ahab am Wal endet dieser frechzüngige Ahasver an der Außenseite der durch die Zeiten geworfenen Arche. Und tatsächlich gelingt es dem Autor, diese um ein Haar im Mythos ertrunkene, dabei bis zuletzt krachlustige Erzählung samt abschließendem Clou (einem Identitäts-Rollentausch, einer Verneigung vor dem Theater) in die Rahmenhandlung zurückzuschleudern.
Klassisch erzählt hingegen mutet die von Anne Birkenhauer aus dem Hebräischen übersetzte, auf den ersten Blick rein historisch-biographische Spiegelerzählung an, die freilich ebenfalls einen Ausfall ins Zotige enthält. Zudem gibt es wieder eine eigenwillige Rahmenhandlung, die die Erzählsituation begründet. Demnach ist es ein Museumswächter des Dresdner Albertinums, der die (detailliert recherchierte) Lebensgeschichte des Malers Raden Saleh zum Besten gibt, und zwar leicht barock überbordend und samt erdachtem Gerücht über ein obszönes Porträt, das der javanische Prinz von seinem Mentor Jean Baud, Generalgouverneur von Niederländisch-Ostindien, angefertigt haben soll. Saleh, Gründer der modernen indonesischen Malerei, der Jahrzehnte in Europa verbrachte, bietet sich als Held geradezu an, weil an diesem Grenzgänger Stereotype zu zerbrechen scheinen: ein dunkelhäutiger Mann aus den Kolonien, der weiße Bedienstete hatte und in den europäischen Adelshäusern ein und aus ging. Und doch war er nie Gleicher unter Gleichen, in keiner der Kulturen.
Saleh imitierte alle Stile, malte Porträts, Landschaften, Jagd- und Schiffsszenen in teils romantischer, teils orientalistischer Weise. Von Stadt zu Stadt, von Hof zu Hof zieht der Autor mit seinem Helden, zeigt im Detail, wie Saleh nicht ohne Erfolg um Anerkennung kämpfte, aber ein ewig Wandernder blieb. Sein Weg war auch eine Flucht vor der wie ein Fatum über ihm schwebenden Verpflichtung, als königlich niederländischer Hofmaler in seine alte, von den Kolonialherren versklavte Heimat zurückzukehren, um diese für die neuen Machthaber zu porträtieren. Es geschah gleichwohl. In der Kolonie aber galten die klingenden Titel Salehs nichts. Hier herrschte der nackte Rassismus vor, nicht der kultivierte aus den europäischen Salons, und auch Saleh versank nun endgültig zwischen den Identitäten.
Wie sich diese beiden sprachlich, stilistisch und inhaltlich grundverschiedenen Versionen derselben unerfüllten, aber nie larmoyanten, sondern wundersam couragierten Heimatsuche gegenseitig ausbalancieren und damit auf einer Metaebene (der Zweisprachigkeit) selbst kommentieren, ist nicht nur subtil klug, sondern auch fabelhaft unterhaltsam und selten optimistisch. Die Odyssee selbst ist schließlich schon die halbe Ankunft: Tomer Gardi feiert den Irrweg und das Missverstehen, denn auch so, ja: nur so geht es voran. Immer eine Frage der Perspektive, die Idylle. OLIVER JUNGEN
Tomer Gardi: "Eine runde Sache". Roman.
Zur Hälfte aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Literaturverlag Droschl, Graz 2021. 256 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gardi fasst den alten Mythos unter Anlehnung an den französischen Feuilletonliteraten Eugène Sue als ewige Strafwanderschaft auf und parallelisiert ihn der Sage des Fliegenden Holländers. Der gleichnamige Propagandafilm der Nationalsozialisten schwingt allenfalls als Assoziation mit, aber der Grund für das ziellose Irren liegt unschwer erkennbar in einem rassistischen Absprechen der Zugehörigkeit, mal ganz direkt, mal romantisch verbrämt.
Die erste der beiden Geschichten ist eine fulminant grobianische Groteske mit so viel Witz, Feuer und Skurrilität, als würde Helge Schneider eine Satire von Scholem Alejchem nachzuerzählen versuchen. Als Icherzähler fungiert ein gewisser Tomer Gardi, ein "gieriger Mensch" und daher stets der Erste am Buffet, wobei ihm am Eröffnungsabend eines Theaterfestivals ein Missgeschick passiert - "ein Stück Salzgürke" flutscht ihm vom Teller, auf dem ausgerechnet der Intendant ausrutscht und "auf seiner Arsch" landet: "Das Leben hat die Kunst beleidigt" - was sich nur durch eine "passende Erklärung", also eine Geschichte, wiedergutmachen lässt. Als ebendie präsentiert sich das freihändig erdachte Antimärchen aus deutschen Wäldern. Einen guten Teil seines enormen Sprachwitzes verdankt es dem dabei verwendeten Gardi-Deutsch, einer von diesem Autor zur Perfektion gebrachten Kunstsprache, deren Reiz gerade darin besteht, kein vollendetes Duden-Idiom zu sein. Dass Gardis "Broken German", das beim Ingeborg-Bachmann-Preis vor einigen Jahren eher konsterniert zur Kenntnis genommen wurde, nicht nur effektvoll lakonisch ist, sondern melodisch und rhythmisch hochgradig durchgeformt, zeigt sich auf Anhieb an Formulierungen wie: "Der Fluss flieste jetzt ruhig und klar. Eine Idylle, ironisiert. Immer eine Frage der Perspektive, die Idylle."
Auch inhaltlich geht es viel um Aussprache und Missverstehen, denn nur so gelangt der sich nach einer "Yacht" sehnende Protagonist auf eine wilde, deutsche "Jagd" (und zwar als Gejagter). Mit diesem Halali stehen zahlreiche urdeutsche Figuren in Verbindung, darunter ein dauerreimender "Erlkönig" und ein sprechender Schäferhund, der aus kompliziert zu erklärenden Gründen eine Gummi-Automatenvagina als Maulkorb trägt und deshalb nur umlautgebrochenes Schäferhund-Deutsch herausbekommt ("Üch brüngü düch üm"). Das immer abstruser werdende Abenteuer, in dessen Verlauf das Gespann aus Hund, Erlkönig und Ewigem Juden - als solcher erscheint der auf der Flucht Verlotternde den anderen bald - lustig plaudernd einen allegorischen Ort (Bad Obdach) erreicht und dort eine adlerbewachte deutsche Arche zu besteigen versucht, was angesichts der hereinbrechenden Sintflut keine schlechte Idee ist, besteht also aus wüst und komisch ineinander verkeilten Versatzstücken der jüdisch-deutschen Kulturgeschichte, eine Antiidylle, ironisiert.
Die scheiternde Assimilation des Helden (Tomer schlüpft in den gehäuteten Erlkönig, wird aber gleich an seiner Sprache enttarnt) ist dabei ebenso Thema wie seine Weigerung, weiter als "ewiger Zeuge", nämlich "Von dem Kreuz zum gehakten Kreuz", herhalten zu wollen: "Ich bin jetzt in Fantasie interessiert." Wie Ahab am Wal endet dieser frechzüngige Ahasver an der Außenseite der durch die Zeiten geworfenen Arche. Und tatsächlich gelingt es dem Autor, diese um ein Haar im Mythos ertrunkene, dabei bis zuletzt krachlustige Erzählung samt abschließendem Clou (einem Identitäts-Rollentausch, einer Verneigung vor dem Theater) in die Rahmenhandlung zurückzuschleudern.
Klassisch erzählt hingegen mutet die von Anne Birkenhauer aus dem Hebräischen übersetzte, auf den ersten Blick rein historisch-biographische Spiegelerzählung an, die freilich ebenfalls einen Ausfall ins Zotige enthält. Zudem gibt es wieder eine eigenwillige Rahmenhandlung, die die Erzählsituation begründet. Demnach ist es ein Museumswächter des Dresdner Albertinums, der die (detailliert recherchierte) Lebensgeschichte des Malers Raden Saleh zum Besten gibt, und zwar leicht barock überbordend und samt erdachtem Gerücht über ein obszönes Porträt, das der javanische Prinz von seinem Mentor Jean Baud, Generalgouverneur von Niederländisch-Ostindien, angefertigt haben soll. Saleh, Gründer der modernen indonesischen Malerei, der Jahrzehnte in Europa verbrachte, bietet sich als Held geradezu an, weil an diesem Grenzgänger Stereotype zu zerbrechen scheinen: ein dunkelhäutiger Mann aus den Kolonien, der weiße Bedienstete hatte und in den europäischen Adelshäusern ein und aus ging. Und doch war er nie Gleicher unter Gleichen, in keiner der Kulturen.
Saleh imitierte alle Stile, malte Porträts, Landschaften, Jagd- und Schiffsszenen in teils romantischer, teils orientalistischer Weise. Von Stadt zu Stadt, von Hof zu Hof zieht der Autor mit seinem Helden, zeigt im Detail, wie Saleh nicht ohne Erfolg um Anerkennung kämpfte, aber ein ewig Wandernder blieb. Sein Weg war auch eine Flucht vor der wie ein Fatum über ihm schwebenden Verpflichtung, als königlich niederländischer Hofmaler in seine alte, von den Kolonialherren versklavte Heimat zurückzukehren, um diese für die neuen Machthaber zu porträtieren. Es geschah gleichwohl. In der Kolonie aber galten die klingenden Titel Salehs nichts. Hier herrschte der nackte Rassismus vor, nicht der kultivierte aus den europäischen Salons, und auch Saleh versank nun endgültig zwischen den Identitäten.
Wie sich diese beiden sprachlich, stilistisch und inhaltlich grundverschiedenen Versionen derselben unerfüllten, aber nie larmoyanten, sondern wundersam couragierten Heimatsuche gegenseitig ausbalancieren und damit auf einer Metaebene (der Zweisprachigkeit) selbst kommentieren, ist nicht nur subtil klug, sondern auch fabelhaft unterhaltsam und selten optimistisch. Die Odyssee selbst ist schließlich schon die halbe Ankunft: Tomer Gardi feiert den Irrweg und das Missverstehen, denn auch so, ja: nur so geht es voran. Immer eine Frage der Perspektive, die Idylle. OLIVER JUNGEN
Tomer Gardi: "Eine runde Sache". Roman.
Zur Hälfte aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Literaturverlag Droschl, Graz 2021. 256 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Es ist sooo guuut geschrieben! ... Ich kannte den Autor vorher nicht und nun muss ich sagen: Ich bin jetzt Tomer Gardi Fan!« (Ijoma Mangold) »Ein überaus kunstfertiger Autor!« (Denis Scheck) »Ein vor Assoziationslust sprühendes Buch - und nicht zuletzt auch ausgesprochen unterhaltsam.«(Ulrich Noller, Deutschlandfunk) »Ein Buch, das unfassbar großes Vergnügen bereitet. Und viel Stoff zum Nachdenken.« (Bernd Melichar, Kleine Zeitung) »Ich habe wirklich einen ganz großen Spaß daran gehabt. Gardi macht sich auf eine ungeheuer freie Art über alles Deutsche lustig ... verdammt gut gemacht.« (Sieglinde Geisel, SRF) »Tomer Gardi - ein Schriftsteller zwischen den Welten, der auch seine Figuren losschickt, auf die Suche nach einem Platz in der Welt. Was so leichtfüßig scheint, ist genial gestrickt. Ein sprudelnder, atemloser Roman, der die großen Fragen nach Identität und Heimat verhandelt.« (Juliane Bergmann)
Gebundenes Buch
Absolut keine runde Sache
Als Gewinner ist Tomer Gardi mit seinem Roman «Eine runde Sache» die große Überraschung der diesjährigen Leipziger Buchmesse. Erstmals wurde hier auch ein Buch prämiert, dessen etwas umfangreicherer zweiter Teil auf Hebräisch …
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Absolut keine runde Sache
Als Gewinner ist Tomer Gardi mit seinem Roman «Eine runde Sache» die große Überraschung der diesjährigen Leipziger Buchmesse. Erstmals wurde hier auch ein Buch prämiert, dessen etwas umfangreicherer zweiter Teil auf Hebräisch geschrieben wurde und den man folglich nur in Übersetzung lesen kann. «Mein Grundkonzept hinter diesem Roman war, dass ich wissen wollte, wie unsere Sprachen unsere Fantasie beeinflussen» erklärte der Autor dazu. Die Jury sprach euphorisch von einem «Feuerwerk der Einbildungskraft», das «ebenso dreist wie kunstvoll mit den Lesegewohnheiten spiele». Es fragt sich nur, inwieweit dieses feuerwerkartige Spiel auch diejenigen erfreut, auf deren Kosten es geht, die überraschten Leser nämlich.
«Ein Mann rutscht auf eine Scheibe Salzgürke aus, stürzt nieder auf seiner Arsch», beginnt slapstickartig und in ‹Broken German», dem für den Autor typischen Migranten-Deutsch, der erste, vom Museumswächter Tomer Gardi erzählte Teil des Romans. Er wird auf eine Yacht eingeladen, landet aber überraschend im Wald auf einer Jagd, bei der er selbst der Gejagte ist, der bissige Schäferhund Rex ist hinter ihm her. Es gelingt ihm, Rex zu überrumpeln und ihm die «Portable Vagina» über die Schnauze zu ziehen, die er gestern Abend in einem Pissoir aus dem Automaten gezogen hat. Der Hund protestiert wütend, Tomer aber tut so, als habe er ihn nicht verstanden. «Dü Plüstükfützü! Nüm sü jützt vün münür Schnützü rüntür!» «Das ist keine Plastikfotze, Rex. Das ist dein Maulkorb» antwortet Tomer. «Ürzühl mür kün Schüß!» Wie bei den Bremer Stadtmusikanten schließt sich ihnen bald auch der tote Erlkönig an, der nur in altmodischen Reimen spricht. Im allegorisch benannten Bad Obdach versucht das hungrige Dreigespann durch Singen etwas Geld zu verdienen, wird bald schon von einer freundlichen Oma (oder Hexe?) zum Essen eingeladen und erlebt schließlich auch noch die Sintflut. Es gelingt aber nur Tomer Gardi, sich auf die Arche Noah zu retten, ehe er am Ende wieder auf den Intendanten trifft, der am Anfang auf der «Salzgürke» ausgerutscht ist.
Im zweiten, stilistisch konventionellen Teil des Romans wird die Geschichte des realen indonesischen Malers Rahden Saleh von der Insel Java erzählt, der im 19ten Jahrhundert zur Ausbildung nach Europa reiste, schnell berühmt wurde und in den höchsten Kreisen verkehrte. Als er auf Wunsch des Königs Jahrzehnte später in die niederländische Kolonie zurückkehren musste, war er dort als Einheimischer plötzlich nicht mehr privilegiert und erlebte einen bitteren sozialen und künstlerischen Abstieg. Diese gut recherchierte Lebensgeschichte bietet historisch aufschlussreiche Details aus der Kolonialzeit, wobei die Leser aber mit einer Fülle von Figuren konfrontiert werden, von denen die meisten nie etwas gehört haben dürften. Das trägt nichts zur Sache bei, sondern stört nur den Lesefluss!
Im Grunde sind es zwei Romane, die man da liest. Deren einzige Verbindung kann dahingehend interpretieren werden, dass hier zwei Künstler, durch mehr als ein Jahrhundert getrennt, auf Identitätssuche in ihren unterschiedlichen Kunstgattungen geschildert werden. Einerseits die Romanfigur des ehemaligen Schriftstellers und Museumswächters Tomer Gardi im ersten, als Schelmenroman angelegten Teil, andererseits der von höchstem Ruhm verwöhnte Maler, der am Ende völlig desillusioniert auf Nimmerwiedersehen in den Weiten einer javanischen Kaffeeplantage verschwindet. Dabei werden auch die Mythen vom Ewigen Juden und vom Fliegenden Holländer mit einbezogen. Das wird im märchenhaften ersten Teil durch das wohl auch real vorhandene, hier mutmaßlich aber übertrieben stümperhafte Deutsch des israelischen Autors symbolisiert, im historischen zweiten durch die Zerrissenheit des Malers zwischen den unterschiedlichen Kulturen von Orient und Okzident. Die verhaltene Rezeption der Leserschaft ist mehr als deutlich: Eine runde Sache, zusammenpassend und preisträchtig also, ist dieser seltsame Roman keinesfalls!
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Gebundenes Buch
Wo ist Christine Westermann?
Wieso bekommt ein Roman in schlechtem Deutsch einen Preis. Offenbar haben die gelehrten Literaturkritiker die Nase voll von unserer Schriftsprache. Dann hört man Sätze wie „Der Autor geht spielerisch mit der Sprache um.“ Aber ich will fragen, …
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Wo ist Christine Westermann?
Wieso bekommt ein Roman in schlechtem Deutsch einen Preis. Offenbar haben die gelehrten Literaturkritiker die Nase voll von unserer Schriftsprache. Dann hört man Sätze wie „Der Autor geht spielerisch mit der Sprache um.“ Aber ich will fragen, welchen Mehrwert das schlechte Deutsch hat? Hätte es die erste Geschichte ins Buch geschafft, wenn sie korrekt geschrieben wäre? Gut, der Witz des Schäferhundes, der wegen der Maulkorbvagina nur den Vokal „ü“ kennt, wäre vielleicht schwächer, aber sonst.
Da lobe ich mir Christine Westermann, die – zwar längst nicht so rhetorisch geschliffen wie die anderen Literaten – immer die Leserinnen mit im Auge hatte. Welcher Leser will denn einen Text lesen, der klassisch ausgedrückt von Fehlern nur so wimmelt? Mit Frau Westermann in der Leipziger Jury hätte dieses Buch keinen Preis bekommen.
Will der Autor einen Migrantenbonus? Ich wünsche ihm lieber eine Lektorin, die den ersten Teil lesbar macht. Dann rätseln die Kritiker, wie beide Teile zusammenhängen. Ich möchte darauf hinweisen, dass auch im zweiten Teil der Buchstabe e sehr häufig vorkommt.
Immerhin ist die zweite historische Geschichte von Indonesier Saleh, der für die niederländischen Kolonialherren nach Europa kommt nicht ganz uninteressant, wenn auch nur die Geschichte um die Erfindung des Dampfmotor bei Schiffen und bei der Eisenbahn mich wirklich vom Hocker rissen. Immerhin kann ich so guten Gewissens 2 Sterne vergeben.
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