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Die Ikone der modernen japanischen Dichtkunst mit ihrem aufsehenerregenden Lyrikdebüt - erstmals auf Deutsch
«Midaregami», zu Deutsch «wirres Haar», steht für eine Revolution des traditionellen Geschlechterbildes der japanischen Frau, im übertragenen Sinn und zugleich anschaulich konkret. Nicht mit fein gekämmter und manierlich hochgesteckter Frisur präsentiert sich die meisterhafte Dichterin, wie es sich seit Jahrtausenden für ihresgleichen geziemt, sondern ganz im Gegenteil wild, aufgelöst - eben mit «wirrem Haar». Eduard Klopfenstein hat dieses einzigartige Kompendium, mit dem die…mehr

Produktbeschreibung
Die Ikone der modernen japanischen Dichtkunst mit ihrem aufsehenerregenden Lyrikdebüt - erstmals auf Deutsch

«Midaregami», zu Deutsch «wirres Haar», steht für eine Revolution des traditionellen Geschlechterbildes der japanischen Frau, im übertragenen Sinn und zugleich anschaulich konkret. Nicht mit fein gekämmter und manierlich hochgesteckter Frisur präsentiert sich die meisterhafte Dichterin, wie es sich seit Jahrtausenden für ihresgleichen geziemt, sondern ganz im Gegenteil wild, aufgelöst - eben mit «wirrem Haar». Eduard Klopfenstein hat dieses einzigartige Kompendium, mit dem die dichterische Moderne in Japan einsetzte, kundig und sprachmächtig ins Deutsche übersetzt. Der Band ermöglicht die längst überfällige Entdeckung einer Ikone der fernöstlichen Poesie.
Autorenporträt
Yosano Akiko (1878-1942, eigentlich H¿ Sh¿) stammte aus einer Kaufmannsfamilie aus Sakai nahe Osaka, führte bereits mit elf Jahren die Geschäfte der Familie und begann früh, Kurzgedichte zu schreiben. 1901 erschien ihr erster, viel beachteter Tanka-Band Midaregami (Wirres Haar). 1905 sorgte ein an ihren Bruder gerichtetes Antikriegsgedicht für Aufsehen. Sie machte sich nicht nur als moderne, eigenständige Stimme der japanischen Literatur einen Namen, sondern tat sich in Essays als couragierte Demokratin und Vorkämpferin für Frauenrechte hervor.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für kongenial hält Rezensent Steffen Gnam Eduard Klopfensteins Übersetzung der zuerst 1901 in Japan erschienenen Lyriksammlung Yosano Akikos. Die laut Rezensent teils autobiografisch eingefärbten Gedichte der Feministin und Bilderstürmerin Yosano sind für Gnam purer Lesegenuss, auch aufgrund der Mischung aus romantischer "Hofdamenliteratur" und revolutionärem Gestus. In das Fantasie-Kyoto mit Kurtisanen und Tanz, das die Autorin erfindet, lässt sich Gnam gern hineinversetzen, nicht zuletzt weil die Figuren immer mit einem Fuß im Transzendenten zu stehen scheinen und Yosano buddhistische, christliche und schintoistische Elemente vereint, Sinnliches und Übersinnliches.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2024

Zwischen Sinnlichkeit und Übersinnlichem
Revolutionäres in der japanischen Liebesdichtung: Die avantgardistisch-feministische Lyrik von Yosano Akiko entstand in einer patriarchalen Gesellschaft

Die aus Sakai bei Osaka stammende Dichterin und Essayistin Yosano Akiko (1878 bis 1942) war eine Innovatorin der Poesie und Bilderstürmerin der Moral, Sozialreformerin und Pionierin des Feminismus, ein frei denkendes Genie und am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts aufgehender Leitstern am japanischen Literaturfirmament. Eduard Klopfenstein, der 2022 ebenfalls bei Manesse eine Sammlung politischer Essays von Yosano unter dem Titel "Männer und Frauen" herausgab, hat nun erstmals die berühmt-berüchtigte Lyriksammlung "Wirres Haar" (in Tokio 1901 erschienen) ins Deutsche übertragen.

Yosano Akiko flüchtete 1901 aus der bourgeoisen Enge ihrer Heimat nach Tokio zu ihrem späteren Ehemann Yosano Tekkan. Der war Gründer des Literatenkreises "Shinshi-sha" (Verein Neue Poesie) und betrieb mit der Zeitschrift "Myojo" (Morgenstern) ein Zentralorgan des japanischen Romantizismus. Yosanos ebenso romantische wie revolutionäre Lyrik brachte fortan ein individuelles Moment und frei fließende Sinnlichkeit in die mehr als 1300 Jahre alte einunddreißigsilbige Gedichtform der Tanka ein. In der Motivwahl ist Yosano, die das "Genji Monogatari" aus dem elften Jahrhundert ins moderne Japanisch übersetzt hat, sowohl jener klassischen Hofdamenliteratur verpflichtet (etwa im Topos vom "Morgen danach" - so evoziert einer ihrer Tanka von einem Galan verfasste "Pflaumenblütenverse nach der Liebesnacht") als auch dem französischen Symbolismus oder der Renaissance-Aktmalerei Tizians.

Leitmotiv ist neben einer stark idealisierten höfischen Vergangenheit und einer Art Phantasie-Kyoto mit Kurtisanen und Tänzerinnen der in sehnsuchtstrunkenen Oden an die Jugend und die Liebe auftretende Topos "Land des Frühlings". "Wassertropfen, die von Mädchenhaaren in die Gräser fallen / sich verwandeln und als Schmetterlinge neu geboren werden - hier in diesem Land des Frühlings". Yosanos Heldinnen sind zwischen Sinnsuche am Weltmorgen und elysischen Wonnen das Menschliche transzendierende Wesen.

Die im Eingangsgedicht dieser Rezension und auch sonst vielfach variierte Selbstbeschreibung als "Kind der Sterne" war ein Codewort im "Morgenstern"-Dichterkreis. Später sollte Yosano es um das selbstironische, pseudoreumütige Bild vom "Kind der Sünde" erweitern. Sie verband alte Topoi wie schwarzes Frauenhaar mit nichtgeglätteten Gemengelagen ("wirr") oder belebte das altehrwürdige Genre mit dem zuvor unüblichen nonchalanten Gebrauch von Wörtern wie "Brüste" oder "Blut".

Die synkretistische Lyrik Yosanos, in der Religion als ästhetisches Dekor, aber auch als Korsett aufscheint, vereint buddhistische, christliche und schintoistische Züge. Zentral ist dabei das Motiv des begehrenswerten und dem Weltlichen noch nicht vollkommen abholden jungen Mönchs, wobei in Yosanos Kosmologie die dionysische Daseinsfeier über den Geist der Entsagung obsiegt: "Sutren sind bitter / an diesem Frühlingsabend / Ihr fünfundzwanzig Buddhas / im Innersten Tempel / lauscht meinen Liedern!"

Es ist eine Literatur der Übergänge zwischen Sinnlichkeit und Übersinnlichem, Menschennatur und Übernatürlichem wie im die Tanabata-Legende evozierenden Eingangsgedicht über die vom Himmel herabgestiegenen Liebenden. Im Spiel mit Synästhesie und Polyphonie - das literarische Ich führt Zwiegespräche mit einer Taube, auf deren Flügel es eine Liebesbotschaft schreiben will, oder einer vernachlässigten Zither - wird Liebeslust und Liebesfrust in einer patriarchalen Gesellschaft thematisiert.

Die wirkmächtige Konvention wird mit Worten wie "den Dämonenflügeln alter Zeiten vertrauen" oder als "schwarzer Falter" apostrophiert. Yosanos Liebesdreiecksgedichte, ihre Haar- und Herzverwirrungen, sind autobiographisch gefärbt. So ist ein Abschnitt des Gedichtbands mit "Weiße Lilie" überschrieben: als Codename für Yamakawa Tomiko, Yosanos ebenfalls im Dichterkreis aktiver Freundin und Rivalin um die Gunst Tekkans. Die Autorin, die das berühmte Antikriegsgedicht "Du darfst mir nicht sterben!" schrieb, elf Kinder großzog, eine koedukative Schule gründete, in der feministischen "Blaustrumpf"-Bewegung aktiv war und bis an ihr Lebensende fünfzehn Essaybände und fünfzigtausend Tanka veröffentlichte, war Verfechterin eines modernen Konzepts von Liebe und Nächstenliebe. Im Kleid klassischer Form, doch mit Narzissmus als Methode, entfesselte sie das moderne Selbst. Ihr Frühwerk entwirft in Bewusstseinsströmen wie "Kein Wort vom Weg! / Kein Gedanke an ein Danach! / Ohne Rücksicht auf den Ruf! / Hier Du und Ich nur Auge in Auge liebend geliebt" dem Vorwurf der Pornographie zum Trotz in subversiven Miniaturen Freiheitsmanifeste der Kunst - auch der Liebeskunst.

Eduard Klopfensteins kongeniale Übersetzung macht ihre Tanka zum erhebenden Lesegenuss: "Kind der Anmut / Kind des Frühlings / des Blutes / Kind des Feuers / Wie hätte ich jetzt nicht / Flügel der Freiheit." STEFFEN GNAM

Yosano Akiko: "Wirres Haar". 399 Tanka.

Aus dem Japanischen von Eduard Klopfenstein, Manesse Verlag, München 2023. 192 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Eduard Klopfensteins kongeniale Übersetzung macht ihre [Yosano Akikos] Tanka zum erhebenden Lesegenuss.« Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.02.2024