nicht hinterher.
François Sarano macht in seinem Buch keinen Hehl aus seiner großen Besorgnis um den Zustand der Art. In seinem neuen Buch "Wie man mit Haien schwimmt" zeichnet er die Geschichte der Angst vor dem Hai nach, durchaus selbstkritisch, war er doch 13 Jahre lang Jacques Yves Costeaus Expeditionsleiter an Bord der Calypso. Der legendäre französische Unterwasserentdecker schürte mit seinem in Cannes prämierten Film "Die schweigende Welt" dieses Unbehagen. Dabei sei diese Angst doch recht neu und konstruiert, so Sarano. Aristoteles hat in seiner Tiergeschichte bereits mehrere Arten beschrieben, darunter den Weißen Hai, den Fuchshai, den Hammerhai und den Katzenhai, Plinius der Ältere legt 300 Jahre später nach und stellt fest, dass diese Art ihre Jungen lebendig gebärt, wie die Walfische. Danach wurde es ein paar Jahrhunderte lang ruhig um die Beschreibung der Meerestiere, Wissenschaftler, Philosophen und Gelehrte seien nun mal keine Seeleute, schreibt Sarano: Sie seien prinzipiell "nicht auf den Ozeanen unterwegs, wo sich die Hölle befinden soll". In Europa kannte man vor allem die Angst vor Wolf und Bär, der Hai war weit weg. Ein Gemälde mit dem Titel "Watson und der Hai" änderte daran 1778 nur kurz etwas. Dargestellt ist ein Hai, der versucht, den jungen Brook Watson zu verschlingen. Watson, der spätere Oberbürgermeister von London, war tatsächlich von einem Hai gebissen worden. Saranos Buch wartet hier und da mit wirklich erstaunlichen Anekdoten auf, und er vergisst auch nicht, den Blickwinkel zu ändern: In Polynesien beherrscht Meeresgetier seit Menschengedenken die Mythologie. Pottwale, Schildkröten und natürlich Haie werden verehrt und dienen als Schutzgötter der Seeleute auf ihren gefährlichen Fahrten.
Erst als Wölfe, Bären und Tiger von der menschlichen Zivilisation zurückgedrängt und dezimiert wurden, entdeckte man den Hai als neues Lieblingsungeheuer. Schuld daran war der neu aufgekommene Strandtourismus. Im Juli 1916 werden an der Küste von New Jersey fünf Badende innerhalb weniger Tage von Haien getötet. Panik bricht sich Bahn, ein gefundenes Fressen für den Boulevard. Sechzig Jahre später zementiert Steven Spielbergs "Der weiße Hai" die Angst vor der Bestie aus der Tiefe. Ungezählt die Menschen, die deswegen nicht oder nur sehr verkrampft ins Meer steigen. 2006 zeigen Sarano und sein Team für den Film "Unsere Ozeane", dass man mit Weißen Haien Seite an Seite, ohne Käfig, schwimmen kann, wenn man sie respektiert und sich auf sie einlässt. So sind die atemberaubenden Bilder von Sarano mit Lady Mystery entstanden, einem fünf Meter langen weiblichen Weißen Hai - ein Moment, den der Ozeanograph als Augenblick größten Friedens beschreibt. Und sogar bewegte Bilder gibt es in diesem Reisebuch in Unterwasserwelten, in die die meisten Menschen nie vordringen werden: QR-Codes sind über die knapp 300 Seiten verteilt, mit einem Klick ist der Leser mittendrin in Haibegegnungen, die von größter Ruhe und Anmut zeugen. Ein wunderbares Plädoyer dafür, die Angst vor der Unterwasserwelt hinter sich zu lassen. bali
François Sarano: Wie man mit Haien schwimmt. Eine Liebeserklärung. Folio Verlag, 26 Euro.
Sehr zum Fürchten sind dagegen einige der Kurzgeschichten aus dem Band "Meer Morde". Die Anthologie versammelt Krimikurzgeschichten, darunter so gruselige wie "die tapferste Ratte von Venedig" der Altmeisterin Patricia Highsmith, eine Lektüre, von der man jungen Müttern mit Kinderbetreuungsbedarf unbedingt abraten muss. Die meisten Geschichten lassen den Leser jedoch mit einem schaurigen Lächeln zurück. Auch wenn die Storys gar nicht alle am Meer oder darin spielen, kurzweilig sind sie - genau richtig zwischen zwei Gängen ins Wasser. bali
Rotraud Schöberl (Hrsg.): Meer Morde. Kriminelle Geschichten im und am Wasser. Residenzverlag, 25 Euro.
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