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Ein New Yorker Ehepaar reist mit dem Zug in eine abgeschiedene, schneeverwehte Kleinstadt im Norden Europas, um im örtlichen Waisenhaus ein Kind abzuholen, das sie adoptieren wollen. Er hofft, durch das Kind seiner Frau wieder näherzukommen. Sie, gezeichnet vom Kampf gegen eine tödliche Krankheit, will ihn nach ihrem Tode nicht allein zurücklassen. Am Ziel ihrer Reise angelangt, quartieren sich die beiden im Grand Imperial Hotel ein, das von der Pracht längst vergangener Tage zeugt und in dem eine Handvoll skurriler Gäste logiert. Am nächsten Morgen setzt das Taxi sie fälschlicherweise...
Ein New Yorker Ehepaar reist mit dem Zug in eine abgeschiedene, schneeverwehte Kleinstadt im Norden Europas, um im örtlichen Waisenhaus ein Kind abzuholen, das sie adoptieren wollen. Er hofft, durch das Kind seiner Frau wieder näherzukommen. Sie, gezeichnet vom Kampf gegen eine tödliche Krankheit, will ihn nach ihrem Tode nicht allein zurücklassen. Am Ziel ihrer Reise angelangt, quartieren sich die beiden im Grand Imperial Hotel ein, das von der Pracht längst vergangener Tage zeugt und in dem eine Handvoll skurriler Gäste logiert. Am nächsten Morgen setzt das Taxi sie fälschlicherweise nicht beim Waisenhaus ab, sondern vor dem Haus von Bruder Emmanuel, einem mysteriösen Heiler. Dies löst eine Reihe von Verwicklungen aus, die den Plan, das Kind abzuholen, nach und nach in den Hintergrund treten lassen.In diesem Buch darf nichts für bare Münze genommen werden - und nie weiß man, was als Nächstes geschieht. Peter Cameron stört empfindlich unsere Gewissheiten über den natürlichen Ablauf der Welt und liefert dabei einen Roman ab, dessen eigenartige Spannung und grotesker Humor ihresgleichen suchen.
Peter Cameron, geboren 1959 in New Jersey, wuchs in England und den USA auf. Nach dem College erste Veröffentlichungen im 'New Yorker'. Bekannt wurde er durch seinen internationalen Bestseller 'Die Stadt am Ende der Zeit', der von James Ivory verfilmt wurde. Cameron ist Autor von acht Romanen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Er lehrte u. a. Kreatives Schreiben an der Columbia University und in Yale. Derzeit lebt er in New York.
Produktdetails
- Verlag: Liebeskind
- Originaltitel: What Happens at Night
- Seitenzahl: 270
- Erscheinungstermin: 27. Juni 2022
- Deutsch
- Abmessung: 192mm x 133mm x 27mm
- Gewicht: 324g
- ISBN-13: 9783954381494
- ISBN-10: 3954381494
- Artikelnr.: 63728330
Herstellerkennzeichnung
Liebeskind Verlagsbhdlg.
Tal 15
80331 München
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Andreas Platthaus gratuliert dem Liebeskind-Verlag zur Entscheidung, Peter Cameron ins Programm zu holen - nachdem Penguin ihn nicht mehr wollte. Und so taucht der Kritiker ein in diese moderne Schauergeschichte, folgt einem amerikanischen Ehepaar ins "Grand Imperial Hotel" irgendwo im Nordosten von Europa und hofft mit einer Gruppe verkrachter Existenzen auf Zukunft. Im Fall des namenlosen Paares soll die mit der Adoption eines Waisenkindes fortschreiten. Beide treffen allerdings auf Männer, die ihre jeweiligen Leben gehörig auf den Kopf stellen, verrät der Kritiker. Hier ist es noch stiller und unheimlicher als in Stephen Kings "Shining", fährt der Rezensent fort, der auch Anklänge an Roman Polanskis "Tanz der Vampire" und natürlich Bram Stokers "Dracula" ausmacht. Und wie Cameron durch eine Mischung aus autofiktionaler Erzählung und wörtlicher Rede Sogkraft erzeugt, ringt ihm außerdem Anerkennung ab.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Spaß am literarischen Schauder
Peter Camerons Verunsicherungskunststück "Was geschieht in der Nacht"
Peter Cameron ist ein amerikanischer Autor, der hierzulande etwas aus dem Fokus gerückt ist. Der heute Zweiundsechzigjährige wurde bis 2012 zuverlässig ins Deutsche übersetzt und beim Knaus Verlag veröffentlicht, doch sein neues Buch "What Happens at Night", 2020 in den Vereinigten Staaten erschienen, hat es nicht mehr ins Programm jenes Verlags geschafft, der nach dem großen Konzentrationsprozess beim Münchner Buchkonzern Random House nun die zahlreichen früher eigenständigen Programme bündelt: Penguin. Dass die Übernahme des weltberühmten englischen Verlagsnamens auch für den Löwenanteil der anspruchsvolleren
Peter Camerons Verunsicherungskunststück "Was geschieht in der Nacht"
Peter Cameron ist ein amerikanischer Autor, der hierzulande etwas aus dem Fokus gerückt ist. Der heute Zweiundsechzigjährige wurde bis 2012 zuverlässig ins Deutsche übersetzt und beim Knaus Verlag veröffentlicht, doch sein neues Buch "What Happens at Night", 2020 in den Vereinigten Staaten erschienen, hat es nicht mehr ins Programm jenes Verlags geschafft, der nach dem großen Konzentrationsprozess beim Münchner Buchkonzern Random House nun die zahlreichen früher eigenständigen Programme bündelt: Penguin. Dass die Übernahme des weltberühmten englischen Verlagsnamens auch für den Löwenanteil der anspruchsvolleren
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deutschen Bücher des Konzerns auf Kosten eines englischsprachigen Autors gehen würde, durfte man nicht erwarten - wenn auch Cameron in seiner Heimat als Autor unbekannter ist als in Europa. Aber das hat ja die Publikation seines jüngsten Romans nicht verhindert, und zwar beim New Yorker Verlag Catapult, der sogar zu Random House gehört. Es half Cameron nichts.
Seinem hiesigen Publikum hilft es dagegen, dass nun in Deutschland die Verlagsbuchhandlung Liebeskind zum Zug gekommen ist. Dazu darf sie sich gratulieren. "Was geschieht in der Nacht" - wie der im Gegensatz zum restlichen Text rhythmisch und semantisch holprig übersetzte Romantitel hier lautet - ist ein Genrewerk, für das es ein großes Interesse geben dürfte. Mit einem altertümlichen Begriff kann man das Buch als Schauerliteratur bezeichnen, aber es selbst hat nichts Altertümliches außer dieser literaturgeschichtlichen Erbfolge. Cameron und sein Übersetzer Werner Löcher-Lawrence, der hier erstmals bei diesem Autor zum Zuge kommt, nutzen sprachlich konsequent die große Tradition englisch-, aber auch deutschsprachiger Autoren auf diesem Feld, um eine im besten Sinne unheimliche Geschichte zu erzählen. Sie bietet romantische Motive, Reiseimpressionen, Phantastik und vor allem Tiefenpsychologie.
Ein namenloses amerikanisches Ehepaar ist mit dem Zug unterwegs in den hohen Nordosten von Europa - ob in Schweden, Finnland oder Russland, lässt Cameron offen; für alle drei Länder gibt es jeweils Indikatoren, aber am ehesten muss man sich die schließlich erreichte Ortschaft mit dem zungenbrecherischen Namen Borgarfjaroasysla wohl als Inbegriff eines Niemandslandes vorstellen. Im dortigen "Grand Imperial Hotel" versammeln sich lauter Gescheiterte, die nur noch hier am - Pardon - Arsch der Welt auf so etwas wie Zukunft hoffen dürfen. Das mittelalte amerikanische Ehepaar will im lokalen Waisenhaus einen Sohn adoptieren, nachdem eigene Kinder ausgeblieben sind und die Frau lebensbedrohlich erkrankt ist, was eine Adoption in den Vereinigten Staaten ausschließt. Sollte sie wie erwartet sterben, bliebe ihm wenigstens der Junge.
Doch in den langen Nächten und kurzen Tagen der nordischen Ödnis lernen beide jeweils einen Mann kennen, der ihre Blicke auf sie selbst verändert: die Frau einen ortsansässigen Heiler, der sie wieder an Gesundung denken lässt, der Mann einen niederländischen Geschäftsmann, der ihm homosexuelle Avancen macht. Außerdem gibt es eine ehemalige Schauspielerin, die nun im Hotel arbeitet und in den beiden neuen Gästen ein willkommenes Ziel ihrer Lebensweisheitsvermittlung sieht. Cameron gibt diesem ganzen Personal jenseits seiner Hauptpersonen übrigens durchaus Namen, aber die Anonymität der beiden Ehepartner wird gerade dadurch zum Sinnbild ihrer Selbstsuche.
Noch weitaus symbolträchtiger ist der Hauptschauplatz im Hotel. Das "Overlook" aus Stephen Kings "Shining" ist nichts gegen das "Grand Imperial" - nicht, weil es hier noch einsamer wäre (es gibt ja immerhin Gäste), sondern weil dieses Haus als in Ausstattung und Personal prototypisch alteuropäische Institution ein Gothic-Gefühl heraufbeschwört, das am "Shining"-Schauplatz Colorado nicht zu haben ist: "Sämtliche Türen dieses Hauses wurden aus dem ursprünglichen Khedival-Opernhaus in Kairo gerettet. Es sind von der UNESCO zertifizierte historische Objekte", heißt es an der aberwitzigsten Buchstelle, die damit auch noch einen Pharaonenfluch evoziert, denn was sollte aus einem alten ägyptischen Gebäude anderes kommen. Die Verlorenheit des Ehepaars aus den Vereinigten Staaten an die Unberechenbarkeit der Alten Welt ist zudem in jener Region unseres Kontinents besonders glaubhaft zu machen, die nun durch den Ukrainekrieg wieder das Böseste heraufbeschwört, was sich weitab in idyllischen Zuständen lebende gruselwillige Leser unter europäischen Zuständen vorstellen mögen. Bram Stoker hatte es vor 125 Jahren mit seinem im damaligen Dauerkrisengebiet Südosteuropa angesiedelten "Dracula"-Roman nicht anders gemacht. Und wenn wir ehrlich sind, bedient dieses Rezept auch unsere eigenen Klischeevorstellungen aufs Beste. Wer würde nicht gerne von der Literatur in seinen Überzeugungen bestätigt?
Nun konnte Peter Cameron, als er "Was geschieht in der Nacht" schrieb, nicht wissen, was jetzt, da das Buch auf Deutsch erschienen ist, an aktuellen Assoziationen ansteht. Umso bemerkenswerter ist das Geschick, mit dem er ein Grauen erzeugt, das nie explizit wird, sondern ganz aus der Stimmung entsteht. Die Verunsicherung, die der Verzicht auf Anführungszeichen bei den zahlreichen Dialogpassagen dadurch erzeugt, dass sich auktoriale Erzählung und wörtliche Rede durchdringen und kontaminieren, trägt zum Eindruck, es sei nie ganz klar, was da geschieht, entscheidend bei. Und wenn es am Schluss aus der Dunkelheit, in die das Ehepaar zu Beginn der Handlung hineinfuhr, für nur eine Hälfte von ihm auch wieder hinausgeht, ist das Erleichterungsgefühl ungefähr so groß wie am Ende von Roman Polanskis Film "Tanz der Vampire". All diese Referenzen auf Düster-Klassiker sind hier nicht zu hoch gegriffen. ANDREAS PLATTHAUS
Peter Cameron: "Was geschieht in der Nacht". Roman.
Aus dem Englischen von Werner Löcher- Lawrence. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2022. 272 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seinem hiesigen Publikum hilft es dagegen, dass nun in Deutschland die Verlagsbuchhandlung Liebeskind zum Zug gekommen ist. Dazu darf sie sich gratulieren. "Was geschieht in der Nacht" - wie der im Gegensatz zum restlichen Text rhythmisch und semantisch holprig übersetzte Romantitel hier lautet - ist ein Genrewerk, für das es ein großes Interesse geben dürfte. Mit einem altertümlichen Begriff kann man das Buch als Schauerliteratur bezeichnen, aber es selbst hat nichts Altertümliches außer dieser literaturgeschichtlichen Erbfolge. Cameron und sein Übersetzer Werner Löcher-Lawrence, der hier erstmals bei diesem Autor zum Zuge kommt, nutzen sprachlich konsequent die große Tradition englisch-, aber auch deutschsprachiger Autoren auf diesem Feld, um eine im besten Sinne unheimliche Geschichte zu erzählen. Sie bietet romantische Motive, Reiseimpressionen, Phantastik und vor allem Tiefenpsychologie.
Ein namenloses amerikanisches Ehepaar ist mit dem Zug unterwegs in den hohen Nordosten von Europa - ob in Schweden, Finnland oder Russland, lässt Cameron offen; für alle drei Länder gibt es jeweils Indikatoren, aber am ehesten muss man sich die schließlich erreichte Ortschaft mit dem zungenbrecherischen Namen Borgarfjaroasysla wohl als Inbegriff eines Niemandslandes vorstellen. Im dortigen "Grand Imperial Hotel" versammeln sich lauter Gescheiterte, die nur noch hier am - Pardon - Arsch der Welt auf so etwas wie Zukunft hoffen dürfen. Das mittelalte amerikanische Ehepaar will im lokalen Waisenhaus einen Sohn adoptieren, nachdem eigene Kinder ausgeblieben sind und die Frau lebensbedrohlich erkrankt ist, was eine Adoption in den Vereinigten Staaten ausschließt. Sollte sie wie erwartet sterben, bliebe ihm wenigstens der Junge.
Doch in den langen Nächten und kurzen Tagen der nordischen Ödnis lernen beide jeweils einen Mann kennen, der ihre Blicke auf sie selbst verändert: die Frau einen ortsansässigen Heiler, der sie wieder an Gesundung denken lässt, der Mann einen niederländischen Geschäftsmann, der ihm homosexuelle Avancen macht. Außerdem gibt es eine ehemalige Schauspielerin, die nun im Hotel arbeitet und in den beiden neuen Gästen ein willkommenes Ziel ihrer Lebensweisheitsvermittlung sieht. Cameron gibt diesem ganzen Personal jenseits seiner Hauptpersonen übrigens durchaus Namen, aber die Anonymität der beiden Ehepartner wird gerade dadurch zum Sinnbild ihrer Selbstsuche.
Noch weitaus symbolträchtiger ist der Hauptschauplatz im Hotel. Das "Overlook" aus Stephen Kings "Shining" ist nichts gegen das "Grand Imperial" - nicht, weil es hier noch einsamer wäre (es gibt ja immerhin Gäste), sondern weil dieses Haus als in Ausstattung und Personal prototypisch alteuropäische Institution ein Gothic-Gefühl heraufbeschwört, das am "Shining"-Schauplatz Colorado nicht zu haben ist: "Sämtliche Türen dieses Hauses wurden aus dem ursprünglichen Khedival-Opernhaus in Kairo gerettet. Es sind von der UNESCO zertifizierte historische Objekte", heißt es an der aberwitzigsten Buchstelle, die damit auch noch einen Pharaonenfluch evoziert, denn was sollte aus einem alten ägyptischen Gebäude anderes kommen. Die Verlorenheit des Ehepaars aus den Vereinigten Staaten an die Unberechenbarkeit der Alten Welt ist zudem in jener Region unseres Kontinents besonders glaubhaft zu machen, die nun durch den Ukrainekrieg wieder das Böseste heraufbeschwört, was sich weitab in idyllischen Zuständen lebende gruselwillige Leser unter europäischen Zuständen vorstellen mögen. Bram Stoker hatte es vor 125 Jahren mit seinem im damaligen Dauerkrisengebiet Südosteuropa angesiedelten "Dracula"-Roman nicht anders gemacht. Und wenn wir ehrlich sind, bedient dieses Rezept auch unsere eigenen Klischeevorstellungen aufs Beste. Wer würde nicht gerne von der Literatur in seinen Überzeugungen bestätigt?
Nun konnte Peter Cameron, als er "Was geschieht in der Nacht" schrieb, nicht wissen, was jetzt, da das Buch auf Deutsch erschienen ist, an aktuellen Assoziationen ansteht. Umso bemerkenswerter ist das Geschick, mit dem er ein Grauen erzeugt, das nie explizit wird, sondern ganz aus der Stimmung entsteht. Die Verunsicherung, die der Verzicht auf Anführungszeichen bei den zahlreichen Dialogpassagen dadurch erzeugt, dass sich auktoriale Erzählung und wörtliche Rede durchdringen und kontaminieren, trägt zum Eindruck, es sei nie ganz klar, was da geschieht, entscheidend bei. Und wenn es am Schluss aus der Dunkelheit, in die das Ehepaar zu Beginn der Handlung hineinfuhr, für nur eine Hälfte von ihm auch wieder hinausgeht, ist das Erleichterungsgefühl ungefähr so groß wie am Ende von Roman Polanskis Film "Tanz der Vampire". All diese Referenzen auf Düster-Klassiker sind hier nicht zu hoch gegriffen. ANDREAS PLATTHAUS
Peter Cameron: "Was geschieht in der Nacht". Roman.
Aus dem Englischen von Werner Löcher- Lawrence. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2022. 272 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein namenloses Ehepaar aus New York begibt sich auf eine lange und beschwerliche Reise in den äußersten Norden Europas, um im dortigen Waisenhaus ein Kind zur Adoption abzuholen. Ihr Quartier ist das seltsame Grand Imperial Hotel, dessen Gäste die Eigenheiten des Gebäudes sogar …
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Ein namenloses Ehepaar aus New York begibt sich auf eine lange und beschwerliche Reise in den äußersten Norden Europas, um im dortigen Waisenhaus ein Kind zur Adoption abzuholen. Ihr Quartier ist das seltsame Grand Imperial Hotel, dessen Gäste die Eigenheiten des Gebäudes sogar noch übertreffen. So verwundert es nicht, dass das gerufene Taxi sie am nächsten Morgen nicht wie geplant zum Waisenhaus bringt, sondern zum sonderbaren Heiler Bruder Emmanuel. Ist dieser Mann die Rettung für die todkranke Ehefrau? Oder steckt vielleicht ein ganz anderer Plan hinter den Machenschaften des Heilers?
In seinem neuen Roman "Was geschieht in der Nacht", der jetzt bei Liebeskind erschienen ist, erzählt Peter Cameron die Geschichte eines Ehepaares, das sich auf eine düstere Reise begibt, die einerseits die Liebesbeziehung der beiden Protagonisten zu einem versöhnlichen Ende führen und andererseits den Weg für eine neue, elterliche Liebe öffnen soll. Dass letztlich alles ganz anders kommt, spürt man praktisch vom ersten wunderbaren Satz an. "Der Abend senkt sich so beunruhigend abrupt herab wie der hastig fallende Vorhang vor einer Laienaufführung, die fürchterlich danebenging", heißt es dort und da auf den folgenden Seiten wohl so häufig wie in kaum einem anderen Roman die Wörter "dunkel" und "Dunkelheit" auftauchen, ahnt man als Leser:in früh, dass diese Reise durch lichtlose nordische Wälder zu einem unwirtlichen Bahnhof kein fröhlicher Urlaubstrip wird.
Cameron entpuppt sich in diesem fulminanten Beginn, der einen sofort in die Handlung hineinreißt, als Meister der Atmosphäre. Alles wirkt so bedrohlich und gleichzeitig kunstvoll, dass ich mich zeitweise in einem Arthouse-Horrorfilm wähnte. Doch die Horrorelemente entwickeln sich früh zu einem Mysterium, das seinen Höhepunkt mit dem ersten Auftritt des Hotels und seiner seltsamen Mitarbeiter:innen und Gäste erreicht. Eine Hotelhalle, die einer Krypta ähnelt, eine Bar, die nur von einem immer in Bewegung scheinenden Perlenvorhang separiert wird und natürlich die Menschen dort, die mit zunehmender Dauer des Romans wie verlorene Seelen wirken; Heimatlose, die eine so starke Verbindung mit dem Hotel eingehen, dass man fast das Gefühl bekommt, sie seien das Hotel.
Das cineastische Ambiente bleibt auf jeden Fall bestehen, doch nun hatte ich das Gefühl, mich in einem sehr guten David Lynch-Film zu befinden. So hätte es mich nicht gewundert, wenn durch diesen Vorhang plötzlich ein tanzender Kleinwüchsiger getreten wäre oder die im Hotel als Musikerin auftretende Diva Livia Pinheiro-Rima - schon der Name verrät ihren Glamour - sich für das Rückwärtssprechen entschieden hätte.
Neben der Atmosphäre sind es diese verrückten und skurrilen Figuren, die den Charme von "Was geschieht in der Nacht" ausmachen. Die zahlreichen Dialoge, bei denen der Autor übrigens konsequent auf Anführungszeichen verzichtet, strotzen vor Wortwitz, Klugheit und - insbesondere am Ende des Romans - philosophischer Tiefe. Denn Cameron gelingt es trotz aller Düsternis und der Schwere des drohenden Todes der Ehefrau, die Handlung einerseits erstaunlich leicht, spannend und unterhaltsam voranzutreiben und dennoch nicht die Schönheit der Literatur aus den Augen zu verlieren. So heißt es beispielsweise über den schon erwähnten Vorhang, die Perlen reagierten in ihrer Erzitterung "nur auf die Spannung der Welt".
Dass die von Peter Cameron in diesem Roman erschaffene Welt ihre Spannung nicht verliert, liegt vor allem am grandiosen Finale, das mit seiner tiefen Menschlichkeit verblüfft und die ein oder andere Länge, die das Buch in seiner Mitte aufweist, vergessen lässt. Der Autor schreibt sich in Höchstform und geißelt sich selbstironisch, indem er eine wahrlich nervige Nebenfigur komplett demaskiert und lapidar als "Ablenkung" abtut. Im letzten Akt des mittlerweile auch zu einem Beziehungsdrama gewordenen Buches schwingt sich dafür Livia in vorher kaum vermutete Handlungssphären, wobei es ihr beinahe gelingt, dem Hotel als
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Ein New Yorker Ehepaar hat sich auf eine Reise gemacht, um ein Kind zu adoptieren. Sie fahren mit dem Zug durch eine unwirtliche Gegend und landen dann auf einem verschneiten, einsamen Bahnhof. Sie lassen sich von einem Taxi ins Grand Imperial Hotel, das die besten Zeiten längst hinter sich …
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Ein New Yorker Ehepaar hat sich auf eine Reise gemacht, um ein Kind zu adoptieren. Sie fahren mit dem Zug durch eine unwirtliche Gegend und landen dann auf einem verschneiten, einsamen Bahnhof. Sie lassen sich von einem Taxi ins Grand Imperial Hotel, das die besten Zeiten längst hinter sich hat, bringen. Am nächsten Tag landen sie statt im Waisenhaus bei dem mysteriösen Heiler Emmanuel. Damit beginnen Verwicklungen und ihre Pläne geraten durcheinander.
Der Autor Peter Cameron präsentiert uns mit seinem Roman ein sehr düsteres surreales Szenario. Man weiß nie, ob alles real ist oder sich im Traum abspielt.
Auch die auftretenden Figuren sind skurril. Das Ehepaar, dass immer nur als die Frau und der Mann genannt werden, wollen ihre letzte Chance auf ein Kind nutzen. Die Frau ist sterbenskrank und möchte, dass ihr Mann später nicht alleine ist. Manchmal spürt man die enge Verbindung der beiden, wie bei der Szene auf dem Bahnhof, doch meist hatte ich das Gefühl, als wenn sie mehr und mehr auseinanderdriften. So können die anderen Figuren im Hotel, wie die Schauspielerin Livia Pinheiro-Rima und der Geschäftsmann Henk, manipulierend ins Geschehen eingreifen.
Die Sprache des Autors hat mir ungemein gut gefallen. Anfangs fand ich es noch spannend, da ich nicht wusste, was mich erwartet und die düstere ungewöhnliche Atmosphäre gefiel mir auch, doch dann hat mich die groteske und verwirrende Geschichte immer mehr verloren. Na ja, die Geschmäcker sind bekanntlich unterschiedlich und anderen mag gerade das gefallen.
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