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»Orwell kennen die meisten Leser nur als düsteren Big Brother-Visionär - die wenigsten wissen, daß der Autor einige Jahre als Kolonialbeamter in Burma tätig war. Vor diesem Erfahrungshintergrund entfaltet er die Geschichte eines britischen Diplomaten in einem burmesischen Außenposten. Lesenswert vor allem wegen der Schilderungen der Landeskultur - und George Orwells bitterböser Abrechnung mit der britischen Kolonial-Mentalität.«

Produktbeschreibung
»Orwell kennen die meisten Leser nur als düsteren Big Brother-Visionär - die wenigsten wissen, daß der Autor einige Jahre als Kolonialbeamter in Burma tätig war. Vor diesem Erfahrungshintergrund entfaltet er die Geschichte eines britischen Diplomaten in einem burmesischen Außenposten. Lesenswert vor allem wegen der Schilderungen der Landeskultur - und George Orwells bitterböser Abrechnung mit der britischen Kolonial-Mentalität.«
Autorenporträt
George Orwell wurde 1903 in Bengalen, Nordostindien, geboren. In England besuchte er als armer Stipendiat eine Eliteschule. Er gesellte sich als Tellerwäscher, Hilfslehrer, Hopfenpflücker und als Buch- und Gemischtwarenhändler zum Proletariat, dessen Leben er in Reportagen und Büchern beschrieb. Orwell starb 1950 in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.08.2021

Von der Traurigkeit des Imperiums
George Orwells Debüt "Tage in Burma" in neuer Übersetzung

Schon der Titel war ein starker Teaser: "Burmese Days" klang 1934, als dieser Roman erstmals erschien, ganz nach Drink auf der Veranda in tropischer Abendsonne, nach Rückblick auf ein buntes und bewegtes Leben an der Vorderfront der Zivilisation, nach Selbstgefälligkeit und Nostalgie - nach genau jener Sorte Buch, mit denen sich verdiente Kolonialbeamte gern den Ruhestand vertrieben. Bei George Orwell werden solcherlei Erwartungen brutal enttäuscht. Sein Cocktail aus Fernweh, Selbsthass und Entzauberung ist toxisch.

"Es ist eine einfältige, lähmende Welt", heißt es über das Provinznest irgendwo im Dschungel Hinterindiens, in dem der Roman spielt, "eine Welt, in der jedes Wort, jeder Gedanke zensiert ist." Dort lebt ein Häuflein Engländer, um die Rituale einer vermeintlich höherwertigen Kultur zu pflegen, und kann doch den sinnentleerten Fortgang ihrer Kolonialroutine nur im Alkohol ertränken. Wer dafür überhaupt noch ein Gespür hat, hofft auf zwischenmenschliche Beziehungen, auf Freundschaften oder gar Liebe. "Aber auch Freundschaft kann es kaum geben, wenn jeder Weiße nichts als ein Rädchen im Getriebe des despotischen Systems ist." Statt gepflegter Club- und Empireromantik also bietet Orwells Burma-Buch uns tristen Tropenalltag, Szenerien von Gewalt und Illusion, Unterdrückung und verfehlter Hoffnung, scharfe Selbstanklagen und Zynismus: "Im Dunkel des Abends, nach einem gänzlich müßig zugebrachten Tag, erreicht der Überdruss fieberhafte, selbstmörderische Ausmaße. Arbeit, Gebet, Bücher, Alkohol, Gespräche - alle sind machtlos dagegen; nur durch die Poren der Haut lässt dieses Gefühl sich ausschwitzen."

Es war Orwells Debütroman oder jedenfalls der erste, mit dem er seinem Lebenstraum, ein großer Schriftsteller zu sein, der wie Balzac seine Epoche in ein erzählerisches Panorama bannt, ein Stückchen näher kommen mochte (zwei frühere Manuskripte hat er vernichtet). Und es besteht kein Zweifel, dass der aufstrebende Autor mit diesem Romanprojekt selbst eine ganze Menge auszuschwitzen hatte. "Tage in Burma" verarbeitet traumatische Erfahrungen, die er, ein Eton-Absolvent, der 1903 in Britisch-Indien geboren wurde und fließend Burmesisch sprach, mit Anfang zwanzig als Polizist im Kolonialdienst am Irrawaddy-Delta gemacht hatte. Geschrieben nach der Rückkehr in eine gleichermaßen ungeliebte englische Alltagsroutine als Provinzlehrer, sollte der Roman allen Daheimgebliebenen die Augen öffnen für den Wahnsinn eines Weltreichs, das sich längst überlebt hatte. Doch es dauerte eine ganze Generation, bis diese Botschaft durchdrang; da war der Autor seinem Lungenleiden längst erlegen.

Im Zuge des aktuellen Orwell-Booms, den uns das Auslaufen des Copyrights in diesem Jahr beschert hat (F.A.Z. vom 27. Februar), ist es besonders zu begrüßen, wenn auch seine bei uns eher unbekannten Texte wiederentdeckt werden. Manfred Alliés Neuübersetzung schärft dazu die sprachlichen Konturen und lässt die Drastik der satirischen Darstellung nur umso greller hervortreten: "Scheißloch, Scheißloch, Scheißloch, Scheißloch ist das hier" (im Original steht "Bloody, bloody hole!"). Dennoch liest man dieses Buch mit einer Mischung aus Faszination und Unbehagen. Literarisch kann es sich von der Übermacht starker Kolonialerzähler wie Kipling oder Conrad nie lossagen, ohne deren Komplexität auch nur annähernd zu erreichen, und psychologisch unterliegt es den Geschichten eines Somerset Maugham ebenso klar wie der abgründigen Ironie eines Evelyn Waugh, denen es ansonsten nahesteht.

Am spannendsten wird die Lektüre immer dann, wenn wir in dem einsamen Kolonialholzhändler Flory, um dessen traurige Existenz die Romanhandlung kreist, eine frühe Version jenes scheiternden Idealisten sehen, dem wir mit Winston Smith in "1984" begegnen: Verzweifelnde, die noch im Sturz das System stützen, das sie doch niederreißen wollten - zugleich Selbstbilder eines Zeitgenossen der Extreme, der seinen Antiimperialismus sehnsuchtsvoll an englischen Patriotismus band. TOBIAS DÖRING

George Orwell: "Tage in Burma". Roman.

Aus dem Englischen von Manfred Allié. Mit einem Nachwort von Manfred Papst. Dörlemann Verlag, Zürich 2021. 464 S., geb., 30,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Tobias Döring gefällt George Orwells erster Roman von 1934 für seine Darstellung eines scheiternden Idealisten in der Tropenhitze von Hinterindien. Allerdings langt der Autor an vergleichbare Kolonialerzählungen von Kipling oder Conrad nicht heran, findet er. Zu wenig komplex ist Orwells auf eigenen Erfahrungen im kolonialen Dienst basierender satirischer Zugriff, meint er. Die Beschreibungen des lähmenden Tropenkollers, den die Kolonialbeamten im Alkohol ertränken, scheinen Döring allerdings durchaus scharf, alles andere als romantisierend, wie der Titel suggerieren könnte.

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