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Nach In 15 Jahren Reiseleitung gelingt es mir immer noch, mich über so manchen Unsinn oder Fehler in dem einen oder anderen Guidebook zu ärgern. So habe ich denn begonnen, der nahezu unübersehbaren Venedigliteratur selbst noch ein vielleicht überflüssiges Buch unter dem Titel „Was man so alles nicht über Venedig weiß“ hinzuzufügen (erscheint 2011).

Bewertungen

Insgesamt 39 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2010
Auf den Spuren von Commissario Brunetti Ein kleines Kompendium für Spurensucher
Hoffmann, Elisabeth; Heinrich, Karl-L.

Auf den Spuren von Commissario Brunetti Ein kleines Kompendium für Spurensucher


ausgezeichnet

Brunetti oder Venedig? Bestens beides

Da bin ich stante pede beeindruckt. Es ist ein schönes Broschürchen mit prächtiger Aufmachung, mit manierlichen Farbphotos zu jedem Brunetti-Schauplatz, mit zweckmäßigen Karten auf dem ausklappbaren Vorsatz, mit zwei hilfreichen Registern (Bibliographische Zuordnung der Schauplätze S. 192-194; Stichwortverzeichnis S. 195-199), gutem Layout, splendidem Druck und Papier: Daher gleich vorab ein Lob an die Autoren - auch als Photographen - und an den Verlag!

Elisabeth Hoffmann und Karl-L. Heinrich stellen die Schauplätze der Krimis in Venedig vor, regen an, sie aufzusuchen, sich an den schönen Anblicken (Ja, Venedig ist immer und überall schön, auch da, wo es etwas heruntergekommen ist! Das beweisen auch die Photos in diesem Buch.) zu erfreuen. Ihr Buch ist auch Anregung, um noch mal oder überhaupt in die Donna Leons reinzuschauen, denn Elisabeth Hoffmann und Karl-L. Heinrich sind durchaus zurückhaltend mit ihren Texten und fassen nur jeweils kurz zu den Brunetti-Locations zusammen, was dort das Romanereignis ist. Ihr Buch ersetzt nicht die Lektüre der 18 von ihnen ausgewerteten der Krimis. Wo es Unterschiede zwischen literarischer Fiktion und Wirklichkeit (In realtà) gibt, ist das vermerkt, und auch die betreffenden Bände werden immer angeführt (Hier wünschte ich mir zusätzlich noch die Seitenangaben.).
Dieses Buch ist eins für Fans von Commissario Brunetti und von Venedig. Freilich, nicht jeder Venedig-Tifoso, ist ein Brunetti-Freak, aber auch reinsten Venedig-Liebhabern kann ich die Broschüre von Elisabeth Hoffmann und Karl-L. Heinrich sehr empfehlen. Wenn Sie einfach Schönes in Venedig sehen wollen, Gebäude, Brücken, Plätze, Geschäfte, Restaurants und Cafés (speziell S. 42-77), Kirchen (speziell S. 104-113), andere Laguneninseln (speziell S. 148-169), dann nehmen Sie dieses Broschürchen in die Hand und lassen Sie sich von den schönen Photos hin- und verführen! Wenn Sie tiefer schürfen wollen, wenn Sie wissen wollen was, wann, warum, von wem gebaut wurde, wer wo gewohnt oder sich ereignet hat, welche merkwürdige Story es zu der einen oder anderen Örtlichkeit gibt, werden Sie sich natürlich zusätzlich ein gutes Guidebook kaufen, sonst in der reichhaltigen Venedig-Literatur nachlesen oder einen entsprechenden Stadtrundgang buchen (z.B. bei mir). Aber das muß man ja nicht. Einfach ein bißchen Sinnesfreude ist ja auch legitim. Elisabeth Hoffmann und Karl-L. Heinrich assistieren dem unaufdringlich. Manchmal wird dezent Zurückhaltung angemahnt. Wenn die Klingeln eines Hauses abgebildet sind, wo tatsächlich Brunetti und Vianello wohnen, heißt es: "Bitte nicht klingeln... Die in Venedig lebenden Brunettis wären vermutlich zutiefst befremdet, von Donna-Leon-Fans aus ihrer Privatsphäre geläutet und als Guido und Paola begrüßt zu werden." (S. 13; ähnlich S. 143) Mir gefällt auch, daß Negativäußerungen von Brunetti-Leon zu Restaurants abgeschwächt werden (S. 51, 57, 60).
Schauplätze aus den Verfilmungen (S. 170-191), die nicht mit den in den Büchern beschriebenen Örtlichkeiten identisch sind, werden leider nur einige vorgestellt. Das ist ja auch schwierig aufzuklären und manches ist vielleicht im Studio gedreht (Wäre auch interessant.). Daher: Liebe Filmrechteinhaber, bitte geben Sie doch mal Elisabeth Hoffmann und Karl-L. Heinrich die Informationen, was wo gedreht wurde, daß die es in einer späteren erweiterten Auflage alles vorstellen können (Aber dann bitte - ich pflege gern meine Tüpfelreitigkeit - mit genauer Angebe der Minuten:Sekunden auf den DVDs!)!

Und sind wirklich alle Örtlichkeiten vorgestellt, wo sich Roman-Brunetti ereignet? Der schöne Schein sagt mir: Es fehlt nichts! Der gesunde Menschenverstand sagt mir: Das gibt es gar nicht! Als Nicht-Krimi-Leser kann ich es nicht beurteilen. Lesen Sie selbst! Prüfen Sie es selbst nach! Und wenn Sie dabei auf Commissario Brunettis Spuren in Venedig wandeln wollen, bestellen Sie sich zusätzlich die Brunetti-Stadtrundgänge der Autoren.

11 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.04.2010
Die Türme von Venedig
Sammartini, Tudy; Resini, Daniele

Die Türme von Venedig


ausgezeichnet

Selten(e,) prächtige An- und (Dr)Aufsichten

Schlagen Sie zuerst die Seite 12 auf! Niemand, der vom Becken von S.Marco, von Giudecca oder San Giorgio Maggiore aus einmal auf die alllerheiterste Stadt geschaut hat, wird wohl je dieses Bild vergessen und wahrscheinlich auch kaum jemand, der nur ein Photo davon kennt: Venedig als ein Wald von Türmen. Diese Graphik gehörte eigentlich auf den Schutzumschlag, um das Buch als ganzes zu charakterisieren. Es ist ein überraschender Blick zurück und dieser Bildband bietet noch viel mehr Überraschungen, die ihn empfehlenswert machen.

Tudy Sammartini legt ihrer eindrucksvollen Präsentation der venezianischen Türme den grandiosen Stadtplan von Jacopo de'Barbari/Anton Kolb (auf dem Vor- und Nachsatz abgebildet) und weitere historische Stadtansichten zugrunde. Von den 103 Glockentürmen auf dem Stadtplan aus dem Jahre 1500 sind nur noch 50 erhalten. Allem Anschein nach ist keiner der so identifizierbaren Türme ausgelassen. Insgesamt werden 113 Türme nebst Kirchen - auch nicht mehr existierende - vorgestellt. Im 16. Jahrhundert gab es mehr als 200. Der Stadtplan S. 224-225 macht es leicht, die Türme zu finden, und man hat auch daran gedacht, die nicht mehr vorhandenen und jene, von denen aus photographiert wurde, hier kenntlich zu machen.
Anhand eindrucksvoller historischer Abbildungen gibt Tudy Sammartini eine kurze Einführung (S. 9-13) und schließt mit der "Frage, ob wir es wirklich verdienen, in dieser zauberhaften Stadt zu leben, ist es uns doch gelungen, sie äußerlich und innerlich verfallen zu lassen." Ein Text von Piero Falchetta (Der Blick von oben, S. 17-27) handelt von der "Vision einer von oben gesehenen Welt" (S.18 ), von den unterschiedlichen Typen von Stadtansichten - Profil, Vision, Plan, von Venedigs Türmen und der Stadt im Kontext der umgebenden Natur.

Als Betrachter der Photos von Daniele Resini ist man sicher oft erstaunt, so manchen Turm original nicht so oder gar überhaupt nicht gesehen zu haben, obwohl er doch wirklich dasteht. Das liegt nicht nur daran, daß viele Türme in Venedig von den engen Gassen oder Plätzen aus kaum zu sehen sind. Der Photograph hat mit einer außergewöhnlichen Photokampagne An-, Auf-, Aus-, Ein-, Überblicke gewonnen, die so einfach nicht zu haben sind. Er präsentiert damit, "stets auf der Hut vor den Versuchungen des Kitsches" (S. 31), "ein Stück Zeit, das mit einer sich darin manifestierenden Wirklichkeit verbunden ist." (S. 33) Natürlich kann kaum jemand die sinnliche Erfahrung, mit der diese Arbeit verbunden war, praktisch nachvollziehen. "Die langsamen Aufstiege auf den dunklen unwegsamen Stufen aus Stein und aus jahrhundertealten, wurmstichigen Holz" sind aber mit den Photos - nicht zuletzt auch durch die angemessene Wiedergabe, mit der der Verlag sie präsentiert - sinnlich nachvollziehbar: Stufen eines Glockenturmes von Il Redentore (S. 30) oder die Glocken von San Canzian (S. 32). "Jedes Glockengeschoß hat einen eigenen Charakter; seine Seele sind die Glocken..." (S. 31). Diese Glockenseele kann man wirklich S. 32 sehen, die Seele der Fassadenengel S. 126, 127, 133, 136, 154, 222, die Seele der Stadt auf allen Photos. Besonders beeindruckend sind natürlich die großen Panoramaansichten. Obwohl Daniele Resini in seinem Einleitungstext S. 33 etwas von der Aufnahmetechnologie verrät, fragt man sich da immer wieder, wie hat er das bloß gemacht.

Tudy Sammartini bietet zu jedem Turm erläuternden Text mit den wichtigsten Daten zur Baugeschichte, Besonderheiten der Architektur und zu wichtigen Ereignisse, die mit dem Turm verbunden sind. Soweit der jeweilige Turm auf dem Plan von Barbari/Kolb zu sehen ist, ist der entsprechende Kartenausschnitt wiedergegeben. Die bedeutenden Türme sind ausführlich im Hauptteil (S. 34-223) erläutert und um diese Texte herum gruppieren sich jeweils Photos. Im anschließenden Teil (S. 226-267) sind alle Türme alphabethisch aufgeführt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.04.2010
Das Schiff aus Stein
Schreiber, Hermann

Das Schiff aus Stein


schlecht

Reichhaltige Kenntnisse - absurde Logik

Ich hätte vielleicht besser dem Impuls nachgeben sollen, das Buch nach den ersten Seiten zuschlagen und wegzulegen. Aber das macht man ja wohl bei einem Buch, was so oft (1979, 1981, 1986, 1988, 1992) aufgelegt worden ist, nicht gleich.

Im Buch wimmelt es nicht nur von völlig unbegründeten Annahmen und Folgerungen, die dann als Tatsachen unterstellt werden, der Autor wiederspricht sich auch häufig selbst.
So gleich am Anfang: Schreiber vermutet anläßlich der Erwähnung von Schiffen im Brief des Cassiodor an die Veneter aus dem 6. Jahrhundert: "Es muß wohl um den Levantehandel gegangen sein, also um Schiffsverkehr mit Kleinasien und Ägypten, vielleicht auch mit Nordafrika." (S. 13f) Mit der gleichen Logik wäre etwa daraus, daß man selbstverständlich schon in antiken Zeiten an den Küsten der Iberischen Halbinsel Schiffe hatte und Porto (Portus cale) seit dem 1. Jahrhundert v.Chr. in römischem Besitz war, zu schlußfolgern, daß die alten Römer bereits vor mehr als 2.000 Jahren Schiffsverkehr nach Amerika unterhielten. Erst für die Mitte des 9. Jahrhunderts ist bezeugt, daß man in Venetien seegängige Schiffe gebaut hat (Heinrich Kretschmayr: Geschichte von Venedig in 3 Bänden. Bd. 1 S. 78. 2. Neudruck der Ausgabe Gotha 1920, Aalen 1986) Oder S. 14 heißt es, "Auf der Insel Rialto muß um 500 und wohl schon seit 460 ein Fernhandelszentrum existiert haben", während nur einige Seiten weiter steht, daß Venedig bzw. Civitas rivo alto, wie es am Anfang hieß, "zu dieser Zeit (Mitte des 7. Jahrhunderts) noch nicht erwähnt wird" (S. 20), es in der Zeit Pippin des Kleinen (777-810) die Stadt "noch gar nicht gab." (S. 28 ) Dabei geht es gar nicht darum, daß Venedig einer sehr spät entstandenen Legende nach bereits im Jahre 421 gegründet worden sei, oder daß es nicht unmöglich ist, daß bereits im 6. Jahrhundert Schiffe aus der Lagune bis an die Küsten Nordafrikas und Kleinasien gefahren ein könnten. Es geht darum, daß Schreiber rein spekulative Annahmen immer wieder beiläufig dem Leser als Tatsachen unterjubelt. Es wäre müßig diese Stellen aus dem Buch hier alle aufzuführen. Nur noch zwei Beispiele: "Es scheint, daß Paoluccio seine großen Taten in relativ hohem Alter vollbrachte..." (S. 25) Aus dieser durch nichts begründeten Vermutung (durch den Chronisten GIOVANNI DIACONO ist lediglich überliefert, daß er ein "vornehmer und rechtschaffener Mann" war) wird dann die "Tatsache" abgeleitet, daß der Langobardenhäuptling Luitprand, der gegen den Dogen Paoluccio Krieg geführt hätte und später mit dem befreundet gewesen sei, "viel jünger als Paoluccio" (Ebd.) gewesen sei. Auch für die Annahme, daß dieser "die Idee Venedig geprägt" hat (S. 26), gibt es keinerlei Grundlage. Das ist vielleicht nicht wichtig, läßt aber an Kompetenz und Redlichkeit des Autor zweifeln. Oder etwa die Argumentation zu der Frage, ob der Doge Enrico Dandolo von Anfang an listig und hinterhältig die Umleitung des 4. Kreuzzuges zur Eroberung Konstantinopels geplant hätte: "Wenn Dandolo also solche weitgehende Absichten hatte, wenn er das gewaltige Kreuzfahrerheer für Venedigs Zwecke einsetzen wollte, so war er gewiß auch der Mann, dies so vorzubereiten, daß sich keine schlüssigen Beweise dafür finden lassen würden." (S. 96) Mit dieser Logik könnte man jedem alles unterstellen, gerade weil es dafür keinerlei Beweise gibt. Im Übrigen besagen die Beweise, die es gibt, nämlich der Bericht eines der wichtigsten Anführer der Kreuzfahrer (Die Eroberung von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer im Jahre 1204 von Gottfried von Villehardouin, Marschall der Champagne nach der Ausgabe von P. Paris übersetzt und herausgegeben von FRANZ GETZ. Leipzig. 1915), der mit diesem Bericht als erster verläßlicher französischer Historiograph überhaupt gilt, genau das Gegenteil von dem, was SCHREIBER aus nicht vorhandenen Beweisen herausfabuliert. Alvise Zorzi betonte unter Verweis auf den Chronisten Zancaruolo: "Was man auch immer hört und liest, es war nic

Bewertung vom 08.04.2010
Märkische Forschungen
Bruyn, Günter de

Märkische Forschungen


ausgezeichnet

Authentisch und allgemeingültig

Hier werden mit brillanter Ironie Abgründe des Wissenschaftsbetriebes vorgeführt - und nicht nur das, sondern Unzulänglichkeiten des Allzumenschlichen, die auch andernorts vorkommen. Das ist allgemeingültig, für alle Zeiten und alle Gesellschaften. An diesen Werken wird man sich - wie an denen WILLIAM SHARESPEARES - noch lange ergötzen, wenn sie vielleicht auch zwischenzeitlich etwas in Vergessenheit geraten sind (War das nicht bei SHAKESPEARE auch so?)! Der heutige Leser merkt kaum, auf welchem Boden das gewachsen ist. Beim gleichnamigen Film von ROLAND GRÄF wundern sich Spätgeborene wohl am Anfang: Was ist denn das für ein seltsames Auto, mit dem die da im Schlamm stecken bleiben? Der Schlamm scheint mir sinnbildhaft - aber das ist gottseidank Vergangenheit.

Die großartige Verfilmung von "Märkische Forschungen" durch ROLAND GRÄF war der Kultfilm der unhörbaren zornigen jungen Männer in der DDR! Das war wohlfeil. Auch seinen Zorn oder Protest in die Schublade hineinzuschreiben, war noch kein Widerstand, sondern nur eine Art innere Emigration, ein intellektueller Schrebergarten. WOLFGANG TEMPLIN wurde dann zu einer der rühmlich-hörbaren Ausnahmen. Das ist heute vielleicht nicht mehr wichtig - vielleicht doch, als Mahnung und Warnung und daß der eine oder andere fröhlich von seiner Vergangenheit scheide. Ich bin überzeugt, auch das Publikum, das gar nicht mehr weiß, was "DDR" bedeutet, wird an diesem Werk sein Vergnügen finden und manche (aktuelle) Wirklichkeit wiedererkennen. GÜNTER DE BRUYNS Erzählung ist voller bühnen- und filmreifer Kabinettsstückchen und die hat ROLAND GRÄF mit hervorragenden Schauspielern ins Bild gesetzt. Es wird Zeit, daß der Film wenigstens als DVD wieder unters Volk kommt. Und liebe Fernsehintendanten: Machen Sie doch mal unserem verehrten MARCEL REICH-RANICKI eine Freude und bringen Sie diesen Film! Der wird - da wette ich drauf - nur meckern, daß die eine Liebesgeschichte darin etwas zu verborgen ist und die andere nur am Rande vorkommt.

Ach so, für die die nicht mehr wissen, was "DDR" ist - Sie haben da auch nicht wirklich etwas versäumt: Das ist die Abkürzung für Deutsche Demokratische Republik, eine Art offizieller, dreifacher Tarnname für das Gebiet im Osten Deutschlands, das bis 1990 nicht eigentlich zu Bundesrepublik gehörte, die aber zumindest teilweise durch Zahlungen das unselige Fortbestehen der DDR für eine Weile verlängert hat. Die Erfinder des Wortungetüms "Deutsche Demokratische Republik" haben mit gleichsam umgekehrter Freudscher Fehlleistung ihre Verschleierungsabsicht selbst offenbart: Indem sie glaubten, zu "Republik" noch das Adjektiv "Demokratisch" hinfügen zu müssen - also übersetzt eine volksherrschaftliche Volksherrschaft - offenbarten sie, daß sie die Vorstellung einer undemokratischen Respublica im Kopf hatten, was sie dann ja auch praktisch umgesetzt und gleichzeitig mit großem, letztlich vergeblichem Propagandaaufwand stets geleugnet haben. Von der ganzen Welt völlig unerwartet (selbst nicht vom Innerdeutschen Ministerium, das so wohl wie selten eine andere Regierungsinstitution seine Überflüssigkeit bewiesen hat) ist die DDR an plötzlich offen ausgebrochener, aber - wie sich dann herausstellte - sehr lange latenter, dann rasant verlaufender politischer Schwindsucht zugrunde gegangen. Wer sich da als Arzt hätte betätigen wollen, wäre sicher bald selbst in Schwierigkeiten geraten. Schließlich hat sich die Leiche - seltener Fall - fröhlich selbst zu Grabe getragen.

"Märkische Forschungen" gibt auch - aber nicht vordergründig - ein authentisches und nicht nachträglich hergestelltes Gegenbild zur grassierenden entsetzlichen DDR-Nostalgie, kein vergangenheitsseliges, auch kein larmoyantes sondern einfach ein allgemeinmenschliches.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2010
Rom
Rosendorfer, Herbert

Rom


gut

Na also, Herr Rosendorfer, es geht doch

Nach Lektüre der beiden etwas danebengegangenen Venedig-Bücher und des problematischen Rom-Kirchenbuches des Autors bin ich nun ganz erstaunt. Rosendorfer kann ja ganz unverkrampft schreiben. Zu einem locker-humorvollem Stil reicht es auch hier zwar nicht, aber immerhin quetscht er einige Legenden aus - etwa die von der Gründung Roms (S. 13-17) - und macht klar: Es ist nichts drin. Das gefällt mir! Bei den Restaurantempfehlungen S. 109-113 vermisse ich die Cantina Tirolese Tiroler Keller, das Stammlokal von Papst Benedikt XVI. als er noch als Kardinal Josef Ratzinger ohne Aufsehens mit seinen Mitarbeitern ein solches aufsuchen konnte (Ich verrate die Adresse nicht, weil ich es - außer in einem Restaurantführer - gegenüber allen nicht genannten Lokalitäten ungerecht finde, einzelne hervorzuheben, und ganz eigensüchtig befürchte, dann am ausgezeichneten Mittagsbuffet im kleinen Keller künftig keinen Platz mehr zu finden. Nur wer sich ein wenig müht, den Tiroler Keller zu finden, hat es verdient, dort zu speisen: http://www.cantinatirolese.it). Wahrscheinlich scheint ihm aber bei seiner antikatholischen Attitüde diese Restaurant wie dem Teufel eine Weihwasserquelle.
Daß Rosendorfer immer noch behauptet, zu wissen, was der Heilige Geist weiß und nicht weiß (S. 30), will ich ihm nicht noch einmal ankreiden, zumal er völlig richtig darauf aufmerksam macht, daß niemand wissen kann, wie groß ein "Engel in Lebensgröße" wirklich ist (S. 33). Manche Ausführungen sind allerdings sehr verkürzt und geben nur die halbe Wahrheit wieder, etwa zum heiligen Jahr (S. 23), zum Domus Aurea und Kaiser Nero (S. 30f), zur Einrichtung - nicht "Errichtung" - der französischen Akademie in der Villa Medici (S. 36), zur "Wuchtbrumme" Königin Christine von Schweden (S. 37), zur Baugeschichte des Petersdoms (S. 51-55), zur Astrologie (S. 63f), zur Etablierung des Vatikanstaates (S. 126). Daß er die Reformen und die Förderung der Industrialisierung durch den seligen Papst Pius IX. unterschlägt, verwundert mich nicht, denn dies ist einer der von Rosendorfer bevorzugt gehaßten Päpste (S. 46, 79f, 94f). Über Rosendorfers mitunter verfehlte Wortwahl will ich mich auch nicht weiter mokieren. Da braucht er eben noch etwas schriftstellerische Übung.

Rosendorfer gibt viele nützliche Hinweise, ist aber öfters unkorrekt (vielleicht war er doch nie da), etwa: Die "drei eigene(n) Buslinien, die jeweils einen Rundkurs von der Piazza Venezia aus fahren" (S. 67) sind keine städtischen Buslinien, sondern private Hopp-on-hopp-off-Stadtrundfahrtbusse mit nicht immer ganz synchron zum jeweiligen Ort laufenden Erklärungen in den wichtigsten Sprachen vom Tonband, wie es sie in vielen Touristenstädten gibt. Ihre Ausgangs- und Endpunkte sind nicht an der Piazza Venezia (dort halten sie auch), sondern am Bahnhof Stazione Termini und an der Via Conzilazione nahe des Petersplatzes. Die Metro-Linie C gibt es noch nicht (S. 69). Sie ist seit einigen Jahren im Bau und wird vom Bahnhof Stazione Termini zum Vatikan führen.
S. 34f wird aber nicht einfach geflunkert, sondern eine geschäftsschädigende Lüge verbreitet, indem Rosendorfer verkündet, seine Liebe zum Caffè Greco sei "etwas erkaltet", seit er "feststellen musste, dass (2007) der einfache Espresso 8 Euro 50 kostet" (S. 35). Ich vermute, Rosendorfer hat das irgendwo abgeschrieben. Soviel hat der Kaffee dort nie gekostet und kostet er nicht. Ich verlange von Rosendorfer bzw. vom Verlag eine öffentliche Entschuldigung! Jetzt erhält man im Caffè Greco formvollendet am Tisch serviert den Espresso für 5 €, Cappucino, Caffè latte oder Caffè americano für 7 €. Nimmt man aber seinen Kaffee im Stehen an der Bar, kostet dort der Espresso 90 Cent, Cappucino, Caffè latte oder Caffè americano 1,30 €.

Die Verbissenheit gegenüber der Amtskirche wird Rosendorfer sicher irgendwann ablegen: Mit zunehmendem Alter wächst sich so etwas ja gewöhnlich aus, spätestens mit einsetzender Altersweisheit.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2010
Kirchenführer Rom
Rosendorfer, Herbert

Kirchenführer Rom


weniger gut

Als Kirchenvorführung vielleicht akzeptabel - als Kircheneinführung auf keinen Fall

Rosendorfer ist wohl in der Stadt und den Kirchen gewesen, bevor er darüber schrieb, denn Hinweise auf verborgene Kunstwerke oder Zugänge kann man wohl nur geben, wenn man zuvor dort war. Es kommen mir aber diesbezüglich auch Zweifel, wenn ich etwa lese, daß vor der Kirche Il Gesu "sich die Straßenschlucht des Corso Vittorio Emanuele nach der Piazza Venezia das erste mal zu einem Platz" öffne (S. 86): Der Corso Vittorio Emanuele II. beginnt bzw. endet nicht an der Piazza Venezia, sondern eben genau an der Piazza Il Gesu. Die Straße, die von diesem Platz an der Nordseite der Kirche zur Piazza Venezia führt, heißt Via dei Plebicito.

Es ist aber in jedem Falle verdienstvoll und hilfreich, einen handlichen Führer für die Kirchen der heiligen Stadt zusammengestellt zu haben, hält sich aber offenbar für so allwissend, daß er keinerlei Hinweise auf weiterführende Literatur gibt. Eine Handreichung für Kirchenbesucher ist auf vorhandener Literaturgrundlage leicht zu machen. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, auszuwählen, wegzulassen. Da will ich mit Rosendorfer gar nicht streiten.
Genauere Auskunft hätte ich aber schon, woher er das Wissen hat, daß "nicht einmal der Heilige Geist weiß, wieviele Kirchen es in Rom gibt." (S. 5) Um diese intimen Kenntnisse des Heiligen Geistes werden ihn wohl viele beneiden. Das hat ihn wohl auch veranlaßt, einleitend darauf hinzuweisen, daß "sich dieses Buch seiner Natur nach an den katholischen Rombesucher wendet... für Rombesucher gedacht ist, die aus religiösen Gründen in die Stadt reisen... (und es) wurde versucht, bei der Beschreibung der einzelnen Kirchen einen Mittelweg zwischen reiner Baubeschreibung, historischer Darstellung und Andachtsanleitung zu finden" (S. 5f). Nun gut, Versuche können mißlingen. Diese Behauptungen kann ich nämlich im Text zu den Kirchen nicht bestätigt finden. Der katholische Leser wird eher durch immer wieder eingestreute und völlig überflüssige abfällige Bemerkungen verärgert.

Rosendorfer, der ja weß, was der Heilige Geist weiß, hält jegliche Begründung seiner mitunter opaken Ansichten für überflüssig. Das goutiert sicher auch manch einer nicht, der sich keineswegs für einen rechtgläubigen Christen hält. Zahlreiche seiner Bemerkungen sind auf jeden Fall geschmacklos. Mit nahezu gleichförmig immer wieder eingestreuten abwertenden Attributen zu Heiligen und Päpsten wird gewiß auch niemand überzeugt und wer da Rosendorfeers Meinung ist, liest wohl in den seltensten Fällen einen Kirchenführer. Wer sich aber in der Geschichte des Christentums gut auskennt, bemerkt hier schnell die Unredlichkeit des Autors. So halb entschuldigt sich der auch im Vorwort: "Sollte ein Leser oder eine Leserin über manchen kritischen Ton (namentlich in den Heiligenviten) erstaunt sein, erlaubt sich der Autor darauf hinzuweisen, daß auch Skepsis zum Glauben gehört. Wir brauchen dort noch nicht zu glauben, wo wir noch wissen können." (S. 6) Gewiß! Ein Bemühen, Glauben und Wissen zu versöhnen, ist nicht unbedingt von jedem zu verlangen, unter der Fahne "Wissen" Vorurteile vorzutragen, ist aber doch ein wenig arg.
Rosendorfer hätte, anstatt den Leser mit Meinungsbrocken abzuspeisen, vielleicht besser eine kritische Geschichte der Heiligen, der Päpste, des Christentums schreiben sollen. Solche gibt es aber schon zur Genüge. Ich glaube auch nicht, daß ich ein solches Buch von Rosendorfer lesen würde, denn um damit einen erbaulichen Genuß zu vermitteln, fehlt ihm die heitere Gelassenheit des Katholiken, der sich der Seligkeit gewiß ist.

"Andachtsanleitung" gibt Rosendorfer überhaupt keine. Wie könnte er auch! Hilfsstellung bieten hier ja auch hinreichend Pilgerwerke und andere fromme Einrichtungen. Insofern ist Rosendorfers Buch völlig überflüssig.

Bewertung vom 29.03.2010
Der Italiener an meiner Seite
Reski, Petra

Der Italiener an meiner Seite


sehr gut

Das Buch ist schon irgendwie o.k., eine gewisse Provinzialität des Herkommens ist aber unverkennbar

Wieso die Autorin ihre oft ganz unverhofft bizarr werdenden Venedig-Räsonnements unter dem Titel "Der Italiener an meiner Seite" versteckt, ist mir etwas unerklärlich. Vielleicht liegt das daran, daß ihr Talent, in einen Text die feine Unbestimmtheit der Ironie zu treffen, ohne anmaßend zu erscheinen oder sonst irgendwie Mißfallen zu erregen, mitunter doch nicht ausreicht. Das erfordert nicht nur lockeres Schreiben, sondern setzt wirklich Attitüde voraus (für Frauenzeitschriften oder ähnliches, wo einige der Texte zuerst erschienen sind, reicht es dann aber doch). Sonst hätte sie vielleicht sich selbst, ihren Partner, die Touristen mit einem Titel wie "Die Venezianer an meiner Seite" zugleich ein- und ausgeschlossen.
Manche Textpassage, bei der man erwartet, daß sie ridikül weitergeführt wird, ist offenbar bierernst gemeint. Italiener würden niemals im Zug essen und ähnliche Verallgemeinerungen, sind natürlich Unsinn. Mag ja sein, daß Reskis Erfahrungen andere sind, ich habe eher - je mehr Italiener ich kennen lerne, desto mehr - den Eindruck, es gibt in Italien gar keine Italiener, sondern nur Sizilianer, Kalabresen, Neapolitaner, Römer, Toskaner, Venezianer, Lombarden ... (die ich vergessen habe aufzuzählen, werden mir hoffentlich verzeihen). Wer nur ein wenig die grotesk-tragische Geschichte der italienischen Unabhängigkeits- und Einigungsbewegung des 19. Jahrhunderts zur Kenntnis genommen hat, wird sich darüber nicht wundern.
Überhaupt: Ich dachte solche unsinnigen Verallgemeinerungen über "die Italiener", "die Deutschen", "die Touristen" sind endlich ausgestorben. Gegen "die Touristen" hilft vielleicht Ernst Bloch: "In der Fremde ist niemand exotisch als der Fremde selbst: das gilt schon für Italien, nicht erst für den Orient." (Venedigs italienische Nacht, 1934). Gegen "die Italiener" hilft vielleicht folgende Geschichte: Ich kenne eine in den 60ern in Wolfsburg geborene "Sizilianerin", die immer noch darüber trauert, daß es den Sonderzug von Wolfsburg nach Palermo, mit dem man im Sommer während der Betriebsferien "nach Hause" gefahren ist, nicht mehr gibt: Auf der Rückfahrt fand immer ein so schönes allgemeines Tauschen von heimischem Käse und Wurst usw., usw. mit gemeinsamen Essen statt. Daraus ließe sich eine schöne Geschichte machen, nach der "alle" Wolfsburger Italiener infolge frühkindlicher Prägung unter zwanghaften Essanfällen leiden, sobald sie im Zug sitzen, die umso heftiger ausfallen, je länger die Zugfahrten in die "Heimat" waren. Bitteschön: Ich verschenke die Idee zur literarischen Gestaltung. Vielleicht hätte die Autorin, bevor sie über Venedig schreibt, etwas mehr die Worte von Gehard Tötschinger (Nur Venedig ist ein bissl anders. Wien 2002, S. 214) bedenken sollen, mit der der faktisch sein Venedig-Buch schließt: "Die Hektik im Schloß ist nur brauchbar, wenn im Märchen Ungewöhnliches geschieht, wenn König Drosselbart einschreitet, Aschenbrödel davon- und der Prinz ihm nachläuft. Der schloßgewordene Stadtraum Venedig verlangt Würde und wird zum Prüfstein, zur Schule, zur Chance. Venedig macht freundlich..."

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.