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Der Sommer, in dem alles zum ersten Mal geschahSommer 1972 in der finnischen Provinz: Als sein Vater erkrankt, wird der 17-jährige Erzähler von einem Tag auf den anderen in die Pflicht genommen - vorbei sind die unbeschwerten Tage seiner Kindheit. Anstatt Krebse zu fangen, verbringt er die Ferienmonate mit dem Bau von Regenrinnen und taucht ein in die bislang fremde und oft raue Welt der Erwachsenen. Doch der Arbeit am Tag folgen lange, warme Abende und Nächte, in denen heimliche Unternehmungen zu Abenteuern ganz anderer Art führen . . .Mit großer menschlicher Wärme, Weisheit und subtile...
Der Sommer, in dem alles zum ersten Mal geschahSommer 1972 in der finnischen Provinz: Als sein Vater erkrankt, wird der 17-jährige Erzähler von einem Tag auf den anderen in die Pflicht genommen - vorbei sind die unbeschwerten Tage seiner Kindheit. Anstatt Krebse zu fangen, verbringt er die Ferienmonate mit dem Bau von Regenrinnen und taucht ein in die bislang fremde und oft raue Welt der Erwachsenen. Doch der Arbeit am Tag folgen lange, warme Abende und Nächte, in denen heimliche Unternehmungen zu Abenteuern ganz anderer Art führen . . .Mit großer menschlicher Wärme, Weisheit und subtilem Witz erzählt der preisgekrönte Autor Olli Jalonen in seinem neuen Roman von einem finnischen Sommer in den Siebzigern, in dem Piratensender ihre Hochphase erleben, die ganze Welt von den Olympischen Spielen in München redet - und der unvergessliche Held der Erzählung zum Mann wird.
Jalonen, OlliOlli Jalonen, 1954 in Helsinki geboren, zählt zu den bedeutendsten Autoren Finnlands. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Finlandia Prize, und in verschiedene Sprachen übersetzt. Bei mare erschien zuvor sein Roman »Vierzehn Knoten bis Greenwich« (2010).
Moster, StefanStefan Moster, geboren 1964 in Mainz, lebt als Autor, Übersetzer, Lektor und Herausgeber in Helsinki und Berlin. Unter anderem übertrug er Werke von Petri Tamminen, Rosa Liksom, Selja Ahava und Daniel Katz vom Finnischen ins Deutsche. 2012 nahm Moster am Wettbewerb um den Bachmannpreis teil. Bei mare erschienen bereits seine Romane »Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels« (2009), »Lieben sich zwei« (2011) und »Die Frau des Botschafters« (2013) und »Neringa« (2016). Für seinen neuesten Roman »Alleingang« (2019) wurde der Autor mit dem Martha-Saalfeld-Preis ausgezeichnet.
Moster, StefanStefan Moster, geboren 1964 in Mainz, lebt als Autor, Übersetzer, Lektor und Herausgeber in Helsinki und Berlin. Unter anderem übertrug er Werke von Petri Tamminen, Rosa Liksom, Selja Ahava und Daniel Katz vom Finnischen ins Deutsche. 2012 nahm Moster am Wettbewerb um den Bachmannpreis teil. Bei mare erschienen bereits seine Romane »Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels« (2009), »Lieben sich zwei« (2011) und »Die Frau des Botschafters« (2013) und »Neringa« (2016). Für seinen neuesten Roman »Alleingang« (2019) wurde der Autor mit dem Martha-Saalfeld-Preis ausgezeichnet.
Produktdetails
- Verlag: mareverlag
- Seitenzahl: 544
- Erscheinungstermin: 30. Juni 2016
- Deutsch
- Abmessung: 211mm x 132mm x 49mm
- Gewicht: 744g
- ISBN-13: 9783866482418
- ISBN-10: 3866482418
- Artikelnr.: 44818537
Herstellerkennzeichnung
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© BÜCHERmagazin, Tina Schraml (ts)
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
In Olli Jalonens Finnland geht es in jedem Fall "normaler" zu als bei den Kaurismäki-Brüdern, stellt Rezensentin Kristina Maidt-Zinke nach der Lektüre fest. Beeindruckt vermerkt die Kritikerin, mit welch "dokumentarischem" Realismus Jalonen die sehr eigene Atmosphäre Finnlands vor der Globalisierung abbildet. Sie liest hier die im Sommer 1972 spielende Geschichte um einen achtzehnjährigen Ich-Erzähler, der sich gegen das Abitur und für die Verantwortung für seinen herzkranken und arbeitslosen Vater entscheidet. Wie der Autor die Solidarität und das Mitgefühl in dem kleinen südfinnischen Dorf schildert, findet die Rezensentin "warmherzig". Vor allem bewundert sie, wie subtil Jalonen John Steinbecks "Von Mäusen und Menschen" als literarischen Bezugspunkt in seine Erzählung einflicht. Und so hat sie diesen nüchternen, angenehm "spröden" und witzigen Roman mit großem Vergnügen gelesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Vom Ausschwitzen der Jugend
Mit Fichtennadelduft: Olli Jalonens tiefenentschleunigter Roman über das Erwachsenwerden, wie es einmal war
Beneidenswerte siebzehn Jahre ist er alt, der namenlose Ich-Erzähler dieses finnisch entspannten, nostalgisch realistischen Romans, der mit Liebe zum Detail den Sommer des Jahres 1972 auferstehen lässt. Wenn man noch erfährt, dass der Held sich in ein Mädchen verliebt, mit diversen Autos herumbraust, ohne den Führerschein zu besitzen, und unter Anleitung eines Freundes den Reiz des Verbotenen entdeckt - in diesem Fall den Betrieb eines Piratensenders -, dann sind die Erwartungen vollends auf die falsche Spur gesetzt. Denn mit "Tschick" verbindet das ohne viel Lakonie erzählte Buch
Mit Fichtennadelduft: Olli Jalonens tiefenentschleunigter Roman über das Erwachsenwerden, wie es einmal war
Beneidenswerte siebzehn Jahre ist er alt, der namenlose Ich-Erzähler dieses finnisch entspannten, nostalgisch realistischen Romans, der mit Liebe zum Detail den Sommer des Jahres 1972 auferstehen lässt. Wenn man noch erfährt, dass der Held sich in ein Mädchen verliebt, mit diversen Autos herumbraust, ohne den Führerschein zu besitzen, und unter Anleitung eines Freundes den Reiz des Verbotenen entdeckt - in diesem Fall den Betrieb eines Piratensenders -, dann sind die Erwartungen vollends auf die falsche Spur gesetzt. Denn mit "Tschick" verbindet das ohne viel Lakonie erzählte Buch
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kaum etwas. Olli Jalonens Held, der während des besagten Sommers zum Mann heranreift, hat mit der Welt einfach kein Hühnchen zu rupfen. Während Wolfgang Herrndorf die kurze, rasante Form wählte, wodurch der Abenteueraspekt der jugendlichen Reise zum eigenen Ich in den Vordergrund trat, konzentriert sich der in Finnland wohlbekannte Autor in seinem autobiographisch grundierten, tiefenentschleunigten Werk auf die ganz normale Wirklichkeit.
So erfahren wir eine Menge über das Lebensgefühl im Finnland der siebziger Jahre, das mit dem fragwürdigen Dauerregenten Urho Kekkonen einen eigenen Weg zwischen den einander frostig gegenüberstehenden Systemen suchte. Mit seinem west-östlichen Kurs brachte der Staatspräsident rechte wie linke Kritiker ebenso gegen sich auf wie mit seinen undemokratischen Sondergesetzen, die ihm etwa die Verlängerung der Amtszeit ohne Wahlen sicherten. Und doch ging alles seinen Gang. Das Leben, so stellt unser jugendlicher Held denn auch fest, besteht vor allem aus ewiger Wiederkehr: "Früher ist mir die Unveränderlichkeit nicht so aufgefallen, jedenfalls nicht so deutlich wie in diesem Jahr." Nun aber sieht er sich auf einen Schlag an die Stelle des Vaters gesetzt, der krank und arbeitslos nicht mehr als Stütze der Familie fungieren kann.
Der Erzähler nimmt die Verantwortung an, ohne zu murren. Und so haben wir den seltenen Fall eines Initiationsromans vor uns, bei dem alles glattgeht. Mit einem Ferienjob in der Sanitärfirma eines weitläufigen Verwandten zahlt der Protagonist die Schulden des Vaters ab und lernt zugleich, wie man in der Arbeitswelt seinen Platz einnimmt und kleine Konflikte regelt. Ihm wird bewusst, dass Erwachsenwerden auch bedeutet, all die vermeintlichen Regeln - "ein Mann unterwirft sich nicht einfach dem, was ein anderer ihm sagt"; "kein Mann weint im Kino" - auf ihren Gehalt zu prüfen und bei Bedarf zu verwerfen.
Mit dem geistig zurückgebliebenen, aber bärenstarken Rekku, dem unehelichen Sohn seines Arbeitgebers, verbindet den Helden schnell eine Freundschaft, zumal es zu einem unverhofften sexuellen Abenteuer mit Rekkus junger Tante kommt. In seiner Freizeit renoviert der Erzähler die heimische Sauna, hängt mit seinem technikaffinen Jugendfreund Jukka herum und verliebt sich immer mehr in dessen Schwester Karina. Viel mehr geschieht hier eigentlich nicht, aber dem Autor gelingt es, dieses von Solidarität geprägte Leben in der Provinz mit einfachen Worten als das darzustellen, was es ist: als keineswegs selbstverständliches Glück. Das fällt umso mehr auf, wenn man bedenkt, welche Sprachlosigkeit in jenen Jahren hierzulande zwischen den Generationen herrschte.
Wie es sich für einen finnischen Roman gehört, kommt dem Saunieren eine zentrale Bedeutung zu. Man kann (und soll vielleicht) auf den Gedanken kommen, dass in einer immer wieder gemeinsam dampfgegarten Bevölkerung der Gesellschaftsvertrag einfacher einzuhalten ist. Und man könnte selbst die Poetik eine wellnessorientierte nennen. Es gibt die kurzen erzählerischen Anschwitzphasen, wenn etwa die spaßeshalber zu sinnlosen Interviews zusammengeschnittenen und über die selbstgebastelte Station "Radio Satan" versendeten Reden des Präsidenten von einer hysterischen Presse als umstürzlerische Aktion bewertet werden. Es gibt die Momente plötzlicher Abkühlung, wenn Jalonens Alter Ego beispielsweise feststellen muss, dass die Entdeckung eines einzigen Knutschflecks zu heftigen Reaktionen führen kann. Aber den Großteil des Buches machen ausgedehnte Ruhephasen aus, in denen über viele Seiten hinweg allenfalls ein paar Dachrinnen angebracht werden: ein wohliges Dösen des Lesers in behaglicher Katastrophenferne.
Etwas bemüht wirkt allerdings, dass Jalonen auf intertextueller Ebene einen Gegenpol eingebaut hat. Allzu unsubtil (bis in den Titel hinein) sind die Bezüge zu John Steinbecks Erzählung "Von Mäusen und Menschen", in der zwei Wanderarbeiter von einem festen Platz im Leben träumen, aber am amerikanischen Kapitalismus scheitern. Zwar haben sie ihre Kameradschaft, doch die führt bekanntlich nur dazu, dass der Protagonist den bärenstarken, geistig zurückgebliebenen Lennie, der im Affekt einen Mord begangen hat, erschießt, bevor die Meute ihn lynchen kann. Dem Erzähler ist dieses Ende des Geschichte zuwider ("Ich weiß nicht, warum, verdammt"), und tatsächlich überschreibt er es mit seinem eigenen Lebensroman. Auch Rekku wird schließlich gewalttätig, aber niemand reagiert auf seine Wutanfälle mit Wut. Das Zivilisatorische hat über das Instinkthaft-Animalische gesiegt. Einer so direkten Botschaft hätte es gar nicht mehr bedurft, denn sie war all den Seiten zuvor längst eingeschrieben.
OLIVER JUNGEN.
Olli Jalonen: "Von Männern und Menschen". Roman.
Aus dem Finnischen von Stefan Moster. Mare Verlag, Hamburg 2016. 544 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
So erfahren wir eine Menge über das Lebensgefühl im Finnland der siebziger Jahre, das mit dem fragwürdigen Dauerregenten Urho Kekkonen einen eigenen Weg zwischen den einander frostig gegenüberstehenden Systemen suchte. Mit seinem west-östlichen Kurs brachte der Staatspräsident rechte wie linke Kritiker ebenso gegen sich auf wie mit seinen undemokratischen Sondergesetzen, die ihm etwa die Verlängerung der Amtszeit ohne Wahlen sicherten. Und doch ging alles seinen Gang. Das Leben, so stellt unser jugendlicher Held denn auch fest, besteht vor allem aus ewiger Wiederkehr: "Früher ist mir die Unveränderlichkeit nicht so aufgefallen, jedenfalls nicht so deutlich wie in diesem Jahr." Nun aber sieht er sich auf einen Schlag an die Stelle des Vaters gesetzt, der krank und arbeitslos nicht mehr als Stütze der Familie fungieren kann.
Der Erzähler nimmt die Verantwortung an, ohne zu murren. Und so haben wir den seltenen Fall eines Initiationsromans vor uns, bei dem alles glattgeht. Mit einem Ferienjob in der Sanitärfirma eines weitläufigen Verwandten zahlt der Protagonist die Schulden des Vaters ab und lernt zugleich, wie man in der Arbeitswelt seinen Platz einnimmt und kleine Konflikte regelt. Ihm wird bewusst, dass Erwachsenwerden auch bedeutet, all die vermeintlichen Regeln - "ein Mann unterwirft sich nicht einfach dem, was ein anderer ihm sagt"; "kein Mann weint im Kino" - auf ihren Gehalt zu prüfen und bei Bedarf zu verwerfen.
Mit dem geistig zurückgebliebenen, aber bärenstarken Rekku, dem unehelichen Sohn seines Arbeitgebers, verbindet den Helden schnell eine Freundschaft, zumal es zu einem unverhofften sexuellen Abenteuer mit Rekkus junger Tante kommt. In seiner Freizeit renoviert der Erzähler die heimische Sauna, hängt mit seinem technikaffinen Jugendfreund Jukka herum und verliebt sich immer mehr in dessen Schwester Karina. Viel mehr geschieht hier eigentlich nicht, aber dem Autor gelingt es, dieses von Solidarität geprägte Leben in der Provinz mit einfachen Worten als das darzustellen, was es ist: als keineswegs selbstverständliches Glück. Das fällt umso mehr auf, wenn man bedenkt, welche Sprachlosigkeit in jenen Jahren hierzulande zwischen den Generationen herrschte.
Wie es sich für einen finnischen Roman gehört, kommt dem Saunieren eine zentrale Bedeutung zu. Man kann (und soll vielleicht) auf den Gedanken kommen, dass in einer immer wieder gemeinsam dampfgegarten Bevölkerung der Gesellschaftsvertrag einfacher einzuhalten ist. Und man könnte selbst die Poetik eine wellnessorientierte nennen. Es gibt die kurzen erzählerischen Anschwitzphasen, wenn etwa die spaßeshalber zu sinnlosen Interviews zusammengeschnittenen und über die selbstgebastelte Station "Radio Satan" versendeten Reden des Präsidenten von einer hysterischen Presse als umstürzlerische Aktion bewertet werden. Es gibt die Momente plötzlicher Abkühlung, wenn Jalonens Alter Ego beispielsweise feststellen muss, dass die Entdeckung eines einzigen Knutschflecks zu heftigen Reaktionen führen kann. Aber den Großteil des Buches machen ausgedehnte Ruhephasen aus, in denen über viele Seiten hinweg allenfalls ein paar Dachrinnen angebracht werden: ein wohliges Dösen des Lesers in behaglicher Katastrophenferne.
Etwas bemüht wirkt allerdings, dass Jalonen auf intertextueller Ebene einen Gegenpol eingebaut hat. Allzu unsubtil (bis in den Titel hinein) sind die Bezüge zu John Steinbecks Erzählung "Von Mäusen und Menschen", in der zwei Wanderarbeiter von einem festen Platz im Leben träumen, aber am amerikanischen Kapitalismus scheitern. Zwar haben sie ihre Kameradschaft, doch die führt bekanntlich nur dazu, dass der Protagonist den bärenstarken, geistig zurückgebliebenen Lennie, der im Affekt einen Mord begangen hat, erschießt, bevor die Meute ihn lynchen kann. Dem Erzähler ist dieses Ende des Geschichte zuwider ("Ich weiß nicht, warum, verdammt"), und tatsächlich überschreibt er es mit seinem eigenen Lebensroman. Auch Rekku wird schließlich gewalttätig, aber niemand reagiert auf seine Wutanfälle mit Wut. Das Zivilisatorische hat über das Instinkthaft-Animalische gesiegt. Einer so direkten Botschaft hätte es gar nicht mehr bedurft, denn sie war all den Seiten zuvor längst eingeschrieben.
OLIVER JUNGEN.
Olli Jalonen: "Von Männern und Menschen". Roman.
Aus dem Finnischen von Stefan Moster. Mare Verlag, Hamburg 2016. 544 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Es gelingt dem Autor, mich mit diesem Roman in das Jahr 1972 hinein zu versetzen, das Jahr der Olympischen Spiele von München. Allerdings spielt der Roman in Finnland, in einer abgelegenen Provinz, wo die Menschen nicht gerade im größten Wohlstand leben, die Männer im Winter …
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Es gelingt dem Autor, mich mit diesem Roman in das Jahr 1972 hinein zu versetzen, das Jahr der Olympischen Spiele von München. Allerdings spielt der Roman in Finnland, in einer abgelegenen Provinz, wo die Menschen nicht gerade im größten Wohlstand leben, die Männer im Winter arbeitslos sind und die Frauen mit Putztätigkeiten ihre Familien über Wasser halten. Wo die Jugend ihre Freizeit mit ihren Weltempfängern und beim Krebsefangen verbringt.
Das Coming-of-Age:
Zu dieser Zeit wird der namenlose Protagonist in die Pflicht genommen. Er übernimmt die Verantwortung für seine Eltern und arbeitet hart bei einer Regenrohrfirma mit dem klangvollen Namen "Volles Rohr". Dort erlebt er die Abläufe handwerklicher Arbeit mit und merkt, dass die Aufträge nicht immer professionell und gut ausgeführt werden. Auch der Leser wird von technischen Details nicht verschont, es ist eine Männerdomäne, die hier beschrieben wird.
Die Erfahrungen, die er in diesem Sommer macht, sind vielfältig. Es ist sein Coming-of-Age, das in einfühlsamer Weise geschildert wird. Einerseits erlebt er die praktische Arbeitswelt, lernt die groben Charaktere seiner Kollegen kennen, die hauptsächlich Saufen und Weiber im Kopf haben. Doch er kommt gut mit ihnen aus, denn er ist ein umsichtiger, zurückhaltender junger Mann, der zuhören kann und nicht vorschnell argumentiert. Zum Mann wird er jedoch, indem er die Mädchen jetzt als Frauen wahrnimmt.
Außerdem übernimmt er verantwortungsvoll die Mittlerrolle bei Rekku, einem geistig zurückgebliebenen, möglicherweise autistischen Kumpel ähnlichen Alters. Dieser muss wie Lennie in "Von Mäusen und Menschen" den Spott der Mitmenschen über sich ergehen lassen.
Wir erleben das Innerste dieses Helden mit und verschmelzen mit ihm. Das ist wirklich besonders an diesem hautnahen Miterleben!
Die Charaktere:
Es sind die besonderen, etwas schrulligen Charaktere und die Schilderungen der eigentlich alltäglichen Dinge, die in diesem Roman gut unterhalten. So wird der Besuch einer Sauna für den Protagonisten aufgrund seiner körperlichen Reifung zu einer ganz speziellen Männermutprobe. Mit seinem Freund Jukka baut er einen Piratensender auf, manipuliert andere Sendungen und wird so zu einem Helden seiner Zeit.
Die politische Situation Finnlands 1972 war mir nicht bewusst, hier bekommt man es anschaulich erklärt. Es sind Zeiten mit Korruption und wie die eigenmächtige Amtsverlängerung von Präsident Kekkonen im Land aufgenommen wird, auch die spezielle Beziehung zu Russland kommt zur Sprache. Der Autor bringt uns Finnland hier politisch näher.
Olli Jalonen schreibt mit viel menschlichem Empfinden, er zeigt komische und tragische Erlebnisse, die berühren und nachdenklich machen über diese spezielle Zeit und den herrschenden Zeitgeist in Politik und Alltagsleben. Aber er zeigt auch, wie wichtig die persönliche Einstellung zum Leben und zu den Mitmenschen ist und den Menschen überhaupt erst zu einem reifen Mitbewohner werden lässt.
Dieser Roman wirkt so offensichtlich und leicht, ist aber tiefgründig und baut aus vielen leichten Teilen ein komplexes Ganzes, das einen Wälzer ergibt, der sich leicht erlesen lässt, aber viel kluge Hintergründe eingebaut hat.
Wer sich für Skandinavien interessiert, für die politische Zeit 1972 in Finnland oder aber Coming-og-Age liebt, der findet hier das geeignete Buch.
Im Anhang hat der Übersetzer Stefan Moster einen kleinen Aufsatz über die Politik Finnlands im Sommer 1972 geschrieben.
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eBook, ePUB
Erwachsen wird man nicht mit einem bestimmten Datum, sondern mit dem, was man tut und welche Verantwortung man übernimmt. Das zeigt Olli Jalonen am Beispiel seines Erzählers in dem Roman „Von Männern und Menschen“ sehr deutlich. Als sein Vater erkrankt und seine Arbeit …
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Erwachsen wird man nicht mit einem bestimmten Datum, sondern mit dem, was man tut und welche Verantwortung man übernimmt. Das zeigt Olli Jalonen am Beispiel seines Erzählers in dem Roman „Von Männern und Menschen“ sehr deutlich. Als sein Vater erkrankt und seine Arbeit verliert, beginnt sein 17-Jähriger Sohn in den Ferien zu arbeiten um die Familie zu unterstützen. Unausgesprochen schwebt darüber aber die Tatsache, dass er nach dem Sommer nicht wieder zur Schule gehen wird, da sein Vater die Familie jetzt nicht mehr versorgen kann. Während seiner Sommerarbeit findet er sich auf dem Bau in der Welt der Erwachsenen wieder und wird von Ihnen auch so behandelt. Schnell muss er Verantwortung übernehmen und wächst an seinen Aufgaben.
Olli Jalonen ist eine großartige Geschichte über die abwechslungsreiche Zeit des Erwachsenwerdens gelungen, in der der Protagonist, der von ihm keinen Namen bekommt, immer zwischen Jugendlichem und Erwachsenem schwankt. Er trifft sich mit Freunden, verliebt sich in ein Mädchen aus der Schule und macht die typischen Dinge, die alle Jugendlichen in seinem Alter machen. Doch das ist nur sein Wochenende. Unter der Woche ist der Erwachsene, der Ernährer der Familie, der arbeitet, sich mit seinen Kollegen auseinandersetzt und sich weiterentwickelt. Diese Welten konkurrieren miteinander und überlappen sich, aber sie sind dennoch auf eine gewisse Art und Weise getrennt.
Die ganzen Geschehnisse siedelt Jalonen im Finnland der frühen 70er Jahre an und verbindet sie mit Hinweisen auf die politische Situation im Land. Die Geschichte des Protagonisten ist dabei sehr offen gestaltet, so dass beim Lesen viel Platz für eigene Reflexionen und Interpretationen über den Protagonisten bleibt. „Von Männern und Menschen“ ist keine Geschichte, der man einfach runterliest, man sollte sich auf den Protagonisten einlassen und ihn wirklich begleiten, dann kommt er einem viel näher, als es auf den ersten Blick scheint.
Mir hat „Von Männern und Menschen“ von Olli Jalonen ausgesprochen gut gefallen, es war ganz anders als alles, was ich bisher gelesen habe. Eine wunderbare Geschichte mit einem großartig beschriebenen und in sich schlüssig aufgebauten Protagonisten, er einen mitnimmt auf die Reise in seine kleine Welt.
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