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Ivano Matteoli, Sohn eines KP-Funktionärs, verlässt Anfang der sechziger Jahre sein toskanisches Heimatdorf gen Leningrad. Dort lernt er Bea kennen - Beate Ulbricht, das »erste Staatskind der DDR« und Tochter von Walter Ulbricht. Dies ist der Beginn einer Amour fou zwischen Ost und West, einer Liebe im politischen Geflecht zwischen Paris, Leningrad, Rom, Ost-Berlin und dem erzkatholischen Cigoli.Die Erzählerin Anni kennt Ivano von Kindesbeinen an. Auf den Dächern der alten Häuser ihres toskanischen Heimatdorfes haben sie beide zusammen gesessen und den Männern beim Bocciaspielen zugese...
Ivano Matteoli, Sohn eines KP-Funktionärs, verlässt Anfang der sechziger Jahre sein toskanisches Heimatdorf gen Leningrad. Dort lernt er Bea kennen - Beate Ulbricht, das »erste Staatskind der DDR« und Tochter von Walter Ulbricht. Dies ist der Beginn einer Amour fou zwischen Ost und West, einer Liebe im politischen Geflecht zwischen Paris, Leningrad, Rom, Ost-Berlin und dem erzkatholischen Cigoli.
Die Erzählerin Anni kennt Ivano von Kindesbeinen an. Auf den Dächern der alten Häuser ihres toskanischen Heimatdorfes haben sie beide zusammen gesessen und den Männern beim Bocciaspielen zugesehen. Auch, als es sie wegen des Studiums in unterschiedliche Himmelsrichtungen verschlägt - sie nach Paris, ihn nach Leningrad -, verfolgt Anni aus der Distanz Ivanos Liebe zu der Deutschen Beate. Deren Eltern, Walter und Lotte Ulbricht, versuchen die Ehe der beiden zu verhindern. Das gelingt nicht, aber der Preis dafür ist hoch. Ines Geipel ist in ihrem ganz eigenen Ton ein raffinierter und kontrastreicher Roman darüber gelungen, wie das Autoritäre ins intimste Innere des Lebens eindringt.
Die Erzählerin Anni kennt Ivano von Kindesbeinen an. Auf den Dächern der alten Häuser ihres toskanischen Heimatdorfes haben sie beide zusammen gesessen und den Männern beim Bocciaspielen zugesehen. Auch, als es sie wegen des Studiums in unterschiedliche Himmelsrichtungen verschlägt - sie nach Paris, ihn nach Leningrad -, verfolgt Anni aus der Distanz Ivanos Liebe zu der Deutschen Beate. Deren Eltern, Walter und Lotte Ulbricht, versuchen die Ehe der beiden zu verhindern. Das gelingt nicht, aber der Preis dafür ist hoch. Ines Geipel ist in ihrem ganz eigenen Ton ein raffinierter und kontrastreicher Roman darüber gelungen, wie das Autoritäre ins intimste Innere des Lebens eindringt.
Ines Geipel, geboren 1960, ist Schriftstellerin und Professorin für Verssprache an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst 'Ernst Busch'. Die ehemalige Weltklasse-Sprinterin floh 1989 nach ihrem Germanistik-Studium aus Jena nach Westdeutschland und studierte in Darmstadt Philosophie und Soziologie. 2000 war sie Nebenklägerin im Prozess gegen die Drahtzieher des DDR-Zwangsdopings. Ihr Buch 'Verlorene Spiele' (2001) hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Bundesregierung einen Entschädigungs-Fonds für DDR-Dopinggeschädigte einrichtete. 2005 gab Ines Geipel ihren Staffelweltrekord zurück, weil er unter unfreiwilliger Einbindung ins DDR-Zwangsdoping zustande gekommen war. Ines Geipel hat neben Doping auch vielfach zu anderen gesellschaftlichen Themen wie Amok, der Geschichte des Ostens und auch zu Nachwendethemen publiziert. 2020 erhielt sie den Lessingpreis für Kritik, 2021 den Marieluise-Fleißer-Preis.
Produktdetails
- Verlag: Klett-Cotta
- 1. Aufl. 2017
- Seitenzahl: 198
- Erscheinungstermin: 1. August 2017
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 131mm x 25mm
- Gewicht: 318g
- ISBN-13: 9783608983111
- ISBN-10: 3608983112
- Artikelnr.: 48088881
Herstellerkennzeichnung
Cotta'sche, J. G., Buchhandlung Nachfolger GmbH
Rotebühlstr. 77
70178 Stuttgart
www.klett-cotta.de
+49 (0711) 6672-1519
Mit Geschichte zu jonglieren ist riskant
Was ist schiefgegangen mit diesem Roman? Seine Autorin, Ines Geipel, ist eine ebenso gute Schriftstellerin wie Kennerin der DDR - war sie dort doch selbst Spitzensportlerin, ehe sie angesichts der Doping-Praktiken des Regimes in den Westen floh und dort eine Folge exzellenter Bücher publizierte, die literaturwissenschaftlich begannen, dann sich der eigenen Biographie annahmen und auch Romane umfassen, die hochgelobt und viel gelesen wurden. Doch wenn es in dem neuen Werk, "Die Tochter des Diktators", einmal heißt: "Was ich überhaupt nicht konnte, war erzählen. Wenn ich das musste, stand jedes Mal in meinem Kopf ein Jongleur herum, der aberwitzig viele Teller schleuderte. Es war
Was ist schiefgegangen mit diesem Roman? Seine Autorin, Ines Geipel, ist eine ebenso gute Schriftstellerin wie Kennerin der DDR - war sie dort doch selbst Spitzensportlerin, ehe sie angesichts der Doping-Praktiken des Regimes in den Westen floh und dort eine Folge exzellenter Bücher publizierte, die literaturwissenschaftlich begannen, dann sich der eigenen Biographie annahmen und auch Romane umfassen, die hochgelobt und viel gelesen wurden. Doch wenn es in dem neuen Werk, "Die Tochter des Diktators", einmal heißt: "Was ich überhaupt nicht konnte, war erzählen. Wenn ich das musste, stand jedes Mal in meinem Kopf ein Jongleur herum, der aberwitzig viele Teller schleuderte. Es war
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absehbar, dass einer ihm aus der Hand fallen würden", dann trifft das leider genau das Dilemma des Buchs.
Dessen Titel verweist auf die adoptierte Tochter von Walter Ulbricht, des langjährigen Staatsratsvorsitzenden der DDR. Diese 1944 als Kind einer Zwangsarbeiterin geborene Beate heiratete 1963 gegen den Willen ihrer Adoptiveltern einen italienischen Studenten, den sie in Ost-Berlin kennengelernt hatte. Die Ehe war kurz, der Druck des Vaters zu stark, Beate wich vor ihm nach Leningrad aus und kehrte erst nach dem Tod Ulbrichts wieder in die DDR zurück. 1991 wurde sie in ihrer Berliner Wohnung erschlagen aufgefunden; die Umstände blieben ungeklärt.
Was für ein Stoff! Doch all das auf nicht einmal zweihundert Seiten? Wenn es nur so wäre: Ines Geipel entscheidet sich aber, die Geschichte aus italienischer Perspektive zu erzählen, und so gehört der weitaus größere Part dem toskanischen Ort Cigoli und dessen Bewohnern. Viel mehr als ein Romanporträt der DDR in einer ihrer interessantesten und unbekanntesten Phasen - dem Jahrzehnt zwischen Mauerbau und der Ablösung Ulbrichts durch Honecker - ist "Tochter des Diktators" eine italienische Provinzgeschichte, historisch angereichert durch Bombenattentate, Partisanenvergangenheit und der gesellschaftlichen Dialektik aus Katholizismus und Kommunismus, erzählt von einer nunmehr alten Dorfbewohnerin, die auf die Geschehnisse seit ihrer Kindheit zurückblickt.
Die Liaison zwischen Ivano und Beate bricht nach einem Drittel des Buchs wie ein Fremdkörper in die Handlung ein; nie mehr findet sie zu der gerade im Kleinen so beklemmenden Gewalt des Anfangs zurück, weil im Verhalten Beates und ihrer Eltern keine Rätsel sind. Und wenn man dann irgendwo im Buch von einem Sohn liest, "der seit Lichtjahren auf ihren Oberschenkeln prangte", dann waren Autorin und Lektorat auch von allen guten sprachlichen Geistern verlassen.
apl.
Ines Geipel: "Die Tochter des Diktators". Roman.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2017.
198 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dessen Titel verweist auf die adoptierte Tochter von Walter Ulbricht, des langjährigen Staatsratsvorsitzenden der DDR. Diese 1944 als Kind einer Zwangsarbeiterin geborene Beate heiratete 1963 gegen den Willen ihrer Adoptiveltern einen italienischen Studenten, den sie in Ost-Berlin kennengelernt hatte. Die Ehe war kurz, der Druck des Vaters zu stark, Beate wich vor ihm nach Leningrad aus und kehrte erst nach dem Tod Ulbrichts wieder in die DDR zurück. 1991 wurde sie in ihrer Berliner Wohnung erschlagen aufgefunden; die Umstände blieben ungeklärt.
Was für ein Stoff! Doch all das auf nicht einmal zweihundert Seiten? Wenn es nur so wäre: Ines Geipel entscheidet sich aber, die Geschichte aus italienischer Perspektive zu erzählen, und so gehört der weitaus größere Part dem toskanischen Ort Cigoli und dessen Bewohnern. Viel mehr als ein Romanporträt der DDR in einer ihrer interessantesten und unbekanntesten Phasen - dem Jahrzehnt zwischen Mauerbau und der Ablösung Ulbrichts durch Honecker - ist "Tochter des Diktators" eine italienische Provinzgeschichte, historisch angereichert durch Bombenattentate, Partisanenvergangenheit und der gesellschaftlichen Dialektik aus Katholizismus und Kommunismus, erzählt von einer nunmehr alten Dorfbewohnerin, die auf die Geschehnisse seit ihrer Kindheit zurückblickt.
Die Liaison zwischen Ivano und Beate bricht nach einem Drittel des Buchs wie ein Fremdkörper in die Handlung ein; nie mehr findet sie zu der gerade im Kleinen so beklemmenden Gewalt des Anfangs zurück, weil im Verhalten Beates und ihrer Eltern keine Rätsel sind. Und wenn man dann irgendwo im Buch von einem Sohn liest, "der seit Lichtjahren auf ihren Oberschenkeln prangte", dann waren Autorin und Lektorat auch von allen guten sprachlichen Geistern verlassen.
apl.
Ines Geipel: "Die Tochter des Diktators". Roman.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2017.
198 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»"Tochter des Diktators" ist ein intelligentes und sensibles Buch, voll mit originellen Bildern und Vergleichen.« Südkurier, 08.03.2018 »Ines Geipels Roman über die zerstörerische Kraft und die unbarmherzigen Mechanismen totalitärer Systeme präsentiert in seiner künstlerischen Komposition eine harmonische Mischung aus Dokumentation und Poesie.« Peter Mohr, Titel Kulturmagazin, 15.01.2018 »Ines Geipel [ist] eine große Erzählerin, eine, die beides kann: das essayistische, über das tatsächlich Geschehene reflektierende Schreiben, wie in ihren klugen Analysen über Amokläufer ("Der Amok-Komplex") oder in der Besichtigung der eigenen Generation ("Generation Mauer"), aber auch ein schwebendes, freies Erzählen in ganz eigenem Ton.« Christina Bylow,
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Der Tagesspiegel, 07.01.2018 »Genau das ist Ines Geipels Schreiben: der warme Blick einer Entkommenen auf die Untergegangenen.« Christina Bylow, Der Tagesspiegel, 07.01.2018 »Genau das ist Ines Geipels Schreiben: der warme Blick einer Entkommenen auf die Untergegangenen.« Christina Bylow, Der Tagesspiegel, 07.01.2018 »Frisch wirkt diese Sprache, weil sie nicht zu historisieren versucht, sondern die Geschichte zu uns heran holt, von hier und heute ist [...] Weil sie reich an treffenden Bildern ist, bekommt alles Kraft, Lebendigkeit und Farbe.« Tomas Gärtner, Dresdner Neueste Nachrichten, 1.12.2017 »Ines Geipel webt Wirkliches und Vermutetes zu einer anrührenden Geschichte über eine junge Frau, die nie eine wirkliche Chance im Leben hatte. Mit dieser Geschichte widerfährt ihr vielleicht späte Gerechtigkeit.« Magazin Märkische Lebensart, 12.2017 »Es ist eine verstörende Geschichte, die nicht chronologisch, sondern raffiniert aufgefächert erzählt wird. Eine gleichnishafte Geschichte für Unmenschlichkeit.« Roland Mischke, Sächsische Zeitung, 11.2017 »Ines Geipels Roman über die zerstörerische Kraft und die unbarmherzigen Mechanismen totalitärer Systeme präsentiert in einer künstlerischen Komposition eine harmonische Mischung aus Dokumentation und Poesie.« Peter Mohr, literaturkritik, 11.2017 »Ines Geipel [...] erzählt auf eindrucksvolle Weise von einer Liebe, die den falschen Idealen des realen Sozialismus zum Opfer fiel.« Welf Grombacher, Freie Presse, 03.11.2017 »Ein interessantes Schlaflicht auf ein Stück früher DDR-Geschichte.« Pauline Lindner, medienprofile, 10.2017 »Tatsächlich schafft Ines Geipel etwas Besonderes mit diesem Buch: Sie entwirft ein Zeitbild als einen Lebensraum für ihre Figuren und lässt ihnen ihre eigene Würde.« Cornelia Geissler, Frankfurter Rundschau, 30.08.2017 »Ines Geipels "Tochter des Diktators" ist eine gelungene literarische Erkundung jüngerer politischer Geschichte - und eine bewegende Erinnerung an ein dem Kalten Krieg geopfertes Schicksal.« Jörg Schieke, MDR, 10.2017 »Tochter des Diktators ist ein lesenswertes und gehaltvolles, gleichermaßen intelligentes wie sinnlich-sensibles Buch. « Stuttgarter Zeitung, 15.09.2017
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Nach nunmehr 18 Jahren wendet sich Ines Geipel mit "Tochter des Diktators" wieder dem literarischen Schreiben zu, nachdem sie sich in Folge ihres ersten Romans "Das Heft" vor allem dem Verfassen wissenschaftlicher und essayistischer Texte gewidmet und damit einige Erfolge gefeiert hatte, freut sich Rezensentin Cornelia Geissler. Und nicht nur das - in ihrem zweiten Roman verbindet sie ihr literarisches Talent mit historischem Wissen und beschäftigt sich mit einem Thema, das sie schon einmal in einem Essay behandelt hat: Die Tochter des DDR-Funktionärs Walter Ulbricht und ihrer komplizierten Ehe mit dem Italiener Ivano Matteoli. Diesmal nimmt sie dafür jedoch eine ganz andere und erfrischende Perspektive ein, so die überraschte Rezensentin: Die der Malerin Anni, die mit Ivano aufgewachsen ist und erst spät, nach einer Phase der Eifersucht ihre Gemeinsamkeiten mit der Frau ihres Jugendfreundes erkennt. Wenngleich die Autorin mitunter etwas zu dick aufträgt, gelingt ihr mit ihrem bildhaften Erzählen einiges, lobt Geissler: Vor allem erschafft sie authentische Figuren und konstruiert ihnen ein "Zeitbild als Lebensraum".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Nach nunmehr 18 Jahren wendet sich Ines Geipel mit "Tochter des Diktators" wieder dem literarischen Schreiben zu, nachdem sie sich in Folge ihres ersten Romans "Das Heft" vor allem dem Verfassen wissenschaftlicher und essayistischer Texte gewidmet und damit einige Erfolge gefeiert hatte, freut sich Rezensentin Cornelia Geissler. Und nicht nur das - in ihrem zweiten Roman verbindet sie ihr literarisches Talent mit historischem Wissen und beschäftigt sich mit einem Thema, das sie schon einmal in einem Essay behandelt hat: Die Tochter des DDR-Funktionärs Walter Ulbricht und ihrer komplizierten Ehe mit dem Italiener Ivano Matteoli. Diesmal nimmt sie dafür jedoch eine ganz andere und erfrischende Perspektive ein, so die überraschte Rezensentin: Die der Malerin Anni, die mit Ivano aufgewachsen ist und erst spät, nach einer Phase der Eifersucht ihre Gemeinsamkeiten mit der Frau ihres Jugendfreundes erkennt. Wenngleich die Autorin mitunter etwas zu dick aufträgt, gelingt ihr mit ihrem bildhaften Erzählen einiges, lobt Geissler: Vor allem erschafft sie authentische Figuren und konstruiert ihnen ein "Zeitbild als Lebensraum".
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Anni Paoli will eine Geschichte erzählen. Nein, sie muss sie erzählen, damit sie nicht in Vergessenheit gerät oder wie so vieles andere einfach aus den Geschichtsbüchern gestrichen wird. Und weil alle anderen inzwischen tot sind. Es ist die Geschichte von ihrem Kindheits- und …
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Anni Paoli will eine Geschichte erzählen. Nein, sie muss sie erzählen, damit sie nicht in Vergessenheit gerät oder wie so vieles andere einfach aus den Geschichtsbüchern gestrichen wird. Und weil alle anderen inzwischen tot sind. Es ist die Geschichte von ihrem Kindheits- und Jugendfreund Ivano Matteoli und seiner großen Liebe Bea. Ivano und Anni wachsen im italienischen Dorf Cigoli, zwischen Pisa und Florenz gelegen, auf. Wie viele der Dorfbewohner sind auch Ivanos Eltern Kommunisten und früh schon verschreibt sich der Junge ebenfalls diesen Gedanken. Anfang der 60er Jahre haben Ivano und Anni die Schule beendet und ihre Wege trennen sich. Anni geht zum Kunststudium nach Paris, Ivano nach Leningrad. Dort begegnet ihm das deutsche Mädchen Bea, eigentlich Beate, noch eigentlicher Maria und am eigentlichsten die erste Tochter der DDR: Ivano verliebt sich in die Adoptivtochter von Lotte und Walter Ulbricht. Alle kommunistisch-sozialistischen Überzeugungen reichen jedoch nicht aus, um den Vorstellungen des Landesvaters zu genügen und so ist die Liebe der beiden vom ersten Tag an zum Scheitern verurteilt.
Ines Geipels Roman „Tochter des Diktators“ mag zwar fiktiver Natur sein, die Eckdaten um Ivano und Bea sind jedoch real. Geboren als Maria Pestunowa wurde sie 1946 vom Landesvater adoptiert, um dem sozialistischen Idealbild der Familie und Stalins Wünschen zu genügen. Ihr Studium in Leningrad und die Hochzeit, sowie die spätere Geburt einer gemeinsamen Tochter und die Zwangsrückkehr in die DDR sind belegt. Ebenso das Ende dieser Verbindung, das durch den Passentzug eingeleitet wurde. Der Tod Beate Ulbrichts ist bis heute ungeklärt.
Erzählt wird ihre Lebensgeschichte ohne dass Bea jemals persönlich in Erscheinung tritt. Dies ermöglicht Lücken und Unklarheiten zu schließen bzw. erhebt dadurch auch nie den Anspruch auf vollständige Rekonstruktion. Ebenso müssen wir nicht spekulieren über Gedanken und Gefühle, die die junge Frau durch die Repressionen des Staates, der zugleich ihre Eltern waren, ausgesetzt war. Eine literarische Form, die sehr passend gewählt wurde.
Allerdings verschiebt sich hierdurch auch der Fokus der Handlung. Er liegt viel mehr auf dem Italien der kleinen Gemeinschaften. Dem Italien der Nachkriegszeit, das durch Korruption und eine ganz eigene Art des Terrorismus geprägt war. Für Anni ist die Flucht in ein fremdes Land und in die Kunst der Weg des Ausbruchs, Ivano sucht im Kommunismus und dem Traum einer Revolution den Ausweg. Ironischerweise ist es dann Anni, die 1968 in Paris eine echte Revolution miterlebt.
Mit Anni, einer Figur, die sowohl Außen- wie auch Innensicht vertreten kann, ist eine passende Erzählerin gefunden. Der Roman kann vor allem durch ironische und oftmals zweideutige Formulierungen Punkten, die besonders die im Zusammenhang mit Familie Ulbricht entstehenden Absurditäten und der festgeschriebenen Normen des italienischen Dorfes angemessen in Worte fasst: „Beate Matteoli (...), die Tochter des Berliner Mauerbauers Walter Ulbricht“ oder
„Hätte Cigoli einen Beichtkatalog im Hinblick auf Niedertracht, Obsession und Verrat, er wäre bunt und schillernd wie ein Pfau.“
In sehr bildhafter Sprache wird das Leben einer öffentlichen Person rekonstruiert, die nie öffentlich sein wollte:
„Nur der Geheimdienst führte Buch. Über das harte Ringen einer Staatstochter, etwas außerhalb dessen zu leben, was die Staatseltern ihr zubilligten. (...) Man hatte sie zu zwei Marionetten gemacht, die an Fäden hingen, von unsichtbaren Händen weitergereicht, ein Puppenpaar ohne Boden und in Dauergefahr.“
Heute ist sie aus dem Bewusstsein weitgehend verschwunden, ebenso wie der Staat, in dem sie aufwuchs. Fast ironisch, eher aber tragisch, dass ihr Ende ungeklärt bleibt, wo all ihre Handlungen zu Lebzeiten minutiös überwacht wurden. Immerhin bleibt ihr mit Ines Geipels Roman wenigstens ein lesenswertes literarisches Vermächtnis.
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Gegenwartsliteratur, dann auch noch über die DDR und auch noch Walter Ulbricht und dessen Frau Lotte Ulbricht. Dass diese Menschen eine Tochter hatten, war mir irgendwie abhandengekommen, aber wie ich im Laufe des Buches festgestellt habe, war die adoptierte Tochter Bea nicht gerade beliebt bei …
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Gegenwartsliteratur, dann auch noch über die DDR und auch noch Walter Ulbricht und dessen Frau Lotte Ulbricht. Dass diese Menschen eine Tochter hatten, war mir irgendwie abhandengekommen, aber wie ich im Laufe des Buches festgestellt habe, war die adoptierte Tochter Bea nicht gerade beliebt bei ihren eigenen Eltern. Ich kenne das irgendwie anders. Auch bei adoptierten Kindern in meinem Freundeskreis, war immer die Liebe der Eltern zu spüren.
Als dann Ivano in Leningrad gerade diese Bea kennenlernt und die beiden sich auch noch verlieben, sorry, da musste ich das erste Mal Tante Google befragen und mir klappte dann erstmal das Kinn nach unten.
Ich fand es schon sehr erheiternd, dass Bea und Ivano wieder getrennt wurden, weil Mutter und Vater der Tochter es nicht wollten, dass ihr künftiger Mann aus einem nicht-sowjetischen Bruderlande stammt, da dies ja nicht zum Weltbild der Sozialisten passt.
Dies alles wird von Anni erzählt, der besten Freundin von Ivano. Schon seit Kindheitstagen hängen die beiden zusammen. Sie verfolgt die Liebe von Bea und Ivano aus weiter Entfernung, da sie noch nicht einmal Bea kennenlernen konnte. Menschen in meinem Alter erinnern sich sicherlich noch an die Probleme, die man hatte, sobald man von einem deutschen Staat in den anderen reisen wollte. Was besonders für den Ostteil unserer Republik zutraf. Und wenn man das erste Staatskind war, wollten Papa und Mama sicherlich nicht, dass sich die Tochter in Italien rumtreibt. So konnte Anni dann Bea nicht kennenlernen, da Anni sich entweder in Paris oder in Italien aufhielt.
Anni war bei den Studentenprotesten in Paris 1968 mit dabei und beschreibt den Mai von damals sehr eindringlich, obwohl sie bestimmte Ereignisse nicht miterlebt hatte, da sie lieber bei Ivano in ihrer Heimatstadt gewesen ist. Aber bis auf dieses eine Wochenende nimmt man diesen besonderen Mai noch mit.
Ich könnte noch stundenlang darüber schreiben, was in dem Buch alles passiert, wie die Beziehung zwischen Anni und Ivano ist, über das Verschwinden einer Madonna in einer Kirche, Freundschaften im Heimatdorf. Es passiert so vieles in dem kleinen Büchlein, dass ich glaube, ich könnte es nochmals lesen und würde sicherlich noch etwas Neues entdecken. Aber was viel wichtiger ist, das Ganze ist mit so viel Gefühl geschrieben worden, dass man das Gefühl hat, die Autorin des Romans ist genau diese Anni. Aber sie kann es nicht sein, da sie selbst in der DDR geboren wurde und außerdem erst 1960.
Das ganze Buch hat so eine Wärme und so ein Detailreichtum, dass ich in diese Geschichte richtig eingesogen wurde. Es kam auf den ersten 5 -10 Seiten ein wenig seicht daher, wo ich noch dachte „Och naja, das wird ein angenehmes Lesen“. Das wurde es auch, aber auf eine ganz andere Art, als ich es erwartet hatte. Ich konnte das Buch nur sehr schwer aus der Hand legen und habe so sehr mitgefiebert, wobei schon gleich klar wird, dass alle beteiligten Figuren, bis auf Anni, leider schon verstorben sind. Ich musste sogar aufpassen, da mir irgendwie die Tränen langsam in die Augen gestiegen sind und dies ist mir das letzte Mal Mitte der 90er Jahre bei einem Buch passiert. Es ist für mich ein fesselndes Buch der deutschen Geschichte und vielleicht sollte man das Buch auch für den Unterricht in Geschichte, Sozialkunde oder Deutsch empfehlen. Es kann eine gute Diskussionsgrundlage liefern und zeigt, was eine Diktatur aus Kindern machen kann, selbst wenn oder gerade dann, wenn es das erste Staatskind ist.
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