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Mit Anfang Dreißig hatte Ulrike Meinhof erreicht, wovon andere nur träumten: Sie war eine renommierte Journalistin, wohnte mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in einer Villa in Blankenese und gehörte zur linken Partyszene in Hamburg und Sylt. Vielen galt sie als Vorbild ihrer Zeit, und ihr Grundsatz lautete 1962 noch: »Schießenderweise verändert man nicht die Welt, man zerstört sie.« Doch 1970 ließ sie dieses Leben hinter sich, um in den Untergrund zu gehen und mit Andreas Baader und Gudrun Ensslin die Rote Armee Fraktion zu gründen. Von nun an galt sie als »Stimme der RAF« - und als…mehr

Produktbeschreibung
Mit Anfang Dreißig hatte Ulrike Meinhof erreicht, wovon andere nur träumten: Sie war eine renommierte Journalistin, wohnte mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in einer Villa in Blankenese und gehörte zur linken Partyszene in Hamburg und Sylt. Vielen galt sie als Vorbild ihrer Zeit, und ihr Grundsatz lautete 1962 noch: »Schießenderweise verändert man nicht die Welt, man zerstört sie.« Doch 1970 ließ sie dieses Leben hinter sich, um in den Untergrund zu gehen und mit Andreas Baader und Gudrun Ensslin die Rote Armee Fraktion zu gründen. Von nun an galt sie als »Stimme der RAF« - und als »Staatsfeind Nr. 1«.
Alois Prinz folgt ihren Lebensspuren von der Kindheit im »Dritten Reich«, dem Engagement in der Friedensbewegung, der Auseinandersetzung mit der Schuld der Deutschen für die Naziverbrechen, der Karriere als Journalistin bis zu ihrem Tod in Stammheim. Er erzählt von einem ungewöhnlichen Leben, das auch ein Stück deutsche Geschichte ist.
Autorenporträt
Alois Prinz, 1958 geboren, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in München und lebt heute mit seiner Familie in Kirchheim bei München. Er veröffentlichte Biografien über Hermann Hesse, Ulrike Meinhof, Franz Kafka, Dietrich Bonhoeffer und andere. 2012 erschien sein Buch Hannah Arendt oder Die Liebe zur Welt, das sich über 130.000 Mal verkaufte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003

Nur praktisch
Kann man Ulrike Meinhofs Leben der Jugend erzählen?

Eine der frühen Maximen der Roten Armee Fraktion klingt, wenn man nur das Wesentliche wegläßt, wie die Vorgabe für einen stimmungsvollen, aufgeräumten Entwicklungsroman: Ob es richtig ist, hängt davon ab, ob es möglich ist, ob es aber möglich ist, das ist nur praktisch zu ermitteln. Daß dieses Motto nicht über einer Bearbeitung des "Wilhelm Meister" steht, sondern am Anfang eines politischen Manifests, und daß jenes "es", dessen Richtigkeit da von der Möglichkeit abhängt, der bewaffnete Kampf in den Metropolen Mitteleuropas war, macht den ganzen Unterschied zur Lebensweisheit. An diesem sind Leute gestorben.

Was auch immer politische Schwärmerei zwischen Schlageter und Guevara sich darüber vorlügt: Sterben hat nichts mit Konsequenz zu tun oder mit der Relation von Zwecken und Mitteln, sondern ist ihre Verneinung: Jede Entwicklung, jeder Sinn und Zweck werden abgeschnitten. Sterben lehrt nichts, wer etwas anderes behauptet, lehrt Unfug (siehe die, wie sagt man doch: Rezeptionsgeschichte der Leiden Werthers).

Von Jugendbüchern aber wird erwartet, daß man aus ihnen etwas lernen kann. Läßt sich also, wenn man das oben Gesagte im Sinn behält, über Ulrike Marie Meinhof, die aus politischem Anlaß gestorben ist, ein Jugendbuch schreiben? Das gelungene Buch "Lieber wütend als traurig. Die Lebensgeschichte der Ulrike Marie Meinhof" von Alois Prinz zeigt nicht nur, daß das geht, sondern daß es sogar einfach (wenn auch nicht leicht) ist: Man muß eben deutlich machen, daß es das Leben der Dargestellten ist, dem man Gewicht beimißt, nicht ihr Tod - daß es auch anders hätte kommen können und Ulrike Meinhof nicht einen Kompromiß zuviel hätte eingehen müssen, um länger am Leben zu bleiben.

Die traurigste Figur im Geschichtsprozeß ist die des oder der Spätberufenen: "Ulrike Meinhofs Namen verbindet man oft mit der 68er Bewegung, die als ein Aufstand von Studenten, eine Rebellion der jungen Generation gilt", schreibt Alois Prinz. "Dabei vergißt man leicht, daß Ulrike Meinhof damals nicht mehr jung war." Widerstand gegen den Nationalsozialismus konnte sie nicht mehr leisten, der hatte seinen Krieg verloren; an der neuen Bewegung so teilnehmen, wie man an Jugendbewegungen teilnimmt, konnte sie aus dem von Prinz genannten Grund auch nicht, und die militanten Aktionsformen hatten vor ihr andere erprobt; sie kam gerade rechtzeitig, sie begründen zu dürfen.

Das Buch von Prinz teilt mit seinem Gegenstand dieses Moment des Späten, insofern es neben anderem auch eine längst adressatenlose Antwort an jene Kritiker der RAF aus der Linken ist, die im bewaffneten Kampf bloß "anarchistisches Abenteurertum" sehen konnten, das den Staat zu verschärfter Repression einlud. Er war mehr: Er war die Frage an die übrige Linke, wie ernst sie es mit ihrer Politik meine.

Prinz verdeutlicht, daß Meinhofs Weg weniger von der vorhandenen staatlichen Reaktion als von der fehlenden Antwort auf diese sehr berechtigte Frage bestimmt wurde. Katastrophal war, daß sie als Fragezeichen einen apolitischen Todesmut setzte, den sie "Praxis" taufte - Prinz versucht nicht, zu erraten, wie das psychologisch geschah, auch das Ertragen der Nichtbeschreibbarkeit ist eine seiner Künste. Zu jedem historischen oder biographischen Zeitpunkt ist mehr möglich, als praktisch zu ermitteln: Das zeigt er, wo er Leerstellen zeigt. Politik, die "Konsequenz" fetischisiert, zwingt ihre besten Leute, den Unsinn zu glauben, eine Theorie oder Praxis würde dadurch richtiger, daß wer bereit ist, dafür das Leben zu riskieren. Ist Unbeugsamkeit eine Tugend? Er habe sein Rückgrat nicht zum Zerbrechen, sagt Brechts Herr Keuner - ein vorbildlicher Kommunist.

DIETMAR DATH

Alois Prinz: "Lieber wütend als traurig. Die Lebensgeschichte der Ulrike Marie Meinhof". Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2003. 328 S., geb., 19,- [Euro]. Ab 14 J.

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