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Das Urteil der historischen Forschung ist weitgehend einhellig: Der deutsche Adel war während der Weimarer Republik zutiefst konservativ bis rechtsorientiert. Die Familie des letzten Chefs der Reichswehr kann als eindrucksvolles Gegenbeispiel gelten. General Kurt von Hammerstein (1878-1943) war entschiedener Gegner Hitlers und dessen Politik. Seine Töchter Marie Louise, Maria Therese und Helga verzichteten auf Status und Privilegien. Marie Louise und Helga fanden zum Kommunismus und arbeiteten dem Nachrichtendienst der KPD zu. Maria Therese half verfolgten Juden bei der Flucht aus…mehr

Produktbeschreibung
Das Urteil der historischen Forschung ist weitgehend einhellig: Der deutsche Adel war während der Weimarer Republik zutiefst konservativ bis rechtsorientiert. Die Familie des letzten Chefs der Reichswehr kann als eindrucksvolles Gegenbeispiel gelten. General Kurt von Hammerstein (1878-1943) war entschiedener Gegner Hitlers und dessen Politik. Seine Töchter Marie Louise, Maria Therese und Helga verzichteten auf Status und Privilegien. Marie Louise und Helga fanden zum Kommunismus und arbeiteten dem Nachrichtendienst der KPD zu. Maria Therese half verfolgten Juden bei der Flucht aus Nazi-Deutschland.Gottfried Paasche, Sohn von Maria Therese von Hammerstein und Enkel von Hans Paasche, entwirft ein grandioses Panorama einer Familiengeschichte des 20. Jahrhunderts, die eine Geschichte zwischen Tradition und Widerstand, zwischen Anpassung an gesellschaftliche Normen und Auflehnung gegen den heraufziehenden Nationalsozialismus ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2022

Aufbrüche aus dem Bendlerblock

Vier junge Frauen aus preußischem Militäradel auf unvermuteten Wegen: Gottfried Paasche erzählt von der Familie Hammerstein.

In einem Interview kurz vor ihrem Tod erzählt Traudl Junge, die sich 1942 im Alter von zweiundzwanzig Jahren erfolgreich als Hitlers Privatsekretärin beworben hatte, vom Moment, in dem ihre Selbstdeutung zerbrach. In München geht die Frau, die ihre Hitlerbegeisterung lebenslang mit dem Verweis auf ihre Jugend erklärt hatte, an einer Gedenktafel für Sophie Scholl vorüber. Um plötzlich zu realisieren, dass die fast gleichaltrige Studentin Scholl 1942 andere Entscheidungen getroffen hatte, als sich bei Hitler zu bewerben.

"Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden, woher das Sanfte und das Gute kommt, weiß es auch heute nicht und muß nun gehen", heißt es bei Gottfried Benn. Im Clinch mit den oft grobschlächtigen Kategorisierungen, die einen Teil der Sozialgeschichte dominiert hatten, war Alf Lüdtke mit dem Konzept des "Eigensinns" hervorgetreten, das sich zur Beschreibung von Individuen verwenden lässt, die sich anders verhalten als im Bauplan ihres Milieus vorgesehen. Der Begriff, nicht zuletzt in der Widerstandsforschung von Bedeutung, taucht auch im Titel auf, den Hans Magnus Enzensberger 2008 seiner schillernden Collage über den charismatischen Chef der deutschen Heeresleitung gab: "Hammerstein oder der Eigensinn".

Unter den bekannten Unbekannten, die 1933 im Arcanum der Herrenzimmergespräche die Machtübergabe verhandeln, ist Kurt Freiherr von Hammerstein eine der interessantesten Figuren geblieben. Im Kreis der mächtigsten Männer der Reichswehrführung gehörte Hammerstein zu den Skeptikern und Gegnern des Nationalsozialismus. Die kühle Verachtung des altadligen Gardeoffiziers für Hitler, die Erzählung vom 1933 erwogenen Putsch sind so bedeutsam wie die vielfachen Verbindungen, die der schnell kaltgestellte Generaloberst bis zu seinem Tod im April 1943 zu konservativen Hitler-Gegnern unterhielt.

Der Schwiegersohn des Generals, der 1920 an der Spitze des Kapp-Lüttwitz-Putsches stand, hatte sieben Kinder, unter denen die Söhne seit Langem durch ihre Nebenrollen im Umfeld des 20. Juli 1944 bekannt sind. Nun legt Gottfried Paasche, ein Enkel Hammersteins und emeritierter Professor für Soziologie an der York University in Toronto, eine in Jahrzehnten in mühevoller Kleinarbeit komponierte Erzählung über die Familie Hammerstein vor, die aus gutem Grund die vier Töchter ins Zentrum stellt.

Was nüchtern und in der Form einer theoriefreien Familiengeschichte daherkommt, ist im Inhalt nicht nur für Leser sensationell, die mit den Standards des konservativen Milieus und des preußischen Militäradels vertraut sind. Der schillernde Selbstdenker Hammerstein fasziniert. Die in der Familie vertretene Spannbreite und das amphibische Leben, das seine Töchter zwischen inkompatiblen Milieus führen, können sogar noch größere Faszinationskraft ausüben. Von der väterlichen Dienstwohnung im Bendlerblock führten Wege in den Wandervogel, in Neuköllner Mietskasernen, Nacktkultur-Camps, zu Hochverrat und Widerstand, ins künstlerische, sozialistische, zionistische und kommunistische Milieu, in dem sich die Generalstöchter wie Fische, vielleicht ließe sich treffender sagen: wie Wale im Wasser bewegten.

Ein Foto auf dem Buchcover zeigt die Mutter des Autors Anfang der Dreißigerjahre in spielerischer Pose auf ihrem Motorrad. Das Bild fängt eindrucksvoll die Ströme individueller Freiheit ein, die das Buch durchziehen. In der Buchmitte zeigt ein Foto einen Mann mit dem klingenden Namen Nafta Nobel, den jüdischen Freund einer der Töchter, der auf einem Pferd der Hammersteins 1932 durch den Tiergarten reitet. Kein geringerer als Kurt von Schleicher wird von den Eltern eingeschaltet, um die Verbindung mit dem jüdischen Medizinstudenten zu torpedieren, und später, um die Töchter, die hin und wieder in der Bendlerstraße mit Carl Schmitt diskutieren, vor dem Zugriff der Gestapo zu retten.

Der Text besteht aus unzähligen Miniaturen, bei denen man staunend verweilt. Eine der Töchter, Marie-Louise, die 1929 im Büro ihres Vaters mit einem kommunistischen Agenten Geheimdokumente über die deutsche Aufrüstung sucht, wird von ihrem jüngeren Bruder ertappt und an die Mutter verraten. Reichswehrminister Kurt von Schleicher agiert für die Familie als "Fixer". Die Szene wiederholt sich vier Jahre später mit der jüngeren Schwester Helga, als Hitler drei Tage nach der Machtübergabe in Hammersteins Esszimmer in der Bendlerstraße vor hohen Reichswehroffizieren seine Kriegs- und Germanisierungspläne entrollt. Gemeinsam mit dem KPD-Agenten Leo Roth fertigt die Zwanzigjährige Fotos des Transkripts an, das nach Moskau gesendet wird.

Die älteste Tochter ist eine Zeit lang mit Wilhelm Scholem liiert, Schriftführer der Roten Fahne, KPD-Abgeordneter und älterer Bruder des Religionsphilosophen Gershom Scholem. Die Beziehung endet lange bevor Scholem 1940 in Buchenwald ermordet wird. Während die NS-Diktatur im Herbst 1934 ihre Form zu finden beginnt, reist ihre jüngere Schwester Maria Therese mit ihrem Mann, dem Sohn des Pazifisten Hans Paasche, der 1920 von Freikorpssoldaten ermordet worden war, in einen Kibbuz nahe Tel Aviv und kostet den Traum vom sozialistisch-zionistischen Kollektiv, bevor der Weg über lange Jahre in Japan in die Vereinigten Staaten führt. Immer wieder werden Mitglieder der Familie von der Gestapo verhört, Wohnungen durchsucht, die Menschenjäger verwechseln erst die Schwestern, später die Söhne. Während jüdische, kommunistische und liberale Freunde in NS-Lagern erschossen oder als Abweichler von Stalins Schergen in den Kellern der Lubjanka ermordet werden, überleben Hammersteins Witwe und alle sieben Kinder den Krieg und die Terrorwelle nach dem 20. Juli.

In der Zeit nach 1945 beginnt sich die Familiengeschichte in einer Mischung aus Erzählen und Schweigen zu formen. Als Höhepunkt dieser innerfamiliären Aushandlungen ließe sich ein Arrangement zwischen den Schwestern ansehen, die Teile ihrer Biographien zum gegenseitigen Nutzen austauschen. Während die in der DDR lebende Schwester einen Teil der kommunistischen Agentenarbeit nun für sich in Anspruch nimmt, was ihr Orden und höhere Pensionsansprüche erbringt, hilft das Schweigen über die KPD-Vergangenheit und konspirative Tätigkeiten anderen, sich im großbürgerlichen Berlin-Dahlem des Kalten Krieges und im von McCarthy durchpflügten Kalifornien mit den Erfordernissen der Zeit zu arrangieren.

Auf faszinierende Weise unklar bleibt auch hier, "woher das Sanfte und das Gute kommt". Unklar auch, ob sich die biographischen Flugbahnen eher aus der offenbar weit gehenden Toleranz der Eltern oder aus besonders kunstvoller Opposition gegen ebendiese erklären lassen. Das Buch drängt keine Erklärungen auf und bietet keine an. Der Text enthält zu viel agierendes Personal, zu viele Details und definitiv zu viele Lichtgestalten. Brüche, Irrtümer und Verrat, Kompromisse, die von Einzelnen mit dem NS-Regime und mit den kommunistischen Apparaten eingegangen werden, bleiben unscharf. Die analytischen Vor- und Nachteile, die sich ergeben, wenn Autoren über die Geschichte ihrer engsten Familie schreiben, sind unübersehbar. Eine Edition des hier in Konturen erkennbaren Quellenschatzes wäre ein Geschenk an die Geschichtswissenschaft. Und eine seltene Chance, vom gänzlich Unerwarteten zu erzählen. Das Buch öffnet ebendafür neue Türen. STEPHAN MALINOWSKI

Gottfried Paasche: "Hammersteins Töchter". Eine Adelsfamilie zwischen Tradition und Widerstand.

Metropol Verlag, Berlin 2022. 352 S., Abb., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Fabian Lehmann sieht in Gottfried Paasches Kollektivbiografie über seine Mutter Maria Therese von Hammerstein und ihre Schwestern mehr als ein Privatvergnügen des Autors. Indem der Autor Befangenheit durch akribische Quellenrecherche und trockene Geschichtsschreibung durch mittels Einflechtung von Briefen und Tagebucheinträgen erlangte lebendige Erzählweisen verhindert, erweitert er die Individualgeschichte laut Lehmann zur "Gegenerzählung", die daran erinnert, dass Adel und Faschismus nicht natürlicherweise zusammengehen. Für Lehmann ein eindringliches Zeugnis aktiver Lebenswege und ebensolchen Widerstands gegen das NS-Regime.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.10.2022

Die wundersamen Töchter des Generals
Konservativer Adel, Hitlerbegeisterung? Nicht in der Familie Hammerstein und schon gar nicht bei deren Töchtern, die eher dem Kommunismus zuneigten.
Gottfried Paasches einfühlsames Porträt über Freiheit und Widerständigkeit in der späten Weimarer Republik und den NS-Jahren
VON WERNER BÜHRER
Als Marianne, die Ehefrau des späteren Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Ernst von Weizsäcker, und Mutter des späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der Familie von Hammerstein im Jahr 1927 einen Besuch abstattete, sah sie sich zu einem vermutlich missbilligenden Kommentar über die „Freiheiten“ der Hammerstein-Töchter veranlasst. „Meine Töchter sind freie Republikaner. Sie können reden und machen, was sie wollen“, soll Kurt von Hammerstein der „imposanten Dame“ erwidert haben. An diese „verblüffende Aussage“ erinnerte man sich in der Familie noch lange – zumal sie von einem Mann kam, der einem Offizierskorps angehörte, das die Republik von Weimar allenfalls „eingeschränkt akzeptierte“.
Diese Episode ist für den Autor Gottfried Paasche, emeritierter Professor für Soziologie an der York University in Toronto, ein Beweis dafür, dass die Töchter sich „ungewöhnlich frei entwickeln konnten“. Er ist der 1937 geborene Sohn von Maria Therese, genannt Esi, der zweitältesten Tochter der Hammersteins. Die älteste hieß Marie Louise, genannt Butzi, die dritte im Bundes war Helga Eleanore, dann kamen drei Jungs – Kunrat, Franz und Ludwig – und zum Schluss Hildur. Alle sieben überlebten „wie durch ein Wunder“ die Nazizeit und den Krieg. Die Darstellung konzentriert sich freilich völlig zurecht auf den „langen, gewundenen und schwierigen Weg“ der drei ältesten Töchter durch das 20. Jahrhundert. Und verständlicherweise nimmt das Schicksal der Mutter des Autors den größten Raum ein.
Ihre Briefe und Tagebücher sowie zahlreiche Gespräche – auch mit den Tanten Marie Luise und Helga und dem Onkel Kunrat – bilden die Materialgrundlage des Buchs, ergänzt durch Briefe, Erinnerungen, Publikationen und Dokumente anderer beteiligter Personen beziehungsweise über sie. Bedauerlicherweise belässt es der Autor bei einem summarischen Verweis auf die benutzten unveröffentlichten Quellen, ohne diese als „Service“ für die künftige Forschung präzise zu benennen – auch wenn sie, wie das „Archiv der Familie Hammerstein“, mittlerweile im Institut für Zeitgeschichte in München verwahrt werden.
Paasche ist nicht der Erste, der die Geschichte dieser ungewöhnlichen Familie in Erinnerung gerufen hat. Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger konzentriert sich in seinem 2008 erschienenen Buch „Hammerstein oder Der Eigensinn: Eine deutsche Geschichte“ (Suhrkamp) allerdings auf Kurt von Hammerstein und versucht zu ergründen, warum der „rote General“ (1878 – 1943) – Chef der Heeresleitung 1930-33, Hitler-Gegner und später Kontaktmann vieler Männer im Widerstand – einen derart ungewöhnlichen Weg wählte. Enzensberger legt Wert darauf, dass sein Buch kein Roman sei. Immerhin hat auch er zahlreiche Archive konsultiert, andererseits lässt er mehrere „posthume Unterhaltungen“ mit verschiedenen Protagonisten und Protagonistinnen in seine Erzählung einfließen.
Paasches „Heldinnen“ sind dagegen Hammersteins Töchter: Keine der drei Frauen entsprach den „normalen“ politischen und gesellschaftlichen Erwartungen an Angehörige adliger Familien. Marie Louise und Helga sympathisierten nicht nur mit kommunistischen Ideen, sie arbeiteten zeitweise für den sogenannten M-Apparat , eine Art Nachrichten- oder Spionagedienst der Kommunistischen Partei Deutschlands. Der „Auftrag“ lautete: „Berichte über Hammersteins Gespräche mit seinen offiziellen Gästen sowie mit seinen Freunden zu verfassen und Dokumente aus dem Tresor seines Büros und von seinem Schreibtisch zu beschaffen“. Beide Schwestern verschafften gelegentlich KPD-Leuten Zutritt zum Büro ihres Vaters. Kurt von Hammerstein war damals unter anderem Chef des inoffiziellen Generalstabs der Reichswehr und Vertrauter des Reichswehrministers Kurt von Schleicher sowie Chef der Heeresleitung – also aus Sicht der KPD eine wirklich wichtige „Quelle“.
Über Marie Louise gelangte beispielsweise ein Brief aus dem Papierkorb ihres Vaters, der als „Beweis für Verbindungen zwischen der Armee und der nationalistischen Rechten“ gedeutet wurde, in die Hände der KPD und in das Parteiorgan Rote Fahne. Die Hinwendung zum kommunistischen Milieu erfolgte hauptsächlich über Freunde und Freundinnen der beiden Schwestern. Beide spionierten ihren Vater offensichtlich ohne größere Skrupel aus, standen Vater und Töchter doch, zumindest bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme, „auf verschiedenen politischen Seiten“ – auch wenn Kurt im Fall einer Enttarnung seiner Töchter wohl versucht hätte, die Angelegenheit „hausintern“ zu regeln. Ungeachtet dieses politisch-weltanschaulichen Motivs bleibt der „Umgang der Kinder mit dem Interessenskonflikt zwischen Familie und kommunistischen Neigungen“ für Gottfried Paasche „rätselhaft“. Während Helga und ihr Ehemann nach 1945 „überzeugte Bürger des Westens“ wurden, zog ihre älteste Schwester 1949 in die DDR und blieb dort bis zu ihrem Lebensende.
Auch Maria Therese sympathisierte mit dem Marxismus, allerdings nur kurz. Wie Marie Louise und Helga hatte sie sehr wenig für das „Weimarer System“ übrig, die Weimarer Verfassung, so Maria Therese, hatte „nichts, was uns mitriss“. Doch mit dem Nationalsozialismus und seinen Anhängern wollte sie ebenfalls „nichts zu tun haben“. Sie war „entschlossen, die Nationalsozialisten nicht in ihr Leben eindringen zu lassen“. Über Freundinnen und Freunde kam sie mit anthroposophisch-spirituellen Ideen und Kreisen in Kontakt, die ihr zeitweise als „Anker“ dienten. Noch stärker wurde indes ihr Wunsch, Deutschland endgültig zu verlassen. Über ihren Freund Klaus Mehnert, der in der Bundesrepublik als Journalist und Experte für Ost- und Asienpolitik von sich reden machen sollte, lernte sie im Oktober 1933 Hans Joachim (Jochen) Paasche kennen, dessen Vater Hans 1920 von Freikorpsleuten ermordet worden war.
Bereits im März 1934 heirateten die beiden, und im November 1935 wanderte das junge Ehepaar nach Japan aus – und kam damit „vom Regen in die Traufe“: Sie waren „um die halbe Welt gereist“, nur um „erneut mit Nationalsozialisten konfrontiert zu werden“, diesmal in Gestalt der Mitglieder der deutschen Kolonie. 1948 kehrte die inzwischen auf sechs Personen angewachsene Familie Japan den Rücken und wanderte nach Amerika aus. Dort begann sich das FBI vor dem Hintergrund der „antikommunistischen Hysterie der Fünfzigerjahre“ für Maria Therese zu interessieren. Enzensberger kommentiert dieses Schicksal in seinem Buch mit den lakonischen Worten: in Deutschland beschattet, in Japan beargwöhnt, wurden die beiden nun vom FBI verdächtigt.
Es ist wahrlich ein beeindruckendes „Zeitbild“, so der Historiker Peter Steinbach in seiner Einführung, das Gottfried Paasche auf unprätentiöse Art zeichnet, eine „packende Erzählung der Widersprüchlichkeiten des 20. Jahrhunderts“ anhand der Lebenswege dreier aus der Art geschlagener Töchter. Diese Einführung sollte man übrigens besser zum Schluss lesen, weil sie teilweise Fragen aufwirft, die zwar entscheidend sind für die Widerstandsforschung, wie Steinbach zu Recht anmerkt, die der Autor aber nicht zu beantworten beansprucht – jedenfalls nicht direkt und konkret. Was stattet Menschen mit der Kraft zur Widerständigkeit aus? Sind es „Traditionen, Verfolgungswahrnehmungen, familiäre Konstellationen, sind es konfessionelle, politische, weltanschauliche Prägungen“? In Gottfried Paasches ergreifendem Bericht finden sich Antworten, aber der Autor überlässt es den Leserinnen und Lesern zu entscheiden.
In Deutschland beschattet,
in Japan beargwöhnt,
in den USA im Visier des FBI
Gottfried Paasche:
Hammersteins Töchter. Eine Adelsfamilie zwischen Tradition und Widerstand. Metropol-Verlag, Berlin 2022. 352 Seiten, 24 Euro.
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