»La Storia«, das ist die »große« Geschichte: die nüchterne Chronik von Diktaturen, Weltkriegen und Menschheitsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit der jedes Kapitel dieses Romans eröffnet.»La Storia« ist aber vor allem die Geschichte der verwitweten Lehrerin Ida in den Jahren 1941 bis 1947. Bis zur Erschöpfung hetzt sie in Rom zwischen den Armenvierteln San Lorenzo und Testaccio hin und her, müht sich ab, ihre beiden Söhne durchzubringen. Nino, der ältere Sohn und präpotente Schwarzhemdträger, will lieber heute als morgen das Lyzeum verlassen und in den Krieg ziehen. Später findet er sich bei den Partisanen wieder. Der kleine Useppe, gezeugt bei einer Vergewaltigung durch einen jungen Wehrmachtsoldaten, immer heiter und neugierig, verbringt seine Tage allein in der Wohnung, manchmal in Gesellschaft des ebenso liebenswerten Hundes Blitz. Inmitten von Bombenangriffen, Hunger und Deportationen wächst Idas Angst, ihre jüdischen Vorfahren könnten der Familie zum Verhängnis werden.Mit unendlicher Zuneigung für ihre Figuren und einer Klarheit ohne jedes Pathos verknüpft Elsa Morante die Geschichte einer Welt in Flammen mit dem Schicksal einer Frau und ihrer Kinder. In der einfühlsamen und sorgfältigen Übersetzung von Maja Pflug und Klaudia Ruschkowski entfalten sich die Frische und Leichtigkeit des Romans - und die magische Sogwirkung, die er bis heute ausübt.
»Elsa Morantes Meisterwerk lässt das 20. Jahrhundert körperlich greifbar werden und in hellem Licht erstrahlen.« Francesca Melandri
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Als Elsa Morantes Roman "La Storia" 1974 in Italien erschien, war er beim Publikum ein Erfolg, bei der Kritik nicht, klärt Rezensent Eberhard Rathgeb auf. Der Roman über eine junge Grundschullehrerin aus armen Verhältnissen, die 1941 von einem deutschen Soldaten vergewaltigt wird, zwei Söhne auf die Welt bringt, Besatzung und Naziterror überlebt, beide Söhne nach dem Krieg verliert und schließlich in der Psychiatrie stirbt, kam im angespannten marxistischen Italien der Siebziger nicht gut an, weiß der Kritiker. Und auch heute verlangt der Roman dem Leser einiges an Geduld ab, fährt Ratheb fort, aber trotz einiger Längen lohnt die Mühe. Morante scheint den Roman in einem "Rausch" geschrieben zu haben, glaubt der Rezensent, der sich von dem überschäumenden Sprachfluss mitreißen lässt, das "Glitzen, Glimmern und Glitschen" von Fischleibern eher wahrnimmt als Reflexionen, "Ironie und Witz" und dennoch die Stimmen all jener vernimmt, die in der "Maschinerie der Herrschaft" untergingen. Einem Roman, der so lange nachhallt und das "Band der Nähe", das alle Wesen miteinander verbindet, offenlegt, verzeiht Rathgeb auch den ein oder anderen naiven Moment.
© Perlentaucher Medien GmbH
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