Richard Dawkins
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Der Gotteswahn (eBook, ePUB)
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»Religion ist irrational, fortschrittsfeindlich und zerstörerisch.« Richard Dawkins, einer der einflussreichsten Intellektuellen der Gegenwart, zeigt, warum der Glaube an Gott einer vernünftigen Betrachtung nicht standhalten kann. Ein wichtiges Buch, das zu einem brennend aktuellen Thema eindeutig und überzeugend Position bezieht - brillant und bei aller Schärfe humorvoll. Entdecken Sie auch das Hörbuch zu diesem Titel!
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Richard Dawkins, 1941 geboren, ist Evolutionsbiologe. Von 1995 bis 2008 hatte er den Lehrstuhl für Public Understanding of Science an der Universität Oxford inne. Sein Buch Das egoistische Gen gilt als zentrales Werk der Evolutionsbiologie. Seine Streitschrift Der Gotteswahn ist ein Bestseller.
Produktdetails
- Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
- Seitenzahl: 592
- Erscheinungstermin: 12. August 2011
- Deutsch
- ISBN-13: 9783843701747
- Artikelnr.: 37485810
Auch Himmelsstürmer können irren
Welche Fehler hätte sich Richard Dawkins in seinem Bestseller "Der Gotteswahn" ersparen können, wenn er vor Drucklegung Hans Küngs Buch "Der Anfang aller Dinge" gelesen hätte?
Die Entschiedenheit, mit der Richard Dawkins, dieser Protagonist des "neuen Atheismus", auftritt, steht in seltsamem Kontrast zu einer grundlegenden Unschärfe: Nirgendwo wird von Dawkins richtig geklärt, wen oder was genau er im Visier hat, wenn er sich gegen die Religion wendet. Wendet er sich gegen die Religion der Fundamentalisten in den Südstaaten oder gegen die Religion derer, die den Irakkrieg als Kreuzzug betrachten? Visiert Dawkins' Religionskritik jene Abtreibungsgegner an, die zur Not einen Arzt
Welche Fehler hätte sich Richard Dawkins in seinem Bestseller "Der Gotteswahn" ersparen können, wenn er vor Drucklegung Hans Küngs Buch "Der Anfang aller Dinge" gelesen hätte?
Die Entschiedenheit, mit der Richard Dawkins, dieser Protagonist des "neuen Atheismus", auftritt, steht in seltsamem Kontrast zu einer grundlegenden Unschärfe: Nirgendwo wird von Dawkins richtig geklärt, wen oder was genau er im Visier hat, wenn er sich gegen die Religion wendet. Wendet er sich gegen die Religion der Fundamentalisten in den Südstaaten oder gegen die Religion derer, die den Irakkrieg als Kreuzzug betrachten? Visiert Dawkins' Religionskritik jene Abtreibungsgegner an, die zur Not einen Arzt
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töten, oder die Kreationisten mit ihrer Sechs-Tage-Welt? Unschärfe scheint bei Dawkins Erfolgsprogramm. Sie prägt jedenfalls sein Buch "Der Gotteswahn" (Ullstein Verlag, F.A.Z. vom 10. September 2007), das auch hierzulande seit Monaten einen Spitzenplatz auf der Bestsellerliste behauptet.
Was ist von theologischer Seite zu Dawkins' Voodoo-Theologie zu sagen? Nach breitem theologischem Konsens braucht sich ein aufgeklärter Gottesglaube nicht vor dem naturwissenschaftlichen Wissensstand zu fürchten. Die beste Antwort auf Dawkins ist nach meinem Dafürhalten das Buch von Hans Küng "Der Anfang aller Dinge" (Piper Verlag, 2005), das auf neuestem Wissensstand eine Grundsatzreflexion über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion bietet. Küng strebt eine Übersicht über den Gesprächsstand an, trägt seine Argumente jedoch ohne Polemik, mit Respekt und gebotener Selbstkritik vor. Statt hier den Dschungelkrieg um Schnellschüsse, absurde Unterstellungen und isolierte Anekdoten fortzuführen, versuche ich lieber entlang der Küngschen Argumentation zur Versachlichung des Themas beizutragen.
Was Dawkins ausblendet: Zwischen Theologie und Naturwissenschaften finden schon seit Jahrzehnten sinnvolle Gespräche statt. Die Zeiten, da wir uns gegenseitig als Idioten oder als halsstarrige Leugner verteufelten, sind vorbei. Scharfmacherei findet in der Sache keinen Halt. Der gegenseitige Respekt bezieht sich auf Kosmologie und Evolutionstheorie, auf die Frage nach dem Beginn der Menschheit sowie des menschlichen Geistes, schließlich auf die Frage nach einem verantwortbaren Gottesbild. Nach aller Erfahrung kann die Theologie den Mainstream der naturwissenschaftlichen Ergebnisse akzeptieren und als Bereicherung empfinden. Das gilt sogar für manche naturwissenschaftliche Passagen von Dawkins' Buch.
Natürlich schließt ein solches Gespräch für die Theologie Lernprozesse ein, wie sie etwa Küng ausführlich analysiert, Dawkins aber gar nicht erst zur Kenntnis nimmt. Wie schon die Affäre Galilei zeigte, haben sich religiöse, immer kulturgebundene Weltbilder naturwissenschaftlichen Ergebnissen zu beugen. Niemand sollte bestreiten, dass solche Lernprozesse Theologie und Religion bereichern und interessanter machen. Wir wissen heute mehr von den Wundern von Weltall, Leben und Erkennen als jede Generation zuvor. Deshalb kann man auch von Dawkins dort lernen, wo er überraschende Details etwa der biogenetischen Evolutionstheorie darlegt. Aber mit seiner Absicht, damit den Sinn eines Gottesglaubens zu ruinieren, erreicht er das Gegenteil. Allerdings lernten religiöse Großorganisationen immer erst dazu, nachdem sie wieder eine Schlacht verloren hatten.
Ohne Gespür für Rätselhaftes
Dawkins beansprucht, als Evolutionsgenetiker die Welt in all ihren Bezügen erklären zu können. Damit nimmt er einen Faden aus dem neunzehnten Jahrhundert auf, als im Geiste des Monismus die wildesten Weltanschauungskämpfe gediehen. Aber auch Dawkins kann nicht alles beantworten. Evolutionsgenetiker verstehen sich auf die Simulation kosmologischer und infraatomarer Modelle. Ihre Aufgabe ist es, die grammatische Struktur der Wirklichkeit zu untersuchen. Aber sie berühren noch nicht die Sinnstruktur von Kosmos, Erde, Leben oder Mensch: Was liegt eigentlich hinter dem Beginn der ersten Quantenfluktuation oder dem Urknall? Warum überhaupt gibt es etwas, das nicht im Nichts geblieben ist, wie Leibniz fragt? Wie kommt es, dass wir die Wirklichkeit annehmen oder ablehnen, verschiedene Antworten auf diese Frage entwickeln können? Wie können wir den Sinn benennen, der in dieser Wirklichkeit ruht, die - wundersamerweise - zu einer menschlichen Wirklichkeit geworden ist?
Wie Küng ausführt, sind Descartes und Pascal, Leibniz und Nietzsche, Feuerbach und Freud Meister solch bohrenden Fragens. Gewiss, keine Sinnfrage kann eine kosmologische oder darwinistische Theorie widerlegen, aber sie lässt sich auch nicht auf ein Urknall- oder Evolutionsmodell reduzieren. Über den Schnittpunkt zwischen Grammatik- und Sinnfragen wird immer wieder zu debattieren sein. Für diese Doppelstruktur von Erklären und Verstehen zeigt Dawkins kein Gespür.
Besonders deutlich wird dieser Mangel bei der Frage nach den Wurzeln der Religion. Natürlich sind dabei auch Aspekte der Evolutionstheorie zu besprechen. Aber Dawkins ist unfähig, auch nur einen Abschnitt anderen Dimensionen des menschlichen Lebens zu widmen. Will er menschliches Erkennen wirklich auf die Funktion von Synapsen oder Kultur auf ein Überlebenstraining reduzieren? Will er das Geheimnis von Shakespeare mit dem Hinweis auf egoistische Gene beantworten? So fällt ihm für die Religion nur noch das Schlagwort "Nebenprodukt von etwas anderem" ein, das zum Nichtsnutz oder zur Selbstvernichtung prädestiniert ist, so wie die Motte in die brennende Kerze fliegen muss. Diese Unfähigkeit, die großen Rätsel der Welt wahrzunehmen, ist unverständlich und verstört.
Wie ein Buchhalter stürzt er sich auf einige Skandalgeschichten der hebräischen Bibel. Missmutig nivelliert er die jesuanische Nächstenliebe auf jüdischen Volksegoismus. Die Evangelien präsentiert er als zusammengereimte Zweckgeschichten, und den Kern des Neuen Testaments sieht er in der Erbsünde (von der dort nichts zu lesen ist). Kein Wort zur dramatischen Entwicklung des Eingottglaubens, zu Israels Prophetismus, zu dieser messianischen, ethisch höchst anspruchsvollen Heils- und Hochreligion. Kein Wort zu den gewaltigen Leistungen der historisch-kritischen Exegese seit 150 Jahren, nicht einmal ein Wort zur Gestalt Jesu und seiner Nachwirkung bis in die Gegenwart. Gerade hier, wenn es um die Bibel geht, zeigen sich die Scheuklappen des Autors, dem außer der Biogenetik alle Denkkategorien verschlossen sind.
Gott ist kein Superapparat
Religion als Kinderei, Rechthaberei und rassistische Borniertheit, als Quelle der Gewalt: diese Aspekte durchziehen das ganze Buch. Dabei unterschlägt Dawkins, dass die schärfsten Kritiker von Christentum, Judentum und Islam aus den eigenen Reihen kommen. Keine real existierende Religion und kein real existierender Atheismus (den Dawkins als Lebenshaltung begreift) ist besser als die Menschen, die sich ihnen verschrieben haben. Dass die Bezähmung menschlicher Bosheit den Religionen oft misslingt, ist ein Skandal; über die Gründe dafür hätten wir vom Evolutionstheoretiker nähere Aufschlüsse erwartet. Dabei hätte er darlegen können, wie viel ethische Kraft zumal von den monotheistischen Religionen nach wie vor ausgeht. Dass sich ein ethisches Bewusstsein auch ohne Religion erklären lässt, würde ein Theologe wie etwa Hans Küng nie bestreiten. Doch gerade er weist auch darauf hin, dass diesem Ethos von den Weltreligionen her enorme Energieströme zufließen, bis hin zu einem global gesprächsfähigen Weltethos, das heute wichtiger ist denn je. Zur Förderung des Weltfriedens hätten human denkende Streiter gerne auf Dawkins' Unterstützung zurückgegriffen.
Bleibt allerdings das um sich greifende Urärgernis, ein verbissener Fundamentalismus. Gegen die Intention der eigenen Glaubenszeugnisse gerichtet, zerstört er, was ihm in den Weg kommt. Physisch bombt er die Welt in hemmungslose Gewalt zurück. Geistig verbreitet er ein gewaltbereites Denken, das den Freiheits- und Wahrheitswillen der Menschen missachtet. Vieles in Dawkins' "Gotteswahn" kann man als Kampf gegen dieses Phänomen verstehen. Umso enttäuschender, dass er sich nicht als Verbündeter im gemeinsamen Interesse versteht. Man kann den Kreationismus als Modifikation dieses Fundamentalismus begreifen, auch wenn er sich nicht gewalttätig äußert. Aber wer den Grand Canyon als von Gott gesprengte Abflussrinne für das Wasser der Sintflut begreift, hat vom Schöpfungsbericht nichts begriffen. Und Gott?
Dawkins schildert das überwältigende Naturerlebnis eines von ihm hochgeachteten Lehrers, der Priester wurde. Auch von sich selbst, so Dawkins, hätte er ein solches Erlebnis schildern können. Warum aber machte ihn diese Erfahrung nicht zum Gläubigen, sondern zum Atheisten? Weil er, so die Antwort, Gott als einen übernatürlichen Schöpfer, eine Art Supermenschen definiert, den Gläubige für anbetungswürdig halten. Gottes Schöpfertum versteht er als einen empirisch kausalen Akt am Weltbeginn, sein Handeln als gelegentlichen Eingriff in die Natur, getrieben von höchst menschlichen Gefühlen. Welch merkwürdige Koalition mit dem Gott der Fundamentalisten und anderer, für die der Glaube ein verantwortliches Denken ausschließt.
Deshalb sollte deutlich sein: Der Eine Gott - philosophisch oder theologisch begriffen - bleibt ein Geheimnis, kein Supermensch und Apparat, der (wie Dawkins suggeriert) die Komplexität einer Boeing übersteigen muss, keine übernatürliche Entität von dingartiger Natur. Wie Küng und andere eindrücklich darlegen, erschließt sich Gott nur dem Vorschuss einer vorbehaltlosen Vertrauenshaltung, also einer inneren, verstehenden Rationalität. Deshalb lässt sich der Glaube niemandem aufzwingen. In der Sprache der Bibel, die Dawkins als Kulturgut schätzt, sieht nur Gott ins Herz der Menschen.
HERMANN HÄRING
Hermann Häring ist emeritierter Theologe an der
Universität Nijmegen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was ist von theologischer Seite zu Dawkins' Voodoo-Theologie zu sagen? Nach breitem theologischem Konsens braucht sich ein aufgeklärter Gottesglaube nicht vor dem naturwissenschaftlichen Wissensstand zu fürchten. Die beste Antwort auf Dawkins ist nach meinem Dafürhalten das Buch von Hans Küng "Der Anfang aller Dinge" (Piper Verlag, 2005), das auf neuestem Wissensstand eine Grundsatzreflexion über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion bietet. Küng strebt eine Übersicht über den Gesprächsstand an, trägt seine Argumente jedoch ohne Polemik, mit Respekt und gebotener Selbstkritik vor. Statt hier den Dschungelkrieg um Schnellschüsse, absurde Unterstellungen und isolierte Anekdoten fortzuführen, versuche ich lieber entlang der Küngschen Argumentation zur Versachlichung des Themas beizutragen.
Was Dawkins ausblendet: Zwischen Theologie und Naturwissenschaften finden schon seit Jahrzehnten sinnvolle Gespräche statt. Die Zeiten, da wir uns gegenseitig als Idioten oder als halsstarrige Leugner verteufelten, sind vorbei. Scharfmacherei findet in der Sache keinen Halt. Der gegenseitige Respekt bezieht sich auf Kosmologie und Evolutionstheorie, auf die Frage nach dem Beginn der Menschheit sowie des menschlichen Geistes, schließlich auf die Frage nach einem verantwortbaren Gottesbild. Nach aller Erfahrung kann die Theologie den Mainstream der naturwissenschaftlichen Ergebnisse akzeptieren und als Bereicherung empfinden. Das gilt sogar für manche naturwissenschaftliche Passagen von Dawkins' Buch.
Natürlich schließt ein solches Gespräch für die Theologie Lernprozesse ein, wie sie etwa Küng ausführlich analysiert, Dawkins aber gar nicht erst zur Kenntnis nimmt. Wie schon die Affäre Galilei zeigte, haben sich religiöse, immer kulturgebundene Weltbilder naturwissenschaftlichen Ergebnissen zu beugen. Niemand sollte bestreiten, dass solche Lernprozesse Theologie und Religion bereichern und interessanter machen. Wir wissen heute mehr von den Wundern von Weltall, Leben und Erkennen als jede Generation zuvor. Deshalb kann man auch von Dawkins dort lernen, wo er überraschende Details etwa der biogenetischen Evolutionstheorie darlegt. Aber mit seiner Absicht, damit den Sinn eines Gottesglaubens zu ruinieren, erreicht er das Gegenteil. Allerdings lernten religiöse Großorganisationen immer erst dazu, nachdem sie wieder eine Schlacht verloren hatten.
Ohne Gespür für Rätselhaftes
Dawkins beansprucht, als Evolutionsgenetiker die Welt in all ihren Bezügen erklären zu können. Damit nimmt er einen Faden aus dem neunzehnten Jahrhundert auf, als im Geiste des Monismus die wildesten Weltanschauungskämpfe gediehen. Aber auch Dawkins kann nicht alles beantworten. Evolutionsgenetiker verstehen sich auf die Simulation kosmologischer und infraatomarer Modelle. Ihre Aufgabe ist es, die grammatische Struktur der Wirklichkeit zu untersuchen. Aber sie berühren noch nicht die Sinnstruktur von Kosmos, Erde, Leben oder Mensch: Was liegt eigentlich hinter dem Beginn der ersten Quantenfluktuation oder dem Urknall? Warum überhaupt gibt es etwas, das nicht im Nichts geblieben ist, wie Leibniz fragt? Wie kommt es, dass wir die Wirklichkeit annehmen oder ablehnen, verschiedene Antworten auf diese Frage entwickeln können? Wie können wir den Sinn benennen, der in dieser Wirklichkeit ruht, die - wundersamerweise - zu einer menschlichen Wirklichkeit geworden ist?
Wie Küng ausführt, sind Descartes und Pascal, Leibniz und Nietzsche, Feuerbach und Freud Meister solch bohrenden Fragens. Gewiss, keine Sinnfrage kann eine kosmologische oder darwinistische Theorie widerlegen, aber sie lässt sich auch nicht auf ein Urknall- oder Evolutionsmodell reduzieren. Über den Schnittpunkt zwischen Grammatik- und Sinnfragen wird immer wieder zu debattieren sein. Für diese Doppelstruktur von Erklären und Verstehen zeigt Dawkins kein Gespür.
Besonders deutlich wird dieser Mangel bei der Frage nach den Wurzeln der Religion. Natürlich sind dabei auch Aspekte der Evolutionstheorie zu besprechen. Aber Dawkins ist unfähig, auch nur einen Abschnitt anderen Dimensionen des menschlichen Lebens zu widmen. Will er menschliches Erkennen wirklich auf die Funktion von Synapsen oder Kultur auf ein Überlebenstraining reduzieren? Will er das Geheimnis von Shakespeare mit dem Hinweis auf egoistische Gene beantworten? So fällt ihm für die Religion nur noch das Schlagwort "Nebenprodukt von etwas anderem" ein, das zum Nichtsnutz oder zur Selbstvernichtung prädestiniert ist, so wie die Motte in die brennende Kerze fliegen muss. Diese Unfähigkeit, die großen Rätsel der Welt wahrzunehmen, ist unverständlich und verstört.
Wie ein Buchhalter stürzt er sich auf einige Skandalgeschichten der hebräischen Bibel. Missmutig nivelliert er die jesuanische Nächstenliebe auf jüdischen Volksegoismus. Die Evangelien präsentiert er als zusammengereimte Zweckgeschichten, und den Kern des Neuen Testaments sieht er in der Erbsünde (von der dort nichts zu lesen ist). Kein Wort zur dramatischen Entwicklung des Eingottglaubens, zu Israels Prophetismus, zu dieser messianischen, ethisch höchst anspruchsvollen Heils- und Hochreligion. Kein Wort zu den gewaltigen Leistungen der historisch-kritischen Exegese seit 150 Jahren, nicht einmal ein Wort zur Gestalt Jesu und seiner Nachwirkung bis in die Gegenwart. Gerade hier, wenn es um die Bibel geht, zeigen sich die Scheuklappen des Autors, dem außer der Biogenetik alle Denkkategorien verschlossen sind.
Gott ist kein Superapparat
Religion als Kinderei, Rechthaberei und rassistische Borniertheit, als Quelle der Gewalt: diese Aspekte durchziehen das ganze Buch. Dabei unterschlägt Dawkins, dass die schärfsten Kritiker von Christentum, Judentum und Islam aus den eigenen Reihen kommen. Keine real existierende Religion und kein real existierender Atheismus (den Dawkins als Lebenshaltung begreift) ist besser als die Menschen, die sich ihnen verschrieben haben. Dass die Bezähmung menschlicher Bosheit den Religionen oft misslingt, ist ein Skandal; über die Gründe dafür hätten wir vom Evolutionstheoretiker nähere Aufschlüsse erwartet. Dabei hätte er darlegen können, wie viel ethische Kraft zumal von den monotheistischen Religionen nach wie vor ausgeht. Dass sich ein ethisches Bewusstsein auch ohne Religion erklären lässt, würde ein Theologe wie etwa Hans Küng nie bestreiten. Doch gerade er weist auch darauf hin, dass diesem Ethos von den Weltreligionen her enorme Energieströme zufließen, bis hin zu einem global gesprächsfähigen Weltethos, das heute wichtiger ist denn je. Zur Förderung des Weltfriedens hätten human denkende Streiter gerne auf Dawkins' Unterstützung zurückgegriffen.
Bleibt allerdings das um sich greifende Urärgernis, ein verbissener Fundamentalismus. Gegen die Intention der eigenen Glaubenszeugnisse gerichtet, zerstört er, was ihm in den Weg kommt. Physisch bombt er die Welt in hemmungslose Gewalt zurück. Geistig verbreitet er ein gewaltbereites Denken, das den Freiheits- und Wahrheitswillen der Menschen missachtet. Vieles in Dawkins' "Gotteswahn" kann man als Kampf gegen dieses Phänomen verstehen. Umso enttäuschender, dass er sich nicht als Verbündeter im gemeinsamen Interesse versteht. Man kann den Kreationismus als Modifikation dieses Fundamentalismus begreifen, auch wenn er sich nicht gewalttätig äußert. Aber wer den Grand Canyon als von Gott gesprengte Abflussrinne für das Wasser der Sintflut begreift, hat vom Schöpfungsbericht nichts begriffen. Und Gott?
Dawkins schildert das überwältigende Naturerlebnis eines von ihm hochgeachteten Lehrers, der Priester wurde. Auch von sich selbst, so Dawkins, hätte er ein solches Erlebnis schildern können. Warum aber machte ihn diese Erfahrung nicht zum Gläubigen, sondern zum Atheisten? Weil er, so die Antwort, Gott als einen übernatürlichen Schöpfer, eine Art Supermenschen definiert, den Gläubige für anbetungswürdig halten. Gottes Schöpfertum versteht er als einen empirisch kausalen Akt am Weltbeginn, sein Handeln als gelegentlichen Eingriff in die Natur, getrieben von höchst menschlichen Gefühlen. Welch merkwürdige Koalition mit dem Gott der Fundamentalisten und anderer, für die der Glaube ein verantwortliches Denken ausschließt.
Deshalb sollte deutlich sein: Der Eine Gott - philosophisch oder theologisch begriffen - bleibt ein Geheimnis, kein Supermensch und Apparat, der (wie Dawkins suggeriert) die Komplexität einer Boeing übersteigen muss, keine übernatürliche Entität von dingartiger Natur. Wie Küng und andere eindrücklich darlegen, erschließt sich Gott nur dem Vorschuss einer vorbehaltlosen Vertrauenshaltung, also einer inneren, verstehenden Rationalität. Deshalb lässt sich der Glaube niemandem aufzwingen. In der Sprache der Bibel, die Dawkins als Kulturgut schätzt, sieht nur Gott ins Herz der Menschen.
HERMANN HÄRING
Hermann Häring ist emeritierter Theologe an der
Universität Nijmegen.
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Ich finde es ausgezeichnet, ein solches Buch lesen zu dürfen und, dass Herr Dawkins ein solches Buch schreiben und veröffentlichen konnte, ohne Gefahr zu laufen, nebst Buch, als ein Häufchen Asche auf dem Scheiterhaufen zu enden. Dieses Buch ermutigt Menschen, sich neu positionieren …
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Ich finde es ausgezeichnet, ein solches Buch lesen zu dürfen und, dass Herr Dawkins ein solches Buch schreiben und veröffentlichen konnte, ohne Gefahr zu laufen, nebst Buch, als ein Häufchen Asche auf dem Scheiterhaufen zu enden. Dieses Buch ermutigt Menschen, sich neu positionieren zu können. Natürlich ist Dawkins nicht bestrebt, Religion abzuschaffen, so naiv ist er nicht. Ich meine viel mehr, dass sein Buch ein Plädoyer an die Menschen ist, an sich selbst zu glauben, kritisch zu denken und ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, nicht irgendwelchen uralten Mythen nachzurennen, sondern im Wissen um die eigentliche Zufälligkeit, Sinnlosigkeit und vor allem Endlichkeit unserer Existenz auf diesem Planeten, gerade dieser kurzweiligen Existenz einen individuellen Sinn zu verleihen.
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Als ich beim Stöbern in der Filiale auf Dawkins neuestes Werk stieß, musste ich es als Anhängerin seines Buches "Das egoistische Gen" sofort kaufen.
In seiner neuesten Veröffentlichung sucht Dawkins ganz bewusst die Konfrontation mit der Religion und ihren irdischen …
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Als ich beim Stöbern in der Filiale auf Dawkins neuestes Werk stieß, musste ich es als Anhängerin seines Buches "Das egoistische Gen" sofort kaufen.
In seiner neuesten Veröffentlichung sucht Dawkins ganz bewusst die Konfrontation mit der Religion und ihren irdischen Vertretern. Für mich als Atheistin und Anhängerin der Naturwissenschaft eine längst überfällige und gnadenlos ehrliche Mission. Warum maßen sich andere Menschen an, sich selbst als bessere Menschen als Atheisten zu bezeichnen, während sie im Namen ihres Glaubens die schlimmsten Gräueltaten verüben? Warum wird die Kritik an der Religion nach wie vor zum großen Tabu erklärt? Diese und viele weitere Fragen, die mich auch schon lange beschäftigen, erörtert Dawkins in "Der Gotteswahn".
Dawkins Vorgehensweise ist kompromisslos ehrlich und teilweise radikal, jedoch kann ich mich seinen Aussagen und "Beweisen" gegen die Existenz Gottes und für eine Manipulation der Gesellschaft hin zu unfrei denkenden und handelnden Menschen nur anschließen. Daher kann nur ein solch provokantes Buch aufrütteln und die Menschen zur Überprüfung Ihrer Weltanschauung anregen!
(Rezension aus 2008)
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Sehr aufschlussreich und plausible Beweisführungl!
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Dawkins lässt kein gutes Haar an Religionen; er nimmt Punkt für Punkt alle "Argumente" für die Existenz eines Gottes auseinander. Für Nichtgläubige nicht so spektakulär; dennoch immer wieder neue Aspekte, an die man noch gar nicht gedacht hatte. Dabei sehr …
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Dawkins lässt kein gutes Haar an Religionen; er nimmt Punkt für Punkt alle "Argumente" für die Existenz eines Gottes auseinander. Für Nichtgläubige nicht so spektakulär; dennoch immer wieder neue Aspekte, an die man noch gar nicht gedacht hatte. Dabei sehr unterhaltsam.
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Dawkins' Werk "Der Gotteswahn" habe ich mir gekauft, in der Erwartung, eine evolutionsbiologisch-philosophische Abhandlung zu erhalten, die mir neue, Erkenntnisse und Denkanstöße vermittelt.
Das ist bei diesem Buch leider nicht der Fall. "Der Gotteswahn" trieft nur so …
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Dawkins' Werk "Der Gotteswahn" habe ich mir gekauft, in der Erwartung, eine evolutionsbiologisch-philosophische Abhandlung zu erhalten, die mir neue, Erkenntnisse und Denkanstöße vermittelt.
Das ist bei diesem Buch leider nicht der Fall. "Der Gotteswahn" trieft nur so von Polemik und Populismus, welche möglicherweise als politische Mittel zur Überzeugung legitim sind, aber auf die bei einem so tiefgründigen Thema meiner Meinung nach verzichtet werden sollte. Seine Scheinargumente gegen die Existenz Gottes untermauert Dawkins mit biologischen und physikalischen Thesen, die den Laien beeindrucken, aber ansonsten keineswegs gegen die Existenz Gottes sprechen. Ebenso schwammig argumentiert Dawkins in Bezug auf die Ethik. Aus seiner Darstellung folgt, weitergedacht, dass wir aufgrund unserer Anlagen gut sind, dass es aber ansonsten keinen Grund gibt, gut zu sein. Dieser Schluss ist meiner persönlichen Ansicht nach unbefriedigend.
Nach der Lektüre war ich genauso schlau wie vorher. Es bleibt dabei. Gottes Existenz kann weder bewiesen, noch widerlegt werden. Ob noch jemand wesentlich die Erkenntnisse Humes und Kants herauskommt? Wahrscheinlich nicht. Und höchstwahrscheinlich Dawkins nicht.
Dawkins muss allerdings zugute gehalten werden, dass er ein Licht darauf wirft, wie häufig der Glaube heutzutage missbraucht wird und welche krankhaften Blüten er vor allem in den USA treibt.
Die politische und soziale Ebene ist hier die einzige auf der sinnvoll argumentiert wird. Aber nicht bewiesenes (Gott) mir nicht bewiesenen naturwissenschaftlichen Theorien widerlegen zu wollen, davon sollte abgesehen werden.
Einem jeden seinen (rationalen) Glauben, aber nicht seine Unvernunft.
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Für alle Leute, die die Bibel nie gelesen haben!
Und natürlich für uns, alle die Atheisten, die in den letzten Jahren schon kaum noch zu sagen wagten, dass wir unsere Moral nicht von irgendeinem Prediger vorgeschrieben bekommen wollen! Natürlich ist das alles in Amiland noch …
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Für alle Leute, die die Bibel nie gelesen haben!
Und natürlich für uns, alle die Atheisten, die in den letzten Jahren schon kaum noch zu sagen wagten, dass wir unsere Moral nicht von irgendeinem Prediger vorgeschrieben bekommen wollen! Natürlich ist das alles in Amiland noch schlimmer, der Biologe Richard Dawkins hat diese Buch geschrieben weil dort wieder Affenprozesse laufen wie 1923, aber eine gute Anti-Viren-Software gegen den Virus Religion in den Köpfen ist auch in Deutsch nötig.
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Vom Umfang und wissenschaftlichem Niveau ist das Buch sicherlich gut und sein Geld wert. Aber wie schon in seinen anderen Werken sieht Dawkins die Welt rein rational, rein materialistisch und reduktionistisch erklärbar. Man merkt hier, das es sich um das Werk eines konservativen …
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Vom Umfang und wissenschaftlichem Niveau ist das Buch sicherlich gut und sein Geld wert. Aber wie schon in seinen anderen Werken sieht Dawkins die Welt rein rational, rein materialistisch und reduktionistisch erklärbar. Man merkt hier, das es sich um das Werk eines konservativen Wissenschaftlers handelt. Wie können einfach diese Fragen noch nicht und wahrscheinlich nie beantworten. Dawikns verfährt nach dem Motto: Die Evolution funktioniert ohne Gott, also gibt es ihn auch nicht. Dabei lassen gerade grenzwissenschaftliche, philosophische und theologische Themen viel Raum für weiter Überlegungen. Dies vermisse ich ein wenig. Wer sich nicht nur an nüchterne Wissenschaft klammert sondern auch diese gepaart mit Mystik und Philosophie erleben will bei der Suche nach Gott und dem Sinn, dem sei das Buch GOTTES GEHEIME GEDANKEN oder die Bücher von Michael Talbot empfohlen.
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Exzellentes Buch, eine wirklich stichhaltige Argumentation gegen Glauben. Wen das nicht überzeugt, dem ist nicht mehr zu helfen!
Dawkins hat auch die argumentative Hilflosigkeit der Glaubenden hervorragend aufs Glatteis geführt.
Überzeugendes Buch ohne Polemik, lediglich mit …
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Exzellentes Buch, eine wirklich stichhaltige Argumentation gegen Glauben. Wen das nicht überzeugt, dem ist nicht mehr zu helfen!
Dawkins hat auch die argumentative Hilflosigkeit der Glaubenden hervorragend aufs Glatteis geführt.
Überzeugendes Buch ohne Polemik, lediglich mit Argumenten und Tatsachen (was ja nicht für jeden etwas ist...)
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"Wir haben es ja gewußt!" ... so die Reaktionen zu diesem Buch von Dawkins. Diese Zustimmung freilich bewegt sich auf sehr dünnen Eis. Dawkins bringt in seinen Argumenten nicht mehr als der studierte Bürger immer schon wußte. Was er freilich nicht benennt sind die …
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"Wir haben es ja gewußt!" ... so die Reaktionen zu diesem Buch von Dawkins. Diese Zustimmung freilich bewegt sich auf sehr dünnen Eis. Dawkins bringt in seinen Argumenten nicht mehr als der studierte Bürger immer schon wußte. Was er freilich nicht benennt sind die Antworten der sogenannten Gegemnseite. DA wäre es von ihn sehr mühsam sich der eigentlichen Auseinandersetzung zu stellen. Mehr als bedenklich ist freilich, dass er mit seiner Rede, welche von "Wahn" nur so trieft, schlicht einen großen Teil der Menschheit für unzurechnungsfähig erklärt - denn das wäre doch genau die Tatsache des "Gotteswahns". Schade um das Geld für dieses Buch.
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"Wir haben es ja gewußt!" ... so die Reaktionen zu diesem Buch von Dawkins. Diese Zustimmung freilich bewegt sich auf sehr dünnen Eis. Dawkins bringt in seinen Argumenten nicht mehr als der studierte Bürger immer schon wußte. Was er freilich nicht benennt sind die …
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"Wir haben es ja gewußt!" ... so die Reaktionen zu diesem Buch von Dawkins. Diese Zustimmung freilich bewegt sich auf sehr dünnen Eis. Dawkins bringt in seinen Argumenten nicht mehr als der studierte Bürger immer schon wußte. Was er freilich nicht benennt sind die Antworten der sogenannten Gegemnseite. DA wäre es von ihn sehr mühsam sich der eigentlichen Auseinandersetzung zu stellen. Mehr als bedenklich ist freilich, dass er mit seiner Rede, welche von "Wahn" nur so trieft, schlicht einen großen Teil der Menschheit für unzurechnungsfähig erklärt - denn das wäre doch genau die Tatsache des "Gotteswahns". Schade um das Geld für dieses Buch.
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