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Romeo und Julia im heutigen Deutschland: Rico aus Rostock und Julika aus München - bei einem nächtlichen Fest lernen sie sich kennen und kommen nicht mehr voneinander los. Doch wie in Shakespeares Stück droht die Liebe an persönlicher Schuld und der gesellschaftlichen Realität zu scheitern. Zwei Verbrechen und die Vergangenheit Ricos im Dunstkreis politisch fragwürdiger Freunde lösen eine Katastrophe aus ...

Produktbeschreibung
Romeo und Julia im heutigen Deutschland: Rico aus Rostock und Julika aus München - bei einem nächtlichen Fest lernen sie sich kennen und kommen nicht mehr voneinander los. Doch wie in Shakespeares Stück droht die Liebe an persönlicher Schuld und der gesellschaftlichen Realität zu scheitern. Zwei Verbrechen und die Vergangenheit Ricos im Dunstkreis politisch fragwürdiger Freunde lösen eine Katastrophe aus ...
Autorenporträt
Ani, Friedrich
Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet: Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman "Süden und der Luftgitarrist". 2011 wurde der Roman "Süden" mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, ebenso wie 2014 sein Roman "M", der wochenlang auf der KrimiZEIT-Bestenliste stand. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und lebt in München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.08.2003

Der wache Schläfer
Ein Bier auf Friedrich Anis neuen Roman „Gottes Tochter”
Handke hat ihn aufgehalten. Nicht in persona, sondern dessen neues Buch. Friedrich Ani ist der letzte bekennende Handke-Leser.
Jetzt sitzt der letzte bekennende Handke-Leser in einem Wirtshaus im Münchner Tal, wo man sich Handke nur schwer vorstellen könnte. Ani hingegen kann man sich hier gut vorstellen. Er versteht was von Wirtshäusern. So scheint auch dieses Bräuhaus zunächst eine gute Wahl, weil es kein ABM-Gasthaus ist. Im Osten gibt es ABM-Stellen, im Westen ABM-Gasthäuser. „Das bedeutet Auf-Bayerisch-Mach-Kneipen. Da stellen die Brauereien abgebeizte Holztische rein und Extremdialekt sprechende Leute hinter den Tresen, die Wirte schreiben die Gerichte auf Bayerisch in die Speisekarten und auf die Schiefertafeln, und sie haben nicht nur eine Schanklizenz, sondern auch eine Duzlizenz. In allen Lokalen sieht die Einrichtung gleich aus, die Messer und Gabeln und Servietten stecken in grauen Steinkrügen, die Bedienungen tragen Dirndl oder Kniebundhosen und simulieren Freundlichkeit, solange man sie nach einer halben Stunde nicht fragt, wo das Essen bleibt.” So erklärt Hauptkommissar Tabor Süden Marlen den Westen. Marlen lebt im Osten. Vielleicht in Rostock.
Friedrich Ani hat ein neues Buch geschrieben, „Gottes Tochter”. Gestern ist es erschienen. Es ist ein Süden-Krimi, aber keiner aus der Taschenbuchreihe. Süden gibt es von innen und von außen. Von innen erzählt er in Ich-Form kleine, umgrenzte Geschichten aus seinem Leben, dem Leben eines ichbezogenen Kommissars, der im Vermisstendezernat arbeitet. Diese Reihe wird sich Süden quasi selbst weiterschreiben, mit Anis Hilfe sozusagen, noch zwei Jahre wohl. Der Süden von außen ist der aus „German Angst”: eine Zumutung, die man eigentlich „nicht auf die Straße lassen darf”, der erste Nebendarsteller in der Geschichte anderer Menschen. In „Gottes Tochter” ist es die Geschichte von Rico und Julika. R und J. Romeo und Julia.
Mittlerweile hat Friedrich Ani auf der Getränkekarte ein Erzeugnis namens „Eisbock” entdeckt. Die Vorstellung von zwölf Prozent Alkoholgehalt lässt ihn erschauern. Gleichzeitig ermuntert der „Anprangerer von Kleinigkeiten” (Ani über Ani) den Gesprächspartner mit listiger Freude, dieses Getränk zu bestellen – er würde auch davon kosten. Später wird auch die Bedienung aufgefordert werden, diese süßlich-schlammige Form eines in Weißbier aufgelösten Biertisches zu versuchen. Sie schaut wenig begeistert drein. Begeisterter schaut die Kuh, deren Konterfei sich am Boden des Wasserglases findet. Wasser heißt hier „Doc Schneider’s spritziges Nass”, Apfelschorle „Doc Schneider’s Energie Spritz’n”. Warum ein Apostroph? Warum Doktor? Handelt es sich um Arzneimittel? Vielleicht wäre jene Kneipe in der Fraunhoferstraße doch der bessere Treffpunkt gewesen, die Ani in „Gottes Tochter” als Zufluchtsort beschreibt, mit der „humanitärsten Wirtin der Stadt”, mit dem Wirt, der „La Paloma” auf der Ziehharmonika spielt und die neuerdings „von Jura- und Betriebswirtschaftsstudenten heimgesucht wird”. Doch eigentlich geht man dort später hin. Zu spät für Ani: „Mir entgeht ja vieles, weil ich so ein Schläfer bin.”
Ein merkwürdiger Schläfer, der in acht Monaten fünf Fassungen eines 400-Seiten-Romans schreibt, vier verwirft und aus der einen verbliebenen drei Endfassungen für seinen Lektor bastelt. „Gottes Tochter” spielt, wie die anderen Süden-Hardcover, nach der Taschenbuchreihe. Und immer noch ein paar Jahre vor unserer Zeit. Zwischen 1992 und jetzt. 1992 grölte der Mob, weil ein Asylantenheim in Rostock brannte. Dieses Ereignis ist ein Vehikel, eine Möglichkeit. Ein Ereignis dieser Art ist die Wirklichkeit, an der die Figuren nicht vorbei kommen. Ani ist der „Chronist am Wegesrand”, kein Historiker, Anis Orte sind Konzentrate. Rostock wird im Roman nie genannt, München auch nicht. Aus München flieht Julika vor ihrem von ihr als erdrückend besitzergreifend empfundenen Vater. Zu Rico. Und Rico war damals dabei, als das Haus brannte. Wie Juri und Steffen, seine Freunde.
Weil er die beiden Liebenden mag, weil er Süden mag, weil er eine deutsch-deutsche Geschichte geschrieben hat, ein Thema von einer Größe, mit der er nicht „in der Taschenbuch-Reihe herumwedeln” mag, ist „Gottes Tochter” seiner Meinung nach Anis wichtigstes Buch. Er lernte Erzählweisen vom Film, und er fügt ein Passepartout ein: Shakespeares „Romeo und Julia”. Ein Spiel vielleicht. Gleiche Anzahl an Morden. Und gleiche Voraussetzungen: Shakespeare erklärt eine Liebe von Anfang an für unmöglich und schaut dann, wie die Figuren damit zurecht kommen. In „Gottes Tochter” bleibt noch einer übrig, der damit nicht zurecht kommt. Süden.
„Von einsamen Männern verstehe ich etwas. Von einsamen Frauen auch.” Sagt Ani. Und denkt über eine Kneipe nach, aus der man etwas mitnehmen könnte, was bleibt. Anderswo.
EGBERT THOLL
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