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"Es beginnt mit einem Ticken. Irgendwo in den Tiefen des Pazifiks fängt es an, dann weitet es sich aus, über den gesamten Erdball. Noch ahnt niemand, was es bewirkt, und das ist gut so. Wüssten sie es, sie würden schreien vor Angst." Ein verschwundener Forscher, mysteriöse Kugeln aus Stein, ein Zeichen am Himmel - die Seismologin Ella Jordan steht vor einem Rätsel. Als sie sich zum tiefsten Punkt der Erde hinunterwagt, begleitet von einem Mann, der keine Vergangenheit zu haben scheint, beginnen die Ereignisse einen schrecklichen Sinn zu ergeben ...

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Produktbeschreibung
"Es beginnt mit einem Ticken. Irgendwo in den Tiefen des Pazifiks fängt es an, dann weitet es sich aus, über den gesamten Erdball. Noch ahnt niemand, was es bewirkt, und das ist gut so. Wüssten sie es, sie würden schreien vor Angst." Ein verschwundener Forscher, mysteriöse Kugeln aus Stein, ein Zeichen am Himmel - die Seismologin Ella Jordan steht vor einem Rätsel. Als sie sich zum tiefsten Punkt der Erde hinunterwagt, begleitet von einem Mann, der keine Vergangenheit zu haben scheint, beginnen die Ereignisse einen schrecklichen Sinn zu ergeben ...
Autorenporträt
Thiemeyer, Thomas
Thomas Thiemeyer, geboren 1963, studierte Geologie und Geographie, ehe er sich selbständig machte und eine Laufbahn als Autor und Illustrator einschlug. Mit seinen Wissenschaftsthrillern und Jugendbuchzyklen, die etliche Preise gewannen, sich über eine halbe Million Mal verkauften und in dreizehn Sprachen übersetzt wurden, ist er eine feste Größe in der deutschen Unterhaltungsliteratur. Thomas Thiemeyer ist Mitglied des Phantastik-Autoren-Netzwerks PAN. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2008

Was die Zoohandlung im Innersten zusammenhält

Mit dem Teufel und Walter Benjamin im Bunde: Michael Stavaric zählt zu den interessantesten Nachwuchsautoren aus Österreich. In seinem Roman "Magma" lässt er die Leser ganz ungeniert mit dem Bösen sympathisieren.

Vielleicht darf man sich den schreibenden Michael Stavaric wie einen Pyromanen vorstellen, der zum riesigen Sortiment von Feuerwerkskörpern endlich die dringend benötigte Packung Streichhölzer in die Finger bekommen hat. Hier zündet jemand in rasendem Tempo ziemlich viel auf einmal, es sprüht und glitzert, knallt und zischt, dass einem Hören und Sehen vergeht, und alles gerät in Fahrt. Stavaric schlägt aus der Sprache wilde Funken, so auch in "Magma", seinem dritten Roman.

Der 1972 in Brünn geborene Autor, dessen Eltern 1979 nach Österreich übersiedelten, war als Kind mit einem fremden Sprachumfeld konfrontiert, lernte also Deutsch, die Sprache, in der er heute schreibt. Die abrupte Konfrontation mit dem ungewohnten Klang muss die Wahrnehmung für die Sprache geschärft haben. Diesen Prozess hat der Autor in "Nkaah. Experimente am lebenden Objekt" (2008) eindrücklich poetisiert. Nach den Romanen "stillborn" (2006) und "Terminifera" (2007) sowie mehreren Preisen gilt Stavaric heute als einer der interessantesten österreichischen Nachwuchsautoren.

Während "stillborn" und "Terminifera" den Fokus auf die engeren Lebenszusammenhänge und die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten legten, holt Stavaric mit "Magma" weiter aus. Als Romanmotto hat er Verse aus "The Dream Before" von Laurie Andersons Album "Strange Angels" gewählt, der Walter Benjamins These IX aus "Über den Begriff der Geschichte" zitiert. Die musikalisch aktualisierte Form der Benjaminschen These lässt im Bild des Engels der Geschichte, in dem Fortschritt und Katastrophe zusammengedacht werden, Andersons Experimentalismus und die Suche nach spezifischen Klängen mitschwingen. Um solche Klänge ist es Stavaric in seinem Schreiben ebenfalls zu tun.

In "Magma" wird man zunächst mit einem offenbar allwissenden, namenlosen Ich-Erzähler konfrontiert, der sich zurück bis zu den Anfängen der Welt erinnert, über Schöpfungsmythen, untergegangene Kulturen und Riten, über Jahreszeiten und Dimensionen des Universums räsoniert, einen Parforceritt durch Fortschrittsmomente und Katastrophen der Menschheitsgeschichte unternimmt. Man hastet mit ihm durch einen dichten Ereigniswald, weiß zunächst nicht recht, wohin man geführt werden soll, und bekommt zwischendrin Shantys zu hören, mit denen Seemänner singend dem Untergang entgegenschippern.

Nach einem Drittel stellt sich heraus, dass es sich bei dem Erzähler um einen Zoohändler handelt, der womöglich zugleich der gealterte, gut getarnte Leibhaftige ist. Obwohl dieser findet, dass die Welt voller Wunder ist und er sie im Grunde mag, ist er derjenige, der stets das Gute will und stets das Böse schafft. Vor langer Zeit hat er "ein leises Ziehen verspürt, einen Herzschlag, der ihn weckte und ihn auf den Plan rief", und gemerkt: "Ich wollte eine Geschichte." Der mephistophelische Erzähler war Zeuge aller Zusammenbrüche, hat sich beim Bau der "Titanic" so unauffällig unter das Volk gemischt, wie er es in seiner gegenwärtigen Zoohändlerprofession tut. Und er hat eben nicht nur zugesehen, sondern kräftig am Rad der Geschichte gedreht. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei seine Wasserscheu. Wenn er mit dem Element in Berührung kommt, geschieht zwangsläufig ein Unglück. Verübeln kann man es dem gefallenen, einsamen und linkischen Engel nicht. Schließlich hat er unter anderem so Beglückendes wie die industrielle Herstellung der Schokolade auf dem Kerbholz. Außerdem ist ihm sein Tun nachher immer ein bisschen peinlich. Aber dafür war eben auch etwas los. So hat sich das Böse unaufhaltsam in der Welt ausgebreitet.

Oder hat der verschrobene Alte sich alles nur ausgedacht? Es braucht eingangs bei der Lektüre nicht nur eine gewisse Geduld, sondern durchgängig vor allem Gutgläubigkeit. Denn die Reihung bekannter und weniger bekannter Elemente dieser Schöpfungs- und Entwicklungsgeschichte macht insofern misstrauisch, als man viel weniger weiß als dieser sich allwissend gebende Erzähler, der einem vermeintliche Fakten nur so um die Ohren haut und mit lässiger Freude die Unmöglichkeit vorführt, nachzuprüfen, was hier als historische Faktizität behauptet wird. Und dieser schwadronierende, zur Unsterblichkeit verdammte Alte, der selbst wie ein Tier im Käfig einsam in seiner Zoohandlung sitzt und am liebsten mit seinem Hamster spricht, soll tatsächlich Zeuge und Motor so vieler Katastrophen sein?

Mit Hilfe des ambivalenten Protagonisten wird so im Lauf der Erzählung jenes Moment jeglicher Geschichtsschreibung immer deutlicher herausgearbeitet, in- dem man der Perspektivierung desjenigen ausgeliefert bleibt, der alles mit eigenen Augen gesehen haben will. Die Saat des Zweifels an jeglicher Überlieferung wird in "Magma" großzügig gesät. Allmählich dämmert einem, dass Willkür und Sprunghaftigkeit genaues Kalkül sind, ein Sprach- und Ereignisgewand ergeben, das nicht etwa nur der Figur des Alten exakt auf den Leib geschneidert ist.

Wie sein janusgesichtiger Zoohändler Mephisto jubelt auch Stavaric in circensischem Parlando dem Leser seine Geschichte mit all ihren Details quasi unter. Skurrile Pointen, der rasante Slalom zwischen prophetischen und umgangssprachlichen Ebenen und die Figur des Zoohändlers, mit der man sich durch die aufkommende Sympathie zwangsläufig auf die Seite des Bösen begibt und moralische Bedenken angesichts der Katastrophen fallenlässt, sind so präzise gemischt, dass man dem Sog des Textes verfällt, sich zunächst regelrecht davon überwältigen lässt. Doch allmählich werden scheinbar eindeutig auf den Erzähler bezogene Sätze doppeldeutig, so etwa: "Wenn einer mich fragt, der wahre Dämon bleibt die Neugier, der unersättliche Hunger nach den zahllosen flüchtigen Erscheinungen des Universums. Man lebt fortan mit der Lust, sie zu katalogisieren, ihnen die Flüchtigkeit zu nehmen, ihnen ihr Geheimnis zu rauben, alles in ein absonderliches systematisches Museum zu verwandeln. Ich glaube, das nennt man Fortschritt." Man liest sie mit dem Gefühl, ertappt worden zu sein. Wie der Zoohändler wollte und will man auch als Leser eine Geschichte, die ruhig katastrophisch sein darf, sofern das leidvolle Geschehen in sicherem Abstand bleibt.

So ist "Magma" mehr als eine Paraphrase der These Benjamins, das Buch setzt seine Problematik im Verfahren selbst um. Ist es zugeklappt, das Sprachfeuerwerk verglüht, bleiben nicht nur Asche und Rauch. Die Nachbilder, die "Magma" hervorzubringen vermag, befeuern die Skepsis gegenüber dem Geschichts- und Fortschrittsoptimismus, sensibilisieren den Zweifel an jeglicher Form kunstfertiger, gestenreicher Vermittlung und machen Lust auf eine Fortsetzung dieser Form des Erzählens. "Ich will Geschichte schreiben, auch jetzt noch", sagt der Alte am Ende. So schließt sich der Kreis des Textes und bleibt zugleich offen. Selten ist man von einer Lektüre derart charmant eingewickelt worden.

BEATE TRÖGER

Michael Stavaric: "Magma". Roman. Residenz Verlag, St. Pölten, Salzburg 2008. 248 S., geb., 19,90 [Euro].

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