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Sommer 1990: Wenige Monate nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begegnen sich zwei Budweiser Jugendfreunde in einem südböhmischen Gasthaus - der deutsche Arzt Karl Tomaschek und der tschechische Ingenieur Jan Hadrava. Die nächtliche Auseinandersetzung wird für beide zu einer schmerzhaften Begegnung mit der Vergangenheit, einer Entlarvung ihrer Erinnerungslücken und Verdrängungen. Ein halbes Jahr später findet man Tomaschek auf der Terrasse einer österreichischen Almwirtschaft, erfroren nach einem plötzlichen Schneeeinbruch.
In diesem Roman schildert der Literaturhistoriker und Schriftsteller
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Produktbeschreibung
Sommer 1990: Wenige Monate nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begegnen sich zwei Budweiser Jugendfreunde in einem südböhmischen Gasthaus - der deutsche Arzt Karl Tomaschek und der tschechische Ingenieur Jan Hadrava. Die nächtliche Auseinandersetzung wird für beide zu einer schmerzhaften Begegnung mit der Vergangenheit, einer Entlarvung ihrer Erinnerungslücken und Verdrängungen. Ein halbes Jahr später findet man Tomaschek auf der Terrasse einer österreichischen Almwirtschaft, erfroren nach einem plötzlichen Schneeeinbruch.

In diesem Roman schildert der Literaturhistoriker und Schriftsteller Peter Becher die unauflösbare Verstrickung von Freundschaft und Verrat, Triumph und Niederlage, Gewalt und Schwäche, welche die böhmische Geschichte des 20. Jahrhunderts so verhängnisvoll machte.
Autorenporträt
Peter Becher, Jahrgang 1952, hat in München Germanistik und Geschichte studiert und über das Ende der Donaumonarchie promoviert. Von 1986 bis 2018 war er Geschäftsführer, seit 2019 ist er Vorsitzender des Adalbert Stifter Vereins. Becher ist Mitglied des tschechischen PEN-Klubs und hat die Biografie Adalbert Stifter, Sehnsucht nach Harmonie (2005) und den Essayband Der Löwe vom VySehrad (2012) publiziert. Als Herausgeber war er an den Sammelbänden Kakanische Kontexte. Reden über die Mitte Europas (2014), Handbuch der deutschen Literatur Prags und der böhmischen Länder (2017) und Zwischen Trauer und Triumph. Das Jahr 1918 in der mitteleuropäischen Literatur (2018) beteiligt. Im April 2019 war er zudem Stipendiat des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren. Bei Vitalis erschien 2005 der Sammelband Literatur unter dem Hakenkreuz. Böhmen und Mähren 1938-1945 und 2021 sein Portait der böhmischen Hauptstadt Prager Tagebuch.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gespenster der Vergangenheit spuken um Rezensent Tilman Spreckelsen herum, wenn er den Roman des Literaturhistorikers Peter Becher liest. Diese verfolgen auch seinen Protagonisten Karl Tomaschek, der an einem Morgen des Jahres 1991 tot aufgefunden wird, ohne, dass seine Söhne Thomas und Andreas sich einen Reim darauf machen können. Der Rezensent verrät: Tomascheks Tod steht am Ende einer Reise, die im Bayerischen Wald beginnt und im tschechischen Budweis endet. Erst erzählen die Söhne, die den Vater immer als erratisch und hart erlebt haben. In der Binnenerzählung nimmt Becher jedoch die Perspektive Tomascheks ein, lesen wir, dessen Schicksal untrennbar mit der Geschichte Böhmens vor und während des Zweiten Weltkriegs verwoben ist. Spreckelsen spricht von Dämonen, die Karl auf seinem Weg quälen. Wie Becher dabei die Grenzen von Imaginiertem und Realität verschwimmen lässt und so eine Atmosphäre des Unwirklichen schafft, imponiert dem Kritiker ebenso wie die konsequente Schilderung der Figuren aus deren Innensicht, die auch vor Ambiguitäten nicht zurückscheut.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2023

Seine Dämonen trifft er im Böhmerwald
Peter Bechers Roman "Unter dem Steinernen Meer"

Als der Wirt einer steirischen Berghütte nach einem plötzlichen Schneefall dorthin fährt, um nach dem Rechten zu sehen, findet er auf einer Bank im Außenbereich unter einer Schneedecke einen Toten. Was der Mann dort suchte, ob er bereits gestorben war, bevor der Schnee kam, ob er sich erschöpft nicht mehr wegbewegen und Schutz suchen konnte, ob er es nicht mehr wollte - all dies klärt der Roman "Unter dem Steinernen Meer" von Peter Becher nicht, jedenfalls nicht, indem er die Antworten auf einem Silbertablett präsentierte.

Der Leser wird seine eigenen Schlüsse ziehen. Und der Roman, der dem Toten, seiner Familie und seinem Umfeld gewidmet ist, öffnet den Raum für solche Überlegungen. Er besteht aus einem Rahmen, der im Mai 1991 spielt, mit dem Fund der Leiche von Karl Tomaschek beginnt und mit seinem Begräbnis endet. Und aus der Schilderung einiger Tage im Juli 1990: Tomaschek, geboren 1920 in Budweis, also in der jungen Tschechoslowakischen Republik, besucht bald nach dem Umbruch in Mittel- und Osteuropa die Orte seiner Kindheit und Jugend.

Seine Reise unternimmt er zu Fuß, er beginnt sie bei Morgengrauen im Bayerischen Wald, passiert den nunmehr durchlässigen Eisernen Vorhang, überquert die Moldau, besucht Krumau und endet schließlich in Budweis, wo er mit einer Pistole um sich schießt und zusammenbricht.

Was ihn dazu treibt, bleibt auch seinen engsten Angehörigen verborgen. Die Perspektive seiner Söhne Thomas und Andreas prägt den Rahmenteil des Romans, sie blicken zum Teil weit zurück in die Kindheit und finden dort einen meist schroffen, harten Vater, der kein Verständnis für den Widerspruch seiner Söhne hat, der schimpft, straft oder spottet. Und manchmal überraschend liebevoll sein kann.

Während Thomas, der Jurist geworden ist, irgendwann den Kontakt mit ihm abbricht, versucht Andreas, der wie sein Vater Arzt geworden ist, dessen Verhalten zu ergründen, womit er nur mäßig erfolgreich ist. Über die Mutter, die ihren Mann, so scheint es, insgesamt erduldet, erfahren wir nur das, was ihre Söhne von ihr wahrnehmen.

Der Literaturhistoriker Peter Becher, Jahrgang 1951 und damit ähnlich alt wie Thomas und Andreas, nimmt für den Binnenteil des Romans plötzlich die Perspektive des Vaters ein. Er wählt dafür einen erzählerischen Ansatz, den er zuvor schon auf das Bewusstsein der Söhne angewandt hatte: Fühlten diese sich oft jählings von einer Vergangenheit überfallen, die sich nicht abweisen ließ, so gilt das auch - und mit größerer Intensität - für ihren Vater. Dass er den Weg im Böhmerwald gut kennt, teilt sich rasch mit und auch, dass verschiedene Stationen eng mit oft traumatischen Ereignissen verbunden sind, die nun für ihn eine derart große Präsenz gewinnen, dass er sie beinahe erneut zu erleben glaubt. Und wenn sein Sohn Thomas, als er im Auto zu der Beerdigung seines Vaters fährt, plötzlich dessen Stimme hört, kritisch und verletzend, und das nicht nur einfach, sondern geradezu als Chor, so steigen auch für den Wanderer Karl Tomaschek im Juli 1990 die Gespenster der Vergangenheit herauf, um mit ihm zu streiten und ihn erneut zu verletzen.

In solchen Passagen erweist sich Becher als talentierter Erzähler, das Ineinandergehen der Bewusstseinsebenen stellt er gekonnt dar, und sein Verzicht auf An- und Abführung der direkten Rede unterstützt diese Grauzone zwischen Erlebnis und Vision noch. Was widerfährt ihm tatsächlich, und was ist Erinnerung, die sich manifestiert? Wo verläuft die Grenze, wenn Karl etwa in einem böhmischen Gasthaus einkehrt und dort nicht nur einen alten Quälgeist, sondern auch seinen tschechischen Jugendfreund wiederfindet und ein Gespräch beginnt, als hätte es die 45 Jahre seit dem letzten, traumatischen Treffen nicht gegeben?

Es ist die große Stärke dieses Romans, dass er seinen Protagonisten von innen betrachtet und uns zugleich ein ums andere Mal den Kopf schütteln lässt über das, was diese Perspektive zutage fördert. Becher verstärkt das noch durch den Rahmen, in dem er das Klima von Schweigen und Aggression zeigt, das jenen Siebzigjährigen umgibt. Woher das kommt und warum Tomaschek seine Dämonen nicht loswird, zeigt er auch, sodass die Leser, die Bekanntschaft mit den Dämonen schließen, sie auch als solche wahrnehmen, wenn Karl ihnen im alten Grenzgebiet zwischen Böhmen und Bayern begegnet, als könnten sie auch für andere real sein.

Dass dies zumindest für Karls Generation zutrifft, zeigt Becher auch. Denn was die Budweiser Jungen Karl und Jan, der Deutsche und der Tscheche, miteinander und mit ihrer Umgebung erleben, ist symptomatisch für ihre Zeit und ihre Mitbürger, und wenn beide einander die von der anderen Seite verübten Gräueltaten vorhalten, dann gelingt Becher das Kunststück, daraus keine Aufrechnung werden zu lassen, keine Summe zu ziehen, sondern das Furchtbare zu registrieren als das, was es ist, und zugleich an die verpasste Chance des Zusammenlebens zu erinnern.

Becher, langjähriger Geschäftsführer des Adalbert-Stifter-Vereins und Biograph Stifters, wählt Tomascheks Weg nicht zufällig: Er beginnt im Rosenberger Gut, wo einst Stifter seine Sommerurlaube verbrachte, berührt zahlreiche mit dem Autor verbundene Orte und siedelt schließlich den traumatischen Höhepunkt der Handlung in der Umgebung des Plöckensteiner Sees an wie schon Stifter seinen "Hochwald", den Tomaschek mit sich führt. Becher verweist dezent auf die Rolle, die das Stifter-Gedenken für Tschechen wie Deutsche spielt, und erinnert an Versuche der Nationalsozialisten, den Dichter für sich zu vereinnahmen.

Wenn es am Ende zu einer Wiederbegegnung ausgerechnet in Oberplan, dem Geburtsort Stifters, kommt, die womöglich nur Tomascheks Imagination entspringt, dann mag man darin einen Fingerzeig des Autors sehen, welchen Weg diejenigen einschlagen könnten, denen es um ein neues Einvernehmen geht. TILMAN SPRECKELSEN

Peter Becher: "Unter dem Steinernen Meer". Roman.

Vitalis Verlag, Prag 2022. 200 S., geb.,

19,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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