Row Zero: Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie
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Ein Buch über systematischen MachtmissbrauchUber Jahrzehnte sind junge Frauen in der Musikindustrie benutzt und diskriminiert worden: Egal ob Fans, Groupies, Journalistinnen, Mitarbeiterinnen oder Sangerinnen selbst - der Mythos von Sex, Drugs und Rock 'n' Roll, das viele Geld und das extreme Machtgefalle haben sexualisierter Gewalt über alle Genres hinweg den Boden bereitet. Die Diskussion um die Vorwürfe gegen Rammstein-Sanger Till Lindemann zeigt: Diese Zustande brechen jetzt auf. Frauen wehren sich. Und sie finden endlich Gehor. Lena Kampf und Daniel Drepper haben über viele Monate hin...
Ein Buch über systematischen MachtmissbrauchUber Jahrzehnte sind junge Frauen in der Musikindustrie benutzt und diskriminiert worden: Egal ob Fans, Groupies, Journalistinnen, Mitarbeiterinnen oder Sangerinnen selbst - der Mythos von Sex, Drugs und Rock 'n' Roll, das viele Geld und das extreme Machtgefalle haben sexualisierter Gewalt über alle Genres hinweg den Boden bereitet. Die Diskussion um die Vorwürfe gegen Rammstein-Sanger Till Lindemann zeigt: Diese Zustande brechen jetzt auf. Frauen wehren sich. Und sie finden endlich Gehor. Lena Kampf und Daniel Drepper haben über viele Monate hinweg recherchiert und mit mehr als zweihundert Menschen aus der Musikindustrie gesprochen. Packend geschrieben und einfühlsam erzahlen die Autoren vom Machtmissbrauch in der Musikindustrie. Sie beschreiben die Strukturen, die einen solchen Missbrauch ermoglichen. Und sie zeigen, warum dieses System jetzt - dank mutiger Frauen, dank unterstützender Aktivistinnen - allmahlich ins Wanken gerat.»Zeit, über das zu sprechen, über das nicht gesprochen werden soll.« JAN BÖHMERMANN»Dieses Buch ist ein Backstage-Pass - ins Innere der Musikindustrie. Beste journalistische Aufklärung.« JULIA FRIEDRICHS, SACHBUCHAUTORIN
Lena Kampf ist stellvertretende Ressortleiterin im Ressort Investigative Recherche der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Zuvor war sie Investigativreporterin beim WDR in Berlin und Brüssel und Teil der Recherchekooperation aus NDR, WDR und SZ. Sie hat 2019 mit einer Reportage über die #Metoo-Bewegung im Europaparlament den DEUTSCH-FRANZÖSISCHEN JOURNALISTENPREIS gewonnen. Im Sommer 2016 verbrachte sie zwei Monate als Arthur F. Burns Fellow bei der Zeitung Miami Herald in Florida.
Daniel Drepper leitet die Recherchekooperation von NDR, WDR und SÜDDEUTSCHER ZEITUNG. Zuvor hat er das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv mitgegründet und war Chefredakteur von BuzzFeed News Deutschland, wo sein Team unter anderem den MeToo-Skandal um Julian Reichelt aufgedeckt hat. Er ist Vorsitzender des Netzwerk Recherche, dem Verein investigativer Journalist_innen in Deutschland und studierte investigative Recherche an der Columbia University in New York. Seine Recherchen haben zahlreiche Preise gewonnen. Drepper wurde als CHEFREDAKTEUR DES JAHRES und als JOURNALIST DES JAHRES ausgezeichnet.
Daniel Drepper leitet die Recherchekooperation von NDR, WDR und SÜDDEUTSCHER ZEITUNG. Zuvor hat er das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv mitgegründet und war Chefredakteur von BuzzFeed News Deutschland, wo sein Team unter anderem den MeToo-Skandal um Julian Reichelt aufgedeckt hat. Er ist Vorsitzender des Netzwerk Recherche, dem Verein investigativer Journalist_innen in Deutschland und studierte investigative Recherche an der Columbia University in New York. Seine Recherchen haben zahlreiche Preise gewonnen. Drepper wurde als CHEFREDAKTEUR DES JAHRES und als JOURNALIST DES JAHRES ausgezeichnet.
Produktdetails
- Verlag: Eichborn
- Artikelnr. des Verlages: 0178
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 272
- Altersempfehlung: ab 16 Jahre
- Erscheinungstermin: 28. Mai 2024
- Deutsch
- Abmessung: 221mm x 144mm x 32mm
- Gewicht: 417g
- ISBN-13: 9783847901785
- ISBN-10: 3847901788
- Artikelnr.: 69217750
Herstellerkennzeichnung
Eichborn Verlag
Schanzenstraße 6-20
51063 Köln
telefonmarketing@luebbe.de
»Zeit, über das zu sprechen, über das nicht gesprochen werden soll.« JAN BÖHMERMANN »Dieses Buch ist ein Backstage-Pass - ins Innere der Musikindustrie. Beste journalistische Aufklärung.« JULIA FRIEDRICHS, Sachbuchautorin »Eine einzigartige Recherche. Vieles liegt eigentlich seit Jahren sichtbar vor uns. Nach dem Lesen wünsche ich mir mehr denn je: Respekt und Verantwortung. Vor, auf und auch hinter den Bühnen.« ALEX SIEDENBIEDEL, Gitarrist und Manager der Donots
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Ueli Bernays begrüßt das Buch von Daniel Drepper und Lena Kampf, das sowohl den Lindemann-Skandal aufrollt als auch einen größeren Zusammenhang herstellt und zeigt, dass die Geschichte der Groupies schon immer eine von Machtmissbrauch und Klüngel gewesen ist. Anhand der Missbrauchsskandale um Lindemann, R. Kelly, P. Diddy oder auch Marilyn Manson zeigen die Autoren laut Bernays, dass auch Manager und Produzenten in den systematischen Missbrauch vornehmlich weiblicher Fans verwickelt waren bzw. sind. Auch dass der Tabubruch neuerdings wieder an Attraktivität gewonnen hat, können die Autoren zeigen, staunt Bernays. Für den Rezensenten gut recherchierte, aufschlussreiche Lektüre.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Das ist kein Freispruch
"Row Zero" heißt das Buch der Investigativjournalisten Daniel Drepper und Lena Kampf. Es geht um Rammstein, um Universal. Und um Machtmissbrauch und Gewalt in der ganzen Musikbranche.
Von Julia Encke
Genau ein Jahr ist es jetzt her, dass im Zusammenhang mit Konzerten der Band Rammstein das erste Mal von der Row Zero zu hören war. Von der Reihe ganz vorne, zwischen der Absperrung, hinter der sich die Massen drängen, und der Bühne, auf der die Band spielt. Die Row Zero wurde zu einem bekannten Begriff, weil am 25. Mai 2023 die Nordirin Shelby Lynn, die in Vilnius ein Rammstein-Konzert besucht hatte, Anschuldigungen gegen den Sänger Till Lindemann öffentlich machte. Sie hatte in einem
"Row Zero" heißt das Buch der Investigativjournalisten Daniel Drepper und Lena Kampf. Es geht um Rammstein, um Universal. Und um Machtmissbrauch und Gewalt in der ganzen Musikbranche.
Von Julia Encke
Genau ein Jahr ist es jetzt her, dass im Zusammenhang mit Konzerten der Band Rammstein das erste Mal von der Row Zero zu hören war. Von der Reihe ganz vorne, zwischen der Absperrung, hinter der sich die Massen drängen, und der Bühne, auf der die Band spielt. Die Row Zero wurde zu einem bekannten Begriff, weil am 25. Mai 2023 die Nordirin Shelby Lynn, die in Vilnius ein Rammstein-Konzert besucht hatte, Anschuldigungen gegen den Sänger Till Lindemann öffentlich machte. Sie hatte in einem
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Fanforum von der Möglichkeit erfahren, über eine Frau namens Alena Makeeva, eine Russin, die sich selbst "Casting-Direktorin" nannte, auf eine Backstage-Party zu kommen. In einer Whatsapp-Gruppe war ihr gesagt worden, was sie anziehen und wo sie, zusammen mit anderen Frauen, warten sollte. Ein Mann, der Joe hieß, hatte sie - so Lynn - abgeholt, die Frauen aufgefordert, sich hintereinander aufzustellen, und ihre Körper mit einem Handy abgefilmt. Während des Konzerts standen sie in der Row Zero. Und Shelby Lynn wurde gefragt, ob sie Lindemann unter der Bühne treffen wolle, während des "Deutschland"-Lieds, wo der Sänger eine Pause habe. "Till Lindemann wollte Sex mit mir haben, und ich habe Nein gesagt", schrie sie später in einem Video, das sie noch während des Konzerts aufnahm, in ihr Handy. Zurück in Nordirland, machte sie öffentlich, was passiert war - und immer mehr Frauen teilten online ihre Erfahrungen bei Rammstein-Konzerten und in der Row Zero.
"Row Zero" heißt jetzt auch ein Buch, das Anfang der Woche erscheint. "Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie" lautet sein Untertitel. Geschrieben haben es die Journalisten Daniel Drepper, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung", und Lena Kampf, stellvertretende Ressortleiterin im Investigativressort der "SZ". Beide gehören zu den Autoren, die mit der Reportage, die sie Anfang Juni letzten Jahres über die mutmaßlichen Vorwürfe gegen Lindemann veröffentlichten, gerade für den Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert worden sind. Ihre Enthüllungen stellen in "Row Zero" den Ausgangspunkt dar. Die Aussagen von Frauen, die Rekrutierungsversuche, die es weltweit gegeben zu haben scheint - all das setzen die Autoren zu einem Bild zusammen, das "wie die industrielle Variante des einst romantisch verklärten Groupietums" wirke. Wie ein System.
In diesem System geht es um weit mehr als um das Fehlverhalten Einzelner. Es geht, das ist die These des Buchs, "um eine Art Organisationsversagen", um "fehlende Kontrolle", "Mitwissende, die Taten decken oder ganz einfach schweigen". Es gebe immer Machtgefälle und Abhängigkeiten, die ausgenutzt werden, so Drepper und Kampf. Aber wie, fragen sie, sieht das konkret in der Musikindustrie aus? Welche Strukturen stehen hinter dem, was wir auf der Bühne präsentiert bekommen? Und wie lange ist das schon so?
Wenn die Autoren zunächst den Blick zurückwerfen auf das für den Mythos des Rockstars als unermüdlichem Sexgott so zentrale Groupietum in der Geschichte von Sex, Drugs and Rock 'n' Roll, ist das - von heute aus betrachtet - ziemlich erschütternd. Als "Königin der Groupies" gilt die heute 75 Jahre alte Pamela Des Barres, geborene Miller, die sechs Bücher veröffentlicht hat, in denen sie Details über ihre Begegnungen mit den Stars ausbreitete. Sie selbst gibt an, das Machtgefälle zwischen sich und den Idolen unter Kontrolle gehabt zu haben, lässt in "Im Bett mit den Rockgöttern" aber auch jene Frau zu Wort kommen, die als 16-Jährige von Jimmy Page fast vergewaltigt worden sei. Anfang der Siebzigerjahre tauchten in Los Angeles auf dem Sunset Strip die sogenannten "Baby Groupies" auf: minderjährige Mädchen, einige von ihnen nicht einmal vierzehn Jahre alt. Axel Rose von Guns N' Roses soll 1989 seinem Bandkollegen Slash zufolge "rasend vor Wut" gewesen sein, als zwei Mädchen zwar bereit waren, mit ihm und einigen Band- und Crewmitgliedern Oralverkehr zu haben, sich aber weigerten, mit ihnen zu schlafen. Frank Zappa widmet den "Crew Sluts", den "Crew-Schlampen", den gleichnamigen Song, in dem Groupies der Entourage von Rockbands Blowjobs geben, um gratis backstage zu kommen. Und in dem Dokumentarfilm "Look Away", benannt nach einem Lied von Iggy Pop aus dem Jahr 1996 ("I slept with Sable when she was 13. / Her parents were too rich to do anything."), schildert Julia Misley, wie sie als Teenager von Aerosmith-Sänger Steven Tyler schwanger und zur Abtreibung gezwungen wurde.
Als sich vor einem Jahr Shelby Lynn mit ihrer Warnung an die Öffentlichkeit wandte, sei etwas in Bewegung, "das System ins Wanken" geraten. Für viele Protagonisten der Musikbranche, mit denen die Autoren für ihr Buch gesprochen haben, stellt die Diskussion über die Vorwürfe gegen Lindemann einen MeToo-Moment zumindest der deutschen Musikindustrie dar. Einen Moment, in dem die strukturellen Probleme der Musikindustrie aufbrechen könnten. Dass Tim Renner, der als Ex-CEO der Universal Music Group in Deutschland Rammstein groß gemacht hat und später Kulturstaatssekretär in Berlin war, im Buch ausführlich zur Musikbranche interviewt wird, aber ausgerechnet zu Rammstein nichts sagen will, ist als Pointe übrigens fast lustig.
In einer sehr aufschlussreichen Recherche über die Plattenfirma Universal, in der Insider zum Teil anonym Auskunft geben, erzählt das Buch von einem besonderen Auftritt des Rappers Gzuz beim Sommerfest "Universal Inside" im September 2023. Gzuz hat für den Besuch der Party vermutlich Hafturlaub bekommen, er verbüßt Anfang September noch seine Haftstrafe im offenen Vollzug. Bei der After-Show-Party wird er ausfällig, beleidigt eine Mitarbeiterin sexistisch. Er habe sich, so die Universal-Pressesprecherin gegenüber den Journalisten, "sowohl vor Ort als auch später schriftlich" entschuldigt. Aber intern, so eine Mitarbeiterin, habe es Diskussionen darüber gegeben, inwiefern das größte Musikunternehmen der Welt so eine "Kultur" begünstigte. Als die Staatsanwaltschaft im Juni 2023 bekannt gibt, Ermittlungen gegen Till Lindemann aufgenommen zu haben, macht Universal in einem Statement öffentlich, "alle Marketingmaßnahmen" für Rammstein einzustellen. Und das für den Herbst geplante Soloalbum von Lindemann erscheint ohne Universal.
Gleichzeitig stellt sich ein umgekehrter Effekt ein: Jetzt erst recht. "Rammstein holen die Peniskanone wieder aus der Garage", schrieb der "Spiegel" vergangene Woche über das erste Konzert der neuen Europatour in Deutschland - 55.000 Zuschauer in Dresden. Selbst nach heftigen Vorwürfen oder gar nach einer Verurteilung füllen Stars oft kurz darauf wieder Stadien. Wie kommt das? Wieso scheinen sich - wie zuletzt bei Till Lindemann - intensiv diskutierte Vorwürfe finanziell auszuzahlen? Anders als in anderen Industrien sei "Gewalt gegen Frauen in Rock und Rap nicht einfach nur das hässliche Resultat einer toxischen Welt, sondern ein Marketing-Tool", heißt es in "Row Zero".
Das Publikum, das Rammstein jetzt erst recht feiert (im Buch kommt dies etwas zu kurz), spielt dabei eine wesentliche Rolle: Es jubelt, so konnte man es auch während der Solo-Tour Till Lindemanns interpretieren, weil alles so bleibt und bleiben soll, wie es ist, und die Fans ihren Lindemann behalten dürfen, wie er immer war. Als stehe der Sänger für eine Art Widerstand gegen eine gefühlte Bevormundung durch das, was sie den "Zeitgeist", "die da oben", "die Woken" nennen, die ihnen angeblich vorschreiben, wie sie zu leben und zu sprechen haben.
Diese gesellschaftspolitische Dimension der Rammstein-Diskussion ist nicht zu unterschätzen. Sie zeigt - das heben auch die Autoren von "Row Zero" hervor, und das macht ihr Buch so wichtig -, dass es bei Weitem nicht nur um eine juristische Frage geht: Die Existenz eines Casting-Systems sei vom Rammstein-Sänger bisher nicht bestritten worden, schreiben Drepper umd Kampf. Aber "Lindemann verwahrt sich bis heute ausschließlich dagegen, möglicherweise strafbare Handlungen begangen zu haben. Sexuelle Handlungen seien immer einvernehmlich gewesen, und keine der Frauen sei in ihrer Willensbildung beeinträchtigt gewesen." (Man merkt an der Umständlichkeit ihrer Formulierungen hier und an anderen Stellen, wie intensiv diese vor der Veröffentlichung durch die Hände von Juristen gegangen sind.) Bereits im Juni 2023 kündigte die Kanzlei, die Lindemann seither vertritt, rechtliche Schritte gegen falsche Behauptungen an, insbesondere gegen Vorwürfe, Frauen seien "bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.-o.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können". Diese seien "ausnahmslos unwahr". Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Lindemann Ende August 2023 wieder ein.
Viele interpretieren dies als rechtskräftigen Freispruch für Lindemann. Die von ihm beauftragte Medienrechtskanzlei unterstrich die Interpretation mit einer eigenen Pressemitteilung. Dabei - so sieht es die Rechtsanwältin Christina Clemm - hatte die Staatsanwaltschaft gar keine andere Wahl, als die Ermittlungen einzustellen. Außer der Youtuberin Kayla Shyx hatte sie keine Frauen vernehmen können, die auf Social Media und gegenüber Journalisten Vorwürfe erhoben hatten. Und Kayla Shyx selbst hatte nichts beobachtet, das strafbar gewesen wäre.
Clemm wundert das nicht. Sie beschreibt den Autoren, wie detailliert die Befragungen von Frauen in solchen Verfahren sein müssen: "Von Position und Zustand der Geschlechtsteile während des Aktes bis hin zu intimen Erfahrungen in Jugend oder Kindheit werde alles abgefragt. Diese Vernehmungen dauerten oft mehrere Stunden." Sollte es danach zu einer Anklage kommen, dauere es oft noch Monate oder Jahre bis zur Verhandlung, die dann öffentlich sei. "Viele Mandantinnen beschreiben die Verfahren als ebenso traumatisierend wie die Taten", sagt die Anwältin.
Und so beschäftigt uns der Fall Rammstein auch nach der Einstellung des Verfahrens auf einer gesellschaftlichen Ebene weiter. Wer allein aufs Strafrecht schiele, weise damit auch Verantwortung von sich, heißt es am Schluss des Buchs. Das ist als entscheidender Appell zu verstehen. Es geht um nichts Geringeres als die Frage, wie wir miteinander leben wollen. Und im Blick auf die Musikindustrie: mit wem genau sie da immer noch mehr Geld verdienen will - und wo die Grenzen liegen.
Daniel Drepper, Lena Kampf: "Row Zero - Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie". Eichborn Verlag, 272 Seiten, 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Row Zero" heißt jetzt auch ein Buch, das Anfang der Woche erscheint. "Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie" lautet sein Untertitel. Geschrieben haben es die Journalisten Daniel Drepper, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung", und Lena Kampf, stellvertretende Ressortleiterin im Investigativressort der "SZ". Beide gehören zu den Autoren, die mit der Reportage, die sie Anfang Juni letzten Jahres über die mutmaßlichen Vorwürfe gegen Lindemann veröffentlichten, gerade für den Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert worden sind. Ihre Enthüllungen stellen in "Row Zero" den Ausgangspunkt dar. Die Aussagen von Frauen, die Rekrutierungsversuche, die es weltweit gegeben zu haben scheint - all das setzen die Autoren zu einem Bild zusammen, das "wie die industrielle Variante des einst romantisch verklärten Groupietums" wirke. Wie ein System.
In diesem System geht es um weit mehr als um das Fehlverhalten Einzelner. Es geht, das ist die These des Buchs, "um eine Art Organisationsversagen", um "fehlende Kontrolle", "Mitwissende, die Taten decken oder ganz einfach schweigen". Es gebe immer Machtgefälle und Abhängigkeiten, die ausgenutzt werden, so Drepper und Kampf. Aber wie, fragen sie, sieht das konkret in der Musikindustrie aus? Welche Strukturen stehen hinter dem, was wir auf der Bühne präsentiert bekommen? Und wie lange ist das schon so?
Wenn die Autoren zunächst den Blick zurückwerfen auf das für den Mythos des Rockstars als unermüdlichem Sexgott so zentrale Groupietum in der Geschichte von Sex, Drugs and Rock 'n' Roll, ist das - von heute aus betrachtet - ziemlich erschütternd. Als "Königin der Groupies" gilt die heute 75 Jahre alte Pamela Des Barres, geborene Miller, die sechs Bücher veröffentlicht hat, in denen sie Details über ihre Begegnungen mit den Stars ausbreitete. Sie selbst gibt an, das Machtgefälle zwischen sich und den Idolen unter Kontrolle gehabt zu haben, lässt in "Im Bett mit den Rockgöttern" aber auch jene Frau zu Wort kommen, die als 16-Jährige von Jimmy Page fast vergewaltigt worden sei. Anfang der Siebzigerjahre tauchten in Los Angeles auf dem Sunset Strip die sogenannten "Baby Groupies" auf: minderjährige Mädchen, einige von ihnen nicht einmal vierzehn Jahre alt. Axel Rose von Guns N' Roses soll 1989 seinem Bandkollegen Slash zufolge "rasend vor Wut" gewesen sein, als zwei Mädchen zwar bereit waren, mit ihm und einigen Band- und Crewmitgliedern Oralverkehr zu haben, sich aber weigerten, mit ihnen zu schlafen. Frank Zappa widmet den "Crew Sluts", den "Crew-Schlampen", den gleichnamigen Song, in dem Groupies der Entourage von Rockbands Blowjobs geben, um gratis backstage zu kommen. Und in dem Dokumentarfilm "Look Away", benannt nach einem Lied von Iggy Pop aus dem Jahr 1996 ("I slept with Sable when she was 13. / Her parents were too rich to do anything."), schildert Julia Misley, wie sie als Teenager von Aerosmith-Sänger Steven Tyler schwanger und zur Abtreibung gezwungen wurde.
Als sich vor einem Jahr Shelby Lynn mit ihrer Warnung an die Öffentlichkeit wandte, sei etwas in Bewegung, "das System ins Wanken" geraten. Für viele Protagonisten der Musikbranche, mit denen die Autoren für ihr Buch gesprochen haben, stellt die Diskussion über die Vorwürfe gegen Lindemann einen MeToo-Moment zumindest der deutschen Musikindustrie dar. Einen Moment, in dem die strukturellen Probleme der Musikindustrie aufbrechen könnten. Dass Tim Renner, der als Ex-CEO der Universal Music Group in Deutschland Rammstein groß gemacht hat und später Kulturstaatssekretär in Berlin war, im Buch ausführlich zur Musikbranche interviewt wird, aber ausgerechnet zu Rammstein nichts sagen will, ist als Pointe übrigens fast lustig.
In einer sehr aufschlussreichen Recherche über die Plattenfirma Universal, in der Insider zum Teil anonym Auskunft geben, erzählt das Buch von einem besonderen Auftritt des Rappers Gzuz beim Sommerfest "Universal Inside" im September 2023. Gzuz hat für den Besuch der Party vermutlich Hafturlaub bekommen, er verbüßt Anfang September noch seine Haftstrafe im offenen Vollzug. Bei der After-Show-Party wird er ausfällig, beleidigt eine Mitarbeiterin sexistisch. Er habe sich, so die Universal-Pressesprecherin gegenüber den Journalisten, "sowohl vor Ort als auch später schriftlich" entschuldigt. Aber intern, so eine Mitarbeiterin, habe es Diskussionen darüber gegeben, inwiefern das größte Musikunternehmen der Welt so eine "Kultur" begünstigte. Als die Staatsanwaltschaft im Juni 2023 bekannt gibt, Ermittlungen gegen Till Lindemann aufgenommen zu haben, macht Universal in einem Statement öffentlich, "alle Marketingmaßnahmen" für Rammstein einzustellen. Und das für den Herbst geplante Soloalbum von Lindemann erscheint ohne Universal.
Gleichzeitig stellt sich ein umgekehrter Effekt ein: Jetzt erst recht. "Rammstein holen die Peniskanone wieder aus der Garage", schrieb der "Spiegel" vergangene Woche über das erste Konzert der neuen Europatour in Deutschland - 55.000 Zuschauer in Dresden. Selbst nach heftigen Vorwürfen oder gar nach einer Verurteilung füllen Stars oft kurz darauf wieder Stadien. Wie kommt das? Wieso scheinen sich - wie zuletzt bei Till Lindemann - intensiv diskutierte Vorwürfe finanziell auszuzahlen? Anders als in anderen Industrien sei "Gewalt gegen Frauen in Rock und Rap nicht einfach nur das hässliche Resultat einer toxischen Welt, sondern ein Marketing-Tool", heißt es in "Row Zero".
Das Publikum, das Rammstein jetzt erst recht feiert (im Buch kommt dies etwas zu kurz), spielt dabei eine wesentliche Rolle: Es jubelt, so konnte man es auch während der Solo-Tour Till Lindemanns interpretieren, weil alles so bleibt und bleiben soll, wie es ist, und die Fans ihren Lindemann behalten dürfen, wie er immer war. Als stehe der Sänger für eine Art Widerstand gegen eine gefühlte Bevormundung durch das, was sie den "Zeitgeist", "die da oben", "die Woken" nennen, die ihnen angeblich vorschreiben, wie sie zu leben und zu sprechen haben.
Diese gesellschaftspolitische Dimension der Rammstein-Diskussion ist nicht zu unterschätzen. Sie zeigt - das heben auch die Autoren von "Row Zero" hervor, und das macht ihr Buch so wichtig -, dass es bei Weitem nicht nur um eine juristische Frage geht: Die Existenz eines Casting-Systems sei vom Rammstein-Sänger bisher nicht bestritten worden, schreiben Drepper umd Kampf. Aber "Lindemann verwahrt sich bis heute ausschließlich dagegen, möglicherweise strafbare Handlungen begangen zu haben. Sexuelle Handlungen seien immer einvernehmlich gewesen, und keine der Frauen sei in ihrer Willensbildung beeinträchtigt gewesen." (Man merkt an der Umständlichkeit ihrer Formulierungen hier und an anderen Stellen, wie intensiv diese vor der Veröffentlichung durch die Hände von Juristen gegangen sind.) Bereits im Juni 2023 kündigte die Kanzlei, die Lindemann seither vertritt, rechtliche Schritte gegen falsche Behauptungen an, insbesondere gegen Vorwürfe, Frauen seien "bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.-o.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können". Diese seien "ausnahmslos unwahr". Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Lindemann Ende August 2023 wieder ein.
Viele interpretieren dies als rechtskräftigen Freispruch für Lindemann. Die von ihm beauftragte Medienrechtskanzlei unterstrich die Interpretation mit einer eigenen Pressemitteilung. Dabei - so sieht es die Rechtsanwältin Christina Clemm - hatte die Staatsanwaltschaft gar keine andere Wahl, als die Ermittlungen einzustellen. Außer der Youtuberin Kayla Shyx hatte sie keine Frauen vernehmen können, die auf Social Media und gegenüber Journalisten Vorwürfe erhoben hatten. Und Kayla Shyx selbst hatte nichts beobachtet, das strafbar gewesen wäre.
Clemm wundert das nicht. Sie beschreibt den Autoren, wie detailliert die Befragungen von Frauen in solchen Verfahren sein müssen: "Von Position und Zustand der Geschlechtsteile während des Aktes bis hin zu intimen Erfahrungen in Jugend oder Kindheit werde alles abgefragt. Diese Vernehmungen dauerten oft mehrere Stunden." Sollte es danach zu einer Anklage kommen, dauere es oft noch Monate oder Jahre bis zur Verhandlung, die dann öffentlich sei. "Viele Mandantinnen beschreiben die Verfahren als ebenso traumatisierend wie die Taten", sagt die Anwältin.
Und so beschäftigt uns der Fall Rammstein auch nach der Einstellung des Verfahrens auf einer gesellschaftlichen Ebene weiter. Wer allein aufs Strafrecht schiele, weise damit auch Verantwortung von sich, heißt es am Schluss des Buchs. Das ist als entscheidender Appell zu verstehen. Es geht um nichts Geringeres als die Frage, wie wir miteinander leben wollen. Und im Blick auf die Musikindustrie: mit wem genau sie da immer noch mehr Geld verdienen will - und wo die Grenzen liegen.
Daniel Drepper, Lena Kampf: "Row Zero - Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie". Eichborn Verlag, 272 Seiten, 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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„Wann immer Macht, ihr Gebrauch und ihr Missbrauch neu vermessen werden, gilt es genau hinzuschauen und zu differenzieren.“ (S.15)
Wow, was war das für ein Buch! Ich habe es verschlungen und ehrlich? Es hat mich bis jetzt nicht losgelassen.
In dem Buch geht es, wie der …
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„Wann immer Macht, ihr Gebrauch und ihr Missbrauch neu vermessen werden, gilt es genau hinzuschauen und zu differenzieren.“ (S.15)
Wow, was war das für ein Buch! Ich habe es verschlungen und ehrlich? Es hat mich bis jetzt nicht losgelassen.
In dem Buch geht es, wie der Titel verrät, um Gewalt und den Machtmissbrauch in der Musikindustrie. Es wird von einigen Fällen, unter anderem dem von Lindemann, Frontsänger der Band Rammstein, berichtet. Noch jetzt bin ich erschüttert, was ich alles gelesen habe. Nicht nur Lindemanns Namen fiel, sondern auch der von R. Kelly oder Marilyn Manson. Es fällt mir wahnsinnig schwer, die richtigen Worte dafür zu finden.
Schlimm an der Geschichte finde ich, dass den Frauen nicht geglaubt wird und die Musiker ungehindert weiter Musik machen konnten oder gar können. Wo bitte bleibt da die Gerechtigkeit? Warum dürfen Musiker in Songs Sexismus beschreien und die Plattenfirmen sehen nur zu? Richtig, weil der Profit im Vordergrund steht. Heutzutage muss man vielleicht auffallen und in die ein oder andere Kerbe schlagen, aber nicht, indem Mann Frauen herauspicken lässt oder ihnen die Welt zu Füßen legt, um sie dann systematisch kaputtzumachen. Eine der Frauen, die von einem berühmten Mann sexuell missbraucht wurde, nahm sich das Leben. Ist das echt die Welt, in der wir leben? In der wir, weil wir den Status berühmt auf der Stirn haben und Geld in der Tasche, uns alles erlauben dürfen? Nein. Einfach ein klares Nein.
Erschreckend fand ich, dass es bei einem Rammstein oder Lindemannkonzert einen Einspieler gab, bei dem gezeigt wurde, wie er von zwei Frauen oral befriedigt wurde – oder wie er sein Ding vor den Fans herausholt und auf die Menge uriniert. Leute, mal im Ernst: Ist das Kunst? Ist es das, wofür die Musik steht? Das Video kann man sich auf YouTube ansehen und ich kann nur eines sagen: Jetzt weiß ich, warum ich dieser Band nie meine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Was ich aber noch viel schlimmer ist, dass die Fälle eingestellt werden. Im Fall R.Kelly nicht – was ich gut finde. Ansonsten frage ich mich, auch wenn es die Unschuldsvermutung gibt – ja, warum den Fällen nicht zu 100% nachgegangen wird und Musiker so weitermachen dürfen und dafür auch noch gefeiert werden?
„Regelmäßig werden bei Konzerten offenbar ein bis zwei Frauen gesucht, die dann – wie Shelby Lynn – unter der Bühne mit Till Lindemann Sex haben sollen, während in den etwa fünf Minuten des ‚Deutschland‘-Remixes Mitglieder der Band als leuchtende Strichmännchen auf der Bühne tanzen.“ (S.35)
Nun möchte ich aber nochmal genauer auf einige Aussagen eingehen. Unter anderem, dass Frauen berühmt sein wollen. Welche von den 20 Frauen, die unabhängig voneinander über das Geschehene berichtet haben, sind nun berühmt? Dies ist nicht der Fall. Sie sind für ihr Leben, durch diese scheußliche Tat, geprägt. Mit Berühmtheit hat das nur wenig zu tun. Wer aber weiterhin gefeiert wird, sind die Künstler und die Frauen werden mundtot gemacht. Dann, dass es keine Beweise gibt. Mir sträubten sich wortwörtlich die Nackenhaare. Es sind 20 (!) Frauen herangezogen worden. Alle haben unabhängig voneinander über den Vorfall mit Lindemann geredet, sich getraut, etwas gegen ihn zu sagen. Ich denke, man kann sich sicher sein, dass es mehr als 20 Frauen gibt, nur die meisten Angst haben – weil ihnen Angst gemacht wurde. Hut ab, für die Frauen, die sich getraut haben. Und doch geschieht nur eines: nichts. Alles verläuft im Sand, die Stars werden weiterhin gefeiert und die Missbrauchten müssen leiden. Es gäbe keine Beweise, Person ABC habe ausgiebig gefeiert, war fröhlich. Ja, vor der Tat. Nach der Tat sieht es dann aber ganz anders aus.
Und dann kommen die Gerichte ins Spiel. Alles ist in bester Ordnung, folglich ist alles wieder Tutti-Frutti. Nein. Während die missbrauchten Frauen an den Folgen des Missbrauchs leiden, das Gericht ihnen kein Recht zuspricht, werden die Stars gefeiert. Damit will ich eines sagen: Wer Geld hat, sich den besten Anwalt zu leisten und die Frauen mundtot zu machen, sieht an diesem Beispiel, dass Geld auch hier Macht ist. Doch ich finde, dass das absolut nicht sein darf. Auch Lindemann hat sich Top-Anwälte geleistet. Er verklagt jeden, der Negatives schreibt – so heißt es. Nur muss man mit Kritik, übrigens auch als Autor*in, umgehen können.
Dieses Buch, um nun ein Ende zu finden, hat mich sprachlos zurückgelassen. Schon beim Lesen musste ich immer mal wieder innehalten. Es ist faszinierend und gleichzeitig berührend und schockierend. Die Recherche an diesem Buch hat über ein Jahr gedauert. Kein Wunder bei all den Informationen und Erfahrungsberichten, wo mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Jeder sollte dieses Buch gelesen haben und jeder sollte sich dagegen auflehnen. Wir alle sollten menschlich sein, zusammenhalten und den Schwächeren den Rücken stärken. Mehr Worte finde ich nicht, für diese rohe Gewalt, die teilweise in der Musikbranche herrscht. Niemals würde ich in der Row Zero sein wollen.
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Diese Buch hat mich (männlich,38 Jahre alt) wirklich sehr beschäftigt und herausgefordert. Als großer Musikfan und leidenschaftlicher Konzertbesucher habe ich natürlich die Debatte um Rammstein im Sommer 2023 intensiv verfolgt.
Diese nehmen die Autoren als Aufhänger und …
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Diese Buch hat mich (männlich,38 Jahre alt) wirklich sehr beschäftigt und herausgefordert. Als großer Musikfan und leidenschaftlicher Konzertbesucher habe ich natürlich die Debatte um Rammstein im Sommer 2023 intensiv verfolgt.
Diese nehmen die Autoren als Aufhänger und Spitze des Eisberges, um auf gravierende Missstände in der Musikbranche hinzuweisen.
Dabei ziehen sie Ihre Recherchen sehr umfangreich auf. Angefangen bei Rammstein/Till Lindemann geht es nach dem Thema Grenzüberschreitung im Backstage Bereich und generell auf Konzerten/Touren zu Gewalt gegenüber Frauen im Hip Hop /Deutschrap.
Wir erfahren mehr über die Geschichte und Ursprünge der ersten Groupies und damaligen Übergriffe in den wilden 60ern/70ern und den Anfängen des Rock`n Roll Lifestyles.
Ausführlich schreiben die Autoren auch über das harte und rücksichtlose Business der Musikindustrie und die systematische Ausbeutung von Frauen.
Auch bezeichnend sind die oft zitierten Künstler/Künstlerinnen Autobiografien, in denen die Männer ihre sexuellen Erfolge mit unzähligen Groupies schamlos feiern und die Künstlerinnen über männliche Übergriffe und Missbrauch berichten.
Ich hätte es als Leser gut gefunden, wenn im Kapitel "Knast" das Beispiel von R. Kelly Beachtung gefunden hätte. Er wird leider nur kurz im Vorwort erwähnt.
Das Buch ist definitiv keine einfache Lektüre. Ich persönlich hätte mir noch etwas mehr Tiefe statt Breite gewünscht.
So ist der Bogen von Till Lindemann, über Rapper und Hip Hopper bis hin zu Britney Spears und dann zu sexpositiven, feministischen Ravepartys sehr sehr weit gespannt. Hier muss man als Leser/Leserin sehr aufpassen, nicht den Überblick zu verlieren (Viele Auszüge aus den Musikerbiografien waren mir auch schon bekannt.) Auch fiel es mir als Rockfan zum Beispiel manchmal schwer, wenn man die Hip Hop Künstler so überhaupt nicht kennt.
Das Anliegen des Buches den Machtmissbrauch aber deutlich zu benennen finde ich aber unglaublich gut und wichtig.
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»Zeit, über das zu sprechen, über das nicht gesprochen werden soll.«
~ Jan Böhmermann
Dieses Buch beginnt, wie der Titel schon verlauten lässt, mit Auseinandersetzung der Vorwürfe sowie des Rekrutierungssystems „Row Zero“ bei der Band Rammstein …
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»Zeit, über das zu sprechen, über das nicht gesprochen werden soll.«
~ Jan Böhmermann
Dieses Buch beginnt, wie der Titel schon verlauten lässt, mit Auseinandersetzung der Vorwürfe sowie des Rekrutierungssystems „Row Zero“ bei der Band Rammstein und greift im Fortlauf immer wieder darauf zurück, schließlich symbolisiert diese Band das patriarchale Machtsystem in ihrer ganzen Stärke.
Doch würde man dieses Buch nur darauf reduzieren, käme es ihm nicht gerecht, schließlich geht es um weit mehr – die Musikindustrie an sich.
Die beiden Journalisten Lena Kampf und Daniel Drepper recherchieren, gemeinsam mit weiteren Kollegen, seit einem Jahr zu dieser Thematik und haben allein für dieses Buch mit mehr als 200 Menschen gesprochen, was man der Qualität des Buches schnell anmerkt.
Neben Ausnutzung von Fans durch misogyne Machtstrukturen anderer Künstler, wird ein Exkurs auf das Groupietum geworfen. Darüberhinaus werden schockierende Einblicke in den Alltag von Frauen, u.a. bei den großen Musiklabels gegeben, welche sexistischen Übergriffen und Äußerungen ausgesetzt sind.
Es geht um betroffene Personen, Machtmissbrauch, aber auch um starke Frauen, die das System und ihre Machenschaften offenlegen und dennoch viel zu wenig gehört werden.
Viele Fans unterschiedlicher Bands scheinen jegliche Vorwürfe weiterhin als Lüge abzuwehren. Es scheint einfacher, sich nicht damit auseinanderzusetzen. Aber kann man diese Tatsachen ignorieren und weiterhin Künstler unterstützen, die jegliche Moralvorstellungen verworfen haben?
Es bleibt Stille, das große Schweigen und viele Fragen.
Mich selbst hat das Buch sehr bewegt und mitgenommen, wütend gemacht und zugleich Hoffnung gegeben, dass sich vielleicht jetzt endlich etwas ändert.
Unbestreitbar bleibt, dass „Row Zero“ eines der wichtigsten Bücher in diesem Jahr ist, hoffentlich viele Leute erreicht und zum Nach-, bzw. Umdenken anregt.
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