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Dostojewskis Leben, von seiner Frau erzählt - ein spannender Ehe- und Familienroman
Rückblickend rekapituliert Anna Dostojewskaja voller Zuneigung, doch mit ausreichend Abstand und den Tatsachen verpflichtet, ihr Leben an der Seite Fjodor Dostojewskis. Ihre detaillierten Erinnerungen gehören zu den zuverlässigsten Aufzeichnungen über den Schriftsteller und offenbaren den Menschen, wie er sich im Häuslich-Familiären gab und wie er in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat. Dabei spart sie auch die Schattenseiten nicht aus: seine Spielsucht und eine exzesshafte Eifersucht, immerwährende…mehr

Produktbeschreibung
Dostojewskis Leben, von seiner Frau erzählt - ein spannender Ehe- und Familienroman

Rückblickend rekapituliert Anna Dostojewskaja voller Zuneigung, doch mit ausreichend Abstand und den Tatsachen verpflichtet, ihr Leben an der Seite Fjodor Dostojewskis. Ihre detaillierten Erinnerungen gehören zu den zuverlässigsten Aufzeichnungen über den Schriftsteller und offenbaren den Menschen, wie er sich im Häuslich-Familiären gab und wie er in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat. Dabei spart sie auch die Schattenseiten nicht aus: seine Spielsucht und eine exzesshafte Eifersucht, immerwährende Geldnot und Schulden ein Leben lang, seine durch Epilepsie gefährdete Gesundheit, den frühen Tod zweier Kinder. Vor allem aber zeigt sie, welchen Halt das Paar aneinander, in der gemeinsamen Arbeit und im Familienleben fand.

Erstmals nach der ungekürzten russischen Neuausgabe, mit zahlreichen Abbildungen

»Mein aufrichtiger und inniger Wunsch: den Lesern Fjodor M. Dostojewski mit allen seinen Vorzügen und Mängeln zu zeigen - so, wie er war, in der Familie und privat.« Anna Dostojewskaja
Autorenporträt
Anna G. Dostojewskaja (1846-1918) war die zweite Ehefrau von Fjodor M. Dostojewski (1821-1881). Sie heiratete den Schriftsteller 1867, noch vor dem Höhepunkt seiner Karriere, und gestaltete sein privates und schriftstellerisches Leben aktiv mit. Das Paar hatte vier Kinder, unternahm zahlreiche Europatouren und kehrte immer wieder nach Sankt Petersburg zurück. Bis zu ihrem Tod galt ihr ganzes Engagement dem Werk und Andenken ihres Mannes. Ganna-Maria Braungardt, geboren 1956, studierte russische Sprache und Literatur in Woronesh (Russland), Lektorin, seit 1991 freiberufliche Übersetzerin. Sie übertrug u. a. Swetlana Alexijewitsch, Ljudmila Ulitzkaja, Polina Daschkowa, Boris Akunin, Jewgeni Wodolaskin und Juri Buida ins Deutsche. Ganna-Maria Braungardt lebt in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensentin Olga Hochweis bespricht Anna Dostojewskajas "Mein Leben mit Fjodor Dostojewski" mit viel Lob. Die Ehefrau des Schriftstellers erinnert sich darin hauptsächlich an ihren familiären Alltag, der sehr detailreich und plastisch wiedergegeben werde, gestützt durch ihre Tagebucheinträge, Briefe und weiteren Quellen, erläutert Hochweis. Der Rezensentin erscheint die Autorin selbstbewusst und selbstbestimmt, auch wenn die Beschreibung des Ehemanns auf sie gelegentlich ein wenig idealisiert wirkt. Und auch, wenn Dostojewskaja auf politische und philosophische Ansichten verzichtet, ist das Buch für die Rezensentin mit seiner Bewegkraft und Eindringlichkeit lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.11.2021

Vor 200 Jahren wurde Fjodor Dostojewski geboren Der Weltliterat, der seinen eigenen Tod überlebte, und mit dem die Moderne begann
Unordnung und spätes Glück
Der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski lebte exzessiv und schrieb für das große Publikum. Jetzt sehen wir ihn im Spiegel
seiner Ehe mit Anna Dostojewskaja: Geschichte einer praktischen Liebe – und von den Anfängen des Versandbuchhandels
VON CHRISTOPH BARTMANN
Es sind geschäftliche Gründe, die Anna Grigorjewna Snitkina und den fünfundzwanzig Jahre älteren und schon berühmten Fjodor Michailowitsch Dostojewski im Oktober 1866 in seiner Petersburger Wohnung zusammenführen. Der Schriftsteller benötigt eilig eine Stenografin, die ihm bei der Niederschrift seines Romans „Der Spieler“ hilft. „Ich fühlte“, erinnert sich Anna Dostojewskaja fünfzig Jahre später an diesen Schlüsselmoment, „ich betrat einen neuen Weg, konnte mit meiner Arbeit Geld verdienen und wurde unabhängig. (…) Angenehmer und wichtiger war mir jedoch, bei Dostojewski arbeiten und diesen Schriftsteller persönlich kennenlernen zu dürfen.“ Der Job als Schreibkraft ist befristet. Am 1. November muss das Manuskript abgeliefert werden.
Um seine dringendsten Schulden abzutragen, hat Dostojewski seine Werkrechte für 3000 Rubel an einen betrügerischen Verleger verkauft und muss ihm obendrein den neuen Roman überlassen. Nachdem er ein Jahr hat verstreichen lassen, begibt sich Dostojewski an die Arbeit. Der Roman wird mit Annas Hilfe doch noch pünktlich fertig. Eine Woche später macht Dostojewski Anna einen Heiratsantrag.
Von ihren Jahren an Dostojewskis Seite hat Anna Dostojewskaja in ihren Erinnerungen, die 1917, kurz vor ihrem Tod erschienen, ein anschauliches Zeugnis gegeben. Ihre Liebe zu Fjodor Michailowitsch sei „grenzenlos“ gewesen, schreibt sie, „aber es war keine physische Liebe, keine Leidenschaft wie zwischen Menschen gleichen Alters. Meine Liebe war rein geistig, ideell“. Vor allem wohl war diese Liebe praktisch. In Dostojewskajas Memoiren dominiert die häuslich-ökonomische Perspektive. Neben der familiären Sorgearbeit tritt ein anderer Aspekt hervor: Anna Dostojewskajas Rolle als Managerin von Dostojewskis literarischem Unternehmen.
Ihre Erinnerungen rücken, bescheiden im Ton, aber selbstbewusst in der Sache, den eigenen Beitrag ins Licht. Nach Dostojewskis Tod im Jahr 1881 erntet sie die Früchte ihrer ökonomischen Umsicht. Die von ihr selbst besorgte Gesamtausgabe seiner Werke beschert Anna Dostojewskaja eine finanzielle Unabhängigkeit, wie es sie zu gemeinsamen Lebzeiten nie gegeben hat.
Anna sieht ihre praktisch-ideelle Mission darin, Dostojewski, der im Leben so viel Leid und Verfolgung, Krankheit und Feindschaft erlebt habe, eine gute Gefährtin zu sein. Sie wird nicht müde, das positive Naturell ihres Gatten hervorzuheben, seinen Witz, seine Güte, seine überbordende Freundlichkeit mit aller Welt. Zugleich sieht sie ihn bedroht von inneren wie äußeren Feinden: krankhafte Eifersucht, übergroßes Ungestüm und der Hang zum Schuldenmachen, angefacht von einem Lebensstil, der nicht zum Haushaltseinkommen passt. Die Spielsucht, steter Begleiter seit Dostojewskis Kasinobesuchen in Wiesbaden, ist nicht überwunden.
Zu den äußeren Widersachern zählen Teile der Familie ihres Mannes, aber auch einflussreiche Vertreter des literarischen Lebens in Russland. Hinzu kommen die Gläubiger, die Dostojewski vor allem bedrängen, seitdem er alle Schulden seines früh verstorbenen Bruders auf sich genommen hat. Außerdem machen ihm epileptische Anfälle und andere Gebrechen zu schaffen. Gegen alle Widrigkeiten stellt Anna die Voraussetzungen her, unter denen sich Dostojewskis Leben und Werk erstmals gedeihlich entwickeln können.
Als er in den Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts mit dem Briefroman „Arme Leute“ Aufsehen erregt, ist Dostojewski nach eigenem Bekunden Russlands erster freier Schriftsteller. Aber auch er kann sich das Schreiben kaum leisten. Seine kleinadlige Herkunft hat ihn eher mit Ansprüchen ausgestattet als mit Sicherheiten. Die Verwicklung in den Zirkel der frühsozialistischen Petraschewzen, die Verhaftung, das Todesurteil mit der Scheinexekution, die Verbannung nach Sibirien und der anschließende Zwangsdienst im Militär haben zur Folge, dass Dostojewski zehn Jahre lang nicht publizieren kann. Erst 1859 ist er zurück in Petersburg. Erste erfolgversprechende Schritte als Herausgeber einer Zeitschrift, in der er auch seine eigenen Werke publiziert, werden durch den Tod des an der Zeitschrift beteiligten Bruders und durch die auf verschiedenen Westreisen geschürte Spielsucht durchkreuzt.
Als dann Anna Dostojewskaja 1866 ihren künftigen Ehemann kennenlernt, hat bereits sein zweites Leben begonnen. Dostojewski hat den „westlichen“ Irrtümern des Nihilismus und Sozialismus abgeschworen, er hat sich in einen Verfechter des Zarismus und des russischen Christentums verwandelt. Das ist der geistige Hintergrund der großen Romane, denen trotzdem oder eben deshalb kein menschlicher Abgrund fremd ist. Erschienen sind diese Romane zunächst im Feuilleton, als Fortsetzungsromane mit den geforderten Spannungsbögen und Cliffhangern. Genau das ist wohl, neben Dostojewskis Blick in die Tiefe der russischen Wirklichkeit, der wahrhaft realistische Zug seines Schreibens: Dostojewski schreibt, wie Flaubert oder Dickens, Romane, die sich bei einer auf Unterhaltung, Spannung und Abwechslung pochenden Kundschaft verkaufen müssen. Nicht als kanonisierte Tausendseiter haben diese Romane den Test bei der Leserschaft bestanden, sondern als atemlos produziertes und konsumiertes Lesefutter erster Qualität.
Als Anna Grigorjewna und Fjodor Michailowitsch sich kennenlernen, erscheint gerade der erste große Roman, „Verbrechen und Strafe“, als Fortsetzungsroman im Russki Westnik. Der Erfolg ist beachtlich, aber er reicht nicht aus, um die Gläubiger zu befriedigen. Das frisch verheiratete Paar ergreift die Flucht und verbringt vier Wanderjahre im Westen, mit Stationen in Dresden, Genf und Florenz. Drei Kinder kommen auf die Welt, eines stirbt gleich nach der Geburt, die finanziellen Mittel sind knapp, Dostojewski schreibt und schreibt, aber man findet auch Zeit für den kultivierten Müßiggang der besseren Kreise. Dostojewski kann in Museen Stunden vor manchen Gemälden verbringen und spielt ebenso lange und hingebungsvoll mit den Kindern. Er ist, in der Schilderung seiner Frau, ein Familien- und Gemütsmensch, dem die Welt oft böse zusetzt, der es aber selbst mit der Welt gut meint.
Anna schafft es nun, in dieses unordentliche Leben eine Struktur zu bringen, vor allem mit dem Aufbau eines funktionierenden literarischen Geschäftsmodells. Erst im letzten Jahrzehnt seines Lebens wird Dostojewski tatsächlich zum freien Autor, indem er (oder vielmehr seine Frau) sukzessive zum Verleger seiner Werke wird. Von 1873 an nimmt Anna den Druck und Vertrieb seiner Romane mit wachsendem Erfolg selbst in die Hand.
Ihren Höhepunkt erreicht die unternehmerische Tätigkeit dann in der Gründung der „Buchhandlung F. M. Dostojewski (nur für auswärtige Kunden)“ im Jahre 1880, eines neuartigen Versandhandels, der ganz ohne eigenes Ladenlokal auskommt. Die Basis für alle ihre Geschäfte sei, so erklärt es die Autorin am Ende ihrer lebenssatten Erinnerungen, „das erstaunliche Vertrauen“ gewesen, „das mein Mann mir und allen meinen Handlungen entgegenbrachte“. Um dann mit dem Satz zu schließen: „Und dieses unser Verhältnis zueinander war es auch, das uns beide die vierzehn Jahre unserer Ehe so glücklich verleben ließ, wie es nur möglich ist für Menschen auf Erden.“
Eifersucht und Spielsucht waren
seine inneren Feinde, aber auch
die äußeren setzten ihm zu
„Verbrechen und Strafe“ ist ein
Erfolg, aber es reicht nicht, um die
Gläubiger zu befriedigen
Als sie sich kennenlernten,
hat sein zweites Leben schon
begonnen: Fjodor Michailowitsch Dostojewski wurde am
11. November 1821 in Moskau
geboren. Sein erster Roman
„Arme Leute“ erschien 1846.
Als Verfechter eines utopischen
Sozialismus wurde er zu
Zwangsarbeit verurteilt, er schrieb darüber später in
„Aufzeichnungen aus einem toten Hause“ (1860 – 62).
Erst als er Anna Snitkina (links) geheiratet hat, wird
sein Leben friedlicher.
Der Roman „Verbrechen und
Strafe“ ist kurz davor, 1866,
erschienen. Danach kommen
die großen Romane
„Der Spieler“ (1867),
„Der Idiot“ (1869),
„Die Dämonen“ (1871 – 72),
„Der Jüngling“ (1875) und
„Die Brüder Karamasow“ (1879 – 80).
1881 stirbt Dostojewski, seine Frau überlebt ihn um viele Jahre und stirbt 1918 in Jalta.
FotoS: imago / United Archives
International / Photo12
Anna Dostojewskaja: Mein Leben mit Fjodor Dostojewski. Aus dem Russischen von Brigitta Schröder.
Aufbau, Berlin 2021.
565 Seiten, 26 Euro.
Fjodor Dostojewski,
Anna Dostojewskaja:
Ich denke immer nur
an Dich. Eine Liebe in
Briefen. Aus dem
Russischen von
Brigitta Schröder.
Aufbau, Berlin 2021.
333 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Anna Dostojewskaja, die in ihren Erinnerungen auf sozialphilosophische und politische Aspekte verzichtet, zeichnet das lesenswerte, nuancierte Bild einer ambivalenten Persönlichkeit, die längst nicht so eindeutig festzulegen ist.« Deutschlandfunk Kultur 20211111