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Wie kann man ein besserer Vater als der eigene werden?Michael Lentz erinnert sich in »Heimwärts« an die unheimlichen Jahre der alten Bundesrepublik. Zwischen Apfelkuchen und Zorn, zwischen Matchboxautos und Metaphysik spielt sich in seinem neuen Roman eine westdeutsche Kleinstadt-Kindheit ab. Regelmäßig rutscht dem Vater die Hand aus, oder man begegnet sich wortlos im Haus. Es gibt viel zu essen, und die Mutter sorgt für Ordnung und schlechtes Gewissen. Unterbrochen werden die Erinnerungen von der Stimme eines Kindes, das die alte Bundesrepublik nur noch vom Hörensagen kennt und mit all...
Wie kann man ein besserer Vater als der eigene werden?
Michael Lentz erinnert sich in »Heimwärts« an die unheimlichen Jahre der alten Bundesrepublik. Zwischen Apfelkuchen und Zorn, zwischen Matchboxautos und Metaphysik spielt sich in seinem neuen Roman eine westdeutsche Kleinstadt-Kindheit ab. Regelmäßig rutscht dem Vater die Hand aus, oder man begegnet sich wortlos im Haus. Es gibt viel zu essen, und die Mutter sorgt für Ordnung und schlechtes Gewissen. Unterbrochen werden die Erinnerungen von der Stimme eines Kindes, das die alte Bundesrepublik nur noch vom Hörensagen kennt und mit all dem alten Kram heute nicht mehr viel anfangen kann.
Seit »Muttersterben« erzählt Michael Lentz virtuos von Herkunft und Familie, von Kindheit, Liebe und Tod. »Heimwärts« geht einen entscheidenden Schritt weiter: Aus dem Sohn ist nun selbst ein Vater geworden. Die vergangene Kindheit ist zwar weiterhin mächtig und präsent. In der Gegenwart aber geht es um die Stimme der nächsten Generation.
Michael Lentz erinnert sich in »Heimwärts« an die unheimlichen Jahre der alten Bundesrepublik. Zwischen Apfelkuchen und Zorn, zwischen Matchboxautos und Metaphysik spielt sich in seinem neuen Roman eine westdeutsche Kleinstadt-Kindheit ab. Regelmäßig rutscht dem Vater die Hand aus, oder man begegnet sich wortlos im Haus. Es gibt viel zu essen, und die Mutter sorgt für Ordnung und schlechtes Gewissen. Unterbrochen werden die Erinnerungen von der Stimme eines Kindes, das die alte Bundesrepublik nur noch vom Hörensagen kennt und mit all dem alten Kram heute nicht mehr viel anfangen kann.
Seit »Muttersterben« erzählt Michael Lentz virtuos von Herkunft und Familie, von Kindheit, Liebe und Tod. »Heimwärts« geht einen entscheidenden Schritt weiter: Aus dem Sohn ist nun selbst ein Vater geworden. Die vergangene Kindheit ist zwar weiterhin mächtig und präsent. In der Gegenwart aber geht es um die Stimme der nächsten Generation.
Michael Lentz, 1964 in Düren geboren, lebt in Berlin. Autor, Musiker, Herausgeber. Zuletzt erschienen: der Roman 'Schattenfroh. Ein Requiem' (2018), der Kommentar 'Innehaben. Schattenfroh und die Bilder' (2020), der Gedichtband 'Chora' (2023), der Roman 'Heimwärts' (2024) sowie 'Grönemeyer' (2024), alle bei S. FISCHER. Michael Lentz wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und dem Walter-Hasenclever-Literaturpreis. Für 'Chora' und sein Gesamtwerk erhielt Michael Lentz den Bettina-Brentano-Preis für Gegenwartslyrik 2024. Literaturpreise: Literaturförderpreis des Freistaates Bayern 1999 Aufenthaltstipendium Villa Aurora in Santa Monica, Kalifornien/USA 2001 Ingeborg-Bachmann-Preis 2001 Preis der Literaturhäuser 2005 Walter-Hasenclever-Literaturpreis 2012 Bettina-Brentano-Preis für Gegenwartslyrik 2024
Produktdetails
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 28. Februar 2024
- Deutsch
- Abmessung: 206mm x 132mm x 33mm
- Gewicht: 428g
- ISBN-13: 9783103975185
- ISBN-10: 310397518X
- Artikelnr.: 69164214
Herstellerkennzeichnung
FISCHER, S.
Hedderichstraße 114
60596 Frankfurt
produktsicherheit@fischerverlage.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Katharina Teutsch liest den neuen Roman von Michael Lentz in der Tradition literarischer Texte männlicher deutscher Schriftsteller, die sich mit ihrer Familiengeschichte beschäftigen, zuletzt etwa Wolf Haas oder Frank Witzel. Im Zentrum des Romans steht die Auseinandersetzung mit einem dominanten Vater und einer passiven Mutter. Davon ausgehend begibt sich Lentz Teutsch zufolge in eine familiäre Vergangenheit, die von Projektionen und Unausgesprochenem bestimmt war. Ein zorniges Kind war der Erzähler und darin dem Vater ähnlich. Und auch heute ist der Erzähler noch voller Wut, erkennt die Rezensentin, die bald eine zweite Erzählstimme wahrnimmt: Jene des Kindes des erwachsenen Erzählers. Einmal mehr vermisst Lentz das eigene Leben in all seiner Ambivalenz - und zwar mit "universalpoetischem Eifer", wie Teutsch schließt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Irrenhaus und Paradies
Schlagende Hand, schreibende Hand: Im Roman "Heimwärts" erinnert sich Michael Lentz an seine Familie und das Elternhaus.
Von Katharina Teutsch
Mutter, Vater, Schrift: Kurz, aber profund ist das Glossar des Romanciers Michael Lentz. 1964 wurde er im nordrhein-westfälischen Düren geboren als Sohn des dortigen Oberstadtdirektors, dessen Patriarchensterben Lentz vor sechs Jahren unter dem Titel "Schattenfroh" zu einem mehr als tausend Seiten umfassenden Requiem inspiriert hatte. Dem Vatersterben war 2001 das "Muttersterben" vorausgegangen - zum Vaterbuch ein schmaler Gegenentwurf, der Lentz den literarischen Durchbruch brachte.
Nun geht der Neunundfünfzigjährige in
Schlagende Hand, schreibende Hand: Im Roman "Heimwärts" erinnert sich Michael Lentz an seine Familie und das Elternhaus.
Von Katharina Teutsch
Mutter, Vater, Schrift: Kurz, aber profund ist das Glossar des Romanciers Michael Lentz. 1964 wurde er im nordrhein-westfälischen Düren geboren als Sohn des dortigen Oberstadtdirektors, dessen Patriarchensterben Lentz vor sechs Jahren unter dem Titel "Schattenfroh" zu einem mehr als tausend Seiten umfassenden Requiem inspiriert hatte. Dem Vatersterben war 2001 das "Muttersterben" vorausgegangen - zum Vaterbuch ein schmaler Gegenentwurf, der Lentz den literarischen Durchbruch brachte.
Nun geht der Neunundfünfzigjährige in
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Mittelstreckenromanlänge "Heimwärts". So heißt das Familienbuch, in dem Lentz den Abstand zwischen Vater, Mutter und Sohn noch einmal vermisst. Denkt man an die Werke von Kollegen wie Wolf Haas ("Eigentum", 2023), Frank Witzel ("Inniger Schiffbruch", 2021), David Wagner ("Der vergessliche Riese", 2019) oder Arno Geiger ("Der alte König in seinem Exil", 2011), verbindet ihn das mit vielen männlichen Autoren seiner Generation. Auch Lentz unternimmt den Versuch einer sich selbst verortenden Männlichkeit angesichts patriarchalisch einschüchternder Vaterfiguren und enigmatisch einsamer, kontrollierender Mütter. Die lentzsche "verkörperte die von Generation zu Generation weitergereichte psychische Stillstellung von Frauen, deren von den Eltern gegängelter Lebenslauf leerlief und in eine Ehe mündete, die den Stillstand zur repräsentativen Lebensform festschrieb". Das habe sie, so der Erzähler, den Kindern zum Vorwurf gemacht.
Beide elterlichen Temperamente waren zwanghaft und hatten eine "Familienpolitik der Unmündigkeit" ergeben, die Unfreiheit als Grundgefühl auslöste. Zwischen Reihenhäusern, Tante-Emma-Läden, Wäscherei, Amtsgericht und Turnhalle befand sich das Elternhaus als "eine Mischung aus Gefängnis, Irrenanstalt und Paradies". Geblieben sind Erinnerungen an dieses Haus von innen, geblieben sind Gefühle, Projektionen, Heimlichkeiten, die sich wie unsichtbare Leitmotive durch den Text ziehen.
Ein herzkranker Bruder taucht auf im schon bekannten Familienbild und Großeltern, die man teils nur vom Hörensagen kannte. Hinzugekommen ist neben der Stimme des sich erinnernden Ich-Erzählers die Stimme eines Kindes. Dieses Kind sagt nicht "Mutter" oder "Vater", sondern "Papa" und "Mama". Es geht nicht in den "Kindergarten", sondern in die "Kita" und markiert so die Gegenwart. So sind es also zwei Ich-Erzähler, die in "Heimwärts" übereinandergeblendet werden. Redet das Kind des älteren Kindes, so lässt es ein anderes Bild des Vaters entstehen als dieser selbst.
Dieser muss ein zorniges Kind gewesen sein, ein Kind, das den eigenen Insektenzoo in einer wilden Raserei in ein Massengrab verwandeln konnte. Und "Spielzeug war dazu da, zerstört zu werden" - einfach so. Weil es guttat oder interessant war und weil man der Wut vielleicht nicht anders gewachsen war - so wie auch dem Vater die Hand ausrutschte, weil er einer urwüchsigen Wut nicht gewachsen war. Geredet wurde nicht. Wenn das junge Kind seinem Papa komplizierte Fragen über den Tod und das Nichts stellt, erinnert sich das alte Kind, dass solch infames Gefrage in der eigenen Kindheit zur erhobenen Hand des "Impulsprüglers" geführt hätte.
Das cholerische Temperament ist aber ein auf vielfältige Weise vererbliches Ding, und so berichtet auch das Kind des Kindes von einem jähzornigen Papa, der schon mal vor Wut auf das eigene Kind Apfelsaftflaschen auf den Küchenboden schmeißt. Impulse spielen eine große Rolle auch im Leben des alten Kindes. "Meine Mutter war eine liebende Frau", heißt es einmal im Text. "Ich habe sie nie verstanden. Ich verstand nicht, was sie sagte, ich verstand nicht, was sie wollte. Meinen Vater habe ich verstanden."
Sich selbst dabei zu verstehen ist dem Erzähler gerade in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Kind das Allerschwerste. Denn nichts ist zählebiger als ambivalente Gefühle. "Niemand erkennt sich selbst" war die Losung, die Lentz im Vaterroman durch seinen Erzähler "Niemand" ausgegeben hatte. Die Schrift war bei diesem Unterfangen die heimliche Hauptfigur gewesen. Sie kam im Roman in allen erdenklichen Formen vor: als Handschrift, als verblassende Typographie, als Geheimzeichen, als Nichtschrift (in Form von weißen oder schwarzen Seiten), als Schriften, die im Buch übereinander gedruckt und damit unleserlich gemacht waren. Und nicht zu vergessen als Heilige Schrift, die dem erzkatholischen Vater als Urschrift gilt.
Schon hier hatte die Literatur die Oberhand über das Leben gewonnen. Jetzt kommt Lentz auf seinen dritten Fixstern poetischer Reflexion zurück. Des Vaters "schlagende Hand", heißt es in "Heimwärts", ist auch eine mit Begeisterung "schreibende Hand". Und sie schreibt immer zugleich sich selbst: "Neben der Mutterschrift gab es die Vaterschrift. Ging die Mutterschrift leichtfüßig über das Papier, war grazil und schmal in der Führung und neigte nach rechts, so war Vaters Schrift eine Triumphschrift, die breiten Fußes das Feld bestellte und sich doch immer behaupten musste, denn stets schien ihr ein starker Sturm entgegenzublasen, sie kippte nach links, fiel aber nicht um, als lehnte sie sich an die Vergangenheit und wollte das Kommode, das ihr vor die Füße fiel, die jedesmalige Gegenwart, wie ein Hobel spanend abrichten. Ich brauche dich, ich sehe dich nicht, schien die Vaterschrift mit jedem Hobelschritt zu sagen."
Gezähmter als in "Schattenfroh" erzählt Michael Lentz sein Leben als eine Abfolge von Wiederholung und Varianz. "Wo gehen wir denn hin?", heißt es bei Novalis. "Immer nachhause" - natürlich. Das behaupten auch alle lentzschen Texte mit universalpoetischem Eifer.
Michael Lentz: "Heimwärts". Roman.
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2024. 304 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Beide elterlichen Temperamente waren zwanghaft und hatten eine "Familienpolitik der Unmündigkeit" ergeben, die Unfreiheit als Grundgefühl auslöste. Zwischen Reihenhäusern, Tante-Emma-Läden, Wäscherei, Amtsgericht und Turnhalle befand sich das Elternhaus als "eine Mischung aus Gefängnis, Irrenanstalt und Paradies". Geblieben sind Erinnerungen an dieses Haus von innen, geblieben sind Gefühle, Projektionen, Heimlichkeiten, die sich wie unsichtbare Leitmotive durch den Text ziehen.
Ein herzkranker Bruder taucht auf im schon bekannten Familienbild und Großeltern, die man teils nur vom Hörensagen kannte. Hinzugekommen ist neben der Stimme des sich erinnernden Ich-Erzählers die Stimme eines Kindes. Dieses Kind sagt nicht "Mutter" oder "Vater", sondern "Papa" und "Mama". Es geht nicht in den "Kindergarten", sondern in die "Kita" und markiert so die Gegenwart. So sind es also zwei Ich-Erzähler, die in "Heimwärts" übereinandergeblendet werden. Redet das Kind des älteren Kindes, so lässt es ein anderes Bild des Vaters entstehen als dieser selbst.
Dieser muss ein zorniges Kind gewesen sein, ein Kind, das den eigenen Insektenzoo in einer wilden Raserei in ein Massengrab verwandeln konnte. Und "Spielzeug war dazu da, zerstört zu werden" - einfach so. Weil es guttat oder interessant war und weil man der Wut vielleicht nicht anders gewachsen war - so wie auch dem Vater die Hand ausrutschte, weil er einer urwüchsigen Wut nicht gewachsen war. Geredet wurde nicht. Wenn das junge Kind seinem Papa komplizierte Fragen über den Tod und das Nichts stellt, erinnert sich das alte Kind, dass solch infames Gefrage in der eigenen Kindheit zur erhobenen Hand des "Impulsprüglers" geführt hätte.
Das cholerische Temperament ist aber ein auf vielfältige Weise vererbliches Ding, und so berichtet auch das Kind des Kindes von einem jähzornigen Papa, der schon mal vor Wut auf das eigene Kind Apfelsaftflaschen auf den Küchenboden schmeißt. Impulse spielen eine große Rolle auch im Leben des alten Kindes. "Meine Mutter war eine liebende Frau", heißt es einmal im Text. "Ich habe sie nie verstanden. Ich verstand nicht, was sie sagte, ich verstand nicht, was sie wollte. Meinen Vater habe ich verstanden."
Sich selbst dabei zu verstehen ist dem Erzähler gerade in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Kind das Allerschwerste. Denn nichts ist zählebiger als ambivalente Gefühle. "Niemand erkennt sich selbst" war die Losung, die Lentz im Vaterroman durch seinen Erzähler "Niemand" ausgegeben hatte. Die Schrift war bei diesem Unterfangen die heimliche Hauptfigur gewesen. Sie kam im Roman in allen erdenklichen Formen vor: als Handschrift, als verblassende Typographie, als Geheimzeichen, als Nichtschrift (in Form von weißen oder schwarzen Seiten), als Schriften, die im Buch übereinander gedruckt und damit unleserlich gemacht waren. Und nicht zu vergessen als Heilige Schrift, die dem erzkatholischen Vater als Urschrift gilt.
Schon hier hatte die Literatur die Oberhand über das Leben gewonnen. Jetzt kommt Lentz auf seinen dritten Fixstern poetischer Reflexion zurück. Des Vaters "schlagende Hand", heißt es in "Heimwärts", ist auch eine mit Begeisterung "schreibende Hand". Und sie schreibt immer zugleich sich selbst: "Neben der Mutterschrift gab es die Vaterschrift. Ging die Mutterschrift leichtfüßig über das Papier, war grazil und schmal in der Führung und neigte nach rechts, so war Vaters Schrift eine Triumphschrift, die breiten Fußes das Feld bestellte und sich doch immer behaupten musste, denn stets schien ihr ein starker Sturm entgegenzublasen, sie kippte nach links, fiel aber nicht um, als lehnte sie sich an die Vergangenheit und wollte das Kommode, das ihr vor die Füße fiel, die jedesmalige Gegenwart, wie ein Hobel spanend abrichten. Ich brauche dich, ich sehe dich nicht, schien die Vaterschrift mit jedem Hobelschritt zu sagen."
Gezähmter als in "Schattenfroh" erzählt Michael Lentz sein Leben als eine Abfolge von Wiederholung und Varianz. "Wo gehen wir denn hin?", heißt es bei Novalis. "Immer nachhause" - natürlich. Das behaupten auch alle lentzschen Texte mit universalpoetischem Eifer.
Michael Lentz: "Heimwärts". Roman.
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2024. 304 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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[...] viele überragende Sätze. Berrit Dießelkämper Die Zeit 20240411
Rezensentin Meike Feßmann gibt zu, dass nicht alles fraglos aufgeht im neuen Roman von Michael Lentz, in dem der Autor seine Kindheit und das Elternhaus nach dem "Matrjoschka-Prinzip" sehr detailreich "als Sehnsuchtsort" auferstehen lässt. Allerdings bietet der Text laut Feßmann genug Momente, da Lentz Bilder glücken, die in ihrer Verbindung aus Geist und Gefühl an Rilke erinnern, etwa wenn Lentz die Perspektive seines Erzählers und die von dessen Kind miteinander verschränkt. Eine spiegelreiche "Identitätskonstruktion" voller poetischer Träume, schwärmt Feßmann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der Autor Michael Lentz bedauert, dass sein Vater früher wenig von seiner Kindheit erzählt hat. In seinem Roman „Heimwärts“ widmet er sich den eigenen Erinnerungen an die Zeit im Elternhaus in der rheinischen Kleinstadt Düren. Seit vielen Jahren lebt er in Berlin und …
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Der Autor Michael Lentz bedauert, dass sein Vater früher wenig von seiner Kindheit erzählt hat. In seinem Roman „Heimwärts“ widmet er sich den eigenen Erinnerungen an die Zeit im Elternhaus in der rheinischen Kleinstadt Düren. Seit vielen Jahren lebt er in Berlin und erzählt inzwischen auch seinem Sohn von seinen jungen Jahren.
Der Vater des Autors saß der Stadtverwaltung vor und war dadurch eine öffentliche Person. Manches Mal gelang es ihm nicht, seinen Beruf an der Haustür abzustreifen. Er war streng und zur Durchsetzung seines Willens kam es vor, dass er seinen Sohn zügelte, ohne dass seine Frau eingriff. Die Mutter des Autors nahm die klassische Hausfrauenrolle ein, mit der sie, nach Meinung ihres Sohns, nicht zufrieden war.
Doch nicht die Eltern von Michael Lentz stehen in seinem Roman im Mittelpunkt, sondern das Verhalten des Autors als Kind und wie seine Eltern darauf reagiert haben. Es ist eine lose Sammlung von Gedanken, die er in Kapitel zusammenfasst, welche er mit jeweils einem Wort betitelt. Er erinnert sich beispielsweise an die Truhe im Flur des Elternhauses, ans Lernen, eine Spieluhr, seine Ferien und Osterfeste.
Michael Lentz beschreibt feinsinnig nicht nur die Situationen, die ihm in den Sinn kommen, sondern auch, was ihn darin innerlich bewegte und warum er wie handelte. Er lässt den Lesenden tief in seine reiche Vorstellungswelt als Kind schauen und erzählt von seinen Ängsten, seinen Problemen, seinen Träumen und Wunschvorstellungen. Immer wieder versinkt er in seinen eigenen Kosmos, der ihn bis heute begleitet und einzigartige Basis für seine Texte ist. Der Autor gibt zu bedenken, dass er seine Erinnerungen aus heutiger Sicht wiedergibt und damals auch aus anderen Gründen motiviert gewesen sein könnte.
Immer wieder wechselt er unvermittelt die Perspektive und gibt seinem Sohn Worte ein, die dieser über die eigenen Kindheitstage der letzten Jahre erzählt. Es zeigt sich, dass er sich als Vater so verhält, wie er es sich von seinen Eltern für sich gewünscht hätte. Die Übergänge zwischen den Ansichten sind fließend und werden meist mit einem Verweis auf die inzwischen vergangenen Jahre angekündigt. Manchmal bemerkte ich allerdings die Veränderung erst nach mehreren Sätzen. Der Vergleich der Welt eines Kinds von heute und gestern fand ich interessant, denn die jeweiligen Eigenheiten in der Erziehung sind zu erkennen.
Da ich im gleichen Alter wie der Autor bin, habe ich mich gerne gemeinsam mit ihm zurückerinnert. Weil meine Heimatstadt nur 50 km westlich von Düren liegt und ich die Örtlichkeiten kenne, bin ich die Wege mitgegangen und habe mich ebenfalls am Erkennen der mir bekannten regionaler Besonderheiten erfreut, wie zum Beispiel die Sprichworte der Mutter oder die erwähnten Speisen.
Im Roman „Heimwärts“ denkt Michael Lentz an seine Kindheit zurück und nimmt den Lesenden mit zu seinen Erinnerungen an ein Alltagsleben zwischen der Öffentlichkeit des Vaters, der Heimat schaffenden Mutter, dem Verankert sein zwischen den Geschwistern und seinem reichen Innenleben mit Furcht, Respekt und Erlebnishunger. Er findet durch seinen Sohn den Vergleich mit der Gegenwart. Gerne bin ich ihm in die Vergangenheit gefolgt und empfehle das Buch weiter.
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