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Lucia Binar gegen den Rest der Welt.
Lucia Binar ist 83, und sie ist verärgert. Die Große Mohrengasse, in der sie seit Langem lebt, soll aus Gründen der politischen Korrektheit in "Große Möhrengasse" umgetauft werden. Und die soziale Einrichtung, die sie versorgt, hat versagt: Ihr Essen wurde nicht geliefert. Der Telefondienst ist in ein Callcenter ausgelagert, dort rät ihr eine überforderte Mitarbeiterin, sich von Manner-Schnitten zu ernähren. Lucia ist empört. Sie will die Frau aufsuchen und zur Rede stellen.
Lucia Binar ist 83, und sie ist verärgert. Die Große Mohrengasse, in der sie seit Langem lebt, soll aus Gründen der politischen Korrektheit in "Große Möhrengasse" umgetauft werden. Und die soziale Einrichtung, die sie versorgt, hat versagt: Ihr Essen wurde nicht geliefert. Der Telefondienst ist in ein Callcenter ausgelagert, dort rät ihr eine überforderte Mitarbeiterin, sich von Manner-Schnitten zu ernähren. Lucia ist empört. Sie will die Frau aufsuchen und zur Rede stellen.
Vladimir Vertlib, geboren 1966 in Leningrad (St. Petersburg), emigrierte 1971 mit seiner Familie nach Israel. Später übersiedelte er nach Österreich, dann wieder zurück nach Israel, in die USA und schließlich wieder nach Österreich, wo er seit 1981 lebt. Er studierte Volkswirtschaftslehre in Wien und lebt heute in Salzburg und Wien. 2001 erhielt er den Förderpreis zum Adelbert-von-Chamisso-Preis sowie den Anton-Wildgans-Preis.
Produktdetails
- dtv Taschenbücher 14581
- Verlag: DTV
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 320
- Erscheinungstermin: 3. Juli 2017
- Deutsch
- Abmessung: 192mm x 120mm x 17mm
- Gewicht: 269g
- ISBN-13: 9783423145817
- ISBN-10: 3423145811
- Artikelnr.: 46971827
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Psychotherapeut ohne Waffenschein
Der österreichische Schriftsteller Vladimir Vertlib hat in seinem 2015 publizierten Roman «Lucia Binar und die russische Seele» nach der Migration als autobiografisch grundierte Thematik hier ein eher gesellschaftskritisches Thema aufgegriffen. …
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Psychotherapeut ohne Waffenschein
Der österreichische Schriftsteller Vladimir Vertlib hat in seinem 2015 publizierten Roman «Lucia Binar und die russische Seele» nach der Migration als autobiografisch grundierte Thematik hier ein eher gesellschaftskritisches Thema aufgegriffen. Seine Geschichte ist im zweiten Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt angesiedelt, einst Zentrum des jüdischen Lebens in Österreichs Hauptstadt. Aber auch hier prägen die russisch-jüdischen Wurzeln des Autors wieder seinen Erzählstoff, «Ich habe mich bemüht, die einzigartige, gleichsam irritierende wie inspirierende Atmosphäre des zweiten Bezirks in meinem Roman einzufangen». Die Nominierung für den Deutschen Buchpreis bedeutete für ihn, wie er bekannte, «eine große Bestätigung für mein Schreiben, die mir auch viel Kraft für die Zukunft gibt».
In zwei Handlungssträngen entwickelt Vladimir Vertlib seine amüsante Geschichte um eine 83jährige ehemalige Lehrerin, die von einem androgynen Wesen an der Wohnungstür um ihre Unterschrift für eine Petition gebeten wird. Lucia Binar ist empört, will doch eine örtliche Anti-Rassismus-Initiative aus falsch verstandener Political Correctness ernstlich die Große Mohrengasse, in der sie von Geburt an wohnt und auch zu sterben gedenkt, in große Möhrengasse umbenennen lassen. Die schlagfertige alte Dame verweigert mit bissigen Bemerkungen ihre Unterschrift und schickt den Aktivisten empört weg, nicht ohne das androgyne Wesen vorher noch nach seinem Vornamen gefragt zu haben. Moritz ist Student, und wie sich schon bald herausstellt, ein netter, hilfsbreiter Mensch, mit dem sie sich bald anfreundet und später sogar duzt. Und er steht ihr dann auch bei, als ihr gewissenloser Vermieter auf perfide Art versucht, durch kostenlose Überlassung bereits lange leerstehender, heruntergekommener Wohnungen an üble, asoziale Störenfriede die Altmieter aus dem Haus zu ekeln, um es nach einer Luxus-Sanierung dann teuer wieder neu vermieten zu können. Diese Handlungsebene wird von der resoluten Ich-Erzählerin mit dem wahrhaft denkwürdigen ersten Satz eingeleitet: «Wenn ich jetzt sterbe, dann kann ich damit leben».
Von einem auktorialen Erzähler werden in der zweiten Handlungsebene weitere zum Teil sehr skurrile Figuren eingeführt. Zu denen gehört auch die unfreundliche Call-Center-Dame, bei der sich Lucia Binar über die ausgebliebene Lieferung von ‹Essen-auf-Rädern› beschwert hatte. Mit der hat sie noch ein Hühnchen zu rupfen, weiß aber leider nur ihren Vornamen, und wie sich bald herausstellt, gibt es nicht weniger als sechs Mitarbeiterinnen mit dem Namen Christine. Die sucht sie nun alle nacheinander auf, wobei Moritz sie begleitet. In einem turbulenten, slapstickartigen Plot münden die eng ineinander verschlungenen Handlungsfäden in ein ins Absurde abgleitendes Finale, bei einer wahrlich aberwitzigen Séance ist Viktor Viktorowitsch Vint die zentrale Figur. Nach eigenem Bekunden «Magier, Vermittler von Selbsterfahrungen, Experte für die russische Seele, Psychotherapeut ohne Waffenschein, also ein Scharlatan auf hohem Niveau», oder, wie er an anderer Stelle beschrieben wird, «eine Mischung aus Rasputin und Wladimir Kaminer». Er erinnert den Leser ein bisschen an Bulgakows faunische Figur ‹Wolant› in «Meister und Margarita».
Mit viel schwarzem Humor und in den soziologischen Aspekten oft sarkastisch wird hier leichtfüßig eine Geschichte erzählt, deren realistische Komplexität aber im Verlauf immer deutlicher wird. Ziemlich störend sind die vielen eingestreuten Lyrik-Zitate, die sich einem eingeschworenen Prosaleser kaum erschließen können. Sogar die Protagonistin Lucia Binar ist lyrikbegeistert und vermag bei Gelegenheit jeweils einige passende Gedichtzeilen zu rezitieren. Größte Stärke des Romans ist jedenfalls diese zentrale Figur, die sich ebenso tapfer wie schlau allen Widrigkeiten entgegenstellt und schlagfertig niemandem eine - oft sarkastische - Antwort schuldig bleibt, man kommt aus dem Schmunzeln kaum noch raus als Leser
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Man stelle sich vor, jemand ärgert sich mal wieder über die political correctness – überall Menschen mit Migrationshintergrund, - innen und jetzt sollen auch noch die alten Straßennamen geändert werden. Und dann schreibt dieser jemand einen Roman und heraus kommt …
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Man stelle sich vor, jemand ärgert sich mal wieder über die political correctness – überall Menschen mit Migrationshintergrund, - innen und jetzt sollen auch noch die alten Straßennamen geändert werden. Und dann schreibt dieser jemand einen Roman und heraus kommt „Lucia Binar und die russische Seele“. So war zumindest mein Eindruck auf den ersten Seiten dieses Romans von Vladimir Vertlib. Und so ganz konnte ich diesen Eindruck bis zum Schluss nicht abschütteln, aber es steckt doch mehr dahinter.
Worum geht es also? Zunächst um Lucia Binar, eine alte Wienerin, deren Ziel es ist in der Wohnung in der Alten Mohrengasse zu sterben, in der sie ihr ganzes Leben gelebt hat. Dafür werden ihr aber einige Steine in den Weg gelegt. Unter anderem von Moritz, der im selben Haus wohnt, und die Straße umbenennen lassen will.
Dann geht es auch noch um Alexander, halb Russe, halb Baschkire und Muslim, der auch in Wien lebt und für einen großen Maestro arbeitet. Alexander ist schon fast klischeehaft russisch (Er sagt z.B. den schönen Satz „ Urals war nicht weit, höchstens dreißig Bahnstunden entfernt.“), aber eben auch nur fast. Er erzählt ein ziemliche bizarre Geschichte, die ich manchmal etwas langatmig fand. Aber auch das ist natürlich typisch russisch.
Am bizarrsten ist aber der Maestro, Vladimir Vladimirowitsch. Aus ihm wurde ich so gar nicht schlau.
Und so ist dann auch der ganze Roman – ein bizarres Roadmovie, das sich aber eigentlich gar nicht vom Fleck bewegt. Mal sehr lustig, mal aber auch sehr traurig und tiefgründig. Und oft ganz einfach absurd. Trotzdem dachte ich oft: Ist mir der Roman jetzt zu hoch? Oder interpretier ich zu viel rein?
Insgesamt also sehr schwer zu bewerten. Von mir gibt es 3,5 Sterne, auch wenn ich immer noch etwas verwirrt bin.
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