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Die Geschichte vergisst das Ungesühnte nicht. Missouri, Sommer 1929. In einer Kleinstadt sterben 42 Menschen, als es eines Nachts bei einer Tanzveranstaltung zu einer gewaltigen Explosion kommt. Es gibt viele Gerüchte über die Tragödie, doch die wahren Ursachen kommen nie ans Tageslicht, und als kurz darauf die Große Depression über das Land hereinbricht, scheint alles zu verblassen. Nur eine Person lassen die Ereignisse nicht los, die Haushälterin Alma DeGeer Dunahew. Sie hat ihre Schwester Ruby in den Flammen verloren und glaubt nicht an einen Unfall. Aber als sie Nachforschungen anst...
Die Geschichte vergisst das Ungesühnte nicht. Missouri, Sommer 1929. In einer Kleinstadt sterben 42 Menschen, als es eines Nachts bei einer Tanzveranstaltung zu einer gewaltigen Explosion kommt. Es gibt viele Gerüchte über die Tragödie, doch die wahren Ursachen kommen nie ans Tageslicht, und als kurz darauf die Große Depression über das Land hereinbricht, scheint alles zu verblassen. Nur eine Person lassen die Ereignisse nicht los, die Haushälterin Alma DeGeer Dunahew. Sie hat ihre Schwester Ruby in den Flammen verloren und glaubt nicht an einen Unfall. Aber als sie Nachforschungen anstellt und dabei an der fragilen Ordnung der Stadt rüttelt, wird Alma mehr und mehr ausgegrenzt. Sie verliert ihre Arbeit und entfremdet sich von ihrer Familie. Erst vierzig Jahre später wird sie ihre eigene Wahrheit über jene Nacht enthüllen. Über ihre schöne, verführerische Schwester, die sich damals auf eine verhängnisvolle Affäre einließ, und einen Sommer, der niemals endete ... In seinem neuen Roman entwirft Daniel Woodrell einen literarischen Indizienprozess. Meisterhaft verwebt er einzelne Schicksalsfäden zu einer bewegenden Geschichte über jene Wahrheit, der man sich stellen muss, auch wenn man ahnt, dass sie einem am Ende das Herz bricht.
Daniel Woodrell, 1953 geboren, wächst in St. Louis und Kansas City auf. Mit siebzehn verlässt er die Highschool und meldet sich bei den Marines. Nach dem College nimmt er am renommierten Iowa Writers' Workshop teil. Sein Romandebüt 'Cajun Blues' erscheint 1986. Für den Roman 'Tomato Red' erhält er 1999 den Preis des amerikanischen P.E.N., im selben Jahr verfilmt Ang Lee seinen Roman 'Wer mit dem Teufel reitet'. 2010 wird die Verfilmung von 'Winters Knochen' beim Sundance Film Festival als bester Film ausgezeichnet und für vier Oscars nominiert. Daniel Woodrell lebt mit seiner Frau in Missouri.
Peter Torberg, geboren 1958 in Dortmund. Er übersetzte u.a. Oscar Wilde, Mark Twain, Raymond Federman, Michael Ondaate, Rudyard Kipling und für DuMont James Coltrane und James Buchan.
Peter Torberg, geboren 1958 in Dortmund. Er übersetzte u.a. Oscar Wilde, Mark Twain, Raymond Federman, Michael Ondaate, Rudyard Kipling und für DuMont James Coltrane und James Buchan.
Produktdetails
- Verlag: Liebeskind
- Originaltitel: The Maid's Version
- Seitenzahl: 192
- Erscheinungstermin: 28. Januar 2014
- Deutsch
- Abmessung: 182mm x 112mm x 18mm
- Gewicht: 264g
- ISBN-13: 9783954380213
- ISBN-10: 3954380218
- Artikelnr.: 40026571
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
"Daniel Woodrell ist ein großer amerikanischer Erzähler." -- STUTTGARTER ZEITUNG
Dieser Kleinstadt entkommt keiner
Die Explosion war meilenweit zu hören, sie tötete Dutzende Unschuldige, die beim Tanzen waren. Daniel Woodrell nimmt uns gefangen mit einem bis heute ungesühnten Fall.
Am 13. April 1928 flog in West Plains, Missouri eine Tanzhalle in die Luft. Siebenunddreißig Tote, zwanzig so zerfetzt, dass sie nicht identifiziert werden konnten, zweiundzwanzig Schwerverletzte waren zu beklagen; wie es zu der Explosion kam, ist bis heute Gegenstand von Spekulationen. Möglicherweise ein Selbstmord des Automechanikers, dessen Werkstatt unter dem Tanzlokal lag.
Das 12000 Einwohner zählende Städtchen West Plains ist die Heimat des Schriftstellers Daniel Woodrell, einem der besten Krimiautoren,
Die Explosion war meilenweit zu hören, sie tötete Dutzende Unschuldige, die beim Tanzen waren. Daniel Woodrell nimmt uns gefangen mit einem bis heute ungesühnten Fall.
Am 13. April 1928 flog in West Plains, Missouri eine Tanzhalle in die Luft. Siebenunddreißig Tote, zwanzig so zerfetzt, dass sie nicht identifiziert werden konnten, zweiundzwanzig Schwerverletzte waren zu beklagen; wie es zu der Explosion kam, ist bis heute Gegenstand von Spekulationen. Möglicherweise ein Selbstmord des Automechanikers, dessen Werkstatt unter dem Tanzlokal lag.
Das 12000 Einwohner zählende Städtchen West Plains ist die Heimat des Schriftstellers Daniel Woodrell, einem der besten Krimiautoren,
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die zurzeit unterwegs sind. Auch mit seinem neunten Roman - dem ersten seit dem auch verfilmten Roman "Winters Knochen" von 2006 - bleibt er also einem seiner Stammgelände treu. Der 1953 geborene Nachfahre irisch-schottischer Einwanderer ist zum Dichter der Ozarks geworden, einem Hochplateau in den Bergen Missouris. Hier leben die nicht so glanzvollen Amerikaner, der white trash, zumal in der Zeit, in der Woodrell seinen Roman "In Almas Augen" spielen lässt, während der Großen Depression (bei Woodrell findet die Explosion 1929 in einem Ort namens West Table statt). Für die Titelheldin hat sich der Autor bei seiner Großmutter bedient, die zum Tatzeitpunkt dort als Dienstmädchen arbeitete.
Im Roman wie im richtigen Leben ist das Ereignis nie aus dem kollektiven Bewusstsein der Kleinstadt verschwunden. Vom Täter fehlt auch Jahrzehnte später jede Spur, auch ein Motiv ist nicht erkennbar. Gleichwohl gibt es zunächst jede Menge Verdächtige sowie eine Reihe von Bürgern, die sich selbst bezichtigen - so tief ist die Wunde, so traumatisierend, dass sie Jahrzehnte nicht verheilen will. Verstrickt sind in West Table alle, familiär, geschäftlich, nachbarschaftlich.
Traumatisiert ist auch Alma DeGeer Dunahew, die bei der Explosion ihre Schwester Ruby verlor. Und im Gegensatz zu allen anderen, weiß Alma, was sich zugetragen hat, oder zumindest glaubt sie, im Besitz der Wahrheit zu sein. Es dauert viele Jahre, bis sie scheibchenweise mit ihrer Version der Geschichte herausrückt. Sie tut es gegenüber ihrem zwölfjährigen Enkel Alek, im Sommer 1965. Die alte Frau mit ihrem bodenlangen Haar ist Alek unheimlich, aber auch er erkennt im Rückblick: "Alma DeGeer Dunahew war mit ihrer verkniffenen, feindlichen Natur, ihren dunklen Obsessionen und ihrem grundlegenden Verlangen nach Rache das große rote Herz unserer Familie, das wir geheim hielten und das uns Kraft gab."
Alek fungiert denn auch als Ich-Erzähler, kommt aber nur unregelmäßig zum Einsatz, weil Woodrell das Pferd multiperspektivisch von einem allwissenden Erzähler aufzäumen lässt. Der sieht von unten und oben auf das weitläufige Personal dieser Geschichte, blickt in Familienabgründe, in Leidenschaften, Gier, Armut, Hunger und die ungleiche Verteilung irdischer Güter in West Table. Wie so viele Kleinstädte ist das Städtchen zur Beute weniger einflussreicher und finanzstarker Clans geworden, die sich ohne politische Legitimation anmaßen, die Geschicke ihrer Mitmenschen zu bestimmen. Sie stellen sicher, dass der amerikanische Traum nur ein Köder bleibt, den die Leute schlucken, bevor sie begreifen, dass sie am Haken hängen.
Woodrells Romane hat man mit den Etiketten "southern noir" oder "country noir" belegt, der Autor selbst kann mit solchen Zuschreibungen wenig anfangen. Dass seine Bücher dem Genre zugeschlagen werden, zeigt nur, wie dehnbar der Magen heutiger Krimileser ist. Handelt es sich doch vielmehr um ein historisches Gesellschaftsporträt. Dass es von der ersten bis zur letzten Seite spannend nicht an Zug verliert, verdankt sich dem Können eines Autors, der schon mal in die Nachfolge Faulkners gerückt wird. Woodrell kann kurze, trickreiche Plots, und er kann verdichten, weil er Poesie und Umgangssprache zu einem Sound verknüpft, der einen hohen Wiedererkennungswert hat. Gleich auf der ersten Seite beschreibt Woodrell Almas Haare, die sie sich, nachdem sie vorübergehend dem Irrsinn anheimgefallen war, nie mehr schnitt: "Das Haar war weiß, mit Grau verschmiert, die Farbe einer Zeitung, die im Regen liegt, bis die Schlagzeilen über das Papier geflossen sind."
Die einfältige und die durchtriebene Schwester - da klingen auch Märchenmotive an. Alma, die Dienstmagd, Ruby, das leichte Mädchen, das sich von wechselnden Männern aushalten lässt und das "Romantik" und nicht Prostitution nennt. Dass Ruby Arthur Glenncross um den Verstand bringt, den örtlichen Bankdirektor, in dessen Diensten Alma steht, hat sehr viel mit dem Ausgang der Geschichte zu tun, die sich um die Täterfrage lange Zeit nicht zu kümmern scheint.
Für die schmalen, großen Romane von Daniel Woodrell aber gilt, was sein Erzähler Alek über Alma sagt: "Sie setzte mir Bilder in den Kopf, wo sie epische Ausmaße annahmen und nie mehr verblassten."
HANNES HINTERMEIER
Daniel Woodrell: "In Almas Augen". Roman. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2014. 192 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Roman wie im richtigen Leben ist das Ereignis nie aus dem kollektiven Bewusstsein der Kleinstadt verschwunden. Vom Täter fehlt auch Jahrzehnte später jede Spur, auch ein Motiv ist nicht erkennbar. Gleichwohl gibt es zunächst jede Menge Verdächtige sowie eine Reihe von Bürgern, die sich selbst bezichtigen - so tief ist die Wunde, so traumatisierend, dass sie Jahrzehnte nicht verheilen will. Verstrickt sind in West Table alle, familiär, geschäftlich, nachbarschaftlich.
Traumatisiert ist auch Alma DeGeer Dunahew, die bei der Explosion ihre Schwester Ruby verlor. Und im Gegensatz zu allen anderen, weiß Alma, was sich zugetragen hat, oder zumindest glaubt sie, im Besitz der Wahrheit zu sein. Es dauert viele Jahre, bis sie scheibchenweise mit ihrer Version der Geschichte herausrückt. Sie tut es gegenüber ihrem zwölfjährigen Enkel Alek, im Sommer 1965. Die alte Frau mit ihrem bodenlangen Haar ist Alek unheimlich, aber auch er erkennt im Rückblick: "Alma DeGeer Dunahew war mit ihrer verkniffenen, feindlichen Natur, ihren dunklen Obsessionen und ihrem grundlegenden Verlangen nach Rache das große rote Herz unserer Familie, das wir geheim hielten und das uns Kraft gab."
Alek fungiert denn auch als Ich-Erzähler, kommt aber nur unregelmäßig zum Einsatz, weil Woodrell das Pferd multiperspektivisch von einem allwissenden Erzähler aufzäumen lässt. Der sieht von unten und oben auf das weitläufige Personal dieser Geschichte, blickt in Familienabgründe, in Leidenschaften, Gier, Armut, Hunger und die ungleiche Verteilung irdischer Güter in West Table. Wie so viele Kleinstädte ist das Städtchen zur Beute weniger einflussreicher und finanzstarker Clans geworden, die sich ohne politische Legitimation anmaßen, die Geschicke ihrer Mitmenschen zu bestimmen. Sie stellen sicher, dass der amerikanische Traum nur ein Köder bleibt, den die Leute schlucken, bevor sie begreifen, dass sie am Haken hängen.
Woodrells Romane hat man mit den Etiketten "southern noir" oder "country noir" belegt, der Autor selbst kann mit solchen Zuschreibungen wenig anfangen. Dass seine Bücher dem Genre zugeschlagen werden, zeigt nur, wie dehnbar der Magen heutiger Krimileser ist. Handelt es sich doch vielmehr um ein historisches Gesellschaftsporträt. Dass es von der ersten bis zur letzten Seite spannend nicht an Zug verliert, verdankt sich dem Können eines Autors, der schon mal in die Nachfolge Faulkners gerückt wird. Woodrell kann kurze, trickreiche Plots, und er kann verdichten, weil er Poesie und Umgangssprache zu einem Sound verknüpft, der einen hohen Wiedererkennungswert hat. Gleich auf der ersten Seite beschreibt Woodrell Almas Haare, die sie sich, nachdem sie vorübergehend dem Irrsinn anheimgefallen war, nie mehr schnitt: "Das Haar war weiß, mit Grau verschmiert, die Farbe einer Zeitung, die im Regen liegt, bis die Schlagzeilen über das Papier geflossen sind."
Die einfältige und die durchtriebene Schwester - da klingen auch Märchenmotive an. Alma, die Dienstmagd, Ruby, das leichte Mädchen, das sich von wechselnden Männern aushalten lässt und das "Romantik" und nicht Prostitution nennt. Dass Ruby Arthur Glenncross um den Verstand bringt, den örtlichen Bankdirektor, in dessen Diensten Alma steht, hat sehr viel mit dem Ausgang der Geschichte zu tun, die sich um die Täterfrage lange Zeit nicht zu kümmern scheint.
Für die schmalen, großen Romane von Daniel Woodrell aber gilt, was sein Erzähler Alek über Alma sagt: "Sie setzte mir Bilder in den Kopf, wo sie epische Ausmaße annahmen und nie mehr verblassten."
HANNES HINTERMEIER
Daniel Woodrell: "In Almas Augen". Roman. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2014. 192 S., geb., 16,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Sehr zufrieden ist Christoph Schröder mit dem neuen Roman von Daniel Woodrell, der hierzulande mit seinem Roman "Winters Knochen" auch einem größeren Publikum bekannt wurde. Auslösendes Moment von "In Almas Augen" ist die Katastrophe einer 1929 von einer großen Explosion heimgesuchten Vergnügungshalle in einer amerikanischen Kleinstadt, erklärt der Rezensent: Nur eine Frau ist sich sicher, die Wahrheit hinter dem ungeklärten Ereignis zu kennen - und zahlt dafür den Preis sozialer Isolation. Ganz hervorragend findet der Rezensent weniger die Geschichte als solche, sondern Woodrells Erzähltechnik, die das Geschehen mittels zahlreicher Zeitsprünge mosaikartig ausbreitet, aber dennoch eine hohe Lesbarkeit garantiert. Noch mehr bestaunt er allerdings das Gespür des Autors für soziale Ungleichheiten: Man erfährt hier nicht nur viel über die USA vor der Weltwirtschaftskrise, sondern auch in Form zahlreicher "feiner Porträts" über die Menschen dieser Zeit, so Schröder. Das ergebe allemal einen "spannenden Roman", dessen Härte immer wieder auch genügend Raum für zärtliche Passagen lässt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der amerikanische Autor Daniel Woodrell wird gerne als der Erfinder des Southern bzw. Country Noir bezeichnet und ist ein Chronist, der seine Leser, wie bereits in „Winters Knochen“ und „Der Tod von Sweet Mister“, auch in seinem neuesten Roman „ In Almas Augen“ an …
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Der amerikanische Autor Daniel Woodrell wird gerne als der Erfinder des Southern bzw. Country Noir bezeichnet und ist ein Chronist, der seine Leser, wie bereits in „Winters Knochen“ und „Der Tod von Sweet Mister“, auch in seinem neuesten Roman „ In Almas Augen“ an dem Alltag in den Ozarks, Missouri teilhaben lässt. Woodrells Schilderungen haben glücklicherweise aber nichts mit den idyllischen Beschreibungen der deutschen Regio-Krimis gemein, sondern beschreiben schonungslos das Leben und Sterben, das Elend, die Bigotterie und die geplatzten Träume der Menschen, die oft schon seit Generationen in diesem Landstrich leben. Diesen Menschen setzt er mit seinen Romanen ein Denkmal.
Auch Daniel Woodrell kommt von dieser Gegend nicht los und ist mittlerweile wieder in West Plains, Missouri heimisch geworden. In einem Interview mit Dwyer Murphy für „Guernica“ führt der Autor aus, dass „In Almas Augen“ ein reales Ereignis zugrunde liegt und er ein stückweit die Historie seiner Familie, in diesem Fall seiner Großmutter, eingearbeitet hat.
Alma deGeer Dunahew kennt ihren Platz im Leben. Sie arbeitet als Dienstmagd im Hause des Bankiers Glencross in der Kleinstadt West Table, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen und das Leben der meisten Bewohner von Armut und Entbehrung geprägt ist. Ihre Schwester Ruby erwartet mehr vom Leben, aber das einzige Pfund, mit dem sie wuchern kann, ist ihr gutes Aussehen, das sie auch nicht zögert, bei ihren zahlreichen Männerbekanntschaften einzusetzen.
Im Frühsommer 1929 vergnügt sie sich, wie der Großteil der Bevölkerung in der Arbor Dance Hall beim Tanz, aber jener Abend endet in einer Brandkatastrophe, die nicht nur Ruby, sondern auch weitere zweiundvierzig Menschen das Leben kosten wird. Die nachfolgenden Untersuchungen des Unglücks liefern die unterschiedlichsten Ergebnisse, aber es scheint, dass niemand aus den verschiedensten Gründen daran interessiert ist, den Schuldigen zu entlarven.
Lediglich Alma geht gegen das kollektive Schweigen vor, denn sie möchte den Tod ihrer Schwester gesühnt wissen, aber ihre Nachforschungen werden nicht gerne gesehen. Sie ist traumatisiert, wird zur Außenseiterin, verliert fast den Verstand, und es braucht eine lange Zeit, bis sie das Geschehene verarbeitet hat und ihrem Enkelsohn erzählen kann.
Der Autor lässt seine Protagonistin nicht linear erzählen, sie springt in einer langen Zeitspanne vor und zurück, wobei immer wieder andere Ausschnitte des Lebens in den Ozarks gezeigt werden. Biografisches mischt sich mit historischen Fakten, wobei lediglich Bruchstücke aneinandergereiht werden. Aber genau das macht Woodrells meisterhaften Stil aus, der es dem Leser überlässt, die Leerräume zu füllen. Jedes einzelne Wort wird aufgesaugt, und so reichen ihm 188 Seiten völlig aus, um nicht nur Alma eine Stimme zu geben, sondern auch das Soziogramm dieser Kleinstadt in den Ozarks zu erstellen.
Daniel Woodrell ist ein Ausnahmeerzähler, und wie alle seine bisherigen Romane ist auch „In Almas Augen“ ein klarer Favorit für mein Buch des Jahres!
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»Es war ein drückend heißer Tag, dunkel von einem unheilvollen Sturm, der sich über uns zusammenbraute, und wir saßen auf ihrer kleinen Veranda im Wind, um dem lebhaften Geschehen am Himmel zuzuschauen. Grelle Blitze kerbten die Sturmwolken, Donner grollte. Almas Kleid …
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»Es war ein drückend heißer Tag, dunkel von einem unheilvollen Sturm, der sich über uns zusammenbraute, und wir saßen auf ihrer kleinen Veranda im Wind, um dem lebhaften Geschehen am Himmel zuzuschauen. Grelle Blitze kerbten die Sturmwolken, Donner grollte. Almas Kleid flatterte, sie hatte die Augen zusammengekniffen, starrte in die Ferne und wählte listigerweise genau diese tosende Stunde, um mir zum ersten Mal von der Explosion in der Arbor Dance Hall zu berichten, bei der 1929 zweiundvierzig Tanzende aus diesem kleinen Nest in den Ozarks von Missouri ihr Leben verloren hatten, Walzer tanzende Paare, die mitten im Takt umgekommen und in einem rosafarbenen Nebel zum Himmel geweht waren, gejagt von turmhohen Flammen. … Dutzende Menschen wurden verstümmelt und verbrannt, bis ihnen die Haut vom Fleisch schmolz. Die Schreie aus den Trümmern und Flammen sollten in den Ohren jener, die sie hörten, nie wieder verklingen, Schreie von brennenden Nachbarn, Freunden, Geliebten und Verwandten – wie meiner Großtante Ruby. So viele junge Menschen starben oder wurden für ihre Leben gezeichnet, und sie alle kamen aus diesem Städtchen von nur viertausend Einwohnern. Das führte zu einem Schock, zu einem lauten Aufschrei nach Gerechtigkeit. Verdächtigungen wurden geäußert, Drohungen ausgesprochen, ein Mob scharte sich zusammen, aber für all die Wut gab es kein offenkundiges Ziel. Mögliche Erklärungen für die Explosion waren so zahlreich wie widersprüchlich und blieben ohne überzeugende Beweise, sodass sich die offiziellen Ermittlungen kraftlos und stockend in einem weiten Kreis drehten, um schließlich in aller Heimlichkeit eingestellt zu werden. Niemand wurde je angeklagt oder verurteilt, und die achtundzwanzig nicht identifizierbaren Toten wurden gemeinsam unter einem monumentalen Engel begraben, der drei Meter hoch war und im Laufe der Jahre von der Kälte, der Hitze und dem peitschen Regen langsam schwarz wurde.«
Mehr als vierzig Jahre nach dieser furchtbaren Nacht erzählt eine Großmutter ihrem Enkel davon, berichtet ihm die Wahrheit, so wie sie sie erlebt hat. Alma verlor bei dem Unglück ihre Schwester und glaubt auch zu wissen, wer für die Explosion verantwortlich war. Ihr Versuch, Nachforschungen anzustoßen, endete damit, dass sie ihre Arbeit verlor und immer mehr aus der Gesellschaft ausgegrenzt wurde. Weitere Schicksalsschläge werden sie treffen und fast um den Verstand bringen. Sie wird sich mit ihrer Familie überwerfen und erst spät, ihrem Enkel gegenüber, ihr Schweigen wieder brechen.
Dieser Enkel ist der Erzähler der Geschichte und er berichtet nicht nur das, was er von seiner Großmutter Alma erfuhr. Schon sein Vater hat in wesentlichen Punkten eine andere Sicht der Dinge und beim Lesen tun sich noch diverse Möglichkeiten auf, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Nicht ohne Grund gab es von den Überlebenden und Trauernden die unterschiedlichsten Verdächtigungen!
Wie in einem Puzzle werden immer wieder neue Aspekte enthüllt, werden neue Personen eingeführt, die durchaus an dem Unglück beteiligt gewesen sein können. Ich ertappte mich dabei, mal den zu verdächtigen, dann den…
So zeichnet der Autor das Bild einer amerikanischen Kleinstadt mit all ihren Facetten und Vorurteilen, mit Menschen, die irgendwie versuchen, ihr Leben zu leben und manches Mal daran scheitern. Mit Geheimnissen, begangenen Fehlern und Ängsten. All das so lebendig beschrieben, dass man gerne dranbleibt bis am Ende – endlich – alle Fäden zusammenlaufen.
»1989 fing der Schwarze Engel, der über den nicht identifizierten Toten wachte, an zu tanzen. Leute, die Kränze ablegen wollten, sahen, wie der Engel ein wenig mit den Hüften wackelte, und riefen nach weiteren Augenzeugen; tatsächlich gab es bald etliche Beobachter des himmlischen Tanzes.... Der Schwarze Engel stand dort oben und hielt eine Fackel in der Hand, wohl für den Fall, dass die Wahrheit in der Dunkelheit vorbeischleichen wollte. Auch die Flamme war inzwischen schwarz geworden.«
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