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Liz Moore is the author of the acclaimed novels Heft, recently optioned as a feature film, and The Unseen World, which was optioned for television. A winner of the 2014 Rome Prize in Literature, she lives in Philadelphia.

Produktbeschreibung
Liz Moore is the author of the acclaimed novels Heft, recently optioned as a feature film, and The Unseen World, which was optioned for television. A winner of the 2014 Rome Prize in Literature, she lives in Philadelphia.
Autorenporträt
Liz Moore is the author of the acclaimed novels Heft, recently optioned as a feature film, and The Unseen World, which was optioned for television. A winner of the 2014 Rome Prize in Literature, she lives in Philadelphia.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2020

Wo man zur Welt kommt, um zu scheitern

Zombies in der Zeitschleife: Liz Moore verknüpft in ihrem fulminanten Roman "Long Bright River" einen Kriminalfall mit der Geschichte einer kaputten Familie.

In den vergangenen drei Jahren sind in Philadelphia rund dreitausend Menschen an einer Überdosis gestorben. Vertreter des städtischen Gesundheitsamts schätzen, dass Zehntausende Einwohner süchtig nach Opioiden sind. Epizentrum der Krise ist ein Bezirk, welcher einst als Bastion der Arbeiterklasse bekannt war, inzwischen jedoch im Ruf steht, der größte Drogenmarkt der Ostküste zu sein - Kensington.

Nachdem 2017 die Rekordmarke von mehr als tausendzweihundert toten Junkies erreicht war, haben Vertreter der Stadt Initiativen gestartet, Maßnahmen ergriffen und Pläne geschmiedet, um die Misere in den Griff zu kriegen. Das magere Ergebnis: hundert Tote weniger im Folgejahr. Die Zahlen für 2019 liegen zwar noch nicht vor, aber von offizieller Seite lässt man verlauten, es sei kein großer Fortschritt zu erwarten.

Wer sich daranmacht, eine Geschichte zu erzählen, die in dieser Todeszone spielt, wandelt auf Sisyphos' Spuren. Denn in Kensington gleichen sich nicht nur die zugemüllten Brachflächen und verrammelten Fenster; auch die dort gestrandeten Fixer drehen sich irgendwann alle im selben Teufelskreis. Viele suchen einen Therapieplatz, schaffen es allerdings nicht, sich aus dem Netz deprimierender Wiederholungen freizukämpfen: Geld organisieren, Drogen beschaffen, ins Nirwana abdriften.

Die amerikanische Autorin Liz Moore, Jahrgang 1983, hat es auf sich genommen, für ihren vierten Roman "Long Bright River" in diesen Limbo zwischen Diesseits und Jenseits einzutauchen. Das Ergebnis gehört zum Besten, was die Kriminalliteratur in den vergangenen Jahren zu bieten hatte. Mickey, Anfang dreißig, arbeitet als Streifenpolizistin in Kensington. Sie hat das Zeug, nicht jedoch den Willen zur Ermittlerin, da sie während der täglichen Touren ihre kleine Schwester Kacey im Blick behalten möchte. Früher waren die beiden ein verschworenes Duo, heute reden sie nicht mehr miteinander. Kacey hat sich als Jugendliche ihre erste Überdosis gespritzt und findet seither keinen Weg aus jenem Abgrund zwischen Straßenstrich und Drogensucht, in dem sie langsam zu verschwinden droht. Dann ist sie eines Tages tatsächlich nicht mehr aufzufinden, während ein Serienkiller eine junge Prostituierte nach der anderen ermordet. Von hier an entfaltet sich die Story in zwei Richtungen: Zum einen blickt Mickey in die Vergangenheit und erzählt ihre nicht leicht zu verdauende Familiengeschichte, zum anderen schaut sie nach vorn, sucht ihre Schwester und jagt den Mörder.

Laufend stellt Moore ihr Gespür für Rhythmus und Sprachökonomie unter Beweis. Betritt Mickey ein ungeheiztes, verlassenes Haus, reicht eine gegen jede Intuition gebürstete Randbemerkung, um den Leser zu beunruhigen: "Kälte in geschlossenen Räumen ist meiner Meinung nach noch schneidender als die Kälte im Freien." Wenn sie anschließend Schritt für Schritt die Zimmer erkundet, entsteht der Eindruck, man verfolge Schnitt für Schnitt eine Filmsequenz.

Sie baut mehrere Sätze hintereinander gleich auf, wobei die daraus entstehende Monotonie signalisiert, dass bald der unweigerliche Kippmoment folgt: "In einem Badezimmer fehlen Klo und Wanne: Es sind nur noch zwei gähnende Löcher im Boden vorhanden. In einem Schlafzimmer sehe ich ein altes Sofa, einen Haufen Zeitschriften und gebrauchte Kondome herumliegen. In einem anderem liegt eine Matratze auf dem Boden, und an der Wand hängt eine Schiefertafel mit einer Kinderzeichnung."

Überhaupt die Kinder. Sie nehmen im Plot breiten Raum ein, sowohl konkret - Mickeys Verhältnis zu ihrem kleinen Sohn wird ausführlich geschildert - als auch metaphorisch: Nachdem der Roman mit einer Toten eingesetzt hat ("An dem Gleis entlang der Gurney Street liegt eine Leiche"), endet er mit der Geburt eines Babys ("Es öffnet den Mund. Es trinkt"). Gleichwohl beschreibt Moore damit keinen Bogen von furchtbarem Leid zu strahlender Hoffnung, denn das Neugeborene ist das Kind einer Heroinabhängigen.

Erst stößt es Klagelaute aus, dann kreischt es vor Schmerzen und erhält aus einer Pipette Medizin gegen die Entzugserscheinungen. Eine janusköpfige Szene, die uns daran erinnert, dass man in Kensington auf die Welt kommt, um zu scheitern. Wer sich wie Mickey dagegen auflehnt und tagein, tagaus den immer gleichen Kampf gegen Mörder und korrupte Kollegen kämpft, endet auf verlorenem Posten: "Mir fällt absolut niemand ein, den ich anrufen könnte, und schlagartig wird mir bewusst, wie unsäglich allein ich bin."

Dazu trägt entscheidend bei, dass sich die Figuren zum großen Teil an Nicht-Orten aufhalten. Mit diesem Begriff bezeichnet der französische Ethnologe Marc Augé Räume, die kaum zum Verweilen einladen, sondern als Durchgangsstationen fungieren. Es fehlt ihnen an Profil und Identität, sie sind anonym und lösen beim Besucher das Gefühl aus, zu vereinsamen. Verlassene Häuser, in denen sich Junkies einen Schuss setzen, das Polizeiauto, dessen Insassen sich während des Dienstes ausgeliefert sind, oder die McDonald's-Filiale, wo Mickeys Sohn seinen Geburtstag feiert: Moore versteht es vorzüglich, mit Hilfe des Schauplatzes die Stimmung herunterzuregeln. Schon nach wenigen Seiten mag der Leser Aristoteles' berühmtem Diktum nicht mehr beipflichten, wonach wir uns über den Zustand des Barbarentums erheben, sobald wir in der Stadt leben.

Die von Moore erzählte Geschichte spielt an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, sie ist bevölkert von bestimmten Figuren, die bestimmten Beschäftigungen nachgehen. Und doch wirkt das Geschehen wie eine perfekt komponierte Allegorie. Einmal sagt Kacey, Drogensucht fühle sich an wie eine Zeitschleife. Was sie verschweigt, ist, dass sie erst dann wirklich in Unendlichkeit aufgehoben sein wird, wenn sie stirbt. Für Mickey ist ihre Schwester längst eine Art Zombie: "Es fällt mir im Grunde sogar schwer, mir Kacey nicht tot vorzustellen." So handelt der Roman im Kern von dem verzweifelten Versuch, das erlöschende Lebenslicht einer wandelnden Toten wieder anzufachen.

KAI SPANKE

Liz Moore: "Long Bright River". Roman.

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.

C. H. Beck Verlag,

München 2020.

414 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.04.2020

Vom Fünf-Dollar-Muffin träumen
Streifendienst: Liz Moores Philadelphia-Roman „Long Bright River“
Mickey denkt oft, dass sie etwas falsch gemacht hat. Eine Chance verpasst, jemanden enttäuscht, in einer schwierigen Situation nicht richtig reagiert hat. Michaela „Mickey“ Fitzgerald ist Streifenpolizistin in Philadelphia, Anfang 30, alleinerziehend. In den Vierteln, durch die sie Patrouille fährt, haben Armut und Rauschgift ihre Spuren in der Stadt und den Menschen hinterlassen. Ganze Straßenzüge sind verlassen, in zugigen Ruinen hausen abgemagerte Gestalten auf der Suche nach Drogen, Sex und Schutz. Meist in dieser Reihenfolge. Polizisten wie Mickey kennen die Prostituierten, die ihren Körper für den nächsten Schuss verkaufen, die Hinterzimmer, in denen die Süchtigen unter Aufsicht ausnüchtern, und sie kennen die Dealer und Zuhälter in ihrem Viertel, als wären es Arbeitskollegen. Diese Streifen durch die schlechteren Gegenden Philadelphias wirken in Liz Moores Roman „Long Bright River“ wie eine letzte, verzweifelte Verwaltung des Elends, wie das Schauspiel staatlicher Präsenz in praktisch aufgegebenen Teilen der amerikanischen Gesellschaft.
Obwohl es am Anfang des Romans um eine Mordserie an Prostituierten geht, ist „Long Bright River“ nicht nur ein Krimi. Zu sehr treten die Ermittlungen – an denen Streifenpolizistinnen ohnehin kaum beteiligt werden – hinter das familiäre, kollegiale und soziale Beziehungsgeflecht der Figuren zurück. Ein Gesellschaftsroman, eine Studie des Polizei- und Drogenmilieus an der amerikanischen Ostküste, ist der Roman aber auch nur teilweise. Dafür ist die Perspektive Mickeys zu subjektiv, unzuverlässig und spezifisch. „Long Bright River“ ist Krimi und Gesellschaftsroman, vor allem aber eine ausführliche psychologische Studie seiner Hauptfigur.
Die Fahrten mit dem Streifenwagen durch die Problemviertel werden zu Reisen durch eine Seelenlandschaft, die Abende mit dem kleinen Sohn Thomas zu skizzenhaften Bildern eines Lebens, wie es sein könnte. Privates und Berufliches vermischt sich für Mickey untrennbar, als während der Mordserie ihre drogenabhängige Schwester Kacey spurlos verschwindet. Die Kapitel springen zwischen dieser trostlosen, wie geronnen Gegenwart und der Kindheit der beiden Schwestern, in der sich die triste Zukunft schon abzeichnete, zugleich aber alles möglich schien, vom Ausbruch aus der Armut bis zum Besuch eines privaten Colleges.
In präzise gearbeiteten Alltagsszenen zeigt der Roman die Welt, wie sie sich Mickey in ihrer Unvollkommenheit auch im kleinsten, etwa bei einem Coffeeshopbesuch, präsentiert. „Ich gönne mir kurz die Vorstellung eines anderen Lebens für Thomas und mich: an den Wochenenden herkommen, um Zeitung zu lesen. Die Zeit haben, ihm alles beizubringen, worauf er neugierig ist, ihm ein unbeschwertes und friedliches Leben zu bieten, ihm einen fetten Fünf-Dollar-Muffin aus der Vitrine vor mir zu bestellen oder einen Joghurt mit frischem Obst in einer blauen Keramikschale, wie sie der Junge hinter der Theke gerade einem Gast reicht.“
Selbst als Kind merkte sie schon während eines Theaterbesuchs, bei dem ihre Schwester fast eine Prügelei mit den Kindern aus den besseren Vierteln anfing, dass es nicht nur von ihr selbst abhängt, ob sie den vorgezeichneten Weg verlassen kann. Sehr subtil webt der Roman auf ähnliche Art den unterschwelligen Sexismus männlicher Kollegen ein, der in erster Linie der Grund dafür ist, dass Mickey so oft denkt, sie hätte etwas falsch gemacht.
In einer starken Szene kippt der Kindergeburtstag bei McDonald’s, weil Mickey nicht bedacht hat, dass die wohlhabenderen und gebildeteren Mütter der Schulfreunde ihres Sohnes den eigenen Kindern kein Fast Food zumuten wollen. Einmal trifft Mickey ihre ehemalige, schwarze Geschichtslehrerin aus der Highschool im Supermarkt und schämt sich dafür, Polizistin geworden zu sein. Das persönliche und soziale Gewebe der Welt besteht in Liz Moores Roman aus solchen kleinen Versäumnissen, Peinlichkeiten und Missgeschicken, die aber manchmal nur Anzeichen eines größeren Problems sind oder zu einem solchen heranwachsen können, wie ein unbedachter, betrunkener Kuss zwischen zwei Kollegen. Die Erzählerin Mickey ist die Stimme eines Menschen, der aus dem Streifenwagen auf die Stadt und ihre Probleme sieht, zugleich von ihnen getrennt und ein Teil von ihnen ist, der keine Zukunft, sondern nur eine missglückte Vergangenheit sehen kann.
Dass manches nur funktioniert, weil dem Leser Informationen lange vorenthalten werden, ist das Einzige, was dieser Roman falsch macht. Unter dem Deckmantel einer Kriminalgeschichte taucht er, ohne zu theoretisieren, einfach, indem er das Elend, die Aussichtslosigkeit, aber auch die Hoffnung am Beispiel Mickeys zeigt, tief hinab in die Probleme der amerikanischen Gesellschaft.
NICOLAS FREUND
Liz Moore: Long Bright River. Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. C.H. Beck, München 2020. 413 Seiten, 24 Euro.
„Ich gönne mir kurz die
Vorstellung eines anderen
Lebens für Thomas und mich:
an Wochenenden herkommen,
um Zeitung zu lesen …“
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