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Der Umgang mit Diktatoren hat die bundesdeutsche Demokratie von Anfang an herausgefordert. Frank Bösch zeigt auf der Grundlage umfassender Archivrecherchen, welche Interessen dabei aufeinandertrafen und was in den Hinterzimmern besprochen und angebahnt wurde. Mit den Regierungen wandelte sich der Austausch mit Autokratien in Südamerika, Ostasien oder im Ostblock. Durch gesellschaftlichen Protest gewannen Werte und Sanktionen allmählich an Bedeutung. Doch der wirtschaftsorientierte Pragmatismus blieb, wie Frank Bösch anschaulich zeigt, das vorherrschende Muster, das die Geschichte der…mehr

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Produktbeschreibung
Der Umgang mit Diktatoren hat die bundesdeutsche Demokratie von Anfang an herausgefordert. Frank Bösch zeigt auf der Grundlage umfassender Archivrecherchen, welche Interessen dabei aufeinandertrafen und was in den Hinterzimmern besprochen und angebahnt wurde. Mit den Regierungen wandelte sich der Austausch mit Autokratien in Südamerika, Ostasien oder im Ostblock. Durch gesellschaftlichen Protest gewannen Werte und Sanktionen allmählich an Bedeutung. Doch der wirtschaftsorientierte Pragmatismus blieb, wie Frank Bösch anschaulich zeigt, das vorherrschende Muster, das die Geschichte der Bundesrepublik zutiefst prägte. Dezember 1964: Der kongolesische Ministerpräsident Tschombé wird feierlich in Berlin empfangen. Demonstranten stürmen über die Absperrungen. Den «Mörder von Lumumba» trifft eine Tomate «voll in die Fresse», wie Rudi Dutschke mit Genugtuung notiert. Für Dutschke war dies der «Beginn unserer Kultur-Revolution». Nachdem in den fünfziger Jahren die «Kaiser» aus Iran und Äthiopien bejubelt worden waren, führten in den Sechzigern Proteste von oppositionellen Migranten, antikolonialen Gruppen oder auch von Amnesty International zu einer stärker wertebasierten Diplomatie mit Diktatoren: Handel ja, aber bitte auch Freilassung einzelner Oppositioneller. Frank Bösch zeigt in seinem glänzend geschriebenen Buch, wie sich in den Jahrzehnten nach dem Nationalsozialismus im Umgang mit Diktaturen wirtschaftliche, politische und zivilgesellschaftliche Interessen zu einem Schlingerkurs verschränkten, dessen Widersprüche und Folgen uns bis heute beschäftigen.
Autorenporträt
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur 9punkt-Rezension

Im Tagesspiegel unterhalten sich Ofer Waldman und Sasha Marianna Salzmann mit Christiane Peitz über die permanente Ausnahmesituation, in der sie sich seit dem 7. Oktober befinden. Ihr Buch "Gleichzeit", in dem sie ihren Briefwechsel veröffentlichen, ist eine "Absage ans Rechthaben", sagt Salzmann, ein Versuch, aus dem Kreislauf der Polarisierung heraus zu treten. Geschockt waren beide über die Reaktionen, denen sie sich in der Zeit nach dem Hamas-Massaker ausgesetzt sahen, wie Salzmann erklärt: "Mich hat anfangs vor allem die Kaltblütigkeit erschreckt, mit der das Massaker sofort analysiert, relativiert und beurteilt wurde. Sofort wurde vergewaltigten Frauen ihre Erfahrung abgesprochen - weil sie Jüdinnen sind. Das sind Erfahrungen, die unsere Art, die Welt wahrzunehmen, für immer prägen werden. Wie bewahren wir in so einer Zeit Menschlichkeit? Durch Anhalten. Nachdenken."  Waldman ergänzt: "Ich kenne antisemitische Anfeindungen aus meiner Zeit in einem deutschen Orchester. Da sagte mir ein Kollege ins Gesicht, 'die Juden' schadeten dem Orchester. Ich dachte nur: Alter, aus welcher Museumsvitrine kommst du denn? Aber die Erfahrung, von der universellen Gültigkeit der Menschenrechte ausgeschlossen zu werden, weil ich Jude bin, habe ich vor dem 7. Oktober noch nie gemacht."

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2024

Wirtschaft first, Menschenrechte später
In seiner großen Analyse „Deals mit Diktaturen“ schildert der Historiker Frank Bösch, wie deutsche Regierungen seit 1949 im Umgang mit Autokratien
stets ohne ethische Skrupel agierten. Einerseits eine große Chronik der Skandale – andererseits verheddert sich der Autor bei der Methodik.
VON RAINER STEPHAN
Nehmen wir an, Putins in die Ukraine einmarschierenden Truppen wäre es im Februar 2022 tatsächlich gelungen, Kiew zu besetzen, die ukrainische Regierung auszuschalten, deren Anhänger zu Tausenden zu verhaften und das Land komplett unter Kontrolle zu bringen. Wenige Tage darauf wäre eine neue russisch-deutsche Pipeline eröffnet worden, mit ausdrücklicher Billigung der Bundesregierung. Unvorstellbar? Von wegen.
Ende August 1968, wenige Tage nach der brutalen Beendigung des „Prager Frühlings“ durch den sowjetischen Einmarsch in Prag, eröffnete im niederösterreichischen Baumgarten die erste, von deutschen Firmen mitfinanzierte Pipeline aus der Sowjetunion; eine Weiterführung nach Bayern war geplant. Daher, berichtet der Potsdamer Historiker Frank Bösch in seinem Buch „Deals mit Diktaturen“, unterstützte nicht nur die damals in Bonn regierende SPD, sondern auch die CSU „die trotz der Prager Ereignisse einsetzenden deutsch-sowjetischen Verhandlungen über das gewaltige Erdgas-Röhren-Geschäft“.
Böschs Buch dokumentiert auf mehr als 600 Seiten, dass eine sich derart über ethische Skrupel hinwegsetzende Politik nicht etwa die Ausnahme, sondern seit den 1950er-Jahren die Regel war – und dass sie es (abgesehen von den nur am Ende des Buchs kursorisch gestreiften Folgen des Ukrainekriegs) bis heute geblieben ist.
Erstaunlich ist das insofern, als sich hierzulande die ethische Bewertung von Menschenrechten und ihrer Unterdrückung durch Diktaturen deutlich geändert hat. Bis Mitte der 1960er-Jahre nahm man allein die Ostblock-Regimes als unterdrückerisch wahr, während ferne Diktatoren wie der äthiopische Kaiser Haile Selassie oder (bei dessen erstem Besuch 1955) der persische Schah Mohammad Reza Pahlavi von Menschen und Medien nahezu verzückt in der Bundesrepublik begrüßt wurden. Sie schienen, so Bösch, wieder etwas Glanz über das nach Hitler lange verachtete Deutschland auszustrahlen. Doch spätestens seit dem zweiten Schah-Besuch 1967 gerieten mehr und mehr die finsteren Realitäten in den Fokus, die der Pomp der Diktatoren zu verdecken suchte.
Aus heutiger Sicht liest sich Böschs Buch wie eine Chronik unfassbarer Skandale. Auch mit schlimmsten Regimes werden da nicht nur Handelsbeziehungen, sondern auch, oft unter Umgehung der Gesetze, deutsche Waffenlieferungen vereinbart. Immer wieder kuschen führende Politiker vor Diktatoren. Berichtet wird, unter anderem, von Franz Josef Strauß’ Staatsbesuch in Chile 1977, bei dem Strauß lauthals den von Morden und Massenhinrichtungen begleiteten Putsch des Diktators Augusto Pinochet gegen seinen sozialistischen Vorgänger Salvador Allende lobte.
Vollends im Kotau versanken Helmut Kohl und sein Außenminister Hans-Dietrich Genscher 1987 gegenüber Chinas Führung. Obwohl Menschenrechtsorganisationen und Politiker aller Parteien wegen Chinas Umgang mit Tibet starke Bedenken äußerten, dehnte Kohl einen China-Besuch auf Tibet aus und stellte dabei – niemand hatte ihn gefragt – explizit fest, Tibet sei ein Teil Chinas. Als chinesische Truppen kurz darauf einen tibetischen Aufstandsversuch niederschlugen, konnte die Bundesregierung zwar nicht verhindern, dass der Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen China aufforderte, die Menschenrechtsverletzungen in Tibet einzustellen. Zugleich aber sandten Kohl und Genscher geheime Botschaften an Chinas Regierung, in denen sie sich für die Resolution des Bonner Parlaments untertänigst entschuldigten. Genscher ließ ausdrücklich wissen, wie unglücklich er „über die Tatsache der Entschließung wie auch über ihren Inhalt“ sei.
Angesichts dessen erführe man gerne auch, was auf anderen Kommunikationsebenen – beispielsweise auf der seit 1963 jährlich tagenden Münchner Sicherheitskonferenz – zwischen demokratischen wie undemokratischen Politikern und Vertretern der Industrie besprochen oder in die Wege geleitet wurde und wird. Doch solche Quellen bleiben dem Historiker verschlossen.
Was aus den Akten des Auswärtigen Amts und anderen für Bösch zugänglichen Archiven hervorgeht, ist indessen heftig genug. Folgten in den 1950er-Jahren oft noch Ex-Nazis als Regierungsbeamte ihrer Sympathie für antikommunistische Gewaltherrscher, entwickelte sich danach rasch ein Aktionsmuster, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht: Es waren stets die Interessen der deutschen Industrie und ihrer Finanziers, die mal offen, mal verborgen das Agieren der Politik bestimmten.
Neu ist diese Erkenntnis nicht. Sie derart unwiderlegbar formuliert und dokumentiert zu haben, ist dennoch ein großes Verdienst des Direktors des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung. Gerade darum aber muss seine darüber hinausgehende Intention, zugleich „den Wandel des bundesdeutschen Umgangs mit Diktaturen“ zu zeigen, beim Leser auf eine gehörige Portion Skepsis stoßen. Wie kann ein Buch die Kontinuität bundesdeutscher Deals mit Diktaturen nachweisen und zugleich deren Wandel darlegen?
Bösch versucht dieses Problem mit einer sehr formalen Definition des Begriffs „Deal“ zu lösen, der hier die „aktive Form der Kooperation“ meine und deshalb nicht „auf einzelne Absprachen und Verträge verengt“ werden, sondern „Interaktionen im weiteren Sinne“ einbeziehen solle. So gesehen mussten „selbst Menschenrechtsorganisationen“ mit Diktaturen dealen, wenn sie Gefangenen zu helfen versuchten, meint Bösch. Und geht noch einen Schritt weiter, wenn er alle „gesellschaftlichen Gruppen, die sich mit Diktaturen auseinandergesetzt haben“ (beispielsweise Journalisten, Gewerkschaften, Amnesty oder generell die „Neue Linke“) ebenso als Dealer einstuft wie „Politiker, Ministerialbeamte und Diplomaten.“
Auf diese Weise lässt sich zwar kaum ein „Wandel“ in der tatsächlichen Bereitschaft deutscher Politiker feststellen, im Interesse des ökonomischen Profits Deals mit Diktaturen auszuhandeln, wie rücksichtslos auch immer diese ihre Gegner behandeln oder wie aggressiv sie, gerne mithilfe deutscher Waffen, gegen Regionen und Nachbarstaaten agieren, wenn die auf ihre Unabhängigkeit pochen. Als Wandel deutet der Autor aber das Phänomen, dass in den vergangenen Jahrzehnten die von Medien, Menschenrechtsorganisationen und kapitalismuskritischen Gruppen artikulierte Sensibilität für die inhumanen Praktiken diktatorisch regierter Partnerstaaten deutlich angewachsen ist.
Allerdings geht Böschs Jonglieren mit den Begriffen „Deals“ und „Wandel“ ganz und gar nicht auf. Indem seine Untersuchung faktisch basierte Geschichtsschreibung (Welche Deals hat die Politik ausgehandelt?) mit einer Art Mentalitätengeschichte zusammenspannt (Wie werden Diktaturen oder Geschäfte mit ihnen innerhalb der deutschen Gesellschaft beurteilt?), gerät sie methodisch immer wieder ins Schwimmen. Auf sorgfältige Quellenanalyse kann sie sich schließlich nur da stützen, wo es um die ökonomisch-politischen Deals als solche geht.
Ethisches Unbehagen konnte, wie Bösch selbst zeigt (und auch seine Definition von „Dealen“ ändert daran nichts) die Geschäftemacherei mit Diktaturen nie effektiv verhindern. Hier geht es meist um zwar spürbare, aber kaum exakt belegbare Einstellungen und Meinungen, bei deren Beschreibung sich das Buch denn auch allzu oft im Pauschalen oder Ungefähren („die Öffentlichkeit“, „die Neue Linke“) verliert.
Harte Fakten hatte Bösch fast nur da zur Hand, wo er die Freilassungen politischer Gefangener bilanziert, die als kompensatorische Beigaben zu Handelsgeschäften ertrotzt oder direkt mit Geld erkauft wurden. Wohl daher wird die chronologisch den Deals mit einzelnen Diktaturen folgende Gliederung des Buchs etwas überraschend von einem eigenen Kapitel über „Die deutsche Sektion von Amnesty International“ unterbrochen.
Wenn schon Sonderkapitel, so hätte man hier gern eines über den Bundestag gelesen. Wo Bösch Deals mit Diktaturen schildert, taucht die Volksvertretung selten als zustimmendes Organ auf (was sie faktisch sehr oft war), sondern als kritische, auf die Einhaltung von Menschenrechten bestehende – und von der Exekutive ignorierte oder gar hinters Licht geführte – Kraft. Wie im angeführten China-Beispiel zeigten solche Proteste meist nur kosmetische Wirkung. Aufs Handeln der Regierung hatte das Parlament deutlich weniger Einfluss als die Wirtschafts- und Finanzlobby. Hatte also der nicht als bekennender Marxist bekannte CSU-Chef Horst Seehofer recht, als er, während einer ARD-Sendung im Mai 2010 zu diesem Thema befragt, bündig erklärte: „Die entscheiden, sind nicht gewählt, und die gewählt sind, haben nichts zu entscheiden.“
Nicht nur da führt einen dieses Buch an den Rand demokratietheoretischer Abgründe, in die sein Autor wohlweislich nur sehr vorsichtig zu blicken wagt: „Der gegenwärtige weltweite Anstieg der Autokratien stimmt pessimistisch. Offensichtlich gelingt es Demokratien nicht mehr, ihre Wertvorstellungen rund um den Globus zu vermitteln.“
Und ein Wandel ist nicht wirklich in Sicht.
Der Pomp der Diktaturen
sollte auch Bonn
erstrahlen lassen
Trotz Unbehagens
obsiegte eigentlich immer
die Geschäftemacherei
Das Jonglieren
mit Begriffen geht
an vielen Stellen nicht auf
Gute Stimmung in Bonn: Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, Hu Yaobang, und Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1986. Ein Jahr später mischte sich Kohl zugunsten von Peking in den Tibet-Konflikt ein.
Foto: AP
Frank Bösch:
Deals mit Diktaturen. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik. Verlag C.H. Beck,
München 2024.
622 Seiten, 32 Euro.
E-Book: 24,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Sachbuch-Bestenliste von ZEIT, ZDF und Deutschlandfunk im März 2024:
"Seit 1945 pflegt Deutschland immer wieder Beziehungen zu Diktaturen. Der Historiker Frank Bösch analysiert die Geschichte dieser Arrangements und zeigt die Widersprüche, die sich stets aufs Neue daraus ergeben haben."

"Böschs hochspannendes Buch ist eine Studie zum kalten Pragmatismus der Nachkriegsregierungen. Die Selbstbeherrschung des Autors beim Schildern zuweilen empörender Umstände ist zu bewundern."
Deutschlandfunk Andruck, Peter Carstens

"Der Zeithistoriker Frank Bösch geht den Widersprüchen der deutschen Außenpolitik auf den Grund. Mit ernüchterndem bis erschreckendem Ergebnis."
taz, Tania Martiniy

"Überaus lesenswert."
ZEIT online, Nils Markwart

"Aus heutiger Sicht liest sich Böschs Buch wie eine Chronik unfassbarer Skandale. ... diese Erkenntnis ... derart unwiderlegbar formuliert und dokumentiert zu haben, ist ... ein großes Verdienst des Direktors des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung."
Süddeutsche Zeitung, Rainer Stephan

"Frank Bösch hat für sein Buch detailreich untersucht, was der Vorrang des Ökonomischen in der deutschen Außenpolitik konkret bedeutet."
taz, Till Schmidt

"Ein Buch, das sich zuweilen wie eine Skandalchronik liest."
Table.Berlin, Damir Fras

"Bietet interessante Einblicke in einen grundlegenden Wandel der Bundesrepublik und zeigt auf überzeugende Weise, dass Außenpolitik nicht allein Sache der Bundeskabinette war, sondern sich im Wechselspiel zwischen einer selbstbewusster auftretenden politischen Öffentlichkeit, den Interessen oppositioneller migrantischer Gruppen, den Interessen von Unternehmen und Beharrungskräften in den Ministerien konstituierte."
Das Parlament, Beilage zur LBM24, Alexander Heinrich
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