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Die ¿Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät¿ bietet seit 1798 ohne Unterbrechung wirtschaftswissenschaftliche und fachnahe Vorlesungen an. Damit ist dieser Fachbereich zugleich die älteste, ohne Unterbrechungen bestehende wirtschaftswissenschaftliche Einrichtung an deutschen Universitäten. Ihre Bezeichnung hat sich im Zeitverlauf mehrfach geändert, um den wechselnden Anforderungen gerecht zu werden. Der vorliegende Band ist eine Fundgrube zur Entwicklung der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre.

Produktbeschreibung
Die ¿Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät¿ bietet seit 1798 ohne Unterbrechung wirtschaftswissenschaftliche und fachnahe Vorlesungen an. Damit ist dieser Fachbereich zugleich die älteste, ohne Unterbrechungen bestehende wirtschaftswissenschaftliche Einrichtung an deutschen Universitäten. Ihre Bezeichnung hat sich im Zeitverlauf mehrfach geändert, um den wechselnden Anforderungen gerecht zu werden. Der vorliegende Band ist eine Fundgrube zur Entwicklung der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre.
Autorenporträt
Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty, Jahrgang 1940, ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen. Der leidenschaftliche Europäer klagte mehrfach vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Euro, ist einer der führenden Köpfe der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft sowie Gründungsmitglied der Wahlalternative 2013, die sich für eine Konsolidierung des Euro-Währungsraumes einsetzt. Starbatty hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zu den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft veröffentlicht und verfasst regelmäßig Artikel für Focus, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung und das Handelsblatt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2015

Tübinger Weisheiten
Eine Geschichte ökonomischer Denker und Lehrer

Um ein wirkliches Bild vom Werden der Wirtschaftswissenschaft zu erhalten, reicht es nicht, sich nur mit der Dogmengeschichte des Faches zu befassen. Man sollte ebenso über die Denker selbst, ihren Werdegang und das wissenschaftliche Umfeld, in dem sie wirkten, Bescheid wissen. Dem wird nach wie vor zu wenig Rechnung getragen. Umso nötiger erscheinen Publikationen wie das vorliegende Buch. Es dokumentiert das ökonomische Lehrangebot an der Universität Tübingen seit 1798, dem Jahr, als es fest installiert wurde, bis zum Wintersemester 2012/13. Damit wird ein Projekt abgeschlossen, das namentlich der im Jahre 2013 gestorbene Ordinarius für Statistik Heinrich Strecker vorangetrieben hatte. Im Jahre 2004 waren zwei Bände über "Leben und Werk der Professoren" der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät erschienen. 2009 folgte ein Band "175 Jahre wirtschaftswissenschaftliche Promotionen" in Tübingen. Mit dem neuen, dritten Band liegt nunmehr eine Trilogie vor.

Obwohl sich diese Trilogie allein auf die Tübinger Wirtschaftsfakultät bezieht, vermittelt sie nicht nur deren Besonderheiten. Sie bietet viel mehr, nämlich Einblicke in die Geschichte der Ökonomik überhaupt. Im vorliegenden Band ist dies schon allein an der veränderten Bezeichnung der Hauptvorlesung im Laufe der zwei Jahrhunderte abzulesen: Von der "Enzyklopädie der Kameral- oder Staatswissenschaften" reicht sie über Grundlagen der "ökonomisch-politischen Wissenschaften" und später der "Nationalökonomie" bis zur "Allgemeinen (theoretischen) und Besonderen Volks- beziehungsweise Betriebswirtschaftslehre".

In einem Anhang finden sich unter anderem einzelne Hörerlisten und Vorlesungsgliederungen aus den Anfängen der Fakultät, eine Aufstellung früher Vorlesungsmitschriften, studentische Skripten aus jüngster Zeit sowie faksimilierte Titelseiten von Namens- und Vorlesungsverzeichnissen, darunter das des Sommersemesters 1798, in dem erstmals an der Tübinger Universität eine kameralwissenschaftliche Vorlesung angekündigt wurde. Friedrich Carl von Fulda hielt sie auf Lateinisch. 40 Jahre lang blieb Fulda der Universität treu. In die Anfangszeit fällt auch die Tübinger Lehrtätigkeit Friedrich Lists. Warum sie eine tragische Episode blieb, belegt im Anhang wiedergegebenes Archivmaterial.

Nicht zuletzt ein Gutachten Lists für den württembergischen Kirchen- und Schulminister beförderte die Gründung einer Staatswirtschaftlichen Fakultät 1817 und trug ihm selbst eine Professur ein. Doch schon nach vier Semestern quittierte er den Dienst, weil er wegen seiner freimütigen Kritik an den politischen und wirtschaftlichen Zuständen in seinem Heimatland Ärger mit der Obrigkeit bekam.

Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dominierte überall an deutschen Hochschulen noch die kameralistische Lehre - in Tübingen in voller Breite, also einschließlich des Unterrichts in allen technologischen, naturwissenschaftlichen sowie land- und forstwirtschaftlichen Nebenfächern. Doch schon Fulda bereicherte seine Grundposition mit physiokratischen Gedanken und fand anerkennende Worte für Adam Smith.

In den Jahren nach 1860 machte der Ökonom Albert Schäffle von sich reden, weil er den "schrankenlosen Kapitalismus" verdammte und Sozialreformen forderte. Im 1872 gegründeten Verein für Socialpolitik aktiv tätig, repräsentierte bis 1908 Gustav von Schönberg die jüngere Historische Schule vor Ort. Ihm folgte bis 1929 Robert Wilbrandt, zu dessen bevorzugten Lehr- und Forschungsgebieten die Gedankengebäude des Sozialismus und Kommunismus gehörten.

Früher und nachhaltiger als an manch anderer deutschen Wirtschaftsfakultät kamen in Tübingen wieder Theoretiker zu Wort. Mitte der zwanziger Jahre las Walter Eucken unter anderem "Theoretische Nationalökonomie" und "Theorie der Konjunktur". Bemerkenswert ist, dass dieser Trend, der sich erst nach 1945 allgemein entfalten konnte und sich in Tübingen vor allem mit den Namen Hans Peter, Alfred E. Ott und Karl Brandt verbinden sollte, dort während der NS-Zeit nicht völlig abbrach. Dafür sorgten besonders Hans Peter und Erich Preiser, die regelmäßig unter anderem "Preis-, Geld- und Konjunkturtheorie", "Produktions- und Kostentheorie" sowie "Finanztheorie" in bester wissenschaftlicher Manier lehrten, obwohl dies ganz und gar nicht in das nationalsozialistische Bild von einer "deutsch-völkischen Wirtschaftslehre" passte, die sich nationalistischen und rassistischen "Willenszielen" unterzuordnen hatte. Hinzu kommt, dass es in Tübingen - anders als an manch anderer deutschen Wirtschaftsfakultät - nur wenige Lehrveranstaltungen gab, deren Titel bereits verrieten, sich explizit "braunen" Themen zu widmen, beispielsweise "Volk und Wirtschaft", "Bauernarbeit und Bauernwirtschaft" oder "Die Vormachtstellung der weißen Rasse in Übersee".

Die eigenständige betriebswirtschaftliche Ausbildung begann in Tübingen erst 1922 mit Curt Eisfeld. Auf ihn folgte 1928 Wilhelm Rieger, einer der akademischen Lehrer Ludwig Erhards. Er bestimmte über Jahrzehnte das Tübinger Profil dieses Faches, wobei nicht unerheblich war, dass er lange hartnäckig an der älteren Bezeichnung "Privatwirtschaftslehre" festhielt. Ebenso ist den Lehrprogrammen nicht nur zu entnehmen, wie stark sich Tübinger Volkswirte nach 1945 als Theoretiker profilierten, sondern dass sie in der Wirtschaftspolitik einen besonderen Akzent setzten: Namentlich Norbert Kloten, Josef Molsberger und Joachim Starbatty trugen wesentlich dazu bei, die Tübinger Fakultät neben Freiburg und Köln zu einem Hort liberaler Ordnungspolitik zu machen - eine Entwicklung, die allerdings in neuerer Zeit durch den Verzicht auf das Fach "Wirtschaftspolitik" und die damit verbundene Umwidmung von Lehrstühlen gestoppt worden ist.

Joachim Starbatty und Heinrich Strecker (Hrsg.): Über 400 Semester. Wirtschaftswissenschaftliche Vorlesungen an der Eberhard Karls Universität Tübingen 1798-2013. Bearbeitet von Günter Randecker. Lucius & Lucius, Stuttgart 2013, 578 Seiten, 68 Euro.

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