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"Mit Sibylle Berg vom Leben träumen und ins Unglück stolpern." Die ZeitHaruki Murakami sitzt auf einem Stühlchen in einem Zimmer und Herr Droste ist ein sehr guter Mensch. Die Geschichten von Sibylle Berg sind schön, aber keineswegs harmlos, durchzieht sie doch ein untergründiges Unbehagen. Wenn Sibylle Berg schreibt, dann ist Schluss mit dem journalistischen Einerlei. In Gold spürt man ihre Schreibwut, ihren schonungslosen Blick, einfach alles, was sie berühmt und berüchtigt gemacht hat. In ihren Artikeln und Reisereportagen erfährt man alles über noch bessere Menschen, geschlechtliche Dinge,…mehr

Produktbeschreibung
"Mit Sibylle Berg vom Leben träumen und ins Unglück stolpern." Die ZeitHaruki Murakami sitzt auf einem Stühlchen in einem Zimmer und Herr Droste ist ein sehr guter Mensch. Die Geschichten von Sibylle Berg sind schön, aber keineswegs harmlos, durchzieht sie doch ein untergründiges Unbehagen. Wenn Sibylle Berg schreibt, dann ist Schluss mit dem journalistischen Einerlei. In Gold spürt man ihre Schreibwut, ihren schonungslosen Blick, einfach alles, was sie berühmt und berüchtigt gemacht hat. In ihren Artikeln und Reisereportagen erfährt man alles über noch bessere Menschen, geschlechtliche Dinge, Werbung und Freizeitaktivitäten. Und natürlich alles über Frau Berg. Denn sie teilt nicht nur aus, sondern richtet sich auch gnadenlos selbst. Gold versammelt Frau Bergs Reiseberichte aus Wien, Bangladesh, Weimar und Castrop-Rauxel, ihre Porträts von Gerhard Schröder und dem Massenmörder Leszek Pekalski. Die schönsten Leserbriefe ihrer Fans, die heftigsten Verrisse ihrer Kritiker und sogar drei Gedichte. Für die Taschenbuchausgabe von Gold hat Frau Berg ein paar neue Texte geschrieben, als Bonbon sozusagen. Mehr Berg, mehr Gold.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2000

Christbaumschmuck
Sibylle Berg ganz in Gold · Von Kristina Maidt-Zinke

Nicht alles, was Gold ist, glänzt. So manche Preziose versteckt sich unter rauhem Putz, so manches Herz aus purem Edelmetall schlägt unter einer glamourlosen Hülle. Umgekehrt verkauft sich, was der eine oder andere sonst nur mit spitzen Fingern anfassen würde, gleich viel besser, wenn es von außen schön blank ist und verführerisch schimmert. Auf diesen Effekt setzte Sibylle Berg schon bei ihrem letzten Buch "Amerika", dessen luxuriös-lasziver Schutzumschlag für den unfrohen Inhalt entschädigte. Jetzt will sie mit dem Titel "Gold" in kostbar funkelnder Blockschrift auf schwarzem Grund jene Leser ködern, die in Zeiten labiler Börsenkurse nach bleibenden Werten gieren. Und siehe da, sie werden solide bedient, denn diesmal handelt es sich nicht um einen sogenannten Roman, der dann keiner ist, sondern um eine Auswahl von Texten des Genres, das den Ruhm der Autorin begründete und ihr sprödes Ingenium zum Leuchten bringt: Journalistenprosa der maliziösen bis bizarren Art, verteilt auf Kolumnen, Reportagen und Besinnungsaufsätze.

Es gab einen Tag, an dem Frau Berg beschloß, kein Journalist mehr zu sein; das war, als sie den netten Musiker Philipp Boa porträtieren sollte und während des Interviews feststellte, daß ihre Zähne länger wurden, die Ohren spitz und die Augen gefräßig, daß ihr Schuppen wuchsen und Krallen, die sie in ihr Opfer schlug, um ihm "Teile" zu entnehmen: "Der Atem des Schreibenden ist das Leben der anderen, das gilt es zu zerkauen, zu erbrechen, für eine Geschichte, die nicht mal die Halbwertzeit eines Stuhlgangs hat." Es gab auch einen Tag, an dem Frau Berg sterben wollte, ans Bett gefesselt von der gallebitteren Erkenntnis: "So sind wir ins Licht geworfen, und keiner weiß, wozu." In beiden Fällen hat sie es sich anders überlegt, und das ist gut so, denn manchmal brauchen wir jemanden, der stellvertretend für uns alle sagt, wie es ist mit dem Leben oder dem Journalismus, und zwar so rotzig und renitent, wie wir es uns nie trauen würden. Danach können wir erleichtert weitermachen, und wer uns dabei Trost spendet, ist wieder Frau Berg: "Irgendwelche Kleinigkeiten gibt es immer, die einen dazu anhalten, weiterzumachen. Die Blätter wieder wachsen sehen, eine neue Liebe, ein guter Kartoffelbrei . . ."

Oder ein Buch wie dieses, ein Buch "wie ein intelligent geschmückter Weihnachtsbaum, der an einem Fenster steht, in einem kleinen Bauernhaus, draußen Schnee und Berge, und Oma lebt noch". So dreist preist die aus Weimar gebürtige Wahlschweizerin im Vorwort ihre eigene Start Collection an, und sie hat nicht einmal unrecht. Gewiß finden sich unter den Beiträgen, die zum größeren Teil im verstorbenen "Zeit-Magazin", zum kleineren in schnellebigen Damenzeitschriften erschienen sind, auch solche, in denen die kreißende Berg nur ein struppiges Mäuslein gebar. Stets aber bleibt sie in ihrer Schreibwut radikal, bewegt sich entweder diesseits oder jenseits der aurea mediocritas, mit der die Mehrheit ihrer Kollegen auf Nummer Sicher geht. Das bringt ihr glühende Verehrung, zweifelhafte mäzenatische Angebote und ernst gemeinte Heiratsanträge ein, doch mindestens ebensoviel Protestpost von literarischer Kabarettreife. Es gehört zu den Meriten des Bändchens und verstärkt seinen Christbaumcharakter, daß ihm die hübschesten Leserbriefe aus beiden Lagern beigegeben wurden, nebst Stilblüten aus Versuchen von Kritikern, die Bergschen Stilbrüche zu würdigen. "Mündliche und schriftliche Sprache gehen zuchtlos durcheinander", heißt es mäklig oder lapidar: "Der Mensch ist ein Schwein."

Über gute und böse Menschen werden wir in dieser nachtschwarzen Goldgrube unterrichtet, über geschlechtliche Dinge und Gefühle im allgemeinen, über fremde Städte und Länder, Werbung und die Freizeitaktivitäten von Lesern, über Tiere und rollende Gegenstände, Anziehsachen, kulturelle Angelegenheiten und Herren mit seltsamen Berufen: Mehr kann man kaum verlangen. Eine konstitutionelle Verwandtschaft läßt sich ausmachen zwischen Sibylle Berg und einem prominenten Kolumnisten, dessen Name wie ihr Buchtitel klingt. Ihr fehlt indes sein Phlegma, während ihm der Furor abgeht, mit dem sie sich als Reporterin fallweise dem Fürchterlichen ironiefrei ausgesetzt hat, in Kambodscha, in Mazedonien oder in der Besuchszelle eines polnischen Massenmörders. Die Geschichte einer "Tour de Trance" mit dem damals noch als Ministerpräsidenten und Eventuell-Kanzler lächelnden Gerhard Schröder muß zu den Juwelen der Wahlkampfreiseberichterstattung gezählt werden. Ein paar erstveröffentlichte, weil von Magazinen oder Verlagen abgelehnte Stücke verraten viel mehr über die Ablehner als über Frau Berg, die mit manchen Sachen immer noch hinter dem Berg hält und beispielsweise den Chronisten der "Thüringer Allgemeinen" dadurch enttäuschte, daß sie sich bei einer Lesung nicht auszog. Drei bis dato ungedruckte Berg-Gedichte schließlich geben Antwort auf die Frage, warum die Autorin nie versucht hat, als Lyrikerin zu reüssieren.

"Das ist ein schönes Buch", wie das Vorwort verheißt. Es könnte noch schöner sein, wenn die goldige Umschlaggestaltung sich bis auf die Rückseite erstreckt hätte, wo ordinäres Orange das Auge quält, und wenn die Quellenangaben jeweils das Erscheinungsdatum enthielten, was der Einordnung in den historischen Kontext dienlich wäre. Nach der verlangt es früher oder später selbst den geneigtesten Leser solcher Sammlungen, denn sub specie aeternitatis ist auch Gold eine flüchtige Substanz.

Sibylle Berg: "Gold". Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2000. 251 S., br., 24,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.12.2000

Literatur
Gold für alle Fälle
Unverschämt gute Reportagen
und Kolumnen von Sibylle Berg
Um Sibylle Berg ein wenig zu verstehen, muss man wissen, dass sie in Zürich lebt und sich besonders freut, wenn sie auf dem Heimweg mal eins der zahlreichen Zürcher Jaguar-Taxis erwischt. Wenn sie nicht Jaguar fährt oder Sushi isst, schreibt sie die wahnsinnigsten, poetischsten und absurdesten Texte, die man je in Frauenzeitschriften wie Annabelle, Zeitmagazin oder Allegra zu lesen bekam. Und schon weil man sich nicht so oft die Allegra kauft, muss man dem Hoffmann und Campe Verlag dankbar sein, dass er jetzt Sibylle Bergs beste Aufsätze, Reportagen und Gemeinheiten unter dem völlig berechtigten Titel „Gold” herausgibt. Darin befinden sich unter anderem so ernste Texte wie „Der Totmacher”, so unverschämte Kolumnen wie „Ich will einen Pelzmantel” und ein schöner Text über das gute alte Seele-herausbrüll-Theater: „Auf der Bühne hüpfen stark geschminkte, verkleidete Menschen herum, die langweilige Texte in schlechter Betonung aufsagen. Wahhs, du gehhhsttt? . . . Sollen die Theater dichtmachen von mir aus, Schauspieler mag ich sowieso nicht. Eitle Fatzkes meist, die ohne Anleitung in ihrer dünnen Seele wühlen und glauben, die Welt verlange danach zu sehen, was sie in sich haben. Theater zu fördern ist, als würde man seit Jahrtausenden die Erhaltung der Höhlenmalerei fördern. ”
Außerdem in „Gold”: Die beste Reportage, die je über Gerhard Schröder geschrieben wurde („Tour de Trance – Nicht richtig böse. Aber Kanzler”). Gratis dazu gibt es dann noch Liebesbriefe hingerissener und Amokläufe erboster Leser sowie die dämlichsten Sätze aus Rezensionen über Sibylle Berg: „Und da liegt der springende Punkt” (Zeit), oder, auch schön: „Mündliche und schriftliche Sprache gehen zuchtlos durcheinander” (Berliner Zeitung). „Gold” hat, zumal unter den vielen sturzöden Sammelbänden der letzten Zeit, das verdient, was sein Titel verlangt. Alles glänzt in diesem Buch. Und ist Gold wert.
nma
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"Viele dieser Texte fuhren ein wie unbekannte, seltsame Drogen." (taz) "Bittere Melange aus Ingeborg Bachmann, Stephen King und MTV." (facts)