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Lyle Wynant, ein Wall Street Broker, und seine Frau Pammy, Mitarbeiterin von "Grief-Management", können sich ein angenehmes Leben in Manhattan leisten. Mit ihrem ausgeprägten Sinn für Perfektion überlassen sie nichts dem Zufall, sondern wählen alles - Wohnung, Freunde, Restaurants mit Bedacht aus. Nach dem sie sich in jeder Beziehung eingerichtet und ihrem Alltag den letzten Schliff gegeben haben, holt sie beide der Drang ein, auszubrechen und sich von den selbstauferlegten Regeln zu befreien. Jeder lässt auf seine Weise das Chaos zu. Als in der Börse Schüsse fallen und Lyles Kollege tödlich…mehr

Produktbeschreibung
Lyle Wynant, ein Wall Street Broker, und seine Frau Pammy, Mitarbeiterin von "Grief-Management", können sich ein angenehmes Leben in Manhattan leisten. Mit ihrem ausgeprägten Sinn für Perfektion überlassen sie nichts dem Zufall, sondern wählen alles - Wohnung, Freunde, Restaurants mit Bedacht aus. Nach dem sie sich in jeder Beziehung eingerichtet und ihrem Alltag den letzten Schliff gegeben haben, holt sie beide der Drang ein, auszubrechen und sich von den selbstauferlegten Regeln zu befreien. Jeder lässt auf seine Weise das Chaos zu. Als in der Börse Schüsse fallen und Lyles Kollege tödlich verletzt wird, taucht Lyle in die mysteriöse New Yorker Unterwelt ein. Pammy verbringt derweil ihren Urlaub mit ihrem Arbeitskollegen und dessen Lebensgefährten in Maine. Nach dem dramatischen Freitod des Kollegen, kehrt Pammy in ihre kleine "perfekte" Welt zurück...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.1995

Bomben für die Börse
Don DeLillo über Trauerarbeit im Spätkapitalismus

Gelegentlich deuten Historiographen mit moralischem Zeigefinger darauf hin, daß der französische Adel, bevor er geköpft wurde, vornehmlich damit beschäftigt war, Bonmots zu fabrizieren. Tatsächlich galt es am Hofe von Louis XVI als äußerst unfein, wenn man etwas zu sagen hatte. Wer sich zu benehmen wußte, sagte gar nichts, dies aber zierlich und mit Esprit. Den Hütern des Substantiellen erscheint die Guillotine darum als eine Art göttliche Strafe für oberflächliches Geschwafel: Die bezopften Köpfe, die das Fallbeil abschlug, seien schon immer hohl gewesen.

Dieser Ansicht neigt auch der amerikanische Schriftsteller Don DeLillo zu. Indessen ist die Handlung seines Romans "Spieler" nicht im Paris des achtzehnten, sondern im New York des zwanzigsten Jahrhunderts angesiedelt. Wir ahnen, was uns der Autor damit sagen will: Der Spätkapitalismus à la americaine blickt ebenso vergeistigt und schafsgesichtig drein wie der französische Feudalismus auf dem Weg zur Schlachtbank der Revolution.

Trotz dieser ideologischen Vorgabe liest sich der Roman durchaus vergnüglich - wenigstens im ersten Teil, in dem DeLillo vor allem Tonfälle notiert, Stimmungen auffängt, Charaktere schildert. Das kann er. So machen wir die Bekanntschaft eines jungen, sympathischen Ehepaares, das der sozialen Schicht der "Dinks" angehört, jener Glücklichen also, die über ein doppeltes Einkommen verfügen und keine Kinder haben: double income, no kids. Lyle Wynant ist ein erfolgreicher Börsenmakler an der Wall Street, seine entzückende Frau Pammy arbeitet für eine Firma, die Trauernden mit griffigen Formulierungen unter die Arme greift.

Pammy und Lyle bewohnen ein geschmackvolles Apartment in Manhattan, führen eine offene Ehe und sind mit einem netten schwulen Pärchen befreundet. Und wenn die Dame des Hauses von ihren Freunden etwas zu trinken haben möchte, sagt sie das so: "Einen Drink nehme ich an, wenn einer von euch Pißnelken so nett wäre, mir ein Glas zu reichen, wobei durchgängig auf größte Vorsicht zu achten ist, da es sich hier um neue und äußerst teure Trinkgefäße handelt." Nicht immer wirken die Dialoge so witzig wie hier, manchmal sind sie rechtschaffen dämlich; leider liegt das nur partiell an der satirischen Intention des Autors. Wo sein Amerikanisch flink und wendig Haken schlägt, hoppelt das Deutsch des Übersetzers oft nur mühselig hinterdrein.

Im zweiten Teil des Romans haben Pammy und Lyle sich getrennt - ob auf Dauer oder auf Zeit, wird nicht verraten und spielt im übrigen auch keine Rolle. Pammy fährt also mit ihren schwulen Freunden in den Urlaub und verführt dabei den netten Jack. Weil der Autor sie aber dafür bestrafen will, daß sie für ein Unternehmen arbeitet, das aus der Trauer ein Geschäft macht, verübt ihr Liebhaber nach diesem kleinen Seitensprung prompt Selbstmord. Nun soll sie doch sehen, wo sie mit ihrem Kummer bleibt.

Ihr Ehemann hingegen mutiert zum Doppel- und Dreifachagenten. Lyle sucht und findet den Kontakt zu einer linksradikalen Terrorgruppe, die allen Ernstes plant, die Börse in die Luft zu jagen. Der Autor ergreift dabei ebensowenig Partei wie sein Protagonist: Weder votiert er für den blutigen Substantialismus der linken Antikapitalisten, noch entscheidet er sich für die oberflächliche High Society. Aber verbirgt sich hinter dieser Weigerung, Partei zu nehmen, nicht doch eine - wenn auch äußerst subtile - Parteinahme?

In den Vereinigten Staaten erschien "Spieler" schon im Jahre 1977. Damals zuckte der Leichnam des Kommunismus noch, in ein Scheinleben galvanisiert durch die Stromstöße der Utopie; mittlerweile hat die Geschichte ihm aber offiziell den Totenschein ausgestellt. Vielleicht ist dies der Grund, warum Don DeLillos Roman uns heute über weite Strecken seltsam antiquiert anmutet: Wo wäre denn heute jene linke Kadertruppe, die den Geldadel köpfen möchte? Zu deutlich ist geworden, daß ein solches Blutbad nur den Feudaladel zurück auf den Plan rufen würde. HANNES STEIN

Don DeLillo: "Spieler". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Matthias Müller. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1995. 214 S., br., 12,90 DM.

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