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Der große literarische Roman des wiedervereinigten DeutschlandsLydia, Alexander, Ruppert, Kati. Sie alle sind Schüler eines Elitegymnasiums der DDR. Während die einen mit glühendem Blick im »Reimanns« subversive Gedanken diskutieren, sehen die anderen unschuldig einer sozialistischen Zukunft entgegen. Der Mauerfall trennt sie schlagartig von ihrer Vergangenheit. Schwankend zwischen Hass, Verweigerung und Euphorie hören sie die Beteuerungen ihrer Eltern, dass alles ganz normal sei. Dabei sieht jeder die Explosion 1989 mit anderen Augen.Dreißig Jahre später zieht jeder der Helden Bilanz...
Der große literarische Roman des wiedervereinigten Deutschlands
Lydia, Alexander, Ruppert, Kati. Sie alle sind Schüler eines Elitegymnasiums der DDR. Während die einen mit glühendem Blick im »Reimanns« subversive Gedanken diskutieren, sehen die anderen unschuldig einer sozialistischen Zukunft entgegen. Der Mauerfall trennt sie schlagartig von ihrer Vergangenheit. Schwankend zwischen Hass, Verweigerung und Euphorie hören sie die Beteuerungen ihrer Eltern, dass alles ganz normal sei. Dabei sieht jeder die Explosion 1989 mit anderen Augen.
Dreißig Jahre später zieht jeder der Helden Bilanz. Und sieht sich vor große Fragen gestellt: Wie lange verfolgt uns die Vergangenheit, oder verfolgen wir sie? Wie viel sind ihre Erfahrungen wert? Damals sind sie davongekommen, aber sie alle jagen einer Freiheit nach, noch immer.
Julia Schoch macht den historischen Umbruch in privaten Leben erfahrbar. Und schreibt damit einen beeindruckenden Gesellschaftsroman für unsere Zeit.
Von der Autorin des Bestsellers »Das Liebespaar des Jahrhunderts«
»Ein luzides, vielstimmiges Buch über die Politik im einzelnen Leben.« Berliner Zeitung
»Eine Virtuosin des Erinnerungserzählens.« FAZ
Lydia, Alexander, Ruppert, Kati. Sie alle sind Schüler eines Elitegymnasiums der DDR. Während die einen mit glühendem Blick im »Reimanns« subversive Gedanken diskutieren, sehen die anderen unschuldig einer sozialistischen Zukunft entgegen. Der Mauerfall trennt sie schlagartig von ihrer Vergangenheit. Schwankend zwischen Hass, Verweigerung und Euphorie hören sie die Beteuerungen ihrer Eltern, dass alles ganz normal sei. Dabei sieht jeder die Explosion 1989 mit anderen Augen.
Dreißig Jahre später zieht jeder der Helden Bilanz. Und sieht sich vor große Fragen gestellt: Wie lange verfolgt uns die Vergangenheit, oder verfolgen wir sie? Wie viel sind ihre Erfahrungen wert? Damals sind sie davongekommen, aber sie alle jagen einer Freiheit nach, noch immer.
Julia Schoch macht den historischen Umbruch in privaten Leben erfahrbar. Und schreibt damit einen beeindruckenden Gesellschaftsroman für unsere Zeit.
Von der Autorin des Bestsellers »Das Liebespaar des Jahrhunderts«
»Ein luzides, vielstimmiges Buch über die Politik im einzelnen Leben.« Berliner Zeitung
»Eine Virtuosin des Erinnerungserzählens.« FAZ
Julia Schoch, 1974 in Bad Saarow geboren, veröffentlichte zuletzt die Romane ¿Das Vorkommnis¿ und ¿Das Liebespaar des Jahrhunderts¿. 2022 wurde ihr die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung verliehen, 2024 erhält sie den Mainzer-Stadtschreiber-Literaturpreis. Sie lebt in Potsdam.
Produktdetails
- Piper Taschenbuch 31547
- Verlag: Piper
- Seitenzahl: 312
- Erscheinungstermin: 29. August 2024
- Deutsch
- Abmessung: 187mm x 121mm x 30mm
- Gewicht: 304g
- ISBN-13: 9783492315470
- ISBN-10: 349231547X
- Artikelnr.: 56143312
Herstellerkennzeichnung
Piper Verlag GmbH
Georgenstr. 4
80799 München
info@piper.de
© BÜCHERmagazin, Margarete von Schwarzkopf (mvs)
Ich glaube, mit Verrat fängt alles an
Jugend ohne Ort: Julia Schoch hat einen einfühlsamen Roman über jene Generation von Ostdeutschen geschrieben, die mit dem Mauerfall erwachsen wurde.
Julia Schoch ist eine Virtuosin des Erinnerungserzählens, konziser Lebensrückblicke, mit deren Hilfe sie auf ebenso leichte wie kluge Weise unsere Gesellschaft zu porträtieren versteht, ohne vom Privaten abzugehen. Die Protagonisten dieser Autorin, die aus Bad Saarow stammt und in Potsdam lebt, besitzen fast immer eine ostdeutsche Identität. Ihr neuer Roman nimmt Menschen in den Blick, die der Mauerfall - wie Schoch selbst - mitten in der Adoleszenz traf. Mit dem atemberaubend schnell abgewickelten realsozialistischen System
Jugend ohne Ort: Julia Schoch hat einen einfühlsamen Roman über jene Generation von Ostdeutschen geschrieben, die mit dem Mauerfall erwachsen wurde.
Julia Schoch ist eine Virtuosin des Erinnerungserzählens, konziser Lebensrückblicke, mit deren Hilfe sie auf ebenso leichte wie kluge Weise unsere Gesellschaft zu porträtieren versteht, ohne vom Privaten abzugehen. Die Protagonisten dieser Autorin, die aus Bad Saarow stammt und in Potsdam lebt, besitzen fast immer eine ostdeutsche Identität. Ihr neuer Roman nimmt Menschen in den Blick, die der Mauerfall - wie Schoch selbst - mitten in der Adoleszenz traf. Mit dem atemberaubend schnell abgewickelten realsozialistischen System
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verschwand auch ihre Verortung in der Geschichte, eine Entwurzelung, die sie mehr als der Sozialismus (oder Sartre) zu Komplizen machte. Mit großer Menschenkenntnis und psychologischem Gespür sucht die Autorin in den Biographien heutiger Mittvierziger nach Langzeitfolgen dieser Erschütterung des Urvertrauens in die Gemeinschaft.
In Motivik und intimer Erzählweise schließt das Buch an Schochs vorhergehende Werke an, ist aber weiter gefasst. Statt der Vertiefung in eine (gescheiterte) Einzelbeziehung haben wir diesmal ein Panoptikum vor uns: "Schöne Seelen und Komplizen" ist ein Generationenroman im vollen Wortsinn, nimmt sich kaleidoskopisch eine ganze Schulklasse eines DDR-Elitegymnasiums zum Gegenstand. Allein sechzehn Ich-Erzähler treten auf, zahlreiche weitere Figuren begegnen uns in den miteinander verwobenen Berichten. Ein Unterschied zu den früheren Büchern besteht auch darin, dass wir sämtlichen Erzählern zu zwei Zeitpunkten begegnen, in der Gegenwart - hier hat die Retrospektion ihren Platz - und im Moment der weltgeschichtlichen Umwälzungen von 1989 bis 1992, die den mit ersten Liebeserfahrungen vollauf beschäftigten Zeitgenossen freilich kaum als solche erscheinen.
Lydia etwa kehrt wie betäubt von ihrem ersten Ausflug in den Westen zurück, nicht weil sie der Kapitalismus überwältigt hätte, sondern weil sie im Bus den zuvor ob seines Dissidentenhabitus angehimmelten Jungregisseur Arno mit einer Rothaarigen entdeckt hat, ein Verrat, der auf ihren Verrat an Tomas folgte, der Beginn eines Lebens auf der Lauer: "Ich glaube, mit Verrat fängt alles an." Die ersten Seiten des Romans spielen noch vor dem Mauerfall, und obwohl es die letzten Atemzüge der DDR sind, ist noch alles da: Das Regime überwacht und straft nach alter Herren Manier. So muss sich Ruppert vor dem obrigkeitstreuen Schulrektor und zwei Überwachern für einen falschen Satz verantworten, ein anderer Lehrer versucht, den widerstrebenden Alexander mit Nachdruck für den Armeedienst zu rekrutieren: "Diplomlehrer für Deutsch/Geschichte, das wäre doch eine tolle Kombination für dich, rief er, das wirst du doch nicht aufs Spiel setzen."
Die fröhlich pubertierenden Schüler indes bilden trotz aller jugendlichen Intrigen eine verschworene Gemeinschaft, in der selbst eine belächelte Systemverteidigerin wie Kati - ihr Vater ist ein hohes Tier in der Partei - ihren Platz hat. Die Wende ist in ihrem Koordinatensystem nur indirekt zu bemerken, auch weil der Schulunterricht einfach weiterläuft. Allerdings werden nun mehr und mehr Lehrer ausgetauscht, und das zuvor Gelernte gilt zu großen Teilen als wertlos. Der neue Rektor aus dem Westen erweist sich auf seine Weise freilich ebenfalls als Überwacher. Dass sie eine Zeitenwende erleben, kommt den Jugendlichen immer wieder schockartig zu Bewusstsein, wenn etwa Martin der Amerikanerin Megan erklärt: "Es gibt keine Mütter und Väter mehr . . . Seit dem Mauerfall lebt jeder sein Leben." Und Vivien, von Liebeskummer umwölkt, erkennt bereits die Gefahr, dass man den Umbruch auch als Rechtfertigung wird nutzen können: "alles, was uns später nicht gelingt, das ganze öde Leben, schieben wir einfach auf jetzt, auf das, was gerade abläuft um uns herum."
In der Tat lässt sich diese Strategie im zweiten Teil des Buches wiederfinden, wenngleich nicht bei sämtlichen Protagonisten. Zumal ihnen vieles gut gelungen ist. Die im Osten für sie vorgesehene Kader-Karriere haben die meisten schlicht auf westliche Weise verwirklicht. Sie sind Paradevertreter egozentrischer Bürgerlichkeit geworden, einige glücklich, andere nicht. Was jedoch alle eint, ist das geheime Band der annullierten Jugend. "Sie haben alle aus demselben vergifteten Brunnen getrunken. Sie sind infiziert mit dem Gift der alten Zeit", fasst es der genialische Autist Bodo zusammen. Mehr staunend als melancholisch blicken die nicht mehr jungen und noch nicht alten Helden nun auf ihr eben noch so klaffend offenes, aber dann meist in Richtung Paareinsamkeit verunfalltes Leben, das vom Ende her gesehen wie ein mit schlafwandlerischer Sicherheit abgeschrittener Schneckenweg anmutet, der in immer enger werdenden Zirkeln um eine leere Mitte führt, in die man früher oder später hineinstürzen wird. Halt sucht man da wieder aneinander.
Für jede dieser Figuren einen eigenen, absolut glaubhaften Ton gefunden zu haben macht den Wert des Buches aus. Dass Kati auch ein Vierteljahrhundert später noch verängstigt damit rechnet, ein Komplott werde gegen sie geschmiedet, ist so nachvollziehbar wie Franziskas Verzweiflung an ihrem schwäbischen Ehemann ("das Gefühl, ich würde meine Vergangenheit verraten, wenn ich sein Urteil unterstützte"), Stefanies Frage, was von ihren Erfahrungen "überhaupt brauchbar ist", oder die Organisationsobsession Rebekkas, die auch in der wiedervereinigten Republik an der "schrecklichen Ergebenheit der Menschen" leidet. Mit Bindungen haben hier fast alle ihre Probleme, aber darin unterscheiden sie sich kaum von ihren Zeitgenossen aus dem Westen. Das Gefühl, von der "Weltgeschichte verfolgt" zu werden, kann wie bei Lydia schließlich auch dazu führen, gerade deshalb an einer Beziehung, deren Feuer erloschen ist, festzuhalten.
Nicht zufällig geht es auf den letzten Seiten um Fotografien. Sie können das Verschwinden der Zeiten nicht aufhalten, aber sichtbar machen. Der Fotograf Stephen Shore schaffe es gar, versichert uns Ellen, vorausschauend melancholisch zu fotografieren. Aber mehr noch, er entdecke in dem bevorstehenden Untergang wieder einen Anfang, in diesem Fall einen Jungen am Fenster. Etwas Ähnliches versucht - von der anderen Seite her - diese stilsichere Erzählung, die damit weit mehr ist als ein Wenderoman mit Epilog. Sie unterscheidet sich etwa von Peter Richters "89/90" nicht nur durch die stärkere literarische Durchformung und eine größere Empathie für die Figuren (hier marodieren keine Skinhead-Banden durch rechtsfreie Räume), sondern vor allem durch die Ausrichtung aufs Grundsätzliche: kein Schnappschuss, sondern eine Langzeitbelichtung, auf der Glück und Unglück, Erwartung und Kompromisse, Eros und Karrieren abstrakte Muster bilden, aber dabei eine tiefere Sehnsucht sichtbar machen. Trotz einiger arg prononcierter Bezüge - muss Alexander als Historiker ausgerechnet einen Vortrag mit dem Titel "The German Unification - a Myth?" halten? - ist die innere Konsistenz dieses vielstimmigen Ringens mit der fast zu großen, jede Rückbindung abgetrennt habenden Freiheit beeindruckend, ja, geradezu erhellend.
OLIVER JUNGEN
Julia Schoch: "Schöne Seelen und Komplizen". Roman.
Piper Verlag, München 2018. 314 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In Motivik und intimer Erzählweise schließt das Buch an Schochs vorhergehende Werke an, ist aber weiter gefasst. Statt der Vertiefung in eine (gescheiterte) Einzelbeziehung haben wir diesmal ein Panoptikum vor uns: "Schöne Seelen und Komplizen" ist ein Generationenroman im vollen Wortsinn, nimmt sich kaleidoskopisch eine ganze Schulklasse eines DDR-Elitegymnasiums zum Gegenstand. Allein sechzehn Ich-Erzähler treten auf, zahlreiche weitere Figuren begegnen uns in den miteinander verwobenen Berichten. Ein Unterschied zu den früheren Büchern besteht auch darin, dass wir sämtlichen Erzählern zu zwei Zeitpunkten begegnen, in der Gegenwart - hier hat die Retrospektion ihren Platz - und im Moment der weltgeschichtlichen Umwälzungen von 1989 bis 1992, die den mit ersten Liebeserfahrungen vollauf beschäftigten Zeitgenossen freilich kaum als solche erscheinen.
Lydia etwa kehrt wie betäubt von ihrem ersten Ausflug in den Westen zurück, nicht weil sie der Kapitalismus überwältigt hätte, sondern weil sie im Bus den zuvor ob seines Dissidentenhabitus angehimmelten Jungregisseur Arno mit einer Rothaarigen entdeckt hat, ein Verrat, der auf ihren Verrat an Tomas folgte, der Beginn eines Lebens auf der Lauer: "Ich glaube, mit Verrat fängt alles an." Die ersten Seiten des Romans spielen noch vor dem Mauerfall, und obwohl es die letzten Atemzüge der DDR sind, ist noch alles da: Das Regime überwacht und straft nach alter Herren Manier. So muss sich Ruppert vor dem obrigkeitstreuen Schulrektor und zwei Überwachern für einen falschen Satz verantworten, ein anderer Lehrer versucht, den widerstrebenden Alexander mit Nachdruck für den Armeedienst zu rekrutieren: "Diplomlehrer für Deutsch/Geschichte, das wäre doch eine tolle Kombination für dich, rief er, das wirst du doch nicht aufs Spiel setzen."
Die fröhlich pubertierenden Schüler indes bilden trotz aller jugendlichen Intrigen eine verschworene Gemeinschaft, in der selbst eine belächelte Systemverteidigerin wie Kati - ihr Vater ist ein hohes Tier in der Partei - ihren Platz hat. Die Wende ist in ihrem Koordinatensystem nur indirekt zu bemerken, auch weil der Schulunterricht einfach weiterläuft. Allerdings werden nun mehr und mehr Lehrer ausgetauscht, und das zuvor Gelernte gilt zu großen Teilen als wertlos. Der neue Rektor aus dem Westen erweist sich auf seine Weise freilich ebenfalls als Überwacher. Dass sie eine Zeitenwende erleben, kommt den Jugendlichen immer wieder schockartig zu Bewusstsein, wenn etwa Martin der Amerikanerin Megan erklärt: "Es gibt keine Mütter und Väter mehr . . . Seit dem Mauerfall lebt jeder sein Leben." Und Vivien, von Liebeskummer umwölkt, erkennt bereits die Gefahr, dass man den Umbruch auch als Rechtfertigung wird nutzen können: "alles, was uns später nicht gelingt, das ganze öde Leben, schieben wir einfach auf jetzt, auf das, was gerade abläuft um uns herum."
In der Tat lässt sich diese Strategie im zweiten Teil des Buches wiederfinden, wenngleich nicht bei sämtlichen Protagonisten. Zumal ihnen vieles gut gelungen ist. Die im Osten für sie vorgesehene Kader-Karriere haben die meisten schlicht auf westliche Weise verwirklicht. Sie sind Paradevertreter egozentrischer Bürgerlichkeit geworden, einige glücklich, andere nicht. Was jedoch alle eint, ist das geheime Band der annullierten Jugend. "Sie haben alle aus demselben vergifteten Brunnen getrunken. Sie sind infiziert mit dem Gift der alten Zeit", fasst es der genialische Autist Bodo zusammen. Mehr staunend als melancholisch blicken die nicht mehr jungen und noch nicht alten Helden nun auf ihr eben noch so klaffend offenes, aber dann meist in Richtung Paareinsamkeit verunfalltes Leben, das vom Ende her gesehen wie ein mit schlafwandlerischer Sicherheit abgeschrittener Schneckenweg anmutet, der in immer enger werdenden Zirkeln um eine leere Mitte führt, in die man früher oder später hineinstürzen wird. Halt sucht man da wieder aneinander.
Für jede dieser Figuren einen eigenen, absolut glaubhaften Ton gefunden zu haben macht den Wert des Buches aus. Dass Kati auch ein Vierteljahrhundert später noch verängstigt damit rechnet, ein Komplott werde gegen sie geschmiedet, ist so nachvollziehbar wie Franziskas Verzweiflung an ihrem schwäbischen Ehemann ("das Gefühl, ich würde meine Vergangenheit verraten, wenn ich sein Urteil unterstützte"), Stefanies Frage, was von ihren Erfahrungen "überhaupt brauchbar ist", oder die Organisationsobsession Rebekkas, die auch in der wiedervereinigten Republik an der "schrecklichen Ergebenheit der Menschen" leidet. Mit Bindungen haben hier fast alle ihre Probleme, aber darin unterscheiden sie sich kaum von ihren Zeitgenossen aus dem Westen. Das Gefühl, von der "Weltgeschichte verfolgt" zu werden, kann wie bei Lydia schließlich auch dazu führen, gerade deshalb an einer Beziehung, deren Feuer erloschen ist, festzuhalten.
Nicht zufällig geht es auf den letzten Seiten um Fotografien. Sie können das Verschwinden der Zeiten nicht aufhalten, aber sichtbar machen. Der Fotograf Stephen Shore schaffe es gar, versichert uns Ellen, vorausschauend melancholisch zu fotografieren. Aber mehr noch, er entdecke in dem bevorstehenden Untergang wieder einen Anfang, in diesem Fall einen Jungen am Fenster. Etwas Ähnliches versucht - von der anderen Seite her - diese stilsichere Erzählung, die damit weit mehr ist als ein Wenderoman mit Epilog. Sie unterscheidet sich etwa von Peter Richters "89/90" nicht nur durch die stärkere literarische Durchformung und eine größere Empathie für die Figuren (hier marodieren keine Skinhead-Banden durch rechtsfreie Räume), sondern vor allem durch die Ausrichtung aufs Grundsätzliche: kein Schnappschuss, sondern eine Langzeitbelichtung, auf der Glück und Unglück, Erwartung und Kompromisse, Eros und Karrieren abstrakte Muster bilden, aber dabei eine tiefere Sehnsucht sichtbar machen. Trotz einiger arg prononcierter Bezüge - muss Alexander als Historiker ausgerechnet einen Vortrag mit dem Titel "The German Unification - a Myth?" halten? - ist die innere Konsistenz dieses vielstimmigen Ringens mit der fast zu großen, jede Rückbindung abgetrennt habenden Freiheit beeindruckend, ja, geradezu erhellend.
OLIVER JUNGEN
Julia Schoch: "Schöne Seelen und Komplizen". Roman.
Piper Verlag, München 2018. 314 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein luzides, vielstimmiges Buch über die Politik im einzelnen Leben.« Berliner Zeitung 20180707
dritte Generation Ost - wer war das damals und wer ist das eigentlich heute?
Die dritte Generation Ost ist erwachsen geworden und mehr oder weniger in ihrem Alltagsleben angekommen.
Das Buch gliedert sich in 2 Teile - die Zeit 1989-92 und heute (das Buch erschien erstmals 2018).
Im ersten Teil …
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dritte Generation Ost - wer war das damals und wer ist das eigentlich heute?
Die dritte Generation Ost ist erwachsen geworden und mehr oder weniger in ihrem Alltagsleben angekommen.
Das Buch gliedert sich in 2 Teile - die Zeit 1989-92 und heute (das Buch erschien erstmals 2018).
Im ersten Teil erleben die Leser gemeinsam mit verschiedenen Figuren einer Abiturklasse* die Vor- und Nachwendezeit, die Verwerfungen in den Familien aber auch das Erwachen der jungen Leute auf dem Weg zum Erwachsenwerden.
Dieselben Figuren tauchen dann ebenfalls im zweiten Teil auf und auch hier können die Leser in die Köpfe und Erfahrungswelten der Charaktere eintauchen. Letztendlich geht es darum, sich auf die Suche zu machen, wie und auf welche Weise das Aufwachsen in der DDR und die Umbruchserfahrung der 90er Jahre, die heute erwachsenen Protagonisten geprägt hat. Und diese Reise gestaltet sich so unglaublich spannend.
Ich kann den Einwand nachvollziehen, dass es sich um sehr viele Figuren handelt, die man da im Einzelnen im Blick behalten muss. Habe mich auch gefragt, ob ein Personenverzeichnis dem Buch nicht vielleicht gut getan hätte. Hätte es vielleicht - mir allerdings hat es großen Lesespaß bereitet, im Buch immer mal wieder blättern zu müssen und mit detektivischem Spürsinn, die einzelnen Fäden und Berührungspunkte der Figuren zu verknüpfen. Wäre mein SUB nicht so hoch:-), hätte ich das Buch direkt noch einmal gelesen.
Für mich ist dieses Buch einer der beeindruckendsten, klarsten und spannendsten Umbruch-Romane.
(Der Begriff Wende-Roman trifft es in sofern nicht, als dass Teil ja fast 30! Jahre nach der Wende einsetzt.)
*Den Begriff Elitegymnasium auf dem Cover empfand ich etwas irreführend. In Vorwendezeiten war es eine Erweiterte Oberschule (EOS), auf der das Abitur erworben werden konnte. Den Zugang zu dieser EOS erhielten lediglich Jugendliche aus linientreuem Elternhaus oder besonders Begabte, die sich dann aber oft staatlichem Druck hinsichtlich ihrer beruflichen Laufbahn ausgesetzt sahen.
Ein Gymnasium wurde diese EOS erst im zweiten Teil. Und ob und warum es dann zu Nachwendezeiten noch ein ELITE-Gymnasium gewesen sein soll wird m.E. an keiner Stelle thematisiert.
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Gebundenes Buch
Damals und Heute - in diesem Roman kommen Menschen zu Wort, Menschen gleichen Alters. Zunächst ganz jung, dann - in der Gegenwart - mittelalt. Es sind ehemalige Schüler eines Potsdamer Elitegymnasiums, die gemeinsam die Wende erlebt haben. Eine Wende, die vielfach von Privatem …
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Damals und Heute - in diesem Roman kommen Menschen zu Wort, Menschen gleichen Alters. Zunächst ganz jung, dann - in der Gegenwart - mittelalt. Es sind ehemalige Schüler eines Potsdamer Elitegymnasiums, die gemeinsam die Wende erlebt haben. Eine Wende, die vielfach von Privatem überlagert wurde - denn als junger Mensch hat man doch so viel mehr im Kopf als den Lauf der Welt. Was mit einem selbst passiert, ist doch so viel spannender! Nicht immer, aber doch sehr, sehr oft.
Julia Schoch schildert diese Zeit aus vielerlei Perspektiven: es sind eine Menge junger Mensche, die hier zu Wort kommen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre, so viele, dass sie mich verwirrt haben. Wofür stand nochmal Lydia, wofür Ellen oder Britta, war jetzt Alexander oder Tomas oder gar Martin der Mädchenschwarm oder habe ich es sogar verwechselt? Und vor allem: was bedeutete die Wende für sie alle, die damaligen (teilweise noch heutigen) Potsdamer, die die Wege der Zeit, des Lebens vielfach auseinander gebracht, teilweise jedoch auch zusammengehalten haben.
Julia Schoch hat einen aus Blitzlichtern, Momentaufnahmen verschiedener Protagonisten zusammengefügten Roman auf zwei Zeitebenen geschaffen, der durchaus interessant ist, mich jedoch äußerst verwirrt zurückgelassen hat. Die Einzelschicksale und die jeweils damit verbundenen Charaktere waren zu wenig akzentuiert, setzten sich zu wenig voneinander ab, verschwammen teilweise aus meiner Sicht sogar ineinander und vermischten sich. Ein gutes, spannendes Potential, das nicht ganz ausgeschöpft wurde aus meiner Sicht, das teilweise sogar im Sande verlief. Und das, obwohl Julia Schoch wirklich schön schreibt, passende Sätze findet, die bis ins Mark treffen. Zum Beispiel "ich glaube, die Erinnerungen sterben später als die Menschen." (S.122) Das sagt eine der Protagonistinnen, Vivien, zu Alexander - eine Verbindung, die über Jahrzehnte erhalten bleibt.
Doch das Problem der Autorin (kenne ich auch), also auch "Mein Fehler ist, dass ich davon ausgehe, andere Leute würden die Dinge genauso sehen wie ich." (128) Geht mir auch oft so und gerade dies ist mit ein Grund, dass ich ihr und ihrem - insgesamt duchaus sympathischen - Buch stellenweise leider nur Unverständnis entgegenbringe.
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