Der Islam- und Literaturwissenschaftler Stephan Milich, der in Freiburg und Kairo mit dem Schwerpunkt Arabische Literatur studierte, entdeckt in seiner nun vorliegenden Veröffentlichung auch für das deutsche Publikum der alten Bundesländer den palästinensischen Exildichter Mahmoud Darwisch.
Bereits
in den siebziger Jahren erregte Mahmoud als junger Dichter mit ersten, aus dem Arabischen…mehrDer Islam- und Literaturwissenschaftler Stephan Milich, der in Freiburg und Kairo mit dem Schwerpunkt Arabische Literatur studierte, entdeckt in seiner nun vorliegenden Veröffentlichung auch für das deutsche Publikum der alten Bundesländer den palästinensischen Exildichter Mahmoud Darwisch.
Bereits in den siebziger Jahren erregte Mahmoud als junger Dichter mit ersten, aus dem Arabischen übersetzten Gedichten in Europa Aufmerksamkeit. Vor allem in Frankreich und im Ostblock wurde er als sogenannter Widerstandsdichter gefeiert. Zu diesem Zeitpunkt, noch nicht einmal dreißig Jahre alt, war er bereits, zusammen mit Adonis, der bekannteste Dichter der arabischen Welt.
Bis zu seinem Tod am 09. August 2008 galt Mahmoud fast vierzig Jahre lang als DIE STIMME PALÄSTINAS, die dem entrechteten und in seiner Existenz bedrohten palästinensischen Volk ein kollektives Selbstbewusstsein gab.
Bemerkenswert ist, dass Mahmoud Darwisch in dieser Rolle niemals aufging: besonders in seinen letzten Lebensjahren stellte er persönliche Liebesgedichte über seine politische Dichtung und erntete damit immer wieder Kritik seiner politischen Weggefährten. Und doch waren auch seine ganz persönlichen Gedichte - Liebesgedichte auf seine jüdische Geliebte und Trauergedichte auf seine Freunde - immer politisch. Wahrscheinlich wären sie gar nicht entstanden, wenn die politische Entwicklung im Nahen Osten irgendwann andere Wege eingeschlagen hätte ...
Mahmoud wird 1948 siebenjährig im israelischen Unabhängigkeitskrieg aus dem damaligen Palästina in den Libanon vertrieben. 1950 kehrt er heimlich in seine alte Heimat, die nun Israel heißt, zurück. 1970 muss er den sogenannten Judenstaat unter politischem Druck erneut verlassen, wo er in Haifa in der Redaktion einer kommunistischen Literaturzeitschrift arbeitete. Nach Aufenthalten in Moskau und in verschiedenen arabischen Ländern lebt er ab 1972 fast zehn Jahre lang in Beirut, wo er sich der palästinensischen Befreiungsbewegung anschließt. 1982 vertreibt die israelische Armee die Palästinenser aus dem Libanon, den Mahmoud gemeinsam mit Jassir Arafat über Zypern Richtung Paris verlässt.
In der französischen Metropole lernt er das Werk des großen Exildichters Paul Celan kennen, mit dem er sich gleich verwandt fühlt. In Paris und später nach seiner Rückkehr in die arabische Welt, in Ramallah (Westjordanland) und Amman (Jordanien) reflektiert Mahmoud sich schließlich selbst als Dichter des Exils.
Celan zur Antwort schreibt er:
EINE WOLKE ZOG VON SODOM NACH BABEL
VOR HUNDERT JAHREN, DOCH IHR DICHTER, PAUL
CELAN, BRACHTE SICH HEUTE UM IN DER SEINE ...
WER BIN ICH?
WER BIN ICH NACH DEINER NACHT,
DER LETZTEN WINTERNACHT?
Stephan Milich geht in dieser Monographie über Mahmoud Darwisch insbesondere ein auf seine früheren Gedichte, die bereits in jugendlichen Jahren auf sein endgültiges Exil vorbereiten:
ERZÄHL MIR VON DEN NESTERN, DIE DER WIND VERSTREUT,
VOM RAUSCHEN DER MAULBEERBÄUME MITTEN IM DORF,
VON IHREM DUFT, DER DURCH UNSERE TRÄUME ZIEHT.
Jahre später schreibt er über seine jüdische Geliebte:
NICHT GENUG WAR ES, DASS WIR ZUSAMMEN SIND
NUR UM ZUSAMMEN ZU SEIN ...
UNS FEHLTE EINE GEGENWART, UM ZU ERKENNEN,
WO WIR SIND. DAMIT WIR GEHEN, WIE WIR SIND,
EINE FREIE FRAU
UND EIN ALTER FREUND
DAMIT WIR GEMEINSAM AUF ZWEI VERSCHIEDENEN WEGEN GEHEN ...
Und im GAZAL (Niedriger Himmel) schreibt schreibt er später:
DA GIBT ES EINE LIEBE, DIE AUF ZWEI SEIDENEN FÜSSEN GEHT,
GLÜCKLICH MIT IHRER FREMDHEIT IN DEN STRASSEN.
EINE KLEINE, ARME LIEBE, DIE DER VORBEIZIEHENDE REGEN DURCHNÄSST
SO ÜBERFLUTET SIE DIE PASSANTEN:
MEINE GESCHENKE SIND GRÖSSER ALS ICH
ESST VON MEINEM WEIZEN
UND TRINKT VON MEINEM WEIN
DENN MEIN HIMMEL LIEGT AUF MEINER SCHULTER UND MEINE ERDE GEHÖRT EUCH .