Ich bin hin- und hergerissen
Über Ankünfte in Venedig, IGOR STRAWINSKIJS Beerdigung, feinen "Sonnendunst" (S. 17), "tranige(r) Schwere" des Wassers (S. 19), "malerische(n) Tableaus" der Campi (S. 20), über Kirchen mit ihren prächtig-beeindruckenden Gemälden, die Rialto-Märkte, Museen und Palazzi,
über berühmte Maler der Stadt, den Bucintoro, Piazza und Piazetta S.Marco, Denkmäler, Gondeln,…mehrIch bin hin- und hergerissen
Über Ankünfte in Venedig, IGOR STRAWINSKIJS Beerdigung, feinen "Sonnendunst" (S. 17), "tranige(r) Schwere" des Wassers (S. 19), "malerische(n) Tableaus" der Campi (S. 20), über Kirchen mit ihren prächtig-beeindruckenden Gemälden, die Rialto-Märkte, Museen und Palazzi, über berühmte Maler der Stadt, den Bucintoro, Piazza und Piazetta S.Marco, Denkmäler, Gondeln, Gondolieri, Vaporetti und Traghetti, Harry's Bar, Torcello, die Giudecca und den Lido ist schon viel erzählt worden, ORTHEIL tut es in wahrlich wohlgesetzten Worten. Er braucht die gängigen Venedig-Klischees nicht, um vor allem in Bars und Restaurants zu führen. Einerseits reiz/ßt es mich (hin), zu fordern, daß er doch bitteschön jeweils die genaue Adresse der beschriebenen und so empfohlenen Bars oder Restaurants angeben möge, damit der weniger kundige Leser die auch finden und genießen kann. Anderseits wäre das aber ungerecht gegenüber allen anderen guten Lokalitäten, die man ja unmöglich alle aufzählen kann. Oder sollte man als Autor den erwähnten Adressen einen Werbeobulus abverlangen, was man dann fairerweise auch dem Leser mitteilen müßte (Ich werde in Vorbereitung meines Venedig-Buches rechtzeitig darüber nachdenken)?
HANS-JOSEF ORTHEIL präsentiert aber alles andere als einen RestaurantFührer, obwohl es sich der Autor als vielleicht begnadeter Topfgucker nicht verkneifen kann - es ist wohl eine neuere Mode, wie die Venedig-Krimis - Venedig-Kochrezepte aufzuführen (das Rezeptregister S. 140f ist durchaus praktisch). So recht weiß ich auch hier nicht, was ich davon halten soll. Wenn MARLENA DE BLASI (Tausend Tage in Venedig. Frankfurt 2005, 52007) Kochrezepte anführt, ist das konsequent, denn sie ist immerhin eine renommierte amerikanische Restaurantkritikerin und profunde Kennerin der italienischen Küche. Aber Venedig-Kenner-und-Liebhaber-Autoren oder gar Reiseführer, die Rezepte empfehlen ...? Dann doch lieber ein ordentliches Venedig-Kochbuch!
Irritiert bin ich auch über HANS-JOSEF ORTHEILS gelegentliche unkritische Bewunderung für Oberst Richard Cantwell alias ERNEST HEMINGWAY, ja er steigert dessen Alleskönnerschaft sogar noch. Nicht einmal HEMINGWAY hat es gewagt, so zu schreiben - HANS-JOSEF ORTHEIL macht klar, daß der das genau so gemeint hat: "Cantwell ... lässt (er) sich von einem Fischverkäufer ein gebogenes Messer geben und schneidet ... besser, als selbst der Fischverkäufer es gekonnt hätte, .. 'ganz dicht an der Muschel entlang'." Ob das ironisch oder bewundernd gemeint ist, lässt der darauf folgende Satz offen: "Mit so einfachen, indirekten Hinweisen deutet Hemingway an, was für ein imponierender, welterfahrener Bursche sein Richard Cantwell ist ..." (S. 43f) HEMINGWAY ist übrigens keineswegs solch ein "solitaire ambulante" (S. 49), daß er stets mühelos, wie etwa behauptet, durch das Gewirr der Gassen findet: in mindesten einem Fall ist dessen Wegbeschreibung eindeutig falsch (Was Wunder, wo der doch meist sowieso nur zwischen dem Hotel Gritti und Harry's Bar hin- und her pendelte.) und der einzige italienische Satz in HEMINGWAYS Buch ist auch noch fehlerhaft.
Vielleicht täuscht ORTHEIL auch nur sich und den Leser gegen eigene Erkenntnis: Seine ebenso knappe wie treffende Kritik von "Über den Fluß und in die Wälder" steht S. 113ff .