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Ein weißer Fleck in unserer europäischen Geschichte: Albanien im Zweiten Weltkrieg: Zuerst die Invasion durch das faschistische Italien, für die Albaner ein Schock, weil deren Beziehungen zu dem benachbarten Land seit Ewigkeiten eher freundschaftlich waren. Dann 1943: Italien stellt sich auf die Seite der Alliierten, italienische Soldaten fliehen oder schließen sich den albanischen Partisanen an. Diese kämpfen gegen die deutsche Besatzungsmacht ebenso wie vorher gegen die italienische, beteiligen sich daran, Juden vor den Deutschen zu verstecken und zu retten, und übernehmen nach dem Rückzug…mehr

Produktbeschreibung
Ein weißer Fleck in unserer europäischen Geschichte: Albanien im Zweiten Weltkrieg: Zuerst die Invasion durch das faschistische Italien, für die Albaner ein Schock, weil deren Beziehungen zu dem benachbarten Land seit Ewigkeiten eher freundschaftlich waren. Dann 1943: Italien stellt sich auf die Seite der Alliierten, italienische Soldaten fliehen oder schließen sich den albanischen Partisanen an. Diese kämpfen gegen die deutsche Besatzungsmacht ebenso wie vorher gegen die italienische, beteiligen sich daran, Juden vor den Deutschen zu verstecken und zu retten, und übernehmen nach dem Rückzug der Deutschen die Macht, eine Macht, die dann nach internen Kämpfen bald in eine Diktatur mündet.Vor diesem Hintergrund spielt dieser spannende und turbulente Roman. Drei Liebesgeschichten in den Zeiten des Krieges: eine In Rom, eine in Salzburg, eine in Tirana. Eine in der Künstlerwelt, eine in einem Kloster, eine im damals chaotischen Albanien. Aus diesen gesellschaftlich und politisch unterschiedlichen Perspektiven entwickelt sich ein sehr komplexes Bild von Menschen, die plötzlich aus ihren Lebensweisen und ihren Plänen herausgeschleudert werden, die sich ganz neu beweisen oder erfinden müssen. Und wie sich dadurch Beziehungen ändern und ganz neue Hoffnungen entstehen, so in der wunderschön erzählten Liebe zwischen einem sechzigjährigen albanischen Schuster und einer jungen italienischen Prostituierten ...
Autorenporträt
Stefan Çapaliku, geboren 1965 in Shkodra, studierte Albanische Sprache und Literatur. Er lebt als Professor für Ästhetik in Tirana und ist als Theater- und Filmregisseur tätig. Sein auch international beachtetes Werk umfasst Gedichte, Essays, Monografien, Prosa und Theaterstücke. 1922 erschien sein Roman 'Jeder wird verrückt auf seine Art'.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit beeindruckender Lakonie, findet Rezensent Jörg Plath, erzählt Stefan Çapaliku in "Tirana - Ein kurzer Traum" von der Zeit zwischen Faschismus und Kommunismus, welche die albanische Gesellschaft im Jahr 1943 durchlebt. 1943/44 von den Deutschen besetzt und von Hitlers Sonderbevollmächtigtem Hermann Jonas drangsaliert, wird Albanien ab 1944 diktatorisch von der sozialistischen Partei regiert. In der Zeit dazwischen sehnen sich Çapalikus Protagonist:innen, wie Plath feststellt, nach einem normalen Leben. Diese ,Pause' wird durch die einzelnen Szenen unterbrechende, kurze oder längere kursive Passagen markiert; neben der Einteilung in drei Teile strukturiert sie das 150 Seiten starke Buch. Dass die Figuren weitgehend ungeachtet der weltpolitischen Ereignisse unter alltäglichen Problemen leiden und allein die als gewalttätig geschilderten Partisanen politische Überzeugungen vertreten, findet der Rezensent zumindest erstaunlich; auch kann er der Übersetzung von Zuzana Finger keine Eleganz bescheinigen. Gleichwohl hält Plath Çapalikus Erzählung vom Albanien der 40er Jahre, das zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus gerät, für gelungen und durchaus lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2024

Albanische Lakonie
Stefan Çapalikus Tirana-Roman

Stefan Çapaliku träumt konzentriert und auf großem Fuß. "Tirana - Ein kurzer Traum" ist nicht einmal 150 Seiten lang, besteht aber aus nicht weniger als drei Teilen. Deren Kapitel enthalten knappe, trocken erzählte Szenen aus einem Albanien, das 1943/44 von den Deutschen besetzt wird. Gegliedert werden die Szenen von kursiven Sätzen, die eine üppige Taxonomie der Pause entfalten. Die erwartbaren kurzen und langen Pausen werden bald von "nicht allzu langen", "sehr kurzen" und "ganz kurzen" verdrängt. Und je unübersichtlicher die Lage in Albanien wird, desto sprechender fallen die Pausen aus. Sie sind mal "lang und verdrießlich", mal "lang und kalt", dann "so lang wie eine Jahreszeit", "ein Blick", "ein Nachmittag", "ein Regentag" oder "wie für einen Schlaf am Straßenrand". Es sind Regieanweisungen eines Erzählers, der nach einer Ausflucht aus dem Geschehen sucht und sie nur in den Pausen findet. Denn das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Es trägt den Namen Bolschewismus.

Nach dem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten im September 1943 reist Hitlers Sonderbevollmächtigter Hermann Jonas aus Belgrad nach Tirana, um eine prodeutsche Regierung zu installieren, den Rückzug der SS und der Wehrmacht aus Griechenland zu sichern und die Partisanen mit abschreckenden Gräueltaten zu bekämpfen. Jonas findet Quislinge und tritt dann in den Hintergrund, weil Çapaliku bevorzugt von jenen Albanern erzählt, die ungeachtet der weltpolitischen Ereignisse unter Liebesproblemen leiden und sich um die depressive Ehefrau sorgen. Die den lebensunpraktischen, mit Schönbergs Zwölftonmusik das Haus terrorisierenden Nachwuchs für wichtiger halten als den Terror dieser Zeit. Und die den kommunistischen Schwager vor der Mörderbande des faschistischen Regierungskollegen schützen, weil er eben ein Verwandter ist.

Mit Professor Shiroka, Doktor Saimir Peza, dem jungen Maler Ibrahim Harapi, seinem Modell, der ehemaligen Prostituierten Sonia, dem Akademiker Filip Hila, dem Handwerker Meister Mihal und dem Schuhflicker Osman skizziert Çapaliku eine albanische Gesellschaft, die im mittleren Teil des Buches den Traum eines normalen Lebens träumt. Die Szenen mit kommunistischen Partisanen, die von dem Maler Ibrahim Propagandabilder verlangen, lassen allerdings nichts Gutes erahnen. Am Ende, im Oktober 1944, eskaliert die Lage. Wie die deutschen Truppen fliehen Professor Shiroka und Doktor Saimir mit ihren Familien gen Norden und werden von Partisanen sowie den Alliierten gefangen genommen. Der als Regierungschef von Hermann Jonas eingesetzte Pater Andrea taucht in der Provinz unter, andere werden ermordet. Filip etwa verliert sein Leben, weil er Hermann Jonas die serbische Geliebte Milica abspenstig machte. Der gehörnte Sonderbevollmächtigte schickt dem Nebenbuhler eigens eine Patrouille, verhält sich also wie ein albanischer Mann von Ehre.

Çapaliku, der als Professor für Ästhetik in Tirana lebt, mehrmals Theaterautor des Jahres war, auch Regie in Filmen und Theaterstücken führt, hat einen in seiner Lakonie beeindruckenden, jedoch auch etwas umständlichen Roman geschrieben ("Sie blieben zehn Tage, die zwei Tage für die An- und Abreise nicht mitgerechnet"). "Tirana", von Zuzana Finger ohne Eleganz übersetzt, ist der Gegenentwurf zu seinem Buch "Jeder wird verrückt auf seine Art", das ausgiebig mäandernd von einer Kindheit in den Sechzigerjahren unter Enver Hodscha erzählt.

Çapalikus Bild von Albanien nach dem Ende der italienischen Besatzung und vor dem Kommunismus ist allerdings sehr erstaunlich. Die Bewohner des Landes scheinen den deutschen Besatzern am ehesten vorzuwerfen, dass ihnen die Eleganz ihrer italienischen Vorgänger fehle. Politische Überzeugungen vertreten nur die gewalttätigen, übel beleumundeten Partisanen; alle anderen denken nicht über die nähere Verwandtschaft hinaus. Albanien gerät für etwas mehr als ein Jahr auf die Bühne der Weltpolitik, zwischen die Mahlsteine Nationalsozialismus und Kommunismus - und sehnt sich bei Çapaliku nach einem ruhigen Leben. Enver Hodschas Schatten ist lang und furchterregend. JÖRG PLATH

Stefan Çapaliku: "Tirana". Ein kurzer Traum. Roman.

Aus dem Albanischen von Zuzana Finger. Transit Verlag, Berlin 2024. 144 S., geb., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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