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Was heißt es, Mensch zu sein? Nobelpreisträger Eric Kandel über die Grundlagen unserer Identität
Was genau geschieht, wenn unser Gehirn nicht mehr "normal" funktioniert? Wenn es in Unordnung geraten ist, durch Störungen oder Krankheiten wie Alzheimer, Depression oder posttraumatischen Stress? Eric Kandel, einer der weltweit führenden Experten der Gehirn- und Gedächtnisforschung, hat sich in seiner Arbeit immer wieder mit der Frage beschäftigt, inwiefern komplexe menschliche Verhaltensweisen biologische Ursachen haben. In seinem neuen Buch zeigt er an vielen Beispielen, von Angstzuständen…mehr

Produktbeschreibung
Was heißt es, Mensch zu sein?
Nobelpreisträger Eric Kandel über die Grundlagen unserer Identität

Was genau geschieht, wenn unser Gehirn nicht mehr "normal" funktioniert? Wenn es in Unordnung geraten ist, durch Störungen oder Krankheiten wie Alzheimer, Depression oder posttraumatischen Stress? Eric Kandel, einer der weltweit führenden Experten der Gehirn- und Gedächtnisforschung, hat sich in seiner Arbeit immer wieder mit der Frage beschäftigt, inwiefern komplexe menschliche Verhaltensweisen biologische Ursachen haben. In seinem neuen Buch zeigt er an vielen Beispielen, von Angstzuständen bis zur Schizophrenie, von Sucht bis Bipolarität, wie sehr biologische Prozesse unsere Identität prägen. Denn gerade die Störungen, die Abweichungen und Anomalien machen auf beeindruckende Weise sichtbar, was es heißt, Mensch zu sein.

Der Titel ist durchgehend vierfarbig und reichhaltig bebildert.

Autorenporträt
Kandel, Eric
Eric Kandel, geboren 1929 in Wien, ist einer der bedeutendsten Neurowissenschaftler des 20. Jahrhunderts. 1939 emigrierte er mit seiner jüdischen Familie in die USA. Kandel studierte Geschichte und Literatur an der Harvard University und danach Medizin an der New York University. Seit 1974 ist er Professor an der Columbia University in New York. Für seine Forschung erhielt Eric Kandel im Jahr 2000 den Nobelpreis für Medizin. Unter dem Titel »Auf der Suche nach dem Gedächtnis. Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes« erschien Kandels Lebens- und Forschungsgeschichte, die zwei Jahre später unter dem gleichen Titel auch verfilmt wurde. Für »Das Zeitalter der Erkenntnis« kehrte der begeisterte Kunstsammler und weltbekannte Naturwissenschaftler zurück in die Stadt seiner Kindheit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2018

Wo der Geist auf Abwege kommt, lernt man ihn erst richtig kennen

Nachforschungen im neuronalen Werkraum: Der Hirnforscher Eric Kandel widmet sich der Frage, was uns Menschen eigentlich ausmacht.

Von Joachim Müller-Jung

Eine berechtigte Frage: Warum sind wir anders als alle anderen Lebewesen, die wir kennen? Der Mensch ist tatsächlich singulär, zumindest auf unserem Planeten: expansiver, anpassungsfähiger, kognitiv leistungsfähiger, mit Moral begabt. Aber warum wir so besonders sind, das wissen wir nicht.

Wovon wir allerdings langsam eine Ahnung bekommen, das ist, wie es zu unserer - vielleicht vorläufigen? - Sonderstellung im Tierreich kam. Eric Kandels neues Buch, das Ende nächster Woche erscheint, folgt einem der spannendsten Pfade auf dieser Spurensuche. Für den in Wien geborenen, noch als Kind geflüchteten und trotz seiner 88 Jahre immer noch - wie er jüngst im Gespräch versicherte - mit einem Vierzehn-Stunden-Arbeitstag ausgelasteten amerikanischen Hirnforscher Eric Kandel sind es, wie kaum anders zu erwarten, Geist und Gehirn, die uns Aufschlüsse geben sollten. Was das Faszinierende am Gehirn ist, zeigt Kandel aus einer konsequent biologischen und historischen Perspektive - ohne tiefere philosophische Theoriebildung. Descartes ist abgehakt, ein Eigenleben der Seele, davon ist Kandel in der Darlegung seiner "Biologie des Geistes" überzeugt, wird man nicht finden. Psychoanalyse, Freud? Alles gut und schön, die Psychoanalyse hatte gute Ansätze, sie hat sie in Kandels Augen sogar noch als therapeutischer Ansatz. Doch nur unter Einhaltung empirischer Methoden und wissenschaftlicher Evidenzen, wie sie Neurologie und Kognitionspsychologie mittlerweile bereitstellen, weist er der Psychoanalyse bei der Aufklärung ihrer Kernthemen wie Bewusstsein und der Rolle des Unbewussten eine Rolle zu. Womit zugleich klar ist: Die Fragen nach der Sonderstellung unseres Geistes hält auch Kandel für lange noch nicht beantwortet, moderne Bildgebung hin, Genetik her.

Die Rätsel unserer Psyche seien nur schrittweise zu entziffern, und sie werden nicht weniger, es gebe mit jedem neuen naturwissenschaftlichen Befund mehr von ihnen. Doch genau darin liegt der Reiz für Kandel. Er hat Vergnügen daran, die neurologischen und psychologischen Puzzleteile zusammenzufügen; und dieses Vergnügen teilt sich der Leserin mit. Kandel wählt als Zugang nicht die "normale" Psyche. Normalität ist neurologisch ohnehin schwer zu fassen. Das wird sehr schnell deutlich, wenn er mit einigen eindrücklich dokumentierten Einzelschicksalen auf die großen - im Sinne von: häufig und gut erforscht - psychischen und neurodegenerativen Störungen eingeht, auf Autismus, Depressionen, Schizophrenie, Alzheimer, Parkinson und Huntington. Erst durch die vielen Abweichungen und deren biologische Ursachen lernt man bei Kandel die Potentiale des menschlichen Geistes näher kennen. Kreativität, Schönheitsempfinden, Geschlechteridentität, Emotionen - all das hat, folgt man Kandel, grob gesprochen mit Wahn genauso viel zu tun wie mit der perfekten Organisation von neuronalen Vernetzungen im Gehirn. Am eindrucksvollsten arbeitet er das heraus, wenn er schildert, wie sich surrealistische Künstler - von Max Ernst bis Salvador Dalí - den Tausenden Patientengemälden annäherten, die der Heidelberger Psychiater Hans Prinzhorn in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg zu sammeln begonnen hatte.

Kandel arbeitet die wissenschaftlich diffizilen und biologisch immer noch schwer zu fassenden Unterschiede heraus, die im Laufe eines Lebens dafür sorgen, dass jedes Gehirn schließlich einzigartig ist. Der Leser lernt viel über Funktionsweisen und Strukturen des Gehirns, und er bekommt eine Ahnung davon, wie Erinnerungen und Geist auf neuronaler Basis entstehen (könnten). Faszinierend ist die Idee, dass Bewusstsein, von unbewussten Prozessen mit gesteuert, in einem "globalen Werkraum" in der Tiefe des Gehirns (selbst-)organisiert sein könnte - so eine der zahlreichen modernen Bewusstseintheorien.

Und dennoch: Lässt sich unser Ich hier verorten? Oder das Freudsche Über-Ich, das uns im Hier und Jetzt erden soll? Kandel gibt sich da keinen Illusionen hin. Er beschreibt und erklärt das evolutionäre Phänomen Geist, wie er es als Naturforscher anvisiert. Deshalb spekuliert er auch erst gar nicht darüber, wie die in aktuellen Debatten gerne hin und her gewendete Frage nach der Zukunft von Intelligenz oder Bewusstsein beantwortet werden könnte, ob wir unsere intellektuellen Fähigkeiten künftig mit künstlichen Systemen messen werden müssen, die schneller lernen, sich mehr merken und womöglich einen eigenen Willen zu bilden imstande sind. Obwohl man da von einem Forscher wie Eric Kandel eine Einschätzung sogar gern gehört hätte.

Eric Kandel: "Was ist der Mensch?". Störungen des Gehirns und was sie über die menschliche Natur verraten.

Aus dem Englischen von S. Vogel. Siedler Verlag, München 2018. 368 S., geb., 30,- [Euro].

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"Eric Kandel schafft es, Abläufe im Gehirn verständlich zu beschreiben und so Verhalten zu erklären." Deutschlandfunk "Forschung aktuell"