Der Übergang von der Schule in Ausbildung und Studium verläuft heutzutage nicht mehr reibungslos und friedlich. In den Familien spielen sich wahre Dramen ab. Ulrike Bartholomäus erklärt, wie es gelingen kann, hartnäckige Nesthocker, ewige Selbstzweifler und tiefenentspannte Dauerchiller in die Selbstständigkeit zu entlassen.
Ulrike Bartholomäus widmet sich unterhaltsam und wissenschaftlich fundiert einem echten Gesellschaftsphänomen. Während die einen auf die Straße gehen und für ihre Zukunft demonstrieren, hockt ein anderer Teil auf dem Sofa und bräuchte ein Schild auf der Stirn: »Wegen Umbau geschlossen«.
Eckart von Hirschhausen, Arzt, Autor und Gründer der Stiftung HUMOR HILFT HEILEN
Dieses Buch ist Nervennahrung für Eltern von Heranwachsenden, die nach der Schule nicht wissen, was sie wollen, was sie können und wer sie sind.
Stefan Klein, Bestseller-Autor
Die große Orientierungslosigkeit nach der Schule ist ein Massenphänomen: Junge Erwachsene,ob mit Einser-Abitur oder weniger glanzvollen Abschlüssen, sind nach der Schule blockiert. Statt mit wehenden Fahnen ins Leben zu starten, fühlen sie sich unfähig zur Entscheidung - für die richtige Ausbildung, den richtigen Beruf. Es wird gelitten, gestritten und viel gechillt. Ulrike Bartholomäus erzählt anschaulich und mitunter nicht ohne Komik von den Dramen, die sich in den Familien abspielen.
Die Wissenschaftsjournalistin recherchiert bei Pädagogen, Ärzten und Wissenschaftlern, um dem Phänomen auf die Spur zu kommen. Sie hat zahlreiche junge Menschen, die länger für ihre Orientierungsphase gebraucht haben, begleitet. Sie haben für dieses Buch auch Gespräche mit Gleichaltrigen geführt. Die Autorin liefert damit das Porträt einer Generation zwischen Gap year, Sinnsuche, langwieriger Studienfachfindung, Verweigerung und Aufbruch ins Unbekannte.
Eine lebensnotwendige Lektüre für alle Eltern, die nichts sehnlicher wünschen, als ihr Kind in die Selbständigkeit zu entlassen.
Ulrike Bartholomäus widmet sich unterhaltsam und wissenschaftlich fundiert einem echten Gesellschaftsphänomen. Während die einen auf die Straße gehen und für ihre Zukunft demonstrieren, hockt ein anderer Teil auf dem Sofa und bräuchte ein Schild auf der Stirn: »Wegen Umbau geschlossen«.
Eckart von Hirschhausen, Arzt, Autor und Gründer der Stiftung HUMOR HILFT HEILEN
Dieses Buch ist Nervennahrung für Eltern von Heranwachsenden, die nach der Schule nicht wissen, was sie wollen, was sie können und wer sie sind.
Stefan Klein, Bestseller-Autor
Die große Orientierungslosigkeit nach der Schule ist ein Massenphänomen: Junge Erwachsene,ob mit Einser-Abitur oder weniger glanzvollen Abschlüssen, sind nach der Schule blockiert. Statt mit wehenden Fahnen ins Leben zu starten, fühlen sie sich unfähig zur Entscheidung - für die richtige Ausbildung, den richtigen Beruf. Es wird gelitten, gestritten und viel gechillt. Ulrike Bartholomäus erzählt anschaulich und mitunter nicht ohne Komik von den Dramen, die sich in den Familien abspielen.
Die Wissenschaftsjournalistin recherchiert bei Pädagogen, Ärzten und Wissenschaftlern, um dem Phänomen auf die Spur zu kommen. Sie hat zahlreiche junge Menschen, die länger für ihre Orientierungsphase gebraucht haben, begleitet. Sie haben für dieses Buch auch Gespräche mit Gleichaltrigen geführt. Die Autorin liefert damit das Porträt einer Generation zwischen Gap year, Sinnsuche, langwieriger Studienfachfindung, Verweigerung und Aufbruch ins Unbekannte.
Eine lebensnotwendige Lektüre für alle Eltern, die nichts sehnlicher wünschen, als ihr Kind in die Selbständigkeit zu entlassen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2019Bewegung muss ins Leben kommen
Lange Leine und sanfte Impulse: Ulrike Bartholomäus gibt Eltern von Heranwachsenden triftige Ratschläge.
Wer glaubt, junge Menschen, die auf dem Papier das Erwachsenenalter und die Hochschulreife erreicht haben, brauchten keine elterliche Unterstützung mehr, der irrt. Sie benötigen weiterhin Begleitung, und das noch einige Jahre, natürlich ganz anders als damals, als sie noch klein waren. Denn die Jugend dauert länger als früher. Sie reicht bis Mitte, Ende zwanzig - je nachdem, wann sich der junge Mensch eine eigene Existenz aufgebaut hat. Es irrt auch, wer glaubt, ältere Kindern zu begleiten sei einfacher, als kleine Kinder zu erziehen. Denn das richtige Maß zu finden wird mit dem Alter der Kinder immer schwieriger. Der junge Mensch kann nur reifen, wenn er sich von den Eltern löst, gleichzeitig braucht er deren Unterstützung. Und so fragen sich Eltern: Was ist übergriffig und somit der Entwicklung hin zu einem wirklich erwachsenen Menschen hinderlich, und was ist angemessen?
Heutige Mütter und Väter haben in der Regel ein besseres und engeres Verhältnis zu ihren heranwachsenden Kindern. Das ist eigentlich gut und erschwert doch die Ablösung der Kinder. Die Eltern wollen vieles besser machen als ihre eigenen Eltern und neigen dazu, ihren Kindern zu viel abzunehmen, statt diese an herausfordernden Situationen lernen zu lassen. Hinzu kommt, dass es viel mehr Wissen über die seelische Verfassung in Kindheit und Jugend gibt. Das verleitet Eltern zu glauben, man könne den Nachwuchs seelisch relativ unbeschadet durch die Pubertät navigieren, wenn man nur zu jedem Zeitpunkt den richtigen Knopf drückt. Doch so funktioniert die menschliche Seele nicht, die gerade in Pubertät und Adoleszenz besonders anfällig für Störungen ist.
Über die sensible Phase des Erwachsenwerdens nach dem Abitur hat Ulrike Bartholomäus ein Buch geschrieben. Sein etwas umständlicher Titel sollte nicht von der Lektüre abhalten. Auch Mütter und Väter können in dieser Phase Unterstützung gut gebrauchen, vor allem den Austausch mit anderen Eltern und Freunden, und Bartholomäus ist eine kompetente Ratgeberin. Sie hat selbst eine Tochter in der Adoleszenz, ist Wissenschaftsjournalistin und hat für das Buch Studien gewälzt, Fachleute befragt und vor allem Jugendliche einige Zeit begleitet.
Herausgekommen ist ein einfach und recht unterhaltsam zu lesendes Buch mit einem großen Themenspektrum: Wie tickt die Jugend körperlich und seelisch; was machen die digitalen Medien mit ihr; was kann man alles nach dem Abi machen, was gilt es dabei zu beachten; wie können Eltern unterstützen, was sollten sie lieber nicht tun; wann brauchen junge Menschen professionelle Hilfe (Stichwort Drogenkonsum) und noch einiges mehr. Es ist ein Ritt durch viele Aspekte dieser Lebensphase, wissenschaftlich nicht immer tiefgründig abgewogen. Man begibt sich ziemlich in die Hände der Autorin, die sich auf Basis ihrer Recherche und Lebenserfahrung eine Meinung gebildet hat.
Doch erweist sich Bartholomäus als vernünftige Person mit einem weiten Horizont. So verfällt sie nicht in ein Lamento über die "Jugend von heute" und eine "Früher-war-alles-besser"-Rhetorik. Sie sieht ein, dass jede Zeit ihre Herausforderungen bereithält, die sie auch so gut erkennt, dass, wer Kinder in diesem Alter hat, immer wieder überrascht ist, wie sehr sich Bartholomäus' Schilderungen mit der eigenen Lebenswirklichkeit decken.
Und die Mitfünfzigerin mit jungen Leuten gesprochen und sie dafür gewonnen, Altersgenossen zu interviewen. So ist das Buch voll anschaulicher Beispiele: Geschichten von Jugendlichen, die schon früh wissen, was sie wollen, und ihren Weg direkt nach dem Abi zielstrebig gehen, aber auch von solchen, die erst mal eine Auszeit nehmen, dann ein Studium beginnen, es abbrechen und irgendwann doch das Richtige für sich finden, und schließlich von anderen, die nach längerer Zeit noch nicht auf einem guten Weg sind und in eine seelische Krise stürzen. Die ganze Bandbreite des Lebens eben.
Bartholomäus weckt viel Verständnis für die jungen Menschen und tröstet damit auch die Eltern. Orientierungslosigkeit in dieser Lebensphase sei alles andere als ungewöhnlich. Und auf eine lange Phase, in der sich alles nur im Zeitlupentempo entwickle, könne plötzlich eine Entwicklung in rasanter Geschwindigkeit folgen, zum Beispiel mit der Zusage für einen Ausbildungs- oder Studienplatz. Das hat Bartholomäus immer wieder in der Entwicklung der jungen Leute erlebt, die an dem Buch mitgewirkt haben.
Doch es braucht in vielen Fällen Geduld. Ist daran das Gehirn schuld? Habe man früher gedacht, es sei mit 17, 18 Jahren ausgewachsen, wisse man heute, dass sich der Prozess hinziehe, bis weit in die Adoleszenz, die bis zum Alter von 29 Jahren dauern könne, schreibt Bartholomäus. "Der präfrontale Kortex, der für die Kontrolle der Impulse sowie für unsere Urteilskraft verantwortlich ist, entwickelt sich als letzte Instanz im Gehirn." Die Reifung der Gehirnzellen im limbischen System, das die Gefühle reguliere, beschleunige sich hingegen in den Teenagerjahren.
Es besteht also ein ziemliches Missverhältnis zwischen Risikoverhalten und Vernunft. Und was brauchen junge Menschen, wenn im Inneren Chaos herrscht? Vor allem verlässliche Beziehungen und ein stabiles Umfeld. Bartholomäus zitiert eine namhafte Psychiaterin: Starke Bindungen zu Familienmitgliedern, Verwandten und Freunden seien der Nährboden für psychische Gesundheit in den Entwicklungsjahren von 15 bis 25.
Bartholomäus kennt die Neigung der Eltern, sich zu sehr einzumischen, und warnt: Durch die sensible Zeit des Übergangs, in der junge Menschen besonders anfällig für psychische Erkrankungen seien, kämen diejenigen besser, die gelernt hätten, schon vieles selbst zu bewältigen. "Mit 16 ist ein guter Zeitpunkt, Jugendlichen viel Eigenverantwortung zuzutrauen - selbständig zu lernen, ohne Kontrolle, Termine selbst zu vereinbaren, etwa bei Ämtern, Entscheidungen selbst zu treffen, allein mit Freunden in den Urlaub zu fahren." Natürlich komme es auf den Jugendlichen, seine Persönlichkeit und seine Reife an. Eltern müssten herausfinden, was ihre Kinder allein könnten und wo sie noch Hilfe benötigten.
Bartholomäus kann einem "Gap Year" nach dem Abitur und vor der Hochschule oder der Ausbildung viel abgewinnen und zeigt Möglichkeiten auf. Sollten Reisen geplant werden, dann in der Rucksackvariante und nicht in der "All-inclusive-Version", rät sie. In der Auszeit können auch Berufsfelder ausprobiert werden, durch Jobben und Praktika, es lässt sich über den Tellerrand schauen. Die Eltern sollten ihre Kinder an der langen Leine laufen lassen und hin und wieder einen sanften Impuls geben. Die richtige Mischung hänge vom Kind ab.
"Es ist nicht wichtig, wie lange der Lernprozess dauert, bis ein Jugendlicher zum Erwachsenen wird. Entscheidend ist, sich auszuprobieren, die richtigen Schlüsse aus den Situationen zu ziehen, seinen Weg selbstbestimmt zu gehen", schreibt Bartholomäus. Und sie warnt: "Nichts tun und einfach nur chillen, sollten die Heranwachsenden in der Umbruchphase möglichst nicht." Entscheidend sei es, dass Bewegung in ihr Leben komme. "Wer sich nicht aus der Komfortzone begibt, erlebt nicht Neues." Aktionismus der Eltern sei aber meistens übertrieben.
LISA BECKER
Ulrike Bartholomäus: "Wozu nach den Sternen greifen, wenn man auch chillen kann?" Die große Orientierungslosigkeit nach der Schule.
Berlin Verlag, Berlin 2019. 304 S., br., 16,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lange Leine und sanfte Impulse: Ulrike Bartholomäus gibt Eltern von Heranwachsenden triftige Ratschläge.
Wer glaubt, junge Menschen, die auf dem Papier das Erwachsenenalter und die Hochschulreife erreicht haben, brauchten keine elterliche Unterstützung mehr, der irrt. Sie benötigen weiterhin Begleitung, und das noch einige Jahre, natürlich ganz anders als damals, als sie noch klein waren. Denn die Jugend dauert länger als früher. Sie reicht bis Mitte, Ende zwanzig - je nachdem, wann sich der junge Mensch eine eigene Existenz aufgebaut hat. Es irrt auch, wer glaubt, ältere Kindern zu begleiten sei einfacher, als kleine Kinder zu erziehen. Denn das richtige Maß zu finden wird mit dem Alter der Kinder immer schwieriger. Der junge Mensch kann nur reifen, wenn er sich von den Eltern löst, gleichzeitig braucht er deren Unterstützung. Und so fragen sich Eltern: Was ist übergriffig und somit der Entwicklung hin zu einem wirklich erwachsenen Menschen hinderlich, und was ist angemessen?
Heutige Mütter und Väter haben in der Regel ein besseres und engeres Verhältnis zu ihren heranwachsenden Kindern. Das ist eigentlich gut und erschwert doch die Ablösung der Kinder. Die Eltern wollen vieles besser machen als ihre eigenen Eltern und neigen dazu, ihren Kindern zu viel abzunehmen, statt diese an herausfordernden Situationen lernen zu lassen. Hinzu kommt, dass es viel mehr Wissen über die seelische Verfassung in Kindheit und Jugend gibt. Das verleitet Eltern zu glauben, man könne den Nachwuchs seelisch relativ unbeschadet durch die Pubertät navigieren, wenn man nur zu jedem Zeitpunkt den richtigen Knopf drückt. Doch so funktioniert die menschliche Seele nicht, die gerade in Pubertät und Adoleszenz besonders anfällig für Störungen ist.
Über die sensible Phase des Erwachsenwerdens nach dem Abitur hat Ulrike Bartholomäus ein Buch geschrieben. Sein etwas umständlicher Titel sollte nicht von der Lektüre abhalten. Auch Mütter und Väter können in dieser Phase Unterstützung gut gebrauchen, vor allem den Austausch mit anderen Eltern und Freunden, und Bartholomäus ist eine kompetente Ratgeberin. Sie hat selbst eine Tochter in der Adoleszenz, ist Wissenschaftsjournalistin und hat für das Buch Studien gewälzt, Fachleute befragt und vor allem Jugendliche einige Zeit begleitet.
Herausgekommen ist ein einfach und recht unterhaltsam zu lesendes Buch mit einem großen Themenspektrum: Wie tickt die Jugend körperlich und seelisch; was machen die digitalen Medien mit ihr; was kann man alles nach dem Abi machen, was gilt es dabei zu beachten; wie können Eltern unterstützen, was sollten sie lieber nicht tun; wann brauchen junge Menschen professionelle Hilfe (Stichwort Drogenkonsum) und noch einiges mehr. Es ist ein Ritt durch viele Aspekte dieser Lebensphase, wissenschaftlich nicht immer tiefgründig abgewogen. Man begibt sich ziemlich in die Hände der Autorin, die sich auf Basis ihrer Recherche und Lebenserfahrung eine Meinung gebildet hat.
Doch erweist sich Bartholomäus als vernünftige Person mit einem weiten Horizont. So verfällt sie nicht in ein Lamento über die "Jugend von heute" und eine "Früher-war-alles-besser"-Rhetorik. Sie sieht ein, dass jede Zeit ihre Herausforderungen bereithält, die sie auch so gut erkennt, dass, wer Kinder in diesem Alter hat, immer wieder überrascht ist, wie sehr sich Bartholomäus' Schilderungen mit der eigenen Lebenswirklichkeit decken.
Und die Mitfünfzigerin mit jungen Leuten gesprochen und sie dafür gewonnen, Altersgenossen zu interviewen. So ist das Buch voll anschaulicher Beispiele: Geschichten von Jugendlichen, die schon früh wissen, was sie wollen, und ihren Weg direkt nach dem Abi zielstrebig gehen, aber auch von solchen, die erst mal eine Auszeit nehmen, dann ein Studium beginnen, es abbrechen und irgendwann doch das Richtige für sich finden, und schließlich von anderen, die nach längerer Zeit noch nicht auf einem guten Weg sind und in eine seelische Krise stürzen. Die ganze Bandbreite des Lebens eben.
Bartholomäus weckt viel Verständnis für die jungen Menschen und tröstet damit auch die Eltern. Orientierungslosigkeit in dieser Lebensphase sei alles andere als ungewöhnlich. Und auf eine lange Phase, in der sich alles nur im Zeitlupentempo entwickle, könne plötzlich eine Entwicklung in rasanter Geschwindigkeit folgen, zum Beispiel mit der Zusage für einen Ausbildungs- oder Studienplatz. Das hat Bartholomäus immer wieder in der Entwicklung der jungen Leute erlebt, die an dem Buch mitgewirkt haben.
Doch es braucht in vielen Fällen Geduld. Ist daran das Gehirn schuld? Habe man früher gedacht, es sei mit 17, 18 Jahren ausgewachsen, wisse man heute, dass sich der Prozess hinziehe, bis weit in die Adoleszenz, die bis zum Alter von 29 Jahren dauern könne, schreibt Bartholomäus. "Der präfrontale Kortex, der für die Kontrolle der Impulse sowie für unsere Urteilskraft verantwortlich ist, entwickelt sich als letzte Instanz im Gehirn." Die Reifung der Gehirnzellen im limbischen System, das die Gefühle reguliere, beschleunige sich hingegen in den Teenagerjahren.
Es besteht also ein ziemliches Missverhältnis zwischen Risikoverhalten und Vernunft. Und was brauchen junge Menschen, wenn im Inneren Chaos herrscht? Vor allem verlässliche Beziehungen und ein stabiles Umfeld. Bartholomäus zitiert eine namhafte Psychiaterin: Starke Bindungen zu Familienmitgliedern, Verwandten und Freunden seien der Nährboden für psychische Gesundheit in den Entwicklungsjahren von 15 bis 25.
Bartholomäus kennt die Neigung der Eltern, sich zu sehr einzumischen, und warnt: Durch die sensible Zeit des Übergangs, in der junge Menschen besonders anfällig für psychische Erkrankungen seien, kämen diejenigen besser, die gelernt hätten, schon vieles selbst zu bewältigen. "Mit 16 ist ein guter Zeitpunkt, Jugendlichen viel Eigenverantwortung zuzutrauen - selbständig zu lernen, ohne Kontrolle, Termine selbst zu vereinbaren, etwa bei Ämtern, Entscheidungen selbst zu treffen, allein mit Freunden in den Urlaub zu fahren." Natürlich komme es auf den Jugendlichen, seine Persönlichkeit und seine Reife an. Eltern müssten herausfinden, was ihre Kinder allein könnten und wo sie noch Hilfe benötigten.
Bartholomäus kann einem "Gap Year" nach dem Abitur und vor der Hochschule oder der Ausbildung viel abgewinnen und zeigt Möglichkeiten auf. Sollten Reisen geplant werden, dann in der Rucksackvariante und nicht in der "All-inclusive-Version", rät sie. In der Auszeit können auch Berufsfelder ausprobiert werden, durch Jobben und Praktika, es lässt sich über den Tellerrand schauen. Die Eltern sollten ihre Kinder an der langen Leine laufen lassen und hin und wieder einen sanften Impuls geben. Die richtige Mischung hänge vom Kind ab.
"Es ist nicht wichtig, wie lange der Lernprozess dauert, bis ein Jugendlicher zum Erwachsenen wird. Entscheidend ist, sich auszuprobieren, die richtigen Schlüsse aus den Situationen zu ziehen, seinen Weg selbstbestimmt zu gehen", schreibt Bartholomäus. Und sie warnt: "Nichts tun und einfach nur chillen, sollten die Heranwachsenden in der Umbruchphase möglichst nicht." Entscheidend sei es, dass Bewegung in ihr Leben komme. "Wer sich nicht aus der Komfortzone begibt, erlebt nicht Neues." Aktionismus der Eltern sei aber meistens übertrieben.
LISA BECKER
Ulrike Bartholomäus: "Wozu nach den Sternen greifen, wenn man auch chillen kann?" Die große Orientierungslosigkeit nach der Schule.
Berlin Verlag, Berlin 2019. 304 S., br., 16,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ulrike Bartholomäus gibt Eltern von Heranwachsenden triftige Ratschläge." Lisa Becker FAZ 20191012