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Nach einem langen Winter der gemeinsamen Migration und des friedlichen Zusammenlebens beginnen Vögel in den ersten Frühlingstagen plötzlich mit aller Kraft zu singen und erschaffen einen eindrucksvollen audiophonen Raum. Sie werden zu Konkurrenten, können die Anwesenheit anderer nicht ertragen und fangen an, sie zu bedrohen und anzugreifen, wenn sie eine Grenze überschreiten, die für den Menschen unsichtbar ist. Was verbirgt sich dahinter? Ein Spiel, die Balz oder eine Form von Territorialität? Oder ist alles doch nur Show? Die belgische Wissenschaftsphilosophin untersucht mit liebevollem…mehr

Produktbeschreibung
Nach einem langen Winter der gemeinsamen Migration und des friedlichen Zusammenlebens beginnen Vögel in den ersten Frühlingstagen plötzlich mit aller Kraft zu singen und erschaffen einen eindrucksvollen audiophonen Raum. Sie werden zu Konkurrenten, können die Anwesenheit anderer nicht ertragen und fangen an, sie zu bedrohen und anzugreifen, wenn sie eine Grenze überschreiten, die für den Menschen unsichtbar ist. Was verbirgt sich dahinter? Ein Spiel, die Balz oder eine Form von Territorialität? Oder ist alles doch nur Show? Die belgische Wissenschaftsphilosophin untersucht mit liebevollem Blick die Art und Weise, wie Vögel ihre Welten konstruieren, und Ornithologen versuchen, sie zu verstehen. Sie nimmt Vögel wie Ornithologen genau unter die Lupe und indem sie beide in einem gemeinsamen Raum beobachtet, öffnet sie uns die Augen für die vielfältigen Welten und Existenzweisen auf unserem Planeten, den der Mensch sich mit Vögeln und anderen Arten teilt.
Autorenporträt
Vinciane Despret, 1959 im belgischen Anderlecht geboren, ist Professorin für Wissenschaftsphilosophie an den Universitäten Liège und Brüssel. Gemeinsam mit Isabelle Stengers, bei der sie 1997 promovierte, und Bruno Latour verfolgt sie das Ziel, Wissenschaftlern auf ihren Feldern und in ihrer Praxis zu folgen und zu verstehen, wie sie ihre Studienobjekte interessant machen. So untersuchte sie das Verhalten u. a. von Verhaltensforschern in Neuseeland und Israel. Im Jahr 2021 erhielt sie den Moron-Preis der Académie française für ihr Gesamtwerk.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fasziniert, aber auch gefordert zeigt sich Rezensent Thomas Weber von diesem Buch der belgischen Philosophin Vinciane Despret über die Territorialität von Vögeln. Despret ist an Donna Haraway und Bruno Latour geschult, warnt Thomas Weber vor, auf Überraschungen müsse man sich also gefasst machen. Der Rezensent liest gebannt, wie Despret mit der alten Gewohnheit der Biologie bricht, Territorium nur im Kontext von Aggression und Besitz-Verteidigung zu verstehen. Sie setzt dagegen ein vielschichtiges Verhältnis von Gesang und Gemeinschaft, erklärt Weber. Auch kenne Desprets Verhaltensforschung kulturelles Lernen, Persönlichkeiten und Lebensgeschichte. Es kommt eben darauf an, welche Fragen die Wissenschaft stellt, erkennt Weber, der beim nächsten Mal bestimmt den Chorgesang der Vögel in italienischen Wäldern bemerken wird.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2022

Die gesungenen Grenzen des Selbst

Wer genauer hinhört, der begreift mehr: Vinciane Despret macht mit der Erforschung der Territorialität von Vögeln bekannt.

Die Lockdowns während der Covid-Pandemie hielten für Wissenschaftler einige Überraschungen bereit: Seismologen nahmen Signale auf, die normalerweise im konstanten Umweltlärm nicht messbar waren, und Ornithologen beobachteten, dass Singvögel in Städten plötzlich weichere und komplexere Gesänge produzierten. Die Kombination von weniger Hintergrundlärm und einer größeren Frequenzbandbreite der Gesänge führte dazu, dass sich die singenden Männchen über eine doppelt so weite Entfernung als üblicherweise hören konnten.

Die Wissenschaftsphilosophin Donna Haraway prägte den Begriff "Phonozän", um zu beschreiben, wie menschliche Aktivität mehr und mehr die akustischen Landschaften - das Donnern und Knarren der Erde, aber auch die Gesänge der Vögel - transformiert. Gesang ist bei vielen Vogelarten ein wesentliches Instrument der Strukturierung ihres Lebensraumes in der Fortpflanzungsphase des Jahreszyklus und untrennbar verbunden mit der Territorialität von Vögeln.

Das neue Buch der belgischen Philosophin Vinciane Despret nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Forschungsgeschichte zur Territorialität der Vögel und beschreibt, wie Vögel ihre Lebenswelt konstruieren und wie Biologen versuchen sie zu verstehen. Sie sondiert die gängige Vorstellung von Territorien als Privateigentum und von Vögeln als Kleinbürgern, die dieses Eigentum verteidigen. Wer ein Buch über die Naturgeschichte der Territorialität von Vögeln erwartet, mit Kapiteln über Kommunikation, Nahrungssuche und Brutgeschäft, muss sich auf eine Überraschung gefasst machen.

Despret, eine Pionierin der "animal studies", bezieht sich gerne auf Philosophen und Wissenschaftsforscher wie Donna Haraway, Bruno Latour oder Isabelle Stengers, die versuchen, mit neuen Erzählformen die eng miteinander verstrickten Beziehungen zwischen Menschen, nicht menschlichen Lebewesen und Technologien zu würdigen. Im Fokus ihres Buches stehen neben den Vögeln die Wissenschaftler, die die Territorialität der Vögel erforschen, die Fragen, die diese Wissenschaftler stellen und der Umstand, dass sie diese und nicht andere Fragen für wichtig befinden. Während Territorialität lange nur im Kontext von Aggression und Verteidigung von "Besitz" gesehen wurde, arbeitet Despret heraus, wie komplex das Verhältnis zwischen Vogel, Gesang, Territorium und der Gemeinschaft der Vögel ist - und was es aus der Sicht eines Vogels bedeutet, territorial zu sein.

So zeigt sie zum Beispiel, dass es sich beim Territorium eines Vogels weniger um eine "Fläche" handelt, sondern um das Ergebnis komplexer Schichtungen. Die in den Vereinigten Staaten vorkommenden Dreifarbenstärlinge leben in Territorien, deren dichte Vegetation ein Dach aus Rohrkolben bildet. Alles, was über dieser Vegetation liegt, ist nicht territorialisiert - der Himmel gehört jedem Vogel. Der vom Vogel beanspruchte Raum ist kein Eigentum, sondern ein vergrößertes Selbst, dessen Grenzen durch Singen markiert werden.

Chorgesänge von Vögeln in italienischen Wäldern zeigen, wie die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern für den richtigen Moment, die richtige Tageszeit oder die Abstände von Überlagerungen eine variantenreichere und gehaltvollere Wirklichkeit des Vogelgesanges und seiner Funktionen offenbart als frühere Theorien. Der Aufmerksamkeit der Vögel füreinander müssen Wissenschaftler aufmerksam begegnen.

Desprets Buch zeigt an all diesen Beispielen, wie sehr sich die Biologie schon immer - und insbesondere in der Gegenwart mit neuen Möglichkeiten der Datensammlung und Datenspeicherung - mit Details und Besonderheiten befasst hat. Inzwischen spielen Persönlichkeiten, Lebensgeschichten, soziale Beziehungen oder kulturelles Lernen wichtige Rollen in der Verhaltensforschung. Vinciane Desprets faszinierendes, aber forderndes Buch zeigt die Biologie als Wissenschaft, die die Eigenartigkeiten anderer Lebensweisen erschließt und dabei ein großes Maß an Geduld voraussetzt. THOMAS WEBER

Vinciane Despret: "Wie der Vogel wohnt".

Aus dem Französischen von Nicola Denis. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2022. 250 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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